LG Hamburg, Urteil vom 10.05.2017 - 305 O 365/16
Fundstelle
openJur 2020, 1478
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 35.543,79 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.10.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf € 35.543,79 festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Anspruch aus §§ 161 Abs. 2, 110 HGB geltend.

Die Klägerin ist Kommanditistin der Beklagten, die ein Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft ist. Die Beklagte hält seit dem 02.09.1993 eine Immobilie in der S.str. ... in B.. Ankauf und Errichtung wurden durch ein Darlehen der S. AG finanziert. Nachdem nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.09.2003 ein unmittelbarer Nachfolgemieter nicht gefunden werden konnte, traten bei der Beklagten wirtschaftliche Schwierigkeiten auf, so dass das Darlehen der Bank nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden konnte. Es wurden daraufhin zwischen der Beklagten und der S. AG im Jahr 2008 Gespräche über eine etwaige geregelte Liquidation geführt, in denen es auch um den Verkauf der Immobilie ging. Ein Verkauf kam letztlich nicht zustande. Erneute Verhandlungen führten zu einem Angebot der S. AG an die Kommanditisten, wonach diese erhaltene Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % an die Beklagte zurückzahlen sollten, die das Geld ihrerseits an die S. AG weiterleiten sollte, wobei die Bank im Gegenzug auf weitergehende Ansprüche aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB verzichten würde. Der Gesellschaftsvertrag sieht keine Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausschüttungen an die Beklagte vor. Die Klägerin hat die angebotene Freistellungsvereinbarung mit der Beklagten nicht unterzeichnet.

Die Klägerin wurde sodann außergerichtlich (vgl. Anlage K 1) von der S. AG in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen in Anspruch genommen. Die Klägerin zahlte schließlich die erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von € 35.543,79 an die Beklagte zurück.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.10.2016 (Anlage K 2) forderte die Klägerin die Beklagte zu Rückzahlung der € 35.543,79 bis 24.10.2016 auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte den Betrag in Höhe von € 35.543,79 gemäß §§ 161 Abs. 2, 110 HGB zu erstatten habe. Eine rechtliche Verpflichtung habe der Zahlung an die Beklagte nicht zugrunde gelegen, so dass die Zahlung zurückzuerstatten sei. Eine geordnete Liquidation sei - unstreitig - nicht beschlossen worden (Beschluss vom 29.11.2009). Seit 2012 bis 2016 hätte es keine Gesellschafterversammlungen noch Informationen über einen Kaufvertrag über die Immobilie mit der N. V. gegeben. Die Teilfälligstellung der Zinsen durch die S. AG diene lediglich dem Zweck, nicht freiwillig zahlende Kommanditisten verklagen zu können. Die Beklagte sei dabei in der Lage, die fällig gestellten Zinsen selbst auszugleichen. Für Baumaßnahmen habe es eine Finanzierungszusage der S. AG gegeben. Die finanzielle Situation der Beklagten sei geordnet: Das Objekt sei vollvermietet bei einer Nettomonatsmiete von ca. 120.000,00 € /Monat und Zins- und Tilgungsforderungen seien weitgehend gestundet. Die geplante Durchführung eines freihändigen Verkaufs sei rechtswidrig. Die Fondsgeschäftsführung handele im Übrigen im Interesse der S. AG und nicht im Interesse der Kommanditisten. Die S. AG habe maßgeblichen Einfluss auf den Fonds. Die Beklagte wolle im Interesse der Bank die Insolvenz so lange hinauszögern, wie sie noch Zahlungen von den Gesellschaftern erhalten könne. Die Bank stelle gerade nur soviel fällig, wie die Liquiditätsreserven der Beklagten noch ausreichen, ohne dass diese bereit sei, die Forderung auszugleichen, um die Insolvenz so lange wie möglich hinauszuzögern und die Inanspruchnahme von Kommanditisten zu ermöglichen.

Die Klägerin beantragt zu erkennen,

1. Die beklagte Partei wird verurteilt an die Klägerin € 35.543,79 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2016 zu zahlen.

2. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klägerin € 1.590,91 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet ein, dass der Gesellschaftsvertrag nicht ausschließe, ausgezahlte Ausschüttungen zurückzuzahlen. Die Klägerin habe allein zu dem Zweck gehandelt, eine Klage der S. AG gegen sie die Grundlage zu entziehen - und nicht im Interessenkreis der Gesellschaft. Hinter dem Eigeninteresse der Klägerin trete das der Gesellschaft zurück. Die Klägerin habe die Zahlung nicht für erforderlich halten dürfen. Der Anspruch sei nicht fällig, die gesellschaftliche Treuepflicht gebiete vielmehr ein Zuwarten. Durch die Inanspruchnahme durch die Kommanditisten werde die geordnete Abwicklung gefährdet. Dafür sei es erforderlich, dass die S. AG „still hält“, nur einen Teil der Zinsen fällig stellt und dass die fälligen Forderungen der Bank mit den Mietüberschüssen ausgeglichen werden. Der Entzug dieser Mittel durch die Kommanditisten würde hingegen die geordnete Abwicklung verhindern. Das seit dem 15.11.2013 endfällige Darlehen sei bis auf Zinsen in Höhe von wiederkehrend € 400.000,00 gestundet mit der Maßgabe, dass die Pachteinnahmen nach Abzug der Objektkosten insgesamt zur Tilgung der Hauptforderung verwendet werden (Anlage B 2). Der Kaufvertrag mit der N. V. werde wegen Weigerung der Käuferin nicht durchgeführt, die Beklagte könne aus finanziellen Gründen keinen Rechtsstreit deswegen führen. Es solle im Wege des Bieterverfahrens ein neuer Kaufvertrag geschlossen werden. In der Gesellschafterversammlung vom 04.09.2016 sei mehrheitlich ein Auftrag erteilt worden, Verhandlungen mit Interessenten zu führen und zum Abschluss zu bringen. Die Klägerin handele auch deshalb treuwidrig, weil sie dort gegen den Verkauf gestimmt habe. Der Zahlung an die Klägerin stehe auch entgegen, dass ein Haftungskarussel entstehe, wenn ihre Haftung wieder auflebe.

Zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Kammer schließt sich der, soweit erkennbar einhelligen, Auffassung der anderen Kammern des Landgerichts Hamburg und des Hanseatischen Oberlandesgerichts in diversen Parallelverfahren an.

1.)

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von € 35.543,79 zu.

a.)

Gemäß §§ 161 Abs. 2, 110 HGB hat die Klägerin als Gesellschafterin einen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft, wenn sie in Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen getätigt hat, die sie den Umständen nach für erforderlich halten durfte.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20.06.2005, Az. II ZR 252/03, ausgeführt:

„Kommanditisten, deren Kapitalkonto durch gesellschaftsvertraglich zugelassene Ausschüttungen negativ geworden ist und die zur Abwendung einer Krisensituation der Gesellschaft ohne rechtliche Verpflichtung die Entnahmen an die Kommanditgesellschaft zurückzahlen, erbringen auch dann ein die Erstattungspflicht der Gesellschaft nach § 110 HGB auslösendes Sonderopfer, wenn sie mit der Zahlung zugleich dafür sorgen, daß sie in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren im Außenverhältnis nicht nach § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen werden können.“

So liegt auch der vorliegende Fall. Die Klägerin hat die empfangenen Ausschüttungen zurückgezahlt, ohne dazu im Innenverhältnis zur Beklagten verpflichtet gewesen zu sein; denn unstreitig enthält der Gesellschaftsvertrag (Anlage B 1) keine Vereinbarung, die eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft vorsieht. Dies trifft auch für die insoweit direkt in die S. AG geleisteten Zahlungen zu (vgl. HansOLG vom 04.04.2014, Az. 11 U 257/13). Dass die Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen ist, ist unerheblich.

Bei den geleisteten Zahlungen handelt es sich auch um Aufwendungen in Gesellschaftsangelegenheiten. Da es nicht maßgeblich darauf ankommt, dass die Klägerin ggf. einen ihr gegenüber bestehenden Anspruch der S. AG aus § 172 Abs. 4 HGB folgen wollte, kommt es auch nicht darauf an, ob sie durch seine Zahlung einer Verurteilung zuvorkommen wollte. Jedenfalls ergeben sich daraus keine die Gesellschaftsinteressen zurückdrängenden Gesellschafterinteressen.

b.)

Die Forderung ist auch fällig, was sich aus § 271 BGB ergibt. Gründe, die der sofortigen Fälligkeit entgegen stehen würden, sind nicht dargetan.

Noch kann der Klägerin ein Verstoß gegen die gesellschaftlichen Treupflichten entgegen gehalten werden. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Zahlung einer geordneten Abwicklung entgegen stehen könnte. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Beklagte nicht jahrelang die Ausgleichszahlungen verweigern darf, um die Gesellschaft außerhalb eines geordneten Liquidationsverfahrens abzuwickeln (HansOLG vom 03.11.2016, Az. 11 U 105/16). Dem schließt sich die Kammer an, zumal die Geschicke der Gesellschaft einseitig durch die Geschäftsführung in Abstimmung mit der Bank gesteuert werden, ohne dass für die Gesellschafter Inhalt und Folgen der wirtschaftlichen Entscheidungen transparent gemacht werden.

Das Verlangen der Klägerin widerspricht auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.06.2005, Az. II ZR 252/03, der ausgeführt:

„Dem Berufungsgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass Kommanditisten auf diesen Erstattungsanspruch verzichtet haben. Dem Beschluß vom 23. Juni 1998 ist dies nicht zu entnehmen. Nach der Vorgeschichte des - nur zu freiwilligen Zahlungen auffordernden - Beschlusses waren die zahlenden Gesellschafter allerdings gehindert, sofort Erstattung von der Gesellschaft für ihr Sonderopfer zu fordern, weil anders der Zweck der Zahlung, die finanzielle Stärkung der Gesellschaft, die Abwendung der Kreditkündigung durch die H.bank und des dann sofort zu stellenden Insolvenzantrags und der dadurch erstrebte Zeitgewinn für eine freihändige Veräußerung des Gesellschaftsgrundstücks, nicht erreicht werden konnte.“

Dies ist nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Dort hatten sich die Gesellschafter auf der Grundlage eines Beschlusses, der der Insolvenzreife der Gesellschaft Rechnung getragen hat, zu einer freiwilligen Leistung entschieden, so dass sich unter diesen Umständen die sofortige Rückforderung auch als widersprüchliches Verhalten darstellen würde. Diese Konstellation bestand im vorliegenden Fall nicht, so dass dem nach der vorgenannten Entscheidung grundsätzlich gerade bestehenden Anspruch kein entsprechender Einwand der Treuwidrigkeit entgegen gehalten werden könnte.

c.)

Es kommt auch nicht darauf an, ob durch die Erfüllung der Forderung die Haftung der Klägerin wieder aufleben würde. Dieses Risiko ist allein von der Klägerin zu tragen, ohne dass es der Beklagte zur Zahlungsverweigerung dienen könnte. Dies gilt ebenso für die grundsätzliche Möglichkeit, insoweit vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden zu können. Dass dies unmittelbar droht, ist nicht vorgetragen.

Eine Treuwidrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin dem Verkauf der Immobilie nicht zugestimmt hat. Ihre Einschätzung, dass der Verkauf in Anbetracht der von ihr eingeschätzten wirtschaftlichen Situation des Fonds nicht angezeigt sei, widerspricht nicht ihrem Zahlungsverlangen.

2.)

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10.10.2016 (Anlage K 2) ab 25.10.2016 in Verzug geraten.

Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB hat die Klägerin nicht. Es fehlt an der erforderlichen Kausalität des Verzugs für die Beauftragung der Klägervertreter. Zum Zeitpunkt des Verzugseintritts am 25.10.2016 waren die anwaltlichen Vertreter der Klägerin vielmehr bereits unabhängig von einem Verzug der Beklagten mit der Rechtsverfolgung beauftragt, wie das Schreiben vom 10.10.2016 (Anlage K 2) belegt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 63 Abs. 2 GKG.

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