LG Köln, Urteil vom 21.11.2019 - 22 O 225/19
Fundstelle
openJur 2020, 631
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Widerruf einer auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärung des Ehemannes der Klägerin.

Der Ehemann der Klägerin und die Beklagte schlossen unter dem 08.09.2017 einen Darlehensvertrag über netto 14.900,00 zur Finanzierung eines Peugeot 108. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage KGR1 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21.01.2019 erklärte der Ehemann der Klägerin den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehnsvertrages gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf zurück (Anlage KGR 2).

Nach Zurückweisung des Widerrufs durch die Beklagte forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin diese ebenfalls zur Rückabwicklung auf.

Das Gericht hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es das Landgericht Köln für örtlich unzuständig hält.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Landgericht Köln sei örtlich zuständig, da für die negative Feststellungsklage des Darlehensnehmers dessen Wohnort maßgeblich sei. Ferner müsse aus Verbraucherschutzgesichtspunkten aus § 29c ZPO analog eine Zuständigkeit am angerufenen Gericht folgen.

Zudem ist die Klägerin der Auffassung, der von ihrem Ehemann erklärte Widerruf sei wirksam, weil die Widerrufsfrist noch nicht zu laufen begonnen habe. Er habe nämlich nicht alle Pflichtangaben ordnungsgemäß i.S.d. § 492 BGB, Art. 247 EGBGB erhalten. Insbesondere stützt er sich darauf, dass die Angaben bzgl. des einzuhaltenden Verfahrens bei Kündigung und zur Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft seien. Es fehle auch ein Hinweis auf den Tilgungsplan. Auch seien die Angaben zur vorzeitigen Rückzahlung fehlerhaft. Auch werde der Widerruf durch das im Vertrag enthaltene Aufrechnungsverbot erschwert.

Die Klägerin beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass aufgrund des wirksam erfolgten Widerrufs vom 21.01.2019 die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 08.09.2017 mit der Darlehensnummer ... über ursprünglich 16.099,85 € zum Stichtag 01.03.2019 keinen Ansprüche auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen (mehr) herleiten kann

Zudem beantragt sie im Wege der innerprozessualen Bedingung für den Fall, dass der Klageantrag zu 1) zulässig und begründet ist:

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 6.873,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 01.03.2019 binnen sieben Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs Peugeot 108 Fahrgestellnummer ...#, zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 2) in Annahmeverzug befindet.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 1029,35 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Hilfswiderklage beantragte die Beklagte,

5. festzustellen, dass die Klagepartei im Falle eines wirksamen Widerrufes verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz für den Wertverlust des KFZ Opel Peugeot 108, Fahrgestellnummer:...# zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war.

Die Klägerin beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte rügt ausdrücklich die fehlende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln.

Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht Köln seit örtlich unzuständig, da weder ihr allgemeiner Gerichtsstand noch der Erfüllungsort des § 29 ZPO im Bezirk des angerufenen Gerichts liege.

Ferner entspreche die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung dem Muster und den gesetzlichen Vorgaben. Dazu macht die umfangreiche Ausführungen, auf die Bezug genommen wird.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist bereits unzulässig.

Das Landgericht Köln ist örtlich unzuständig. Bei der Geltendmachung mehrerer Ansprüche ist nach § 260 ZPO für jeden Anspruch gesondert zu prüfen, ob eine örtliche Zuständigkeit am Bezirk des angerufenen Gerichts gegeben ist. Vorliegend werden die Klageanträge zu 2), 3) und 4) allerdings nur unter der innerprozessualen Bedingung gestellt, dass der Klageantrag zu 1) zulässig und begründet ist.

Die örtliche Zuständigkeit für das Landgericht Köln ergibt sich aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, worauf die Kammer sowohl in der Ladungsverfügung als auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.

Für die unbedingt erhobene negative Feststellungsklage besteht keine Zuständigkeit des Landgerichts Köln, insbesondere nicht nach § 29 ZPO.

1.

Nach § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.

Zwar wird vielfach der Grundsatz vertreten, für die negative Feststellungsklage sei das Gericht zuständig, das für die Leistung umgekehrten Rubrums zuständig wäre (sog. "Spiegelbildformel"). Eine pauschale Anwendung der Spiegelbildformel führt indes zu einer Umgehung der allgemeinen Zuständigkeitsregelungen (Thole, NJW 2013, 1192). § 12 ZPO fungiert als zentrale Zuständigkeitsnorm der ZPO und beinhaltet einen wesentlichen Grundgedanken des Prozessrechts. Die Verknüpfung zwischen örtlicher Zuständigkeit und allgemeinem Gerichtsstand des jeweiligen Prozessgegners basiert nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern ist ebenso Ausdruck des allgemeinen Prinzips der Gerechtigkeit im Prozessrecht und durch das Prozessrecht. Die Norm dient der prozessualen Waffengleichheit: Dem Vorteil des Klägers, der mit seiner Klage das Ob, den Zeitpunkt und die Art des Klageantrags bestimmt, entspricht der Vergünstigung des Beklagten, den ihm aufgezwungenen Rechtsstreit nicht auch noch an einem auswärtigen Gerichtsort führen zu müssen. Wenn das Gesetz keine Ausnahme regelt, bedarf es sachlicher Gründe, um von diesem Grundgedanken im Einzelfall abweichen zu können. (LG Köln, Urteil vom 03.05.2018 - 21 O 278/17; OLG Bamberg, vom 21.12.2009 - 4 U 156/09).

Hinzu kommt, dass sich eine Vereinbarkeit der Spiegelbildformel weder mit dem Wortlaut der Gerichtsstandsnormen noch mit einer historisch- oder objektivteleologischen Auslegung begründen lässt (Foerste, Festschrift für Kollhosser, 141, 147 ff.).

2.

Überdies gilt es zu berücksichtigen, dass bei einer positiven Feststellungsklage, welche auf die Feststellung gerichtet ist, dass sich das Darlehensverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat, auch keine Zuständigkeit des Landgerichts Köln über § 29 ZPO gegeben wäre. Es ist kein gemeinsamer Erfüllungsort für die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages infolge eines Widerrufs gegeben (LG Ravensburg, Beschluss vom 27.07.2018 - 2 O 97/18; LG Essen, Beschluss vom 17.07.2018 - 11 O 109/18; LG Stuttgart, Beschluss vom 18.05.2018 - 12 O 14/18; LG Düsseldorf, Beschluss vom 25.04.2018 - 10 O 43/18; LG Freiburg Beschluss vom 07.04.2016 - 5 O 25/16; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 29 ZPO Rn. 25). Der Erfüllungsort ist nach § 29 ZPO, §§ 269, 270 BGB für jede Schuld gesondert zu bestimmen. Aus einer Zugum-Zug-Leistung folgt nicht notwendigerweise, dass ein gemeinsamer Erfüllungsort des Austauschorts besteht (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 29 ZPO Rn. 25; Palandt/Grüneberg, BGB, § 269 Rn. 13). Soweit der Kläger Zahlung begehrt, ist in Ermangelung anderweitiger Abreden auf die gesetzliche Zweifelsregelung abzustellen. Die hier streitgegenständliche Geldschuld ist mithin bei der Beklagten zu erbringen. Allein der Umstand, dass die Klagepartei den Antrag negativ formuliert, was aber im Ergebnis auf dasselbe hinauslaufen soll bzw. im Rahmen des negativen Feststellungsantrags mitentschieden werden muss, kann nicht dazu führen, die allgemeinen Zuständigkeitsregeln zu umgehen (LG Bonn, Verfügung vom 16.03.2018 - 17 O 24/18).

3.

Ergänzend gilt Folgendes: Selbst wenn man die Anwendung des § 29 ZPO auf die negative Feststellungsklage bei isolierter Betrachtung anders beurteilen wollte, kommt hinzu, dass es der Klagepartei zumindest gleichrangig auch um den Zahlungsantrag geht, gerade weil dieser Zahlungsantrag bedingt gestellt ist. Der negative Feststellungsantrag soll diesen Zahlungsantrag vorbereiten. Dieser stellt den eigentlichen Hauptantrag dar, gleich in welcher prozessualen Einkleidung. Die hier streitgegenständliche Geldschuld, unter einer innerprozessualen Bedingung geltend gemacht mit dem Klageantrag zu 2), ist daher am Sitz der Beklagten zu erbringen, dort ist der Leistungsort der eingeklagten Zahlungsverpflichtung.

Geht es der Klagepartei nach diesen Erwägungen zumindest auch um die Rückzahlung, muss aber auch der vorbereitende (Feststellungs-)Antrag, soweit die Zuständigkeit betroffen ist, dem Zahlungsantrag folgen. Dabei ist der dem § 25 ZPO zugrunde liegende Gedanke des Sachzusammenhangs maßgebend (vgl. Stein/Jonas/Roth, Zivilprozessordnung, 22. Aufl. § 29 Rn. 25). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kammer - wenn sie isoliert über den Klageantrag zu 2.) zu entscheiden hätte - materiellrechtlich auch über die einzige Vorfrage des Klageantrages zu 1) entscheiden müsste; der Klageantrag zu 2) setzt - ebenso wie der Klageantrag zu 1) - die Wirksamkeit des Widerrufs voraus. Insofern ist das eigenständige Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu 1) auf die zukünftige Vertragsgestaltung beschränkt. Selbst dieses Feststellungsinteresse besteht - wenn überhaupt - seinerseits lediglich eingeschränkt. Denn da die Kammer als Vorfrage des Zahlungsantrages ohnehin die Wirksamkeit des Widerrufs zu prüfen hat, ist zu erwarten, dass die Beklagte als Bank sich an dieses Urteil "halten wird" (vgl. hierzu Zöller/Greger, 32. Auflage 2018, § 256 Rn. 8), sprich im Falle einer Verurteilung zur Zahlung aufgrund wirksamen Widerrufs auch keine Ansprüche mehr auf die noch ausstehenden Darlehensraten bzw. die Schlusszahlung erheben wird. Mit der Entscheidung über die Zahlungsklage ist vorliegend somit eine endgültige Streitbeilegung zu erwarten.

4.

Soweit die Klägerin auf die Besonderheiten eines verbundenen Vertrages i.S.d. § 358 BGB hinweist, ändert dies nichts an der Zuständigkeit. Denn es geht um die Rückabwicklung nach Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages (LG Stuttgart, Beschluss vom 18.05.2018 - 12 O 14/18). Soweit gemäß § 358 Abs. 4 BGB auch das verbundene Geschäft in die Rückabwicklung miteinbezogen ist, ist dies reiner Annex des Darlehenswiderrufs. Prägend für den Streitgegenstand im Verhältnis zur Beklagten als Darlehensgeberin ist der Darlehenswiderruf (LG Bonn, Beschluss vom 09.05.2018 - 2 O 319/17; LG Bonn, Beschluss vom 09.04.2018 - 17 O 24/18; LG Düsseldorf, Beschluss vom 25.04.2018 - 10 O 43/18).

5.

Soweit sich die Klägerseite auf den aus dem Europarecht abzuleitenden Verbraucherschutzgedanken stützt, vermag dies an der Unzuständigkeit des Gerichts nichts zu ändern. Denn § 29c ZPO kann hier nicht (analog) angewandt werden. § 29c ZPO dient der Verbesserung des prozessualen Rechtsschutzes des Verbrauchers Die Norm gewährt einen Verbrauchergerichtsstand, enthält aber keine allgemeine Regelung über den Gerichtsstand in Verbrauchersachen (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 29c ZPO, Rn. 1). Der Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages erweist sich nicht als Haustürgeschäft i.S.d. vorgenannten Vorschrift. Dann kommt eine (entsprechende) Anwendung des § 29c ZPO nur in Betracht, wenn für das finanzierte Geschäft der Anwendungsbereich eröffnet ist (vgl. Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 29c Rn. 11). Dies ist hier allerdings auch nicht der Fall.

II.

Die Klage ist darüber hinaus auch insgesamt unbegründet.

Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung ist nicht zu beanstanden und entspricht den gesetzlichen Vorgaben.

Die nahezu identischen Belehrungen der Ford Bank sowie der BMW Bank sind durch Entscheidung des OLG Köln vom 29.11.2018 (24 U 56/18) und vom 06.12.2018 (24 U 112/18) als gesetzeskonform angesehen worden. Diese Entscheidungen befassen sich mit nahezu allen von der Klägerin angesprochenen Rügen. Diese Entscheidungen des 24. Senates (veröffentlicht in der juris Datenbank) sind nunmehr vollumfänglich durch den Bundesgerichtshof bestätigt worden. Dieser hat mit Urteilen vom 05.11.2019 (XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19 die dagegen gerichteten Revisionen zurückgewiesen. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass die Regelungen zum Verfahren bei Kündigung nicht zu beanstanden sind und ein Hinweis auf die Vorschrift des § 314 BGB nicht erforderlich ist. Darüber hinaus übersieht die Klägerin, dass unter Ziffer 9 der Darlehensbedingungen der Beklagten auf § 314 BGB sogar ausdrücklich hingewiesen wird. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass es im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode zur Vorfälligkeitsentschädigung genügt, wenn insoweit die für die Berechnung wesentlichen Parameter in groben Zügen benannt werden. Der nach Meinung der Klägerin fehlende Hinweis auf den Tilgungsplan befindet sich ausdrücklich auf der ersten Seite des Darlehensvertrages unterhalb der Angabe der zu zahlenden monatlichen Raten.

Die Klage der Klägerin ist danach nicht nur unzulässig sondern auch unbegründet.

Der Streitwert wird auf 14.900,00 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.