AG Hagen, Beschluss vom 11.03.2014 - 129 F 189/13
Fundstelle
openJur 2020, 596
  • Rkr:
Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, gegenüber dem Finanzamt Iserlohn zur Steuernummer ...#/.../1103 ZAG sein Einverständnis dahingehend zu erklären, dass eine Aufteilung der Steuern für die Kalenderjahre 2009, 2010 und 2011 gemäß der §§ 268 bis 280 der Abgabenordnung durch das Finanzamt Iserlohn gemäß Aufteilungsbescheiden vom 13.05.2013 nicht erfolgt und die entsprechenden Aufteilungsbescheide des Finanzamtes Iserlohn aufgehoben werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

I.

Die Antragstellerin und Herr K2 sind Eheleute. Sie leben in intakter ehelicher Lebensgemeinschaft im I-Weg in 58636 Iserlohn. Über das Vermögen des Herrn K2 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hagen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsgegner zum Insolvenzverwalter bestellt.

In den Jahren 2009, 2010 und 2011 waren beide Eheleute erwerbstätig. Für das Jahr 2009 ergab sich ein Einkommen des Ehemannes in Höhe von 2.113,00 EUR und ein Einkommen der Ehefrau von 14.719,00 EUR. Im Jahr 2010 hatte der Ehemann kein Einkommen, die Ehefrau ein Einkommen von 12.488,00 EUR. Im Jahr 2011 hatte der Ehemann ein Einkommen von 639,00 EUR, für die Ehefrau ergab sich ein Einkommen von 11.899,00 EUR. Die Antragstellerin und ihr Ehemann hatten die gemeinschaftliche Veranlagung beantragt. Ausweislich der ergangenen Bescheide über Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag ergab sich für das Jahr 2009 eine Steuerschuld in Höhe von 87,00 EUR, für 2010 von 468,00 EUR und für 2011 von 602,00 EUR.

Der Antragsgegner stellte gegenüber dem zuständigen Finanzamt Iserlohn am 18.02.2013 den Antrag auf Aufteilung der Steuern gemäß § 270 AO für die Jahre 2009 bis 2011.

Unter dem 13.05.2013 ergingen für die betreffenden Steuerjahre die Aufteilungsbescheide. Für 2009 ergab sich für die Antragstellerin eine Nachzahlungsforderung von 828,20 EUR, für ihren Ehemann ein Erstattungsanspruch in Höhe von 726,30 EUR. Für 2010 ergab sich für die Antragstellerin eine Nachzahlungsforderung von 688,00 EUR, für ihren Ehemann ein Erstattungsanspruch in Höhe von 135,00 EUR. Für 2011 schließlich errechnete sich für die Antragstellerin eine Nachzahlungsforderung von 822,00 EUR, für ihren Ehemann ein Erstattungsanspruch von 214,00 EUR. Hinsichtlich des weiteren Inhaltes wird auf die Ablichtung der Aufteilungsbescheide vom 13.05.2013 auf Blatt 6 ff der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Gegen die Aufteilungsbescheide hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt, über den bislang nicht rechtskräftig entschieden ist. Die zuständige Mitarbeiterin des Finanzamtes Iserlohn hat gegenüber der Antragstellerin erklärt, dass bei entsprechender Erklärung des Antragsgegners bzw. Ersetzung der Erklärung durch das Gericht eine Aufhebung der Aufteilungsbescheide erfolgen werde.

Die Steuererstattungen vereinnahmte der Antragsgegner zugunsten der Insolvenzmasse.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Antragsgegner habe die auch von ihm zu beachtenden Grundsätze der Solidarität innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht beachtet, indem er für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld gestellt habe. Dieser Antrag sei im Hinblick auf die Gesamtsituation der Eheleute als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft vollkommen sinnwidrig gewesen, da die erhaltene Steuererstattung jeweils unterhalb des Betrages gelegen habe, die im Gegenzug die Antragstellerin an das Finanzamt leisten soll. Bei wirtschaftlich sinnvollem Handeln innerhalb der intakten Ehe und Wirtschaftsgemeinschaft wäre demnach keine Aufteilung beantragt worden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, gegenüber dem Finanzamt Iserlohn zur Steuernummer ...#/.../1103 ZAG sein Einverständnis dahingehend zu erklären, dass er damit einverstanden ist, dass eine Aufteilung der Steuern für die Kalenderjahre 2009, 2010 und 2011 der §§ 268 bis 280 der Abgabenordnung durch das Finanzamt Iserlohn gemäß Aufteilungsbescheiden vom 13.05.2013 nicht erfolgt und die entsprechenden Aufteilungsbescheide des Finanzamtes Iserlohn aufgehoben werden.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, er sei im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zur Beantragung der Aufteilung verpflichtet gewesen, um Vermögenswerte des Ehemannes zur Insolvenzmasse zu generieren, wozu auch Steuerguthaben aus vorangegangenen Zeiträumen gehörten. Die Beantragung der Aufteilung sei auch nicht willkürlich erfolgt, da hierdurch der Zweck des § 80 Abs. 1 InsO, die Insolvenzmasse möglichst ungeschmälert zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu erhalten, erreicht worden sei. Wenn schon die Wahl der Veranlagung (Getrennt- oder Zusammenveranlagung) für einen insolventen Ehegatten durch den Insolvenzverwalter ausgeübt werden könne, müsse dies erst recht für die Beantragung der Aufteilung der Steuerschuld gelten.

Ergänzend wird wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das zunächst angerufene Amtsgericht Hamm hat sich durch Beschluss vom 08.11.2013 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten auf Antrag der Antragstellerin gemäß § 267 Abs. 2 FamFG, § 19a ZPO an das Amtsgericht Hagen verwiesen.

II.

Der Antrag ist zunächst zulässig.

Die Antragstellerin hat ein Rechtsschutzbedürfnis für den von ihr gestellten Antrag, da unabhängig von der Frage, ob mit dem Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld ein unwiederholbarer und unwiderruflicher Gestaltungsakt ausgeübt wird, der nicht zurückgenommen werden kann, das zuständige Finanzamt Iserlohn erklärt hat, dass es die nicht rechtskräftigen Aufteilungsbescheide bei entsprechender Erklärung des Antragsgegners abändern würde.

Der Antrag ist auch begründet.

Die Antragstellerin hat gegenüber dem Antragsgegner aus § 1353 BGB in Verbindung mit § 80 Abs. 1 InsO einen Anspruch auf Abgabe einer Erklärung gegenüber dem Finanzamt Iserlohn dahingehend, dass eine Rücknahme des Antrags auf Aufteilung der Steuern für die Kalenderjahre 2009, 2010 und 2011 erfolgt und die ergangenen Aufteilungsbescheide vom 13.05.2013 aufgehoben werden.

Der Antragsgegner hat durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemannes der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Zwar ist der Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld als solcher kein Vermögensgegenstand, sondern ein Verwaltungsrecht, das lediglich vermögensrechtlichen Bezug aufweist. Demgegenüber ist der aus dem Antrag auf Aufteilung resultierende Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners nach § 46 Abs. 1 AO pfändbar und gehört daher zur Insolvenzmasse (vgl. BGH FamRZ 2007, 1320). Dies gilt auch, soweit der Erstattungsanpruch Veranlagungszeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft, so dass der Antragsgegner über dieses Vermögensrecht des Insolvenzschuldners wirksam verfügen konnte.

Der Antragsgegner hat dabei allerdings die Interessen des anderen Ehegatten- hier der Antragstellerin - zu berücksichtigen, jedenfalls dann, solange diese mit dem Insolvenzschuldner in intakter Ehe zusammenlebt.

Denn die Befugnisse des Insolvenzverwalters können nur so weit gehen wie die des Schuldners selbst. Dieser hat deswegen wie der insolvente Ehegatte selbst die Interessen des solventen Ehegatten zu berücksichtigen, solange die Ehepartner in intakter Ehe zusammenleben (vgl. AG Essen, Urteil vom 10.02.2004, Az. 13 C 479/03, zitiert nach juris).

Aus dem Wesen der Ehe folgt für beide Ehegatten die Verpflichtung zur Minimierung der finanziellen Lasten des anderen, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Für den Fall der Insolvenz eines Ehegatten ist anerkannt, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Ehegatten zuzustimmen, wenn dem Insolvenzschuldner aus der gemeinsamen Veranlagung Vorteile entstehen (vgl. Palandt/Brudermüller, §1353, Rn. 12a m.w.N.). Dabei kann der Insolvenzverwalter auch nicht sein Zustimmung davon abhängig machen, dass der Ehegatte einen Ausgleich eines dem anderen Ehegatten zustehenden Verlustabzugs an die Insolvenzmasse leistet oder die erzielte Steuerersparnis auszahlt (vgl. BGH FamRZ 2012, 357).

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Insolvenzverwalter die Abgabe von Erklärungen, hier die Beantragung der Aufteilung der Steuerschuld, dann zu unterlassen hat, wenn sie für die Ehegatten nachteilig ist.

Zwar hat die Beantragung der Aufteilung der Steuerschuld bei entsprechender Saldierung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich angefallenen Säumniszuschläge nicht zu einer Erhöhung der Steuerschuld der Ehegatten insgesamt geführt; eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtsituation ist indes dadurch eingetreten, dass der Erstattungsanspruch des Ehemannes der Antragstellerin zugunsten der Insolvenzmasse vereinnahmt wurde und die Antragstellerin ihreseits höheren Nachforderungen seitens des Finanzamtes Iserlohn ausgesetzt ist: für 2009 828,20 EUR anstatt 87,00 EUR, für 2010 688,00 EUR anstatt 468,00 EUR und für 2011 822,00 EUR anstatt 602,00 EUR. Für die Eheleute ergibt sich daher eine tatsächliche Mehrbelastung in Höhe von 1.181,20 EUR.

Dem kann auch nicht das Argument des Antragsgegners entgegen gehalten werden, dieser sei im Interesse der Insolvenzgläubiger verpflichtet, Vermögenswerte des Insolvenzschuldners zur Insolvenzmasse zu generieren. Denn dem steht das Interesse des anderen Ehegatten entgegen, durch die Insolvenz des anderen keine Nachteile zu erleiden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 81 Abs. 1 FamFG.

Der Verfahrenswert wir abschließend auf 1.181,20 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Hagen, Heinitzstr. 42/44, 58097 Hagen schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Hagen eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.

Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm - eingegangen sein.

Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.