SG Gelsenkirchen, Urteil vom 27.11.2019 - S 46 KR 1463/19
Fundstelle
openJur 2020, 152
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Beklagte trägt keine Kosten des Klägers.

Tatbestand

Der 1935 geborene Kläger begehrt die Kostenübernahme für Krankentransportkosten hin zu einer ambulanten Behandlung in der Ambulanz eines Krankenhauses und zurück in seine Wohnung. Der Kläger verletzte sich im Februar 2018 an einem Freitagnachmittag beim Skifahren in den B. Bei anhaltenden Schmerzen im Bein fuhr er zunächst samstags noch selbst zurück nach C, sodann sonntags nach Hause. Eine Besserung trat nicht ein. So stellte er sich montags, den 26.02.2018 bei seinem Hausarzt Dr. B vor. Dieser diagnostizierte den Verdacht auf einen Wadenbeinbruch. Er verordnete eine Röntgendiagnostik. Am 27.02.2018 wurde der Kläger sodann von einem Bekannten zum Krankenhaus nach X gefahren. Die Röntgendiagnostik dort bestätigte die Verdachtsdiagnose. Daraufhin wurde dort in ambulanter Behandlung das Bein versorgt und eingegipst. Eine Belastung war für die nächsten vier Wochen nicht möglich. Ein Kontrolltermin wurde für den nächsten Tag, den 29.02.2018 vereinbart.

Nach längerem Warten im Eingangsbereich des Krankenhauses wurde der Kläger sodann durch ein Krankentransportfahrzeug zurück in seine Wohnung gebracht. Da diese nur durch Überwindung mehrerer Treppenstufen erreichbar ist, musste er mit einem Krankentragestuhl transportiert werden. Der Kläger bemühte sich sodann um einen Krankentransport für den nächsten Tag. Dies ohne Erfolg. Daraufhin wurde der Untersuchungstermin auf den 01.03.2018 verschoben. Für diesen Tag bestellte der Kläger sodann einen Krankentransport durch die Firma I. Durch diese wurde er mittels Krankentransport und Tragestuhl zunächst zu dem Untersuchungstermin gefahren. Nachdem im Krankenhaus T in I für den Kläger auch eine Verordnung über diese Krankentransporte am selben Tag ausgestellt wurde, wurde er wieder zurück in seine Wohnung gebracht. Er quittierte die gefahrenen Strecken durch seine Unterschrift. Die Firma I stellte mit Rechnung vom 07.03.2018 dem Kläger den Betrag von 151,80 EUR in Rechnung. Sie reichte die Unterlagen mit der ärztlichen Verordnung von Krankentransport am 05.03.2018 bei der Beklagten zur Genehmigung und zur Kostenerstattung ein. Die Rechnung bezahlte der Kläger zwischenzeitlich.

Mit Bescheid vom 07.03.2018 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Krankentransportfahrten am 01.03.2018 ab. Zur Begründung führte sie aus, es habe keine vorherige Genehmigung vorgelegen. Diese sei auch nicht einmal beantragt bzw. eingeholt worden. Kontakt zur Beklagten sei durch den Kläger nicht aufgenommen worden.

Mit Bescheid vom 03.04.2018 lehnte die Beklagte sodann die Übernahme der Kosten für eine Fahrt vom Krankenhaus nach Hause am 27.02.2018 ab. Gegen beide Bescheide hat der Kläger fristgerecht Widerspruch erhoben. Zur Begründung trägt er insbesondere vor, er habe nicht gewusst, dass er vorher eine Genehmigung einholen müsse. Dies sei ihm am 27.02.2018 ohnehin nicht möglich gewesen. Am 01.03.2018 sei dies aus seiner Sicht auch nicht notwendig gewesen, dass er eine Genehmigung einholen müsste. Dar-über wurde er nie informiert. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2019 wies die Beklagte die Widersprüche gegen den Bescheid vom 03.04.2018 und vom 07.03.2018 zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, ein Fall, in dem eine Krankentransportfahrt zu einer ambulanten Behandlung auch ohne Genehmigung zur Kostenerstattung führe, liege nicht vor. Vorliegend sei zwar eine Genehmigung grundsätzlich möglich, da der Kläger wohl der besonderen Einrichtungen eines Krankentransportfahrzeuges bedurfte. Denn es war eine Krankentrage-Vorrichtung notwendig, um ihn aus seiner Wohnung in das Fahrzeug und aus dem Fahrzeug wieder in seine Wohnung verbringen zu können. In diesem Fall sei jedoch eine vorherige Genehmigung gesetzgeberisch ausdrücklich vorgesehen. Der Kläger habe keine Genehmigung eingeholt.

Der Kläger hat am 30.02.2019 Klage erhoben. In dieser hat er ursprünglich eine Erstattung von 164,22 EUR unter Bezugnahme auf die Fahrten vom 27.02.2018 und 01.03.2018 geltend gemacht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausgeführt, für die Fahrt am 27.02.2018, welche durch das Krankenhaus veranlasst worden sei, weil er ohne weitere Hilfe im Eingangsbereich des Krankenhauses gewartet habe und nicht klar war, wie er nach Hause kommen solle, sei er nicht finanziell in Anspruch genommen worden. Eine Rechnung sei ihm nicht gestellt worden. Er habe hierfür auch nichts bezahlt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage hinsichtlich des Bescheides vom 03.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 sowie hinsichtlich einer Erstattungsforderung, die über den Betrag von 151,80 EUR hinausgeht, sodann für erledigt erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Gründe

Gegenstand der Klage ist nur noch der Verwaltungsakt vom 07.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 sowie die Forderung einer Erstattung der entstandenen Transportkosten von 151,80 EUR für die Fahrten am 01.03.2018.

Die als Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2019 nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung an.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch kein Fall vorliegt, in dem eine Kostenerstattung ohne vorherige Genehmigung des Transportes in Betracht käme. Auch eine analoge Anwendung der Regelungen zu Fahrtkostenerstattungen nach § 60 SGB V sowie der Krankentransportrichtlinie, die es in Einzelfällen erlauben, ohne vorherige Genehmigung eine Erstattung entstandener Fahrtkosten zu erlangen, kommt nicht in Betracht. Denn es handelt sich schon nicht um eine Analogie, sondern darum, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 4 SGB V, der eine vorherige Genehmigung einer Übernahme von Fahrtkosten unter anderem in dem hier einschlägigem Fall gem. § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 fordert, nicht angewendet werden soll. Es geht also nicht um eine Ausweitung des Anwendungsbereiches im Rahmen einer Analogie, sondern allenfalls um eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches dieser speziellen Vorschrift, welche die Genehmigungspflicht begründet. Zur Überzeugung der Kammer liegen die Voraussetzungen für eine solche teleologische Reduktion des § 60 Abs. 1 S. 4 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB V nicht vor. Eine teleologische Reduktion kommt dann in Betracht, wenn eine Norm einen Sachverhalt dem Wortsinn nach erfasst, jedoch aus Gerechtigkeitsgründen nicht angewendet werden kann. Ein solcher Fall liegt zur Überzeugung der Kammer bei dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vor. Würde man eine solche teleologische Reduktion unter den vorliegenden Umständen annehmen, würde diese dem Inhalt nach bedeuten, dass für einen Versicherten, der keine positive Kenntnis von einer Genehmigungspflicht für die konkrete Krankentransportfahrt hat, die Genehmigungspflicht, welche der Gesetzgeber konkret und speziell für den hier vorliegenden Fall vorgesehen hat, nicht gelten würde.

Der Kläger hatte auch ohne weiteres die Möglichkeit, die Genehmigung vorab einzuholen bzw. dies jedenfalls zu versuchen, so, wie er auch einen Krankentransport für den 01.03.2018 telefonisch beauftragen konnte. Die beklagte Krankenkasse hat insofern eine 24 Stunden Hotline geschaltet, über welche beispielsweise eine Kontaktaufnahme jederzeit möglich gewesen wäre. Nicht entscheidungserheblich ist insoweit, ob in der Kürze der Zeit über die telefonische Kontaktaufnahme eine entsprechende Genehmigung auch hätte eingeholt werden können, oder ob die Genehmigung aus Zeitgründen dann ggf. nicht hätte bewerkstelligt werden können. Hierfür fehlen derzeit jegliche Anhaltspunkte.

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass eine Beratungspflichtverletzung gem. § 14, 15 SGB I ebenfalls nicht festgestellt werden kann, da weder ein Anhaltspunkt für eine Spontanberatung einerseits noch ein Anhaltspunkt für eine Anlassberatung bestanden hat. Denn die Beklagte wusste bis zum 05.03.2018 überhaupt nicht, dass der Kläger Krankentransportfahrten in Anspruch nimmt bzw. genommen hat.

Auch ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 1. Halbsatz SGB V kommt vorliegend nicht in Betracht, denn es handelte sich bei dem Transport am 01.03.2018 nicht um eine unaufschiebbare Leistung. So wie der Kläger den Krankentransport beauftragen konnte, hätte er auch eine entsprechende Genehmigung bei der Krankenkasse beantragen können bzw. dies zumindest versuchen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Berufung angefochten werden, wenn sie nachträglich durch Beschluss des Landessozialgerichts zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Berufung durch Beschwerde angefochten werden.

Die Berufung ist zuzulassen, wenn - die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei diesem Gericht eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.

Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.

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