OLG Hamm, Beschluss vom 25.07.2019 - 1 RVs 44/19
Fundstelle
openJur 2020, 15
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 51 Ns 7/18

Gemäß § 73e Abs. 1 StGB ist eine Einziehung nach den §§ 73 bis 73c StGB nicht nur dann ausgeschlossen, wenn bzw. soweit der Anspruch, der dem Verletzen aus der Tat auf Rückgewähr oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Einziehung durch Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist, sondern auch bei einem diesbezüglichen (Teil-)Erlass nach § 397 Abs. 1 StGB (vorliegend: im Rahmen eines etwaigen Vergleichs)

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Einziehung eines Betrages in Höhe von mehr als 18.700,00 € mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und

Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hamm hat den Angeklagten mit Urteil vom 23. Februar 2018 wegen Betruges in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und die Einziehung eines Betrages in Höhe von 52.680,00 € (18.700,00 € + 33.980,00 €) angeordnet. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Dortmund vollumfänglich verworfen.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil schlug der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt dem Zeugen L vor, das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren durchzuführen. Nach Abschluss eines entsprechenden Geschäftsbesorgungsvertrages überwies der Zeuge in der Zeit vom 03. September 2012 bis zum 01. Oktober 2013 und vom 01. Februar 2014 bis zum 01. März 2016 monatlich Geldbeträge unterschiedlicher Höhe auf verschiedene Konten des Angeklagten, die der Angeklagte vereinbarungsgemäß zur Schuldentilgung des Zeugen L verwenden sollte. Tatsächlich verwendete der Angeklagte die Beträge aber teilweise bzw. vollständig für eigenen Zwecke, und zwar insgesamt in Höhe eines Betrages vom 18.700,00 €.

Darüber hinaus war der Angeklagte im Jahr 2015 in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt für die Zeugin N im Scheidungsverfahren tätig, in dessen Rahmen es zur Versteigerung des Hauses der Eheleute N kam. Nach einem in dem Verfahren unter Beteiligung des Angeklagten geschlossenen Vergleich sollte der Versteigerungserlös abzüglich Verbindlichkeiten an die Zeugin N ausgekehrt werden. Nachdem der Betrag in Höhe von 33.984,61 € durch die Sparkasse X auf seinem Konto gutgeschrieben worden war, kehrte der Angeklagte lediglich einen Betrag in Höhe von 4,61 € an die Zeugin aus und verbrauchte den Restbetrag in Höhe von 33.980,00 € in der Folgezeit vollständig für eigene Zwecke.

In sämtlichen Fällen handelte der Angeklagte jeweils, ohne uneingeschränkt und jederzeit fähig zu sein, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszugleichen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Der Angeklagte und sein Verteidiger hatten Gelegenheit zur Gegenäußerung.

II.

Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat im Hinblick auf den Ausspruch über die Einziehungsentscheidung, soweit die Einziehung eines Betrages in Höhe von mehr als 18.700,00 € angeordnet worden ist, vorläufig Erfolg. Im Übrigen ist die Revision offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Dies gilt insbesondere, soweit das angefochtene Urteil im Hinblick auf die festgesetzten Einzelstrafen in Höhe von vier Monaten Ausführungen zur Unerlässlichkeit im Sinne des § 47 StGB gänzlich vermissen lässt. Denn die Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe bedarf ausnahmsweise dann keiner Begründung, wenn sie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe in einem solchen Maße aufdrängt, dass die ausdrückliche Darstellung im Urteil entbehrlich ist (BGH, NStZ 2004, 554; Senatsbeschluss vom 29. August 2018 zu III-1 RVs 54/18 m.w.N.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 47 Rn. 7). Ein solcher Ausnahmefall ist bereits angesichts der erheblichen Schadenshöhen und insbesondere in Anbetracht dessen gegeben, dass der Angeklagte die ohnehin bereits angespannte finanzielle Situation des Zeugen L in erheblichem Maße weiter verschärft hat.

Ungeachtet dessen, dass das Landgericht die Einziehungsentscheidung insgesamt auf § 73 StGB gestützt hat, obwohl es sich um die Einziehung des Wertes von Taterträgen im Sinne des § 73 c StGB in der Fassung des am 01. Juli 2017 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I, 872) handelt, der gemäß Art. 316 h EGStGB Anwendung findet, hält die Einziehungsentscheidung im Umfang der Aufhebung und Zurückverweisung rechtlicher Überprüfung deshalb nicht stand, weil der Senat als Revisionsgericht aufgrund der Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht überprüfen kann, ob die Einziehung des Wertersatzes für den von dem Angeklagten für eigene Zwecke verwendeten Versteigerungserlös in Höhe von 33.980,00 €, der der Zeugin N zustand, gemäß § 73 e Abs. 1 StGB ausgeschlossen ist.

Danach ist die Einziehung nach den §§ 73 bis 73 c StGB ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzen aus der Tat auf Rückgewähr oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Einziehung erloschen ist (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 73 e Rn. 4). Durch den Wortlaut "erloschen ist", stellt die Vorschrift klar, dass der von der Einziehung Betroffene nicht nur dadurch befreit wird, dass er die Leistung im Sinne der Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) bewirkt; vielmehr befreit ihn auch ein (Teil-)Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB, da die Vorschrift mit Blick auf die Privatautonomie "vergleichsfreundlich" ausgestaltet ist, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl. BT-Drs. 18/95, S. 69).

Insoweit hat das Landgericht lediglich Folgendes festgestellt:

"Mittlerweile hat die Zeugin N den Angeklagten auch zivilrechtlich in Anspruch genommen. Laut ihren eigenen Angaben in der Berufungshauptverhandlung erhielt sie vom Landgericht Dortmund (Urteil vom 11.06.2018 - Aktenzeichen 4 O 86/16) obsiegend den vollen Betrag zugesprochen. In der Berufungsinstanz soll es schließlich zu einem Vergleich zwischen der Zeugin N und dem Angeklagten gekommen sein."

Auf dieser Grundlage, wonach weder feststeht, dass es zu einem Vergleichsabschluss gekommen, noch, ob bzw. in welcher Höhe damit gegebenenfalls ein (Teil-)Erlass in Bezug auf den der Zeugin N zustehenden Schadensersatzanspruch verbunden ist, vermag der Senat die Voraussetzungen des § 73 e Abs. 1 StGB nicht zu überprüfen und vermag infolgedessen nicht auszuschließen, dass die Einziehung eines Betrages, der 18.700,00 € übersteigt, rechtsfehlerhaft erfolgt ist, was den Angeklagten beschwert.

III.

Im Umfang der Aufhebung war die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund gemäß § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen, die auch über die Kosten der Revision zu befinden hat, da deren Erfolg im Sinne des § 473 StPO noch nicht feststeht.