LG Hamburg, Urteil vom 23.06.2017 - 306 O 395/16
Fundstelle
openJur 2020, 1480
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.651,09 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2014 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 26.651,09 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche nach § 110 HGB geltend.

Der Kläger ist Kommanditist der Beklagten, die ein Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft ist. Sie hält seit dem 2.9.1993 eine Immobilie in der S.str. ... in B.. Ankauf und Errichtung wurden durch ein Darlehen der S. Bank AG (nachfolgend: " S. Bank") finanziert. Nachdem nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.9.2003 ein unmittelbarer Nachfolgemieter für die Immobilie nicht gefunden werden konnte, traten bei der Beklagten wirtschaftliche Schwierigkeiten auf, so dass das Darlehen nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden konnte. Es wurden daraufhin zwischen der Beklagten und der S. Bank im Jahr 2008 Gespräche über eine etwaige geregelte Liquidation geführt, wo es auch um den Verkauf der Immobilie ging. Ein Verkauf kam nicht zustande. Erneute Verhandlungen führten zu einem Angebot der S. Bank an die Kommanditisten, wonach diese einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 34,75 % an die Beklagte zurückzahlen sollten, die das Geld ihrerseits an die S. Bank weiterleiten sollte, wobei die S. Bank im Gegenzug auf weitergehende Ansprüche aus §§ 171, 172 HGB verzichten würde. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (Anlage B1) sieht keine Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausschüttungen an die Beklagte vor. Der Kläger hat die angebotene Freistellungsvereinbarung nicht unterzeichnet. Daraufhin wurde der Kläger von der S. Bank gerichtlich auf Grundlage des § 172 Abs. 4 HGB in Höhe der Ausschüttungen, die er von der Beklagten erhalten hatte (26.651,09 €, so der hier in der Hauptsache geltend gemachten Klagebetrag), in Anspruch genommen. Das Verfahren wurde zunächst vor dem LG Saarbrücken unter dem Az. 1 O 206/11 geführt, das mit Urteil vom 12.10.2012 die Klage der S. Bank abwies (vgl. Anlage K1). Im Laufe des sich anschließenden Berufungsverfahrens vor dem Saarländischen Oberlandesgericht (Az. 1 U 432/12) entschloss sich der Kläger schließlich, die streitige Forderung der S. Bank zu begleichen, woraufhin diese die Berufung zurücknahm.

Vorprozessual forderten die Klägervertreter den vom Kläger an die S. Bank geleisteten Betrag in Höhe von 26.651,09 € mit Schreiben vom 12.6.2014 unter Fristsetzung bis zum 20.6.2014 von der Beklagten ein, wodurch dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € entstanden.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe den Betrag zu erstatten; er stelle ein Sonderopfer i. S. d. § 110 HGB dar. Eine rechtliche Verpflichtung habe der Zahlung an die Beklagte nicht zugrunde gelegen, so dass der Betrag zurückzuerstatten sei. Eine geordnete Liquidation der Beklagten sei - unstreitig - nicht beschlossen worden (Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 29.11.2009; vgl. auch Anlage K3). Seit 2012 bis zuletzt zum 4.9.2016 hätte es weder Gesellschafterversammlungen noch Informationen über den letztlich nicht vollzogenen Kaufvertrag mit der N. V. („NV“) gegeben. Die Teilfälligstellung der Zinsen durch die S. Bank diene lediglich dem Zweck, nicht freiwillig zahlende Kommanditisten zu verklagen. Die Beklagte sei in der Lage, die fällig gestellten Zinsen selbst auszugleichen. Für Baumaßnahmen habe es eine Finanzierungszusage der S. Bank gegeben. Die finanzielle Situation der Beklagten sei geordnet. Das Objekt sei - unstreitig - vollvermietet. Zins- und Tilgungsforderungen seien weitgehend gestundet. Der nunmehr auf der Gesellschafterversammlung vom 4.9.2016 beschlossene freihändige Verkaufs sei rechtswidrig. Die S. Bank habe maßgeblichen Einfluss auf den Fonds. Die Fondsgeschäftsführung handele in ihrem Interesse und nicht im Interesse der Kommanditisten. Die Beklagte wolle im Interesse der S. Bank die Insolvenz so lange hinauszögern, wie sie noch Zahlungen von den vertragstreuen Gesellschaftern erhalten könne. Die S. Bank stelle gerade nur so viel fällig, wie die Liquiditätsreserven der Beklagten noch ausreichen, ohne dass diese bereit sei, die Forderung auszugleichen, um die Insolvenz so lange wie möglich hinauszuzögern und die Inanspruchnahme von Kommanditisten zu ermöglichen.

Der Kläger beantragt,

1. die beklagte Partei zu verurteilen, an den Kläger 26.651,09 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.6.2014 zu bezahlen;

2. die beklagte Partei zu verurteilen, an den Kläger 1.358,86 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.6.2014 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet folgendes ein: Der Gesellschaftsvertrag schließe nicht aus, gezahlte Ausschüttungen zurückzuzahlen. Der Kläger habe nur zu dem Zweck an die S. Bank geleistet, sich einer Verurteilung in dem Verfahren mit der S. Bank AG vor dem Saarländischen Oberlandesgericht zu entziehen; die Zahlung sei nicht im Interessenkreis der Gesellschaft erfolgt. Hinter dem Eigeninteresse des Klägers trete das der Gesellschaft zurück. Der Kläger habe die Zahlung an die S. Bank in Verbindung mit dem Verlangen der sofortigen Erstattung nicht für erforderlich halten dürfen. Der Anspruch des Kläger sei auch nicht fällig, die gesellschaftliche Treuepflicht gebiete ein Zuwarten, zumal der Verkauf der Immobilie bevorstehe. Durch die Inanspruchnahme durch die Kommanditisten werde die geordnete Abwicklung gefährdet. Dafür sei es erforderlich, dass die S. Bank nur einen Teil der Zinsen fällig stellt und dass die fälligen Forderungen der S. Bank mit den Mietüberschüssen ausgeglichen werden, so dass der Entzug dieser Mittel durch die Kommanditisten die geordnete Abwicklung verhindern würde. Das seit dem 15.11.2013 endfällige Darlehen sei bis auf Zinsen in Höhe von wiederkehrend 400.000,00 € gestundet (Anlage B2). Der Kaufvertrag vom 20.12.2013 mit der NV werde wegen Weigerung der Käuferin nicht durchgeführt, die Beklagte könne aus finanziellen Gründen keinen Rechtsstreit führen. Es solle im Wege des Bieterverfahrens ein neuer Kaufvertrag geschlossen werden. In der Gesellschafterversammlung vom 4.9.2015 sei - unstreitig - mehrheitlich ein Auftrag erteilt worden, Verhandlungen mit Interessenten zu führen und zum Abschluss zu bringen. Der Kläger handele auch deshalb treuwidrig, weil er gegen den Verkauf gestimmt habe. Der Zahlung an den Kläger stehe auch entgegen, dass dadurch ein Haftungskarussell entstehe, weil seine Haftung wieder auflebe. Vorgerichtliche Anwaltskosten seien nicht zu erstatten, weil die Beklagte mit dem Schreiben der Klägervertreter vom 12.6.2014 erst in Verzug gesetzt wurde.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist bezüglich des Klagantrags zu 1. begründet. Im Hinblick auf den Klagantrag zu 2. war sie abzuweisen.

I.

Dem Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 26.651,09 € gemäß den §§ 161 Abs. 2, 110 HGB.

1.

Nach §§ 161 Abs. 2, 110 HGB hat der Kläger als Gesellschafter einen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft, wenn er in Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen getätigt hat, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20.6.2005, Az. II ZR 252/03, ausgeführt: „Kommanditisten, deren Kapitalkonto durch gesellschaftsvertraglich zugelassene Ausschüttungen negativ geworden ist und die zur Abwendung einer Krisensituation der Gesellschaft ohne rechtliche Verpflichtung die Entnahmen an die Kommanditgesellschaft zurückzahlen, erbringen auch dann ein die Erstattungspflicht der Gesellschaft nach § 110 HGB auslösendes Sonderopfer, wenn sie mit der Zahlung zugleich dafür sorgen, daß sie in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren im Außenverhältnis nicht nach § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen werden können.“ (amtl. Leitsatz)

So liegt auch der vorliegende Fall. Der Kläger hat die empfangenen Ausschüttungen zurückgezahlt, ohne dazu im Innenverhältnis zur Beklagten verpflichtet gewesen zu sein; denn unstreitig enthält der Gesellschaftsvertrag (Anlage B1) keine Vereinbarung, die eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft vorsieht. Dies trifft auch für die insoweit direkt in die S. Bank geleisteten Zahlungen zu (vgl. HansOLG, Urteil vom 4.4.2014, Az. 11 U 257/13). Dass die Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen ist, ist unerheblich. Vor allem hat der Kläger auch nicht die von der S. Bank AG und der Beklagten vorgelegte Freistellungsvereinbarung unterzeichnet, wonach ggf. eine Freiwilligkeit der Zahlung anzunehmen sein dürfte (vgl. HansOLG, Urteil vom 16.12.2016, Az. 11 U 196/15).

Bei den geleisteten Zahlungen handelt es sich auch um Aufwendungen in Gesellschaftsangelegenheiten. Da es nicht maßgeblich darauf ankommt, dass der Kläger ggf. einem ihm gegenüber bestehenden Anspruch der S. Bank aus § 172 Abs. 4 HGB folgen wollte, kommt es auch nicht darauf an, ob er durch seine Zahlung einer Verurteilung zuvorkommen wollte. Jedenfalls ergeben sich daraus keine die Gesellschaftsinteressen zurückdrängenden Gesellschafterinteressen.

2.

Die Forderung ist auch fällig, was sich aus § 271 BGB ergibt. Gründe, die der sofortigen Fälligkeit entgegenstehen würden, sind nicht dargetan.

3.

Auch kann dem Kläger kein Verstoß gegen die gesellschaftlichen Treuepflichten entgegen gehalten werden.

Das Landgericht Hamburg hat dazu in seinem Urteil vom 7.3.2017 (Az. 332 O 467/16) betreffend einen gleichgelagerten Rechtsstreit zwischen einem anderen Kommanditisten und der Beklagten ausgeführt:

„Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Zahlung einer geordneten Abwicklung entgegen stehen könnte. Diese ist nicht beschlossen worden, so dass sie dem Kläger auch nicht entgegen gehalten werden kann (vgl. HansOLG vom 13.8.2015, 11 U 25/15). Das Hanseatische Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Beklagte nicht jahrelang die Ausgleichszahlungen verweigern darf, um die Gesellschaft außerhalb eines geordneten Liquidationsverfahrens abzuwickeln (HansOLG vom 3.11.2016, 11 U 105/16). Die Gesellschaft fordert in Umgehung der Mitbestimmungsrechte der Gesellschafter gemäß § 8 Abs. 4 c des Gesellschaftsvertrages für Maßnahmen, die auf einseitigen Maßnahmen der Geschäftsführung beruhen, eine Treuepflicht, die lediglich unter den Voraussetzungen eines Beschlusses gemäß § 8 Abs. 4 c anzunehmen wären (Hans OLG vom 13,8,2015, 11 U 25/15 –Anlage K5 in 311/16). Dem schließt sich die Kammer an, zumal die Geschicke der Gesellschaft einseitig durch die Geschäftsführung in Abstimmung mit der Bank gesteuert werden, ohne dass für die Gesellschafter Inhalt und Folgen der wirtschaftlichen Entscheidungen transparent gemacht werden.

Das Verlangen des Klägers widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.6.2005, II ZR 252/03, der ausgeführt hat:“ Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass Kommanditisten auf diesen Erstattungsanspruch verzichtet haben. Dem Beschluß vom 23. Juni 1998 ist dies nicht zu entnehmen. Nach der Vorgeschichte des - nur zu freiwilligen Zahlungen auffordernden - Beschlusses waren die zahlenden Gesellschafter allerdings gehindert, sofort Erstattung von der Gesellschaft für ihr Sonderopfer zu fordern, weil anders der Zweck der Zahlung, die finanzielle Stärkung der Gesellschaft, die Abwendung der Kreditkündigung durch die H.bank und des dann sofort zu stellenden Insolvenzantrags und der dadurch erstrebte Zeitgewinn für eine freihändige Veräußerung des Gesellschaftsgrundstücks, nicht erreicht werden konnte.“

Dies ist nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Dort hatten sich die Gesellschafter auf der Grundlage eines Beschlusses, der der Insolvenzreife der Gesellschaft Rechnung getragen hat, zu einer freiwilligen Leistung entschieden, so dass sich unter diesen Umständen die sofortige Rückforderung auch als widersprüchliches Verhalten darstellen würde. Diese Konstellation besteht im vorliegenden Fall nicht, so dass dem nach der vorgenannten Entscheidung grundsätzlich gerade bestehenden Anspruch kein entsprechender Einwand der Treuwidrigkeit entgegen gehalten werden könnte.“

Diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen schließt sich das Gericht vollumfänglich an.

Auch der „bevorstehende“, allerdings von Beklagtenseite nicht konkret mit einem Datum in Aussicht gestellte, Verkauf der Immobilie gebietet kein Zuwarten des Klägers. Ein solcher ändert nichts an der vorstehend dargelegten Interessenlage, zumal ein konkreter Verkaufstermin noch nicht benannt werden kann. Umgekehrt dürfte ein konkreter Verkauf, wenn er feststeht, erst recht für das legitime Interesse der Klägers an einer Inanspruchnahme der Beklagten sprechen, da Erstere dann ggf. wieder über liquide Mittel verfügt.

Eine Treuwidrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger dem Verkauf nicht zugestimmt hat. Seine Einschätzung, dass der Verkauf in Anbetracht der von ihm eingeschätzten wirtschaftlichen Situation des Fonds nicht angezeigt sei, widerspricht nicht seinem Zahlungsverlangen.

4.

Zuletzt kommt es auch nicht darauf an, ob durch die Erfüllung der Forderung die Haftung des Klägers wieder aufleben würde. Dieses Risiko ist allein vom Kläger zu tragen, ohne dass es der Beklagte zur Zahlungsverweigerung dienen könnte. Dies gilt ebenso für die grundsätzliche Möglichkeit, insoweit vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden zu können. Dass dies unmittelbar droht, ist nicht vorgetragen.

5.

Der Anspruch des Klägers auf die auf den mit dem Klagantrag zu 1. geltend gemachten Betrag zugesprochenen Zinsen ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit dem Klagantrag zu 2. geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten. Tatsachen, die einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens nach den §§ 286, 249 ff. BGB begründen könnten, sind nicht vorgetragen. Im Gegenteil erfolgte die vorprozessuale Mandatierung der Klägervertreter ausweislich des Schreibens vom 12.6.2014 (Anlage K2) offenkundig schon, bevor der Kläger erstmalig wegen seines Anspruchs an die Beklagte herangetreten war. Auch sonst sind anderweitige, insoweit einen Anspruch begründende Tatsachen nicht vorgetragen.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

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