OLG Hamm, Urteil vom 11.04.2019 - 5 U 56/18
Fundstelle
openJur 2020, 693
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 09.05.2018 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt die Einziehung eines durch den Beklagten zu 2.) ausgestellten Equidenpasses und einer Eigentumsurkunde für ein im Eigentum des Beklagten zu 3.) stehendes Pferd, in denen der Beklagte zu 3.) nach Ansicht der Klägerin zu Unrecht als Züchter eingetragen ist.

Der Beklagte zu 2.) ist ein vereinsrechtlich strukturierter Verband von Züchtern westfälischer Pferde, welcher der T (nachfolgend: T1), bei dem es ich um den Dachverband handelt, angehört. Mit Zustimmung des Direktors der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalens ist er u. a. für die Durchführung bestimmter tierzuchtrechtliche Maßnahmen zuständig, wozu auch die Ausstellung von Equidenpässen und Eigentumsurkunden für gezüchtete Pferde zählt. Der Beklagte zu 1.) ist Zuchtleiter und Geschäftsführer des Beklagten zu 2.). Ihm obliegt nach der Satzung des Beklagten zu 2.) die Überwachung der Einhaltung der tierzuchtrechtlichen Vorgaben. Der Beklagte zu 3.) ist Ausbilder im Dressurreitsport und Mitglied des Beklagten zu 2.).

Die Klägerin ist Landwirtin mit einem Schwerpunkt Pferdezucht und Pferdeaufzucht und seit 2006 Eigentümerin der 2005 geborenen Stute "O", bei der sich um das derzeit wohl erfolgreichste Dressurpferd der Welt handelt. Sie gehört nicht dem Beklagten zu 2.) an, sondern ist Mitglied des Verbandes der Züchter des B e. V.

Die Zuchtbuchordnung des Beklagten zu 2.) (ZBO), die in der Satzung des Beklagten zu 2.) enthalten ist, enthält in § 28 Nr. 1 folgende Definition: "Züchter eines Pferdes ist der Besitzer der Zuchtstute zum Zeitpunkt der Bedeckung."

In der Zucht-Verbands-Ordnung der T1 (ZVO) heißt es in § 4 Nr. 10 dazu: "Züchter eines Pferdes ist der Eigentümer der Zuchtstute zur Zeit der Bedeckung, sofern der Züchter nicht in einer besonderen Vereinbarung als solcher bezeichnet ist."

§§ 11, 12 der Leistungs-Prüfungs-Ordnung der T1 (LPO) lauten:

"§ 11 Züchter

Sofern die jeweilige Zuchtbuchordnung nichts anderes bestimmt, ist Züchter eines Pferdes der Besitzer der Mutterstute zurzeit der Bedeckung. Im Zweifelsfall entscheidet die durchschnittliche Trächtigkeitsdauer.

§ 12 Besitzer

Besitzer eines Pferdes gemäß LPO ist im Zweifelsfall der Eigentümer nach den Bestimmungen des BGB."

Von der T1 werden für erfolgreiche Dressurpferde Züchterprämien ausgelobt (§ 28 LPO).

Am 00.04.2011 brachte die Klägerin ihre Stute "O" auf den Hof des Beklagten zu 3.). Sie hatte zuvor mit dem Beklagten zu 3.) vereinbart, dass die Stute für unbestimmte Zeit auf dessen Hof verbleiben solle. Der Beklagte zu 3.) verpflichtete sich, das Pferd zur Grand-Prix-Reife auszubilden, damit es später als Turnierpferd eingesetzt werden könne. Er übernahm die Kosten für Pflege, Unterstellung und Beritt. Im Gegenzug gewährte die Klägerin ihm das Recht, alle ein bis zwei Jahre einen Embryo aus "O" zu spülen, um hierdurch Fohlen zu gewinnen.

Am 00.07.2012 ließ der Beklagte zu 3.) "O" von dem Hengst "C" decken. Etwa zwölf Tage nach der Besamung ließ der Beklagte zu 3.) die befruchtete Eizelle aus "O" ausspülen und in eine Austragungsstute, die in seinem Eigentum stand, einsetzen. Zuvor war "O" im Jahr 2012 noch zwei weitere Male besamt worden. Hinsichtlich der daraus hervorgegangenen Fohlen ist die Klägerin als Züchterin eingetragen.

Am 00.12.2012 holte die Klägerin "O" von dem Hof des Beklagten zu 3.) ab und brachte die Stute auf den Hof der Dressurreiterin H. Daraufhin machte der Beklagte zu 3.) gegen die Klägerin in einem Verfahren vor dem Landgericht Oldenburg, Az. 1 O 753/13, einen Provisionsanspruch geltend. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.07.2013 beendeten die Parteien den Rechtsstreit durch einen Vergleich, mit dem sie alle etwaigen Ansprüche der Parteien die Stute "O" betreffend für erledigt erklärten, soweit solche Ansprüche bekannt oder unbekannt, vorhersehbar oder nicht vorhersehbar, von den Vorstellungen der Parteien erfasst oder nicht erfasst seien.

Im Juni 2013 gebar die Austragungsstute des Beklagten zu 3.) ein weibliches Fohlen, welches unstreitig im Eigentum des Beklagten zu 3.) steht. Am 06.09.2013 sandte die Ehefrau des Beklagten zu 3.) in dessen Auftrag ein Fax an den Beklagten zu 2.), worin unter anderem der Standort des Fohlens genannt und die Tochter des Beklagten zu 3.) als "Zuchtbesitzerin" angegeben wurde. Im Anschluss beantragte der Beklagte zu 3.) bei dem Beklagten zu 2.) die Registrierung des Fohlens und gab dabei an, sowohl Besitzer als auch Züchter des Fohlens zu sein. Daraufhin stellte der Beklagte zu 1.) - handelnd für den Beklagten zu 2.) - für das Fohlen einen Equidenpass sowie eine Eigentumsurkunde aus und händigte diese dem Beklagten zu 3.) aus. In beiden Papieren ist der Beklagte zu 3.) als Züchter des Fohlens bezeichnet.

Die Klägerin erfuhr von der Eintragung des Beklagten zu 3.) als "Züchter" und forderte den Beklagten zu 1.) vorprozessual über ihren Prozessbevollmächtigten erfolglos zur Einziehung und Vernichtung der dem Beklagten zu 3.) ausgestellten Zuchtpapiere auf.

Danach hat die Klägerin die vorliegende Klage gegen die Beklagten zu 1.) und 2.) anhängig gemacht. Im Verlauf des Rechtsstreites hat sie das Oberlandesgericht Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts für eine Erweiterung der Klage gegen den Beklagten zu 3.) angerufen. Dieses hat hierfür mit Beschluss vom 02.12.2016 (Az. I-32 SA 74/16) das Landgericht Münster als zuständiges Gericht bestimmt.

Die Klägerin hat behauptet, den Beklagten zu 1.) und 2.) seien die Besitzverhältnisse an der Stute "O" positiv bekannt gewesen. Sie ist der Ansicht, Züchterin des Fohlens zu sein, weshalb ihr auch die weitreichenden ökonomischen Vorteile, nämlich insbesondere die Züchterprämie, zustünden und der Anspruch darauf, als Züchterin in den beiden Urkunden genannt zu werden. Der Beklagte zu 3.) habe sich aus rein ökonomischkommerziellen Gründen dazu veranlasst gesehen, in rechtlich unzulässiger Weise den Equidenpass und die Eigentumsurkunde zu ergaunern, wobei sich die Beklagten zu 1.) und 2.) von dem Beklagten zu 3.) hätten instrumentalisieren lassen. Es handele sich um einen vollendeten Betrug.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1.) die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, die von den Beklagten zu 1 und 2 ausgestellten Urkunden für das Pferd mit der Lebensnummer DE 000 000000013, nämlich die Eigentumsurkunde sowie den Pferdepass (Equidenpass nach § 44 a und b ViehVerkV), lautende auf "Johann Hennemann, Hammweg 34, 46526 Voerde", einzuziehen und unbrauchbar zu machen,

2.) den Beklagten zu 3 zu verurteilen, die vom Beklagten zu 1 und 2 ausgestellten Urkunden für das Pferd mit der Lebensnummer DE 000 000000013, nämlich die Eigentumsurkunde sowie den Pferdepass (Equidenpass nach § 44 a und b ViehVerkV), lautende auf "I, Aweg 00, 00000 D", an den Beklagten zu 2 herauszugeben,

3.) die Beklagten zu 1-3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 455,41 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2016 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 3.) hat behauptet, die Klägerin habe ihm neben der unstreitigen allgemeinen Vereinbarung über das Ausspülen von Embryos hinaus konkret die Zuchtrechte an den Zuchtprodukten von "O" abgetreten.

Die Beklagten zu 1.) und 2.) haben behauptet, keinerlei Anlass gehabt zu haben, an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu 3.) zu zweifeln. Eine Absprache, wie sie vom Beklagten zu 3.) behauptet worden sei, sei üblich. Züchter könne überdies auch der Nutzer der Austragungsstute sein.

In einem Parallelverfahren vor dem Landgericht Münster, Az. 02 O 239/17, hat die Klägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, gerichtet auf Herausgabe der streitgegenständlichen Eigentumsurkunde für die Dauer des vorliegenden Verfahrens an den Beklagten zu 2., hilfsweise an einen vom Gericht zu bestimmenden Sequester. Der Antrag ist durch Beschluss vom 20.07.2017 zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 28.08.2017 zurückgewiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei nach § 13 GVG zwar für sämtliche Klageanträge eröffnet. Die Klage sei jedoch unbegründet, da die Klägerin nicht Züchterin des streitgegenständlichen Fohlens sei. Es könne daher offenbleiben, ob die Klägerin überhaupt - auch ohne Mitgliedschaft in dem Beklagten zu 2.) - direkte Ansprüche auf Einziehung des Equidenpasses gegen diesen haben könne. Gleiches gelte für die Frage, ob etwaige Ansprüche gegen den Beklagten zu 3.) auf Mitwirkung bei der Einziehung bestünden. Ausgangspunkt für die Feststellung des Züchters sei das TierZG. Dieses definiere den Züchter jedoch nicht, sondern setze ihn als Rechtsfigur voraus. Eine Bestimmung des Züchters sei daher anhand einer Auslegung des TierZG vorzunehmen. Definitionen, die die Regelwerke etwa der T1 oder des Beklagten zu 2.) vorsähen, hätten mangels Gesetzgebungsbefugnisse dieser Organisationen keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung. Sie gäben jedoch Auskunft über das Verkehrsverständnis der beteiligten Kreise. Züchter im Wortsinne sei eine Person, die selbst Tiere züchte. Entscheidend sei - was sich etwa auch aus § 4 Nr. 14 des österreichischen Tierschutzgesetzes ergebe - die Auswahl des Zuchttieres durch eine Person. Gleichzeitig kontrolliere der Züchter aber auch den weiteren Fortpflanzungsvorgang. Die Züchtereigenschaft folge mithin einer Tätigkeit, nämlich der Durchführung dieses Zuchtvorgangs, und sei keine bloß aus dem Eigentum oder dem Besitz an einem der beteiligten Tiere abgeleitete Rechtsposition. Stattdessen sei Züchter, wer die wesentlichen Schritte des Zuchtvorgangs durchführe. Das Tierzuchtgesetz greife gerade nicht auf etablierte Rechtsbegriffe wie den Eigentümer oder den Besitzer von Zuchttieren zurück. Auch aus Sinn und Zweck des Tierzuchtgesetz ergebe sich dies, da es nach § 1 Abs. 2 die Erzeugung von Zuchttieren fördern wolle. Aus diesem Blickwinkel seien auch die von der T und dem Beklagten zu 2.) geschaffenen Definitionen zu lesen. Diese widersprächen sich zwar ganz erheblich, da sie zum Teil an das Eigentum an der Zuchtstute, zum Teil an den Besitz der Zuchtstute und zum Teil an den Besitz der Mutterstute anknüpften, während hiervon die Durchführungsverordnung ((EU) 2015/262) abweiche und im Erwägungsgrund 68 davon ausgehe, dass in der Regel der Eigentümer des Fohlens auch dessen Züchter sei. Allerdings enthielten die Regelungen der T1 und des Beklagten zu 2.) auch Öffnungsklauseln. Die Anknüpfung an Eigentum und/oder Besitz sei darin begründet, dass der entscheidende Faktor für den Zuchterfolg in der Regel die Stute sei und derjenige, der die Stute zur Verfügung stelle, dass weitaus größere wirtschaftliche Risiko eingehe. Vorliegend könnten indes die bloßen Besitz- bzw. Eigentumsrechte an der Mutterstute zur Bestimmung des Züchters nicht maßgeblich sein. Wenn - wie vorliegend - die Mutterstute lediglich einer Eizelle zum Zuchtvorgang beitrage und die Schwangerschaft selbst über eine Leihstute durchgeführt werde, habe derjenige, der die Mutterstute für die Zucht zur Verfügung gestellt habe, hierfür keinen größeren Beitrag geleistet als derjenige, der den Hengst stelle. Es widerspräche dem dargestellten Wortlaut und dem Sinn und Zweck des TierZG, in diesem Fall auf die bloßen Besitz- oder Eigentumsrechte an der Stute zurückzugreifen, von der die Eizelle stamme. Es könne vorliegend offenbleiben, ob stattdessen auf die Rechte an der Leihstute zurückzugreifen sei oder ob stattdessen derjenige als Züchter anzusehen sei, der den Zuchtvorgang selbst in wirtschaftlicher Verantwortung durchgeführt habe. Beides führe hier dazu, dass der Beklagte zu 3.) als Züchter gelten müsse.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung begehrt, hilfsweise die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und die Verurteilung der Beklagten entsprechend den erstinstanzlichen Anträgen. Zur Begründung führt sie aus, das Landgericht habe seine Hinweispflichten verletzt, indem es nicht darauf hingewiesen habe, dass es beabsichtige den Begriff des Züchters durch Auslegung zu definieren. Ferner habe es nicht hinreichend berücksichtigt, dass nicht substantiiert vorgetragen worden sei, wem das Eigentum an der Austragungsstute zugestanden habe. Soweit der Beklagte zu 3.) vorgetragen habe, er sei Eigentümer, handele es sich lediglich um einen Rechtsbegriff. Gegenstand des Streites der Parteien sei ein embryonales Meta-Recht, wer nämlich als Züchter des von der Austragungsstute geborenen Fohlens gelte. Diese rein zuchtrechtliche Frage richte sich ausschließlich nach dem maßgeblichen Verbands- und Vereinsrecht, nämlich nach der Satzung des Beklagten zu 2.), nach der Zuchtverbandsordnung der T1 sowie sekundär nach der Leistungsprüfungsordnung der T1. Angesichts dieser Verbands- und Vereinsnormen habe eine Auslegung des Begriffs des Züchters mangels Auslegungsbedarfs nicht erfolgen dürfen. Das Vorgehen des Landgerichts stelle auch einen grundrechtswidrigen Verstoß gegen die Verbands- und Vereinsautonomie nach Art. 9 Abs. 1 GG dar. Auch die Interpretation des Begriffs "Züchter" gegen den eindeutigen Wortlaut der Verbands- und Vereinsnorm unter Rückgriff auf das TierZG gehe fehl. Bereits der Begriff "Tierzucht" sei durch das Landgericht fehlerhaft besetzt worden. Bei der Zucht von Pferden gehe es primär um die Genetik und bei Dressurpferden insbesondere um das Erreichen der notwendigen körperlichen Erfordernisse, um höchst qualifizierte Dressurpferden zu erhalten. Da das Landgericht über keine eigenen Kenntnisse über die genetischen Dispositionen für höchst qualifizierte Dressurpferde verfüge, hätte es insoweit ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Bei der Pferdezucht sei die Genetik der Mutterstute gegenüber dem Hengstsperma von überragender Bedeutung. Dies gelte insbesondere für die vorliegende Mutterstute "O".

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil einschließlich des ihm zugrundeliegenden Verfahrens aufzuheben und die Sache an das Landgericht Münster zurückzuverweisen,

hilfsweise das am angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten zu 1-3 nach den erstinstanzlichen Schlussanträgen der Klägerin (GA 438, 327, 221/222) zu verurteilen,

äußerst hilfsweise wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zuzulassen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Die Beklagten zu 1.) und 2.) haben im Hinblick auf einen etwaigen öffentlichrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch die Einrede der Verjährung erhoben.

B.

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 3.) keinen Anspruch auf Herausgabe des streitgegenständlichen Equidenpasses und der Eigentumsurkunde an den Beklagten zu 2.).

a)

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aufgrund eine Nebenpflichtverletzung aus der zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 3.) geschlossenen Nutzungs- und Ausbildungsvereinbarung i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB. Der Beklagte zu 3.) hat keine Nebenpflicht aus der vorgenannten Vereinbarung verletzt, indem er sich (insbesondere) in dem Equidenpass und der Eigentumsurkunde als Züchter hat eintragen lassen. Dies Recht ist ihm vielmehr im Rahmen der Nutzungs- und Ausbildungsvereinbarung übertragen worden.

aa)

Im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsverhältnisses der Nutzungs- und Ausbildungsvereinbarung haben die Klägerin und der Beklagte zu 3.) auch vertraglich vereinbart, dass der Beklagte zu 3.) berechtigt sein sollte, alle ein bis zwei Jahre einen Embryo von der Stute "O" durch Embryospülung zu gewinnen. Durch diese Vereinbarung haben die Klägerin und der Beklagten zu 3.) konkludent vereinbart, dass der Beklagte zu 3.) berechtigt sein sollte, sich als Züchter des so entstehenden Fohlens bzw. der so entstandenen Fohlen bezeichnen und eintragen zu lassen. Die Bereitschaft der Klägerin, dem Beklagten zu 3.) das Recht zur Embryospülung im Gegenzug für die kostenfreie Ausbildung und Unterbringung der Stute zu gewähren, war als konkludente Willenserklärung gem. §§ 133, 157 BGB aus Sicht des Beklagten zu 3.) als Erklärungsempfängers dahin zu verstehen, dass ihm damit auch die Züchtereigenschaft übertragen werden wollte. Der Beklagten zu 3.) hat diese Erklärung konkludent durch die Umsetzung der Nutzungs- und Ausbildungsvereinbarung, in deren Rahmen er sich im Jahr 2012 einen Embryo aus der Stute gespült hat, angenommen.

Da es sich bei der mündlich abgeschlossenen Nutzungs- und Ausbildungsvereinbarung um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft handelt, sind für die Bestimmung dessen Zustandekommens die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Auslegungskriterien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die bei der Ermittlung eines gemeinsamen übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Willens von Bedeutung sind, heranzuziehen. Hierbei können die Beteiligten ihren auf Abschluss eines Vertrags gerichteten Willen ausdrücklich oder auch konkludent zum Ausdruck bringen. Für die Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist maßgebend, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden musste (BGH, Urteil vom 05.07.1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206; BGH, Urteil vom 12-03-1992 - IX ZR 141/91, NJW 1992, 1446 jeweils m. w. N.). Vorliegend sollte der Beklagte zu 3.) nach der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung berechtigt sein, sich einen Embryo aus der Stute "O", die sich ab 2011 auf seinem Hof und damit in seinem unmittelbaren Besitz befand, zu spülen.Diese Vereinbarung ist, wie in der Anhörung der Parteien bzw. Vertreter klargestellt worden ist, ergänzt worden dadurch, dass die Parteien den Besamungsvorgang vom 11.07.2012 mit nachfolgendem Embryonentransfer untereinander abgestimmt haben. Die gesamte Steuerung dieses Zuchtvorgangs sollte und ist durch den Beklagten zu 3.) erfolgt. So hat der Beklagten zu 3.) die Wahl des Deckhengstes getroffen, die Austragungsstute gewählt und erworben und die Deckprämie getragen. Er hat auch die weiteren mit der Embryospülung verbundenen finanziellen Belastungen wie die Kosten der Embryospülung selbst sowie des embryonalen Transfers getragen. Die insoweit tätigen Tierärzte bzw. Kliniken sind ebenfalls durch den Beklagten zu 3.) ausgesucht und beauftragt worden. So hat die Vertreterin des Beklagten zu 3) auch im Rahmen der mündlichen Anhörung durch den Senat geschildert, dass die Austragungsstute im Zusammenhang mit dem Embryotransfer in einer Klinik in # E, die hierauf spezialisiert sei, erworben worden sei. Die Klinik halte eine Vielzahl von potenziellen Austragungsstuten vor, so dass stets eine im Zyklusverlauf passende Stute für den Embryotransfer zur Verfügung stehe, die im Rahmen der Behandlung erworben werde. Das Eigentum des Beklagten zu 3.) an der Austragungsstute war auch bereits erstinstanzlich - entgegen der Ansicht der Klägerin - unstreitig. Den diesbezüglichen Vortrag des Beklagten zu 3) hat die Klägerin nicht bestritten. Da es sich um eine Rechtstatsache handelt, bedurfte es mangels Bestreitens durch die Klägerin auch keines weiteren Vortrags des Beklagten zu 3.) zum Erwerbsvorgang. Schließlich wurde das Fohlen auch auf dem Hof des Beklagten zu 3.) geboren. Die Klägerin hat hingegen dem Beklagten zu 3.) - nachdem sie sich im Jahr 2012 bereits zwei Embryonen aus der Stute "O" gespült hatte - lediglich die Freigabe erteilt, sich ab einem bestimmten Zeitpunkt einen Embryo zu spülen. Bei dem gesamten Vorgang der Erzeugung des Fohlens hatte sie kein Mitspracherecht. Ein solches hat sie auch niemals für sich in Anspruch genommen, so dass aus dem wechselseitigen Verhalten darauf geschlossen werden kann, dass dies den Vereinbarungen der Parteien entsprach. Da dem Beklagte zu 3.) die Steuerung des gesamten Zuchtvorgangs durch die getroffene Vereinbarung übertragen wurde, konnte er dies nur dahingehend auffassen, dass er damit auch das Recht erhalten sollte, sich als Züchter, sog. Zuchtbesitzer, zu bezeichnen und eintragen zu lassen.

Aus dem Umstand, dass die Ehefrau des Beklagten zu 3.) bei der Anzeige der Geburt des Fohlens unter dem 00.09.2013 gegenüber dem Beklagten zu 2.) N, die Tochter des Beklagten zu 3.), als Zuchtbesitzerin angegeben hat, ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Da das Recht, als Züchter eingetragen zu werden, dem Beklagten zustand, konnte er über dieses verfügen und es daher auch übertragen. Dass er hiervon im Rahmen der Beantragung der Registrierung des Fohlens bei dem Beklagten zu 2.) sodann wieder Abstand genommen hat, unterlag - jedenfalls im Verhältnis zu der Klägerin - ebenfalls seiner Verfügungsmacht.

bb)

Diese Auslegung widerspricht auch nicht etwa der in den jeweiligen Vereins- und Verbandsordnungen sich widerspiegelnden Sitte der maßgeblichen Verkehrskreise. Eine Auslegung der maßgeblichen Vereins- und Verbandsordnungen ergibt, dass danach der Eigentümer der genetischen Mutterstute zum Zeitpunkt der Bedeckung als Züchter des Fohlens gilt, sofern nicht eine abweichende Vereinbarung getroffen wird. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine Auslegung der maßgeblichen Vereins- und Verbandsordnungen erforderlich, da der Begriff des Züchters in der Zuchtbuchordnung des Beklagten zu 2.) sowie der ZVO und der LPO der T1 nicht einheitlich definiert ist. Sie ist auch zulässig und verstößt nicht gegen die Vereinsautonomie. Die in § 25 BGB angesprochene Vereinsautonomie, also das Recht des Vereins, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu gestalten, beschränkt vielmehr die richterliche Inhaltskontrolle von Satzungen und Vereinsordnungen. Bei der Auslegung einer Satzung oder einzelner Bestimmungen ist hingegen zu beachten, dass Vereinssatzungen lediglich aus ihrem Inhalt heraus auszulegen sind. Willensäußerungen oder Interessen der Gründer, sonstige tatsächliche Umstände aus der Entstehungsgeschichte oder der späteren Vereinsentwicklung dürfen dagegen gerade nicht verwertet werden (BGH, Beschluss vom 11.11.1985 - II ZB 5/85, DNotZ 1986, 276). Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte in der Satzung finden, können zur Auslegung damit grundsätzlich nicht herangezogen werden. Außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge können unter Umständen dann berücksichtigt werden, wenn deren Kenntnis bei den Mitgliedern und Organen allgemein vorausgesetzt werden kann (BGH, Urteil vom 11.10.1993 - II ZR 155/92, NJW 1994, 51 zur Satzung einer AG).

Nach § 28 Ziff. 1 der Zuchtbuchordnung des Beklagten zu 2.), die in der Zusammenschau mit der ZVO und der LPO der T1 als Dachverband zu sehen ist, ist Züchter eines Pferdes der Besitzer der Zuchtstute zum Zeitpunkt der Bedeckung. Der Rechtsbegriff "Besitzer" ist in der Satzung hingegen nicht definiert. Nach § 11 der LPO der T1 ist Züchter - sofern die jeweilige Zuchtbuchordnung nichts anderes bestimmt - der Besitzer der Mutterstute zur Zeit der Bedeckung. Diese Regelung ist damit inhaltsgleich mit der Regelung in der Zuchtbuchordnung des Beklagten zu 2.). Ein Unterschied zwischen Zuchtstute und Mutterstute ist nicht ersichtlich. Mit beiden Begriffen ist eindeutig das genetische Muttertier gemeint. Die LPO enthält darüber hinaus noch eine weitergehende/klarstellende Regelung unter § 12, wonach der Besitzer eines Pferdes im Zweifelsfall der Eigentümer nach den Bestimmungen des BGB ist. Dadurch ergibt sich, dass es sich grundsätzlich bei dem Eigentümer der Mutterstute auch um den Züchter des Fohlens handelt. Durch den Zusatz "im Zweifelsfall" wird jedoch klargestellt, dass abweichende Vereinbarungen getroffen werden können. Dies steht auch im Einklang mit § 4 Nr. 10 ZVO, der ausdrücklich definiert, dass Züchter der Eigentümer der Zuchtstute zur Zeit der Bedeckung ist, sofern der Züchter nicht in einer besonderen Vereinbarung als solcher bezeichnet ist.

Aus der Satzung des Beklagten zu 2.) im Übrigen ergibt sich auch kein Widerspruch zu dieser Auslegung. Es ist zwar zutreffend, dass in dieser sowohl der Begriff "Besitzer" als auch der Begriff "Eigentümer" verwendet wird. Allerdings kann hieraus nicht entnommen werden, dass der Begriff "Besitzer" im Sinne des BGB verstanden werden soll. So ist in § 28 Ziff. 7 im Hinblick auf das Eigentum ausdrücklich auf das BGB Bezug genommen worden, hingegen in § 28 Ziff. 1 nicht.

Aus dem Gesetz, insbesondere dem TierZG, ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält dieses gerade keine Definition des Züchters.

Eine abweichende Vereinbarung - wie sie demnach zulässig ist - haben die Klägerin und der Beklagten zu 3.) vorliegend - wie unter Ziff. 1., a, aa ausgeführt - getroffen. Danach sollte der Beklagte zu 3.) und nicht die Klägerin als Eigentümerin der genetischen Mutterstute Züchter der Fohlen sein, die er durch Embryospülung gewinnen würde.

cc)

Aus den vorgenannten Gründen kann es dahinstehen, ob der Beklagte zu 3.) überhaupt verpflichtete werden könnte, insbesondere den Equidenpasses, bei dem es sich um ein Identifikationspapier handelt, welches gem. § 44a Abs. 2 ViehVerkV bei dem Eigentümer bzw. Halter des jeweiligen Tieres zu verbleiben hat, herauszugeben oder ob dies - wie durch die Klägerin im Termin vor dem Senat angeboten - allenfalls Zug um Zug gegen Übergabe neuer Identifikationspapiere erfolgen dürfte.

b)

Mangels Züchtereigenschaft der Klägerin scheitern auch etwaige vereinsrechtlichen Ansprüche, Ansprüche aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag aufgrund angemaßter Eigengeschäftsführung nach §§ 687 Abs. 2, 678 BGB, deliktische, bereicherungsrechtliche oder sonstige Ansprüche.

2.

Ob für den gegen die Beklagten zu 1.) und 2.) geltend gemachten Anspruch überhaupt eine Anspruchsgrundlage gegeben ist, kann dahinstehen. Jedenfalls scheitert ein etwaiger Anspruch daran, dass die Klägerin - wie ausgeführt - nicht Züchterin des Fohlens ist.

3.

Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Zahlung von außergerichtliche Rechtsanwaltskosten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III.

Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts und/oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung könnten eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

C.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

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