VG Köln, Urteil vom 07.11.2019 - 6 K 1106/17
Fundstelle
openJur 2020, 350
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen.

Die Kläger sind Eheleute und leben in der Schweiz. Die Klägerin zu 1. ist Eigentümerin einer Immobilie unter der postalischen Anschrift "A. I. 0, 00000 Lindlar". Nach eigenen Angaben wird das Objekt in Lindlar lediglich als Feriendomizil für einige wenige Tage im Jahr genutzt.

Mit Bescheiden vom 01.12.2015 wurden die Klägerin zu 1. (unter der Beitragsnummer 000 000 000) und der Kläger zu 2. (unter der Beitragsnummer 000 000 000) jeweils zu Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum September bis November 2015 zuzüglich Säumniszuschlag in Höhe eine jeweiligen Gesamtbetrages von 60,50 Euro herangezogen.

Über den hiergegen unter dem 17.12.2015 erhobenen Widerspruch hat der Beklagte bislang nicht entschieden.

Mit Schriftsatz vom 09.03.2017 hat der Beklagte den an den Kläger zu 2. gerichteten Festsetzungsbescheid vom 01.12.2015 aufgehoben.

Bereits am 27.01.2017 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen auf ihren Wohnsitz in der Schweiz verweisen. In dem Lindlarer Objekt seien keine Rundfunkempfangsgeräte vorhanden. Auch wohnten die Kläger dort nicht, so dass sie nicht der Beitragspflicht unterfielen.

Die Kläger beantragen,

die angegriffenen Bescheide vom 01.12.2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Er tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen und trägt im Wesentlichen vor, dass die Klägerin zu 1. zu Recht zu Rundfunkbeiträgen herangezogen worden sei. Auch die Nutzung ihrer Lindlarer Wohnung als gelegentliches Feriendomizil führe zur Inhaberschaft hinsichtlich der betreffenden Wohnung nach der Regelung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 09.10.2018 hat die damalige Berichterstatterin beim Beklagten angefragt, ob die Kläger mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - klaglos gestellt werden könnten, da sie ihren Hauptwohnsitz unstreitig in der Schweiz hätten.

Der Beklagte hat hierzu unter dem 24.10.2018 dahingehend Stellung genommen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sei. Mit Blick auf den Hauptwohnsitz der Kläger in der Schweiz würden die Kläger gerade nicht doppelt für den gleichen Vorteil herangezogen.

Die Kläger haben zu dieser Frage, die ihnen zur Gegenäußerung binnen 4 Wochen zugesandt worden ist, nichts vorgetragen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Bundesamts Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO auch ohne Vorliegen eines Widerspruchsbescheids (teilweise) zulässig, da über den Widerspruch ohne zureichenden Grund bislang nicht entschieden worden ist. Die Klage ist aber unzulässig, soweit mit ihr die Aufhebung des an den Kläger zu 2. adressierten Bescheids vom 01.12.2015 begehrt wird. Mit Blick auf die im gerichtlichen Verfahren erklärte Aufhebung dieses Festsetzungsbescheids fehlt es an einem tauglichen Gegenstand der Anfechtungsklage sowie am Rechtsschutzschutzbedürfnis. Trotz der Bescheidaufhebung und entsprechenden (antizipierten) Erledigungserklärung des Beklagten unter eingehenden Ausführungen zur Kostentragung durch die Kläger haben sich die Kläger nicht zu der geänderten prozessualen Situation verhalten, sondern vielmehr ihren ursprünglichen Antrag (jedenfalls konkludent) aufrecht erhalten.

Die im Übrigen zulässige Klage ist aber nicht begründet. Der an die Klägerin zu 1. gerichtete Festsetzungsbescheid vom 01.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist für den streitgegenständlichen Zeitraum der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 13.12.2011 (GV. NRW. S. 675), eingeführt durch den 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge.

Der Festsetzungsbescheid vom 01.12.2015 ist materiell rechtmäßig. Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat (§ 7 Abs. 1 S. 1 RBStV). Rückständige Rundfunkbeiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt (§ 10 Abs. 5 S. 1 RBStV).

Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin zu 1. erfüllt. Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaberin der Wohnung A. I. 0 in Lindlar und daher gemäß § 2 Abs. 1 RBStV beitragspflichtig. Der vorgenannten Inhaberschaft steht nicht entgegen, dass die Klägerin zu 1. (ebenso wie der Kläger zu 2.) die Wohnung in Lindlar nur gelegentlich und nur zu Ferienzwecken nutzt. Es kommt gerade nicht darauf an, wieviel Zeit die Person in der Wohnung verbringt. Auch eine nur gelegentliche oder seltene Wohnnutzung ist ein Bewohnen im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Die hierin enthaltene rundfunkrechtliche Typisierung, dass Nutzungsberechtigte einer Wohnung auch von ihrem Nutzungsrecht Gebrauch machen, kann allenfalls durch den Nachweis durchbrochen werden, dass der Betroffene seine Nutzungsbefugnis an einer Wohnung - etwa durch Untervermietung auf Dauer oder auf Zeit - aufgibt, in dem er diese einem Dritten einräumt.

Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 25.11.2016 - 2 S 146/16 -, juris, Rn. 29 f., m. w. N.

Danach endet eine Wohnnutzung außer in den Fällen, in denen sie dauerhaft einem anderen überlassen wird, nur dann, wenn sie endgültig aufgegeben wird. Allein beim Verlassen der Wohnung für die Rückkehr zum Hauptwohnsitz in der Schweiz tritt keine der beiden genannten Alternativen ein. Die Klägerin zu 1. hat ihre Lindlarer Wohnung weder einem anderen exklusiv zur Nutzung überlassen, noch hat sie deren Nutzung endgültig aufgegeben.

Dass die Klägerin zu 1. in ihrer Wohnung keine Rundfunkgeräte zum Empfang bereithält, steht ihrer Beitragspflicht nicht entgegen. Es ist nicht erforderlich, dass der mit dem Rundfunkbeitrag abzugeltende Vorteil tatsächlich wahrgenommen wird. Maßgeblich ist lediglich, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht.

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 18.07.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. -, juris, Rn. 90.

Anhaltspunkte dafür, dass in der Lindlarer Wohnung der Klägerin zu 1. - bei Vorhandensein geeigneter Empfangsgeräte - ein Rundfunkempfang objektiv unmöglich wäre, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Vgl. A. Möglichkeit der Befreiung im Falle objektiver Unmöglichkeit des Rundfunkempfangs BVerfG, Urteil vom 18.07.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. -, juris, Rn. 90.

Die Heranziehung der Klägerin zu 1. zu Rundfunkbeiträgen für ihre deutsche (Zweit)Wohnung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit o. g. Urteil vom 18.07.2018 die mehrfache Heranziehung von Inhabern mehrerer Wohnungen für verfassungswidrig erklärt. Denn die derzeitige Regelung im RBStV, wonach auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist, führt dazu, dass Zweitwohnungsinhaber für denselben Vorteil der Nutzungsmöglichkeit des Rundfunkangebots mehrfach herangezogen werden. Das Rundfunkangebot kann aber von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. -, juris, Rn. 106 f.

Diese Erwägungen treffen im Fall der Klägerin zu 1. aber nicht zu. Sie entrichtet für ihre Erstwohnung in der Schweiz gerade nicht den nach dem RBStV zu zahlenden Rundfunkbeitrag, sondern (allenfalls) die schweizerische Rundfunkabgabe. Für den mit dem (deutschen) Rundfunkbeitrag abzugeltenden Vorteil der Nutzungsmöglichkeit des (deutschen) öffentlichrechtlichen Rundfunkangebots wird die Klägerin zu 1. nicht mehrfach, sondern lediglich einmal herangezogen.

Vgl. zu einem ähnlichen Fall VG Karlsruhe, Urteil vom 10.09.2018 - 8 K 2403/16 -, vom Beklagten im Verfahren vorgelegt.

An der vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilten Konstellation fehlt es daher vorliegend. Das Gericht ist auch mit Blick auf die Anfrage an den Beklagten vom 09.10.2018 nicht gehindert, die mehrfach zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vorliegenden Fall nicht für einschlägig zu erachten. Vielmehr ist durch die Stellungnahme des Beklagten vom 24.10.2018 und der ausdrücklich zur Gegenäußerung binnen 4 Wochen erfolgten Übersendung des Beklagtenschriftsatzes an die Kläger eine prozessuale Situation entstanden, in der eine etwaige frühere Tendenz des Gerichts in der Frage der Anwendbarkeit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Heranziehung von Zweitwohnungsinhabern von den Beteiligten nicht als fortbestehend betrachtet werden durfte. Im Übrigen handelte es sich bei der an den Beklagten gerichteten Anfrage gerade nicht um einen gerichtlichen Hinweis, mit dem das Gericht die Beantwortung der sich hier stellenden Rechtsfrage bereits vorweggenommen hätte.

Der angegriffene Festsetzungsbescheid vom 01.12.2015 ist auch im Übrigen materiell rechtmäßig. Die Befugnis des Beklagten zur Festsetzung eines Säumniszuschlags beruht auf § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 RBStV i. V. m. § 11 der WDR-Beitragssatzung. Die Voraussetzungen liegen hier vor. Wie sich insbesondere aus § 11 Abs. 1 S. 2 der WDR-Beitragssatzung ergibt, wird der Säumniszuschlag - wie hier - regelmäßig gemeinsam mit dem Rundfunkbeitrag durch Bescheid festgesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf

121 €

festgesetzt.

Gründe:

Der festgesetzte Betrag entspricht der Höhe der streitigen Geldleistung (§ 52 Abs. 3 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.

Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

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