ArbG Iserlohn, Beschluss vom 20.06.2018 - 1 BV 1/18
Fundstelle
openJur 2020, 91
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 13 TaBV 44/18; BAG 1 ABN 87/19
Tenor

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "zwecks Abschlusses eines Interessenausgleichs und Sozialplans im Hinblick auf die Zurzeit beabsichtigte Betriebsänderung (Personalabbau) im Betrieb Q der Arbeitgeberin" vom 20.12.2017 unwirksam ist.

Gründe

A)

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines durch Einigungsstellenspruch beschlossenen Sozialplans.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzulieferbranche. Sie gehört zum E-Konzern und beschäftigte zum Stand Januar 2018 ca. 720 Arbeitnehmer, davon ca. 640 Arbeitnehmer in ihrem Betrieb in Q. Bei der Arbeitgeberin ist der zu 2. beteiligte Betriebsrat eingerichtet.

Die Arbeitgeberin entstand durch die Umwandlung der Ursprungsgesellschaft, der Firma T GmbH & Co. KG in sechs rechtlich selbständige Unternehmen im Jahr 1998. Anlässlich der betriebsorganisatorischen und gesellschaftsrechtlichen Verselbständigung von Unternehmensbereichen und Werken der Ursprungsgesellschaft schloss der damalige Betriebsrat der Firma T GmbH & Co. KG unter dem 12.11.1998 mit der Ursprungsgesellschaft eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan. Der Interessenausgleich enthält dabei - soweit hier von Interesse - die folgende Regelung:

"§ 14 Insolvenzsicherung

Die T GmbH & Co. KG haftet für Forderungen der vom Geltungsbereich dieses Interessenausgleichs/Sozialplans erfaßten Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber den neu gegründeten Tochterunternehmen (GmbH‘s) als Gesamtschuldner. Auf die §§ 133, 134 UmwG sei insbesondere verwiesen."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf die als Anlage 23 des Antragsschrift zur Akte gereichten Ablichtung (Bl. 261 ff.) verwiesen.

In der Folge kam es zu einer Übernahme durch E. Zwischen der hiesigen Arbeitgeberin und deren damaliger Alleingesellschafterin, der Firma E1 GmbH wurde am 25.01.1999 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag beschlossen, der durch Vertrag vom 15.03.2016 zum 31.03.2016 aufgehoben worden ist. Die Eintragung der Bekanntmachung erfolgte am 07.04.2016.

Im Jahr 2000 erfolgte eine Umwandlung der E2 von einer GmbH & Co. KG in eine GmbH. Anlässlich dieses Rechtsformwechsels wurde unter dem 08.08.2000 eine Konzernbetriebsvereinbarung geschlossen, die - soweit hier von Interesse - folgende Reglungen enthält:

"§ 1 Inhalt der Konzernbetriebsvereinbarung

Die E2 GmbH & Co. KG wird ab August 2000 inE2 GmbH umgewandelt (Rechtsformwechsel)...

Die umgewandelte Gesellschaft E2 GmbH tritt in alle Rechte und Pflichten der E2 GmbH & Co. KG ein...

Für Ansprüche von Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis - gleich welcher Art - haftet neben dem unmittelbar beschäftigten Unternehmen sowie durch Rechtsformwechsel umgewandelte E1 GmbH im Rahmen der Spaltungsvereinbarung vom 12.11.1998 einschließlich der nach dem Zeitpunkt der Spaltung neu in den Konzern eingetretenen Mitarbeitern."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Konzernbetriebsvereinbarung wird auf die als Anlage zur Antragsschrift beigefügte Ablichtung (Bl. 236 der Akte) Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin befindet sich seit Jahren in finanziellen Schwierigkeiten. Sie ist bilanziell überschuldet. Für das Geschäftsjahr 2014 hat die Arbeitgeberin Verluste in Höhe von rund 35 Mio. EUR und 2015 von rund 40 Mio. EUR erwirtschaftet. Der unterjährige Abschluss der Arbeitgeberin nach US-GAAP Bilanzierung zum 31.05.2017 weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 29,4 Mio. US-Dollar aus. Im Geschäftsjahr 2016 wurde aufgrund des (erst) am 31.03.2016 aufgehobenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im Abschluss der Arbeitgeberin ein Verlust von 19,55 Mio. EUR ausgewiesen. Im Geschäftsjahr 2017 hatte die Arbeitgeberin bis zum 30.09.2017 Verluste in Höhe von 12,2 Mio. EUR zu verzeichnen. Der laufende Geschäftsbetrieb der Arbeitgeberin wird derzeit über eine Liquiditätszusage (sog. "Liquidity Undertaking") mehrerer Konzerngesellschaften sichergestellt. Gemäß Ziffer 3 dieser Zusage verpflichten sich die E3 U.K. Ltd., die E2 GmbH & Co. KG sowie die E4 GmbH Anfang 2017 gesamtschuldnerisch dazu, der Arbeitgeberin vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2018 liquide Mittel bis zu einem Höchstbetrag von maximal 20 Mio. EUR (ca. 22 Mio. US-Dollar) zur Verfügung zu stellen. Im Weiteren ist dort - soweit hier von Interesse - geregelt:

"Der vorgenannte Höchstbetrag stellt den voraussichtlichen Liquiditätsbedarf der Gesellschaft bis zum 31. Dezember 2018 dar. Er umfasst insbesondere aber ohne Einschränkung eine etwaig benötigte Liquidität für Leistungen unter einem noch mit dem Betriebsrat der Gesellschaft zu verhandelnden Sozialplan, einschließlich aus diesem Höchstbetrag an einzelne Mitarbeiter zu zahlende Abfindungen. Die Liquiditätszusage erlischt in jedem Fall spätestens am 31. Dezember 2018."

Zuvor wurde ein Liquiditätsplan aufgestellt; die Zusage dient ausdrücklich der "insolvenzvermeidenden Sanierung der Gesellschaft". Insoweit enthält die Zusage unter Ziffer 5. diverse Regelungen hinsichtlich der Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung während der Laufzeit. Eine solche Möglichkeit besteht u.a., wenn die monatlich zur Verfügung zu stellenden liquiden Mittel die in dem Liquiditätsplan vorgesehenen Mittel zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Laufzeit der Zusage um mehr als fünf Mio. EUR übersteigen. Auf die weitere Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung für den Fall, dass die Verhandlungen mit dem Betriebsrat / der Gewerkschaft über die beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen nicht bis zum 01.04.2017 erfolgreich abgeschlossen sein würden, verzichteten die geldgebenden Unternehmen in einer späteren Vereinbarung bis zum 01.06.2017.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Wortlautes wird auf die als Anlage A3 zur Antragsschrift eingereichte Ablichtung der Liquiditätszusage (Bl. 74 ff. der Akte) Bezug genommen.

Von den zugesagten liquiden Mittel in Höhe von rund 20 Mio. EUR hatte die Arbeitgeberin bis zum 30.09.2017 bereits über die Hälfte in Anspruch genommen. Nach ihrer Liquiditätsplanung im Geschäftsjahr 2018 wird sich der "Gewinn" auf minus 4,360 Mio. EUR belaufen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Tabelle über den Barmittelverbrauch der Arbeitgeberin bis Ende 2018 (Antragsschrift S. 7) Bezug genommen.

Vor dem Hintergrund der desolaten finanziellen Situation entschied sich die Arbeitgeberin, den Betrieb in Q einzuschränken und Personal abzubauen. Im März 2017 informierte sie den Betriebsrat über die beabsichtigte Betriebsänderung. Mehrere innerbetriebliche Treffen mit dem Ziel des Abschlusses eines Interessen- und Sozialplan blieben ohne Ergebnis. Nachdem die Arbeitgeberin die innerbetrieblichen Verhandlungen am 15.05.2017 formell für gescheitert erklärt hatte, wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 02.06.2017 (Arbeitsgericht Iserlohn, 2 BV 10/17) eine Einigungsstelle eingesetzt und der Richter H zum Vorsitzenden bestellt. Die Zahl der von beiden Seiten zu benennenden Beisitzer wurde auf je drei festgesetzt. Wegen der Einzelheiten dieses Beschluss wird auf die als Anlage K 11 zur Akte gereichte Ablichtung (Bl. 118 ff. der Akte) Bezug genommen. Die Einigungsstelle tagte sodann am 11. / 25. und 27.07.2017. In der Sitzung am 27.07.2017 erklärte die Arbeitgeberin die Verhandlungen über einen Interessenausgleich unter Zustimmung des Einigungsstellenvorsitzenden für gescheitert. Wegen der Einzelheiten der Sitzungen wird auf die als Anlage K 13 - 15 zur Akte gereichten Ablichtungen der Protokolle der Sitzungen (Bl. 162 ff. der Akte) Bezug genommen.

Sodann traf die Arbeitgeberin die unternehmerische Entscheidung, u.a. 227 mit Stammarbeitnehmern besetzte Stellen dauerhaft zu streichen und den Personalüberhang vollständig abzubauen. Noch im August sprach die Arbeitgeberin 141 Kündigungen aus. Weitere über 60 Kündigungen folgten bis Anfang Januar 2018.

Die Einigungsstellte tagte in zwei weiteren Sitzungen am 16.11.2017 und 19. / 20.12.2017 zur Verhandlung über einen Sozialplan. Auf die Protokolle zu diesen Sitzungen (vgl. Anlagen 19 und 28 der Antragsschrift) sowie die Anträge der Arbeitgeberseite auf Ergänzung dieser Protokolle (Anlage zum Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 02.02.2018, Bl. 309 ff. der Akte) wird verwiesen. Im Verlauf der Verhandlung wurde zunächst ein Sozialplan zur Abstimmung gestellt, der keinerlei Kompensationsleistungen vorsah. Dieser fand keine Mehrheit. Sodann wurde der Entwurf des letztlich verkündeten Sozialplans zur Abstimmung gestellt und fand ebenso keine Mehrheit. Nach einer längeren Sitzungsunterbrechung erklärte Rechtsanwalt Dr. K gegen 0.20 Uhr, dass die Arbeitgeberseite den Eindruck gewonnen habe, der Einigungsstellenvorsitzende lasse sich "teilweise" von sachfremden Erwägungen leiten und lehnte ihn deshalb wegen Befangenheit ab. Unmittelbar im Anschluss wurde der Entwurf des Sozialplans erneut zur Abstimmung gestellt und unter Beteiligung des Einigungsstellenvorsitzenden mit 4 zu 3 Stimmen angenommen. Der Sozialplan sieht unter anderem Abfindungsklauseln nach der Formel Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen x 0,3 sowie Sozialzuschläge in Höhe von 5.000,00 € für schwerbehinderte Menschen und 1.000,00 € pro unterhaltsberechtigtem Kind vor. Zudem sind spezifische Abfindungsregelungen für Mitarbeiter rentennaher Jahrgänge enthalten. Wegen der Einzelheiten und des Wortlautes des am 20.12.2017 verkündeten Sozialplans wird auf die Anlage 1 zur Antragsschrift Bezug genommen. Der Sozialplan verhält sich zum Verkündungszeitpunkt über ein ungefähres Volumen von 4,5 Mio. EUR. Er wurde der Arbeitgeberin am 04.01.2018 zugestellt.

Mit ihrem am 18.01.2018 beim Arbeitsgericht Iserlohn eingegangene Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Feststellung, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam sei.

Zur Begründung stützt sich die Arbeitgeberin im Wesentlichen auf drei Punkte: Zum einen habe der Einigungsstellenvorsitzende gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen, indem er ihr durch die prompte Abstimmung über den Sozialplan am 20.12.2017 verwehrt habe, den geäußerten Befangenheitsantrag in angemessener Frist schriftlich zu begründen. Zudem sei der Einigungsstellenvorsitzende tatsächlich befangen gewesen, da er den Spruch in rechtwidriger Art und Weise im Rahmen einer "Versteigerung" erzwungen habe. Letztlich habe die Einigungsstelle das ihr eingeräumte Ermessen überschritten (oder gar nicht erst ausgeübt), denn das finanzielle Sozialplanvolumen sei mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin nicht vertretbar. Auf die von ihr als Anlage 2 zur Antragsschrift (Bl. 72 ff. der Akte) vorgelegten Bilanzen sowie Gewinn- und Verlust - sowie Kapitalflussrechnungen seit 2014 nimmt sie Bezug.

Die Arbeitgeberin beantragt,

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand

"zwecks Abschlusses eines Interessenausgleichs und Sozialplans im Hinblick auf die zurzeit beabsichtigte Betriebsänderung (Personalabbau) im Betrieb Q der Arbeitgeberin" vom 20. Dezember 2017 unwirksam ist.

Der Betriebsrat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, der mündliche Befangenheitsantrag der Arbeitgeberin in der Einigungsstellensitzung am 19.12.2017 sei schon deshalb unbeachtlich, weil es an der erforderlichen Schriftform mangele und der Antrag von den Besitzern, nicht hingegen von der Arbeitgeberin gestellt worden sei.

Darüber hinaus lägen Ermessensfehler bei der Aufstellung des Sozialplans nicht vor. Die Argumentation der Arbeitgeberin kranke bereits daran, dass nicht die gegenwärtige wirtschaftliche Situation bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit in den Blick zu nehmen sei, sondern die wirtschaftliche Situation nach Durchführung der Betriebsänderung, deren wirtschaftliche Folgen für die Arbeitnehmer der Sozialplan mildern solle.

Im Weiteren habe die Arbeitgeberin ihre Illiquidität durch Aufhebung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag selbst verschuldet. Zu diesem Zeitpunkt sei der sozialplanpflichtige Personalabbau bereits beschlossen gewesen. Die Beendigung des Vertrages sei allein darauf gerichtet gewesen, den Ermessensspielraum einer Einigungsstelle einzuschränken und stelle damit ein sittenwidriges kollusives Zusammenwirken der Vertragspartner dar. Unabhängig davon behauptet der Betriebsrat, es stünden durch die Liquiditätszusage ausreichende Mittel zur Bedienung des Sozialplans zur Verfügung. Die Arbeitgeberin habe in der Einigungsstellensitzung am 16.11.2017 dargestellt, dass sie für das Jahr 2018 mit einem ausgeglichenen Ergebnis rechne und fünf bis sechs Mio. EUR aus der Liquiditätszusage nicht ausschöpfen werde.

Schlussendlich ist der Betriebsrat der Auffassung, die Firma E1 GmbH hafte nach der Konzernbetriebsvereinbarung vom 12.11.1998 auch für alle Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem hiesigen Sozialplan. Es habe damals sichergestellt werden sollen, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch die Spaltung auch in der Zukunft keinerlei Nachteile entstehen würden.

Wegen des weiteren umfangreichen Vorbringens der Beteiligten und der von ihnen geäußerten Rechtsauffassungen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Anhörungstermins vom 20.06.2018 Bezug genommen.

B)

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

I.

Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig.

1.

Streiten die Betriebsparteien über die Rechtswirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, ist - wie hier geschehen - die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses zu beantragen, § 256 Abs. 1 ZPO. Eine gerichtliche Entscheidung über die (Un-) Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle nach § 76 Abs. 5 BetrVG hat nämlich feststellende und keine rechtsgestaltende Wirkung (BAG vom 06.05.2003, 1 ABR 11/02, juris).

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Arbeitgeberin mit zahlreichen im Vergleichswege ausgeschiedenen Arbeitnehmern die Zahlung einer (geringen) Abfindung unter Anrechnung auf eine nach Aufstellung eines wirksamen Sozialplans sich ggf. ergebende höhere Abfindung vereinbart hat. Im Falle der Wirksamkeit des durch die Einigungsstelle am 20.12.2017 beschlossenen Sozialplans sind diese Arbeitnehmer anspruchsberechtigt. Die Arbeitgeberin hat daher ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs.

2.

An dem Verfahren sind die Arbeitgeberin und der Betriebsrat beteiligt, die durch eine Entscheidung über die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs unmittelbar in ihrer (betriebsverfassungs-) rechtlichen Rechtsstellung betroffen sind.

II.

Der Antrag ist begründet. Der Spruch der Einigungsstelle vom 20.12.2017 ist - jedenfalls hinsichtlich der Größenordnung der in dem Sozialplan enthaltenen Abfindungsansprüche - nicht mit § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG vereinbar und mithin unwirksam. Die Einigungsstelle hat das ihr eingeräumte Regelungsermessen überschritten.

1.

Die Einigungsstelle war für die Aufstellung eines Sozialplans zuständig. Die Arbeitgeberin hat ab August 2017 eine Betriebsänderung in Form einer Betriebseinschränkung (§ 111 S. 3 Ziffer 1 BetrVG) durch Personalabbau vorgenommen. Davon waren erhebliche Teile der Belegschaft i.S.d. § 111 S. 1 BetrVG betroffen. Dies beurteilt sich nach den Anforderungen des § 17 Abs. 1 KSchG (BAG vom 06.05.2003, 1 ABR 11/02, aaO mit weiteren Nachweisen). Danach müssen in einem Betrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer und ab 601 Arbeitnehmer zudem mindestens 5 % der Belegschaft betroffen sein (BAG vom 28.03.2006, 1 ABR 5/05, juris). Dies war hier der Fall.

2.

Die Arbeitgeberin ist mit dem Vorbringen eines Ermessensverstoßes nicht nach § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG ausgeschlossen. Sie hat den ihr am 04.01.2018 zugeleiteten Einigungsstellenspruch innerhalb der Zweiwochenfrist am 18.01.2018 beim Arbeitsgericht gerichtlich angefochten und die mangelnde wirtschaftliche Vertretbarkeit gerügt. Die weitere Rüge der Befangenheit des Einigungsstellenvorsitzenden unterliegt dieser Frist nicht, wurde indes zeitgleich erhoben.

3.

Die Einigungsstelle ist bei der Ermessensausübung nach § 76 Abs. 5 S. 3 BetrVG an die Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG und im Falle der Aufstellung eines Sozialplans zudem an die Vorgaben des § 112 Abs. 5 BetrVG gebunden. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist, ob sich der Spruch der Einigungsstelle als angemessener Ausgleich der Belange des Betriebs und Unternehmens auf einer Seite und der betroffenen Arbeitnehmer auf der anderen Seite erweist. Maßgeblich ist allein die getroffene Regelung als solche. Eine Überschreitung der Grenzen des Ermessens i.S.v. § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG muss die Regelung selbst als Ergebnis des Abwägungsvorgangs betreffen, nicht die von der Einigungsstelle angestellten Erwägungen. Ein rechtlich erheblicher Fehler im Sinne der vorgenannten Vorschrift liegt somit nur vor, wenn sich die von der Einigungsstelle getroffene Regelung nicht als angemessener Ausgleich der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer erweist. Ohne Bedeutung ist indes, ob die von der Einigungsstelle angenommenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zutreffen und ihre weiteren Überlegungen frei von Fehlern sind sowie eine erschöpfende Würdigung aller Umstände zum Inhalt haben (BAG vom 06.05.2003, 1 ABR 11/02, aaO; BAG vom 22.01.2013, 1 ABR 85/11, juris). Die Frage, ob die der Einigungsstelle gezogenen Grenzen des Ermessens eingehalten sind, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Es geht um die Wirksamkeit einer kollektiven Regelung, die von der Wahrung des der Einigungsstelle eingeräumten Gestaltungsrahmens abhängig ist. Insoweit gilt nichts anderes als für die gerichtliche Kontrolle von Betriebsvereinbarungen (BAG vom 22.01.2013, 1 ABR v85/11, aaO; BAG vom 15.03.2011, 1 ABR 97/09, juris).

4.

Die Arbeitgeberin macht geltend, es liege ein Ermessensverstoß der Einigungsstelle in dem Beschluss, den betroffenen Arbeitnehmern zur Milderung der Nachteile der Betriebsänderung einen Abfindungsanspruch gemäß Ziffer 2 des Sozialplans zuzubilligen. Tatsächlich sei unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Arbeitgeberin im Zeitpunkt der Entscheidung der Einigungsstelle nur ein "Null-Sozialplan" gerechtfertigt gewesen.

a)

§ 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG bestimmt, dass sich die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung über die Aufstellung eines Sozialplans sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten hat. Im Rahmen billigen Ermessens muss sie unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalles Leistungen zum Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile vorsehen (§ 112 Abs. 5 S. 2 Ziff. 1 BetrVG), dabei die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigen (§ 112 Abs. 5 S. 2 Ziff. 2 BetrVG) und bei der Bemessung des Gesamtbetrags der Sozialplanleistungen darauf achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach der Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden (§ 112 Abs. 5 S. 2 Ziff. 3 BetrVG). Der Ausgleichs- und Milderungsbedarf der Arbeitnehmer bemisst sich nach den ihnen entstehenden Nachteilen. Der wirtschaftlichen Vertretbarkeit kommt dabei eine Korrekturfunktion zu. Die Einigungsstelle hat von dem von ihr vorgesehenen Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile abzusehen, wenn dieser den Fortbestand des Unternehmens gefährden würde. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung stellt damit für sie eine Grenze der Ermessensausübung dar (BAG vom 15.03.2011, 1 ABR 97/09, aaO; BAG vom 22.01.2013, 1 ABR 85/11, aaO). Ist der für angemessen erachtete Ausgleich von Nachteilen der Arbeitnehmer für das Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar, ist das Sozialplanvolumen bis zum Erreichen der Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu mindern. Die gebotene Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens kann die Einigungsstelle sogar zum Unterschreiten der aus § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG folgenden Untergrenze des Sozialplans zwingen. Erweist sich auch eine noch substanzielle Milderung der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile als für das Unternehmen wirtschaftlich unvertretbar, ist es nach § 112 Abs. 5 S. 1 und S. 2 Nr. 3 BetrVG zulässig und geboten, von einer solchen Milderung abzusehen (BAG vom 24.08..2004, 1 ABR 23/03, juris; BAG vom 22.01.2013, 1 ABR 85/11, aaO).

b)

§ 112 Abs. 5 BetrVG bestimmt nicht die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans. Maßgeblich sind die Gegebenheiten des Einzelfalls. Dabei ist grundsätzlich von Bedeutung, ob und welche Einsparungen für das Unternehmen mit der Betriebsänderung verbunden sind, deren nachteilige Auswirkungen auf die Arbeitnehmer der Sozialplan kompensieren soll. Der Umstand, dass sich ein Unternehmen bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, entbindet es nach den Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht von der Notwendigkeit, weitere Belastungen durch einen Sozialplan auf sich zu nehmen. Sogar in der Insolvenz sind Betriebsänderungen gemäß § 123 InsO sozialplanpflichtig. Bei der Prüfung, wie sehr der Sozialplan das Unternehmen belastet und ob er möglicherweise dessen Fortbestand gefährdet, ist sowohl das Verhältnis von Aktiva und Passiva als auch die Liquiditätslage zu berücksichtigen. Führt die Erfüllung der Sozialplanverbindlichkeiten zu einer Illiquidität, zur bilanziellen Überschuldung oder zu einer nicht mehr vertretbaren Schmälerung des Eigenkapitals, ist die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit regelmäßig überschritten (BAG vom 15.03.2011, 1 ABR 97/09, aaO; BAG vom 06.05.2003, 1 ABR 11/02, aaO). Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen seinen einzigen Betrieb stilllegt. Wie § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG zeigt, unterscheidet das Gesetz ausdrücklich zwischen dem Unternehmen und dem Betrieb.

c)

Für die gerichtliche Kontrolle der Sozialplandotierung durch die Einigungsstelle bedeutet dies, dass der Anfechtende die Überschreitung einer dieser Ermessensgrenzen dartun muss. Ficht der Arbeitgeber den Sozialplan wegen mangelnder wirtschaftlicher Vertretbarkeit an, hat er entweder darzulegen, dass dessen Regelungen zu einer Überkompensation der eingetretenen Nachteile führen und deshalb schon die Obergrenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verletzen, oder dass sie die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen überschreiten. Sollte dies mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse allein des Arbeitgebers zu bejahen sein, liegt darin allerdings nur dann ein Ermessensfehler der Einigungsstelle, wenn nicht ein Bemessungsdurchgriff auf Konzernobergesellschaften rechtlich geboten ist (BAG vom 24.08.2004,1 ABR 23/03 aaO).

d)

Nach diesen Grundsätzen ergibt sich unter Berücksichtigung des unstreitigen Vortrags der Beteiligten und den objektiven Tatsachen, dass der Sozialplan jedenfalls im Umfang der in Ziffern 2.2 beschlossenen Abfindungsberechnung die wirtschaftliche Vertretbarkeit übersteigt. Die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitgeberin, die in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Aufstellung des Sozialplans objektiv vorlagen, werden im Wesentlichen durch die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung abgebildet (Anlage 2 zur Antragsschrift, vgl. Bl. 71 f. der Akte). Daraus ergibt sich zunächst, dass die Arbeitgeberin über keinerlei Anlagevermögen verfügt; auch das Eigenkapital beträgt seit Ende 2016 0,00 €. Bis zum 30.09.2017 ergibt sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von über 48 Mio. EUR. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich daraus noch kein Hinweis auf eine materielle also tatsächliche Überschuldung ableiten lässt. Auch ergeben sich für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 30.09.2017 positive Umsatzerlöse in Höhe von ca. 62 Mio. EUR. Unter Abzug im Wesentlichen des Materialaufwandes, des Personalaufwandes sowie sonstiger betrieblicher Aufwendungen (etwa Miet- oder Leasingkosten) ergibt sich indes ein negatives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von über 12 Mio. EUR. Dieses heute in den Bilanzen nicht mehr veröffentlichte "operative Ergebnis" ist eine Zwischensumme in der Gewinn- und Verlustrechnung. Es stellt die Aufwendungen und Erträge des am Betriebszweck orientierten operativen Geschäfts dar, indem es nur die ständig vorkommenden, unternehmenstypischen Geschäfte im Rahmen des Kerngeschäfts berücksichtigt. Betriebsfremde oder periodenfremde Aufwände sind darin nicht abgebildet. Der Umstand, dass das operative Ergebnis für das Jahr 2017 (bis 30.09.) ein Minus von über 12 Mio. EUR ausweist, lässt für die Kammer nur den Schluss zu, dass die Beklagte im Rahmen ihres Kerngeschäfts (Zulieferer für die Automobilindustrie) tatsächlich auf erhebliche finanzielle Mittel angewiesen war, die ihr nur von außen zur Verfügung gestellt werden konnten. Über eigene Mittel, etwa aus Erträgen der Tätigkeit verfügte sie zu keinem Zeitpunkt in nur annähernd ausreichendem Umfang. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die von der Arbeitgeberin dargestellte Tabelle über den Barmittelverbrauch (Bl. 7 der Antragsschrift) den tatsächlichen Verbrauch bis zum 30.09.2017 nachvollziehbar abbildet, auch wenn die Arbeitgeberin - wie schon im Einigungsstellenverfahren - davon abgesehen hat, die konkrete Inanspruchnahme der Mittel aus der Liquiditätszusage im Einzeln nachzuweisen. Die Zahlen aus dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Jahre 2016 und 2017 lassen indes die Prämisse zu, dass die Arbeitgeberin für jeden Euro Verlust sofort Liquidität benötigt und in Anspruch nimmt. Ausweislich der Tabelle hatte die Arbeitgeberin im November 2017 aus der Liquiditätszusage bereits 17.898 Mio. US-Dollar - das entspricht 72,4 % der Gesamtzusage - benötigt (unabhängig davon, auf welchem Weg diese zur Verfügung gestellt worden sind). Im Rahmen der sodann anzustellenden Prognose über die Benötigung von Barmitteln bis Ende 2018 hat die Arbeitgeberin sodann im Rahmen der Kosten für die Gehälter zu zum damaligen Zeitpunkt teilweise schon gekündigten, teilweise noch zur Kündigung anstehenden Mitarbeitern lediglich die Kosten der Gehälter bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfristen berücksichtigt. Sie ist mithin davon ausgegangen, dass sie alle Kündigungsschutzverfahren gewinnen und die beabsichtigte Betriebsänderung tatsächlich zu 100 % erfolgreich würde durchführen können. Unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin in der tabellarischen Darstellung des geplanten Barmittelverbrauchs bis Ende 2018 aufgeführten Beträge ergibt sich für die Kammer nachvollziehbar, dass jedenfalls ein Sozialplanvolumen von 4,5 Mio. EUR zu einer Illiquidität führen würde. Denn der Arbeitgeberin verblieben dann für den Zeitraum von Dezember 2017 bis Dezember 2018 nicht einmal mehr 1,5 Mio. EUR aus der Liquiditätszusage. Die Kammer ist unter Zugrundelegung des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Jahre 2016 und 2017 davon überzeugt, dass dadurch eine Illiquidität entstehen würde. Hätte die Arbeitgeberin in ihrer Barmittelprognose beispielsweise mit dem Risiko gerechnet, auch nur 1/5 der Kündigungsschutzverfahren zu verlieren, wäre ein zusätzlicher Barmittelbedarf durch Verzugslohnansprüche von 1 Mio. EUR bis zum 31.12.2018 schnell realisiert worden (vgl. bspw. durchschnittlich 2.500,00 EUR Monatslohn für 45 Arbeitnehmer über durchschnittlich neun Monate). Inwieweit ein geringer dotierter Sozialplan (oberhalb eines "Null-Sozialplans) wirtschaftlich vertretbar gewesen wäre, hat die Kammer nicht zu beurteilen.

Die Kammer verkennt nicht, dass das Bundesarbeitsgericht in einem am 22.01.2013 (1 ABR 85/11, juris) entschiedenen Fall das Volumen eines Sozialplans für vertretbar erachtet hat, das der durch die Betriebsänderung erwarteten Kostenersparnis von zwei Jahren entspricht. Dabei hat das BAG dazu - vor dem Hintergrund der Annahme, dass sich die Kostenersparnis der Betriebsänderung langfristig fortsetzen werde und die den Sozialplan auslösende Betriebsänderung eine Investition des Unternehmens sei - einen wirtschaftlichen Vergleich mit der Durchführung der Betriebsänderung mit Sozialplan auf der einen und dem Verzicht auf die Betriebsänderung auf der anderen Seite durchgeführt. Diese Konstellation ist auf den hiesigen Fall indes nicht übertragbar, da die Beklagte bereits - jedenfalls formell - bilanziell überschuldet ist und über keinerlei Eigenkapital verfügt.

III.

Der Spruch der Einigungsstelle vom 20.12.2017 erweist sich nicht deshalb als wirksam, weil ein Bemessungsdurchgriff auf Konzernobergesellschaften rechtlich geboten wäre.

1.

Ein solcher Bemessungsdurchgriff ergibt sich - sofern er überhaupt für zulässig erachtet wird - zunächst nicht aus einem bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Unabhängig davon, dass der mit der E1 GmbH im Jahre 1999 begründete Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zum 31.03.2016 aufgehoben worden ist und die Beendigung am 07.04.2016 in das Handelsregister eingetragen worden ist, rechtfertigt das Bestehen eines Beherrschungsvertrages für sich genommen noch keinen Berechnungsdurchgriff (BAG, Urteil vom 10.03.2015, 3 AZR 739/13, juris (Anpassung Betriebsrente). In dem vorzitierten Fall hat das Bundesarbeitsgericht im Falle der Anpassung einer Betriebsrente entschieden, dass ein im Interesse der Versorgungsempfänger gebotener Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens die Verwirklichung der durch den Beherrschungsvertrag begründeten Gefahrenlage erfordere. Diese sei nur verwirklicht, wenn Weisungen des herrschenden Unternehmens erteilt worden seien, die das Eigeninteresse der beherrschten Gesellschaft außer Acht ließen und die wirtschaftliche Lage des beherrschten Unternehmens derart verschlechterten, dass eine Rentenanpassung ausgeschlossen sei. Das Bundesarbeitsgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass nicht alle Maßnahmen der Konzernpolitik mit ungünstigen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des abhängigen Unternehmens zu den Risiken zählten, deren Verwirklichung einen Bemessungsdurchgriff rechtfertige (BAG, Urteil vom 10.03.2015, 3 AZR 739/13 aaO). Aus den von der Arbeitgeberin für die Jahre ab 2014 zur Verfügung gestellten Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen lässt sich ablesen, dass bereits in diesen Jahren ein erheblicher nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von jeweils über 50 Mio. EUR ausgewiesen ist und darüber hinaus das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in einem 30 Mio. EUR übersteigenden Minusrahmen lag. Das beherrschende Unternehmen hat damit ausschließlich Verluste übernommen. Dass diese Verluste die Folge von Weisungen sind, die das Eigeninteresse der Antragstellerin in beachtlicher Weise außer Acht gelassen hätte, behauptet indes der Betriebsrat selbst nicht. Er ist lediglich der Auffassung, die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages stelle ein kollusives Zusammenwirken der Vertragspartner dar, das einzig darauf gerichtet gewesen sei, den Ermessenspielraum einer absehbaren Einigungsstelle einzuschränken. Dafür ergeben sich nach Auffassung der Kammer indes keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zwar muss den Vertragspartnern bei objektiver Betrachtung der Bilanzen sowie der Gewinn- und Verlustrechnung jedenfalls ab 2014 bewusst gewesen sein, dass die Antragstellerin ohne die Verlustübernahme durch das beherrschende Unternehmen absehbar bilanziell überschuldet sein würde. Indes hat die Antragstellerin in den Vorjahren ausschließlich Verluste erwirtschaftet, die das beherrschende Unternehmen infolge des Vertrages übernahm. Zu einer solchen Fortführung der Verlustübernahme ist das beherrschende Unternehmen nicht auf alle Zeiten verpflichtet. Es ist - ohne Hinzutreten hier erkennbarer Umstände zulässig - einen wirtschaftlich unrentablen Vertrag wirksam zu beenden. So hat der BGH in einer Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Vertragsfreiheit der Parteien eines Unternehmensvertrages auch dann überwiege, wenn diese im Rahmen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit vereinbaren, die an Umstände anknüpft, die von den Parteien jederzeit herbeigeführt werden können und die die Anforderungen an eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nicht erfüllen (BGH vom 05.04.1993, II ZR 238/91, juris). Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer an. Konkrete Anhaltspunkte, die die Annahme eines durch die Rechtsordnung nicht mehr tolerierten unternehmerischen (kollusiven) Verhaltens der Vertragspartner des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages begründen würden, liegen nicht vor.

2.

Ein Bemessungsdurchgriff lässt sich im Weiteren nicht aus den §§ 133, 134 UmwG herleiten.

Nach § 133 UmwG haften für Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind, die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuldner. Eine Haftung nach § 134 UmwG betrifft Forderungen der Arbeitnehmer einer Betriebsgesellschaft, die binnen fünf Jahren nach dem Wirksamwerden einer Spaltung (Auftrennung des übertragenden Rechtsträgers in eine Anlage- und eine Betriebsgesellschaft) auf Grund der §§ 111 bis 113 BetrVG begründet werden. Die Voraussetzungen beider Vorschriften liegen nicht vor. Die Aufspaltung der Ursprungsgesellschaft der Firma T GmbH & Co. KG erfolgte bereits im Jahre 1998. Die hier in Streit stehenden Sozialplanabfindungen der gekündigten Arbeitnehmer entstanden nach Ziffer 3.3 des am 20.12.2017 verkündeten Sozialplans mit Ausspruch der Kündigung bzw. Abschluss des Aufhebungsvertrages und somit frühestens im August 2017.

3.

Schlussendlich ergibt sich ein Durchgriff auf das Vermögen der E1 GmbH nicht aus § 1 der Konzernbetriebsvereinbarung vom 08.08.2000 (im Folgenden: KBV).

Ausweislich § 1 der KVB wurde die E2 GmbH und Co. KG ab August 2000 in eine GmbH umgewandelt und sollte "in alle Rechte und Pflichten" der Ursprungsgesellschaft eintreten. Weiter wurde formuliert:

"Für Ansprüche von Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis - gleich welcher Art - haftet neben dem unmittelbar beschäftigten Unternehmen sowie durch Rechtsformwechsel umgewandelte E1 GmbH im Rahmen der Spaltungsvereinbarung vom 12.11.1998 einschließlich der nach dem Zeitpunkt der Spaltung neu in den Konzern eingetretenen Mitarbeitern."

Das Wort "sowie" wurde dabei handschriftlich durch "die" überschrieben. Die in Bezug genommene Spaltungsvereinbarung vom 12.11.1998 enthält - soweit hier von Interesse unter § 14 "Insolvenzsicherung" folgende Formulierung:

"§ 14 Insolvenzsicherung

Die T GmbH & Co. KG haftet für Forderungen der vom Geltungsbereich dieses Interessenausgleichs/Sozialplans erfaßten Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber den neu gegründeten Tochterunternehmen (GmbH‘s) als Gesamtschuldner. Auf die §§ 133, 134 UmwG sei insbesondere verwiesen."

Eine Auslegung der Spaltungsvereinbarung in Zusammenschau mit der KBV ergibt keine Haftung der E1 GmbH als Holding.

a)

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 11. Dezember 2007 - 1 AZR 953/06 - Rn. 20 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 37 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 22). Übernehmen die Betriebsparteien den Inhalt einer gesetzlichen Vorschrift ganz oder teilweise, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie deren Verständnis auch zum Inhalt der betrieblichen Regelung machen wollen, soweit sich aus der Betriebsvereinbarung nichts Gegenteiliges ergibt (vgl. BAG 16. April 2002 - 1 AZR 368/01 - zu 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 111).

b)

Zur Überzeugung der Kammer lässt bereits der Wortlaut von § 1 KBV nicht den Schluss zu, dass die Betriebsparteien eine Ewigkeitsmithaftung der E2 für jegliche Ansprüche bereits beschäftigter und neu eingetretener Arbeitnehmer begründen wollte bzw. begründet hat. Der Anlass der Regelungen der KBV ergibt sich aus den Unterpunkten des § 1. Daraus wird deutlich, dass aus strategischen Gründen eine Umwandlung von einer Kommanditgesellschaft in eine GmbH erfolgte und den Beschäftigten "dadurch" keine Nachteile entstehen sollten. Hinsichtlich der Haftung der umgewandelten Holding wird explizit im letzten Punkt des § 1 KBV ausgeführt, dass eine Mithaftung "im Rahmen der Spaltungsvereinbarung vom 12.11.1998" stattfindet. Parteien der Spaltungsvereinbarung vom 12.11.1998 waren die T GmbH & Co. KG - die späterer von E übernommen wurde, als Kommanditgesellschaft fortbestand und nunmehr in eine GmbH umgewandelt worden war - sowie der damals dort eingerichtete Betriebsrat. Klargestellt wurde damit - rein deklaratorisch - dass nunmehr die E Holding auch als GmbH an die in der Spaltungsvereinbarung aus dem Jahr 1998 gebunden bleibt. Eine unabhängig von dieser Vereinbarung neu begründete Mithaftung lässt sich bereits dem eindeutigen Wortlaut nicht entnehmen. Ein über den Wortlaut hinaus gehender Wille der Betriebsparteien kann im Weiteren nur Berücksichtigung finden, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Es ist indes an keiner Stelle erkennbar, dass die Betriebsparteien eine über die Regelung der Rechtsfolgen der Umwandlung hinausgehende allumfassende, gesetzliche Vorschriften übersteigende Haftung haben vereinbaren wollen.

Aus der in § 1 KBV in Bezug genommene Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan" vom 12.11.1998 ergibt sich schlussendlich keine Mithaftung der Holding für (frühestens) im Jahr 2017 begründete Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer der Antragstellerin. So ist unter Punkt 14 "Insolvenzsicherung" eine Gesamtschuldnerhaftung der Firma T GmbH & Co. KG (als Holding) zusammen mit den Tochterunternehmen formuliert in Bezug auf Forderungen von Arbeitnehmern aus "diesem" anlässlich der Spaltung aufgestellten Interessenausgleich bzw. Sozialplan. In Satz 2 wird sodann verwiesen auf die §§ 133, 134 UmwG. Diese Vorschriften regeln - wie bereits unter III. 2. ausgeführt - eine zeitlich begrenzte Gesamtschuldnerhaftung von an einer Spaltung beteiligten Rechtsträgern. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen hier indes - wie ausgeführt - nicht vor.

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