OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2019 - 7 U 20/19
Fundstelle
openJur 2019, 38158
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 12 O 149/18
Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht, § 546 ZPO, oder nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weswegen der Senat beabsichtigt, eine Entscheidung durch Beschluss zu treffen, § 522 Abs. 2 ZPO.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage, gerichtet auf Zahlung von Schadensersatz wegen behaupteter rechtswidriger Sicherstellungen von getrockneten Feigen durch den Beklagten als für die Lebensmittelüberwachung zuständige Behörde, abgewiesen. Ansprüche gegen den Beklagten kommen unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus § 39 Abs. 1 OBG, in Betracht.

Das Handeln des Beklagten war von der Ermächtigungsgrundlage des § 39 Abs. 2 LFBG gedeckt. Die Klägerin wurde rechtmäßig als Störerin zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommen. Insoweit wird vorab zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils, der sich der Senat anschließt, verwiesen.

Die Ausführungen in der Berufungsbegründung geben lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

1.

Der von der Klägerin in der Berufungsbegründung vertretenen Rechtsauffassung, § 39 Abs. 2 Ziff. 2 LFGB sei wegen Vorrangs der supranationalen Vorschrift des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 im vorliegenden Fall nicht anwendbar, wobei die Voraussetzungen des Letzteren wiederum nicht vorgelegen hätten, kann nicht gefolgt werden.

Ermächtigungsgrundlage für die von dem Beklagten vorgenommenen Sicherstellungen war weiterhin § 39 LFGB. Denn wie die Klägerin insoweit zutreffend ausführt, hat die Vorschrift des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 zwar Vorrang vor nationalen Vorschriften, jedoch eben nur, soweit Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 eine Regelung für Maßnahmen bestimmt (vergleiche VG Regensburg, Beschluss vom 10.09.2015, RN 5 S 15.1263 Rn. 53).

Die Klägerin führt weiter in der Berufungsbegründung zutreffend aus, dass nach überwiegender Auffassung Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 voraussetzt, dass ein Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften bereits festgestellt wurde. Eine Eingriffsbefugnis für solche Fälle, in denen ein (bloßer) Verdachtsfall gegeben ist, begründet Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum nicht. Hieraus folgt jedoch zugleich, dass in Verdachtsfällen, also in Fällen, in denen ein Verstoß noch nicht feststeht, Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 die Vorschrift des § 39 LFGB mangels Eröffnung des Anwendungsbereiches gerade nicht verdrängt (vergleiche VG Regensburg, Beschluss vom 10.09.2015, RN 5 S 15.1263 Rn. 53, zitiert nach Wolters Kluwer; Meyer in Meyer/Streinz, LFGB-BasisVO, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 1; Preuß, ZLR 2011,47, 51 ff.).

Soweit im Schrifttum teilweise die Ansicht vertreten wird, § 39 LFGB werde insgesamt durch die übergeordnete Vorschrift des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 verdrängt, wird dies damit begründet, dass Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 auch auf Verdachtsfälle anwendbar sei und deshalb eine vollständige Überschneidung des gesamten Anwendungsbereichs beider Vorschriften vorliege, weshalb § 39 LFBG obsolet sei (so Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010,243, 248).

Die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, der Anwendungsbereich des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 beschränke sich auf festgestellte Verstöße, gleichwohl schließe Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 die Anwendung des § 39 LFGB insgesamt, d.h. auch in Verdachtsfällen aus, wird, soweit ersichtlich, nirgends vertreten. Auch der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung, wie eingangs bereits ausgeführt, nicht an.

Auf die Frage, ob für die Sicherstellungen durch den Beklagten die Voraussetzungen des Art. 54 VO (EG) Nr. 882/2004 vorlagen, kommt es daher nicht an.

Dass der Beklagte auf der Grundlage von § 39 LFGB zur Sicherstellung aller auf dem Lager der Klägerin befindlichen Chargen getrockneter Feigen berechtigt war, hat das Landgericht zutreffend festgestellt. Einwände hiergegen werden in der Berufungsbegründung auch nicht mehr erhoben.

2.

Soweit die Klägerin rügt, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft davon abgesehen, über die von der Klägerin bereits in erster Instanz behauptete Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Probenahmen, Untersuchungen und Analysen Beweis zu erheben, verhilft auch dieser Einwand der Berufung nicht zum Erfolg.

a.

Zutreffend ist, dass im Prüfbericht der CVUA-RRW vom 06.01.2017 festgestellt wird, dass im dortigen Fall der Probenahme im Lebensmittel-Einzelhandel keine repräsentative Probenahme im Sinne der VO (EG) Nr. 401/2006 vorgenommen wurde (vergleiche dortige Seite 4, Bl. 166 GA). Dieser Sachverhalt ist jedoch unstreitig und bedarf deshalb keiner Beweisaufnahme.

Aus diesem Sachverhalt kann die Klägerin jedoch keine für sie günstigen Rechtsfolgen herleiten. Denn die entsprechende Probenahme war zwar nicht repräsentativ, weshalb die dortige Gutachterin im Text ausdrücklich ausführte, dass sie keine Aussage über die gesamte Partie treffen könne. Die Gutachterin gelangte jedoch jedenfalls hinsichtlich der untersuchten Probe zu einer deutlichen Überschreitung der Höchstgehalte für AflatoxinB1 und den Gesamt-Aflatoxin-Gehalt und stellte fest, dass die vorliegende Probe (wenn auch nicht repräsentativ für die gesamte Partie) nicht verkehrsfähig im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1881/2006 sei. Als Konsequenz führte sie sodann weiter aus:

"Es wird dringend empfohlen, die Eigenkontrollmaßnahmen des Importeurs zu überprüfen und vor Ort eine repräsentative Probenahme nach VO (EG) Nr. 401/2006 durchzuführen."

Auch insoweit begründete die Probenahme daher einen hinreichenden Verdacht für den Beklagten, um auf der Grundlage von § 39 LBFG rechtmäßig gegen die Klägerin als Importeurin der untersuchten getrockneten Feigen tätig zu werden.

b.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die übrigen Probenahmen, Untersuchungen und Analysen nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden, werden von der Klägerin in keiner Weise vorgetragen und sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich.

Im Übrigen würde auch eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte Probenahme nicht ohne weiteres ein rechtswidriges Handeln des Beklagten im Sinne des § 39 OBG als für die Lebensmittelüberwachung zuständige Behörde begründen.

Nach Aktenlage wurden die streitgegenständlichen Proben durch die Stadt A und die Stadt B -und damit nicht von dem Beklagten - entnommen (vergleiche Anl. B1A, B20, Bl. 137, 150, 155 GA). In den entsprechenden Bescheiden wurde mit der vorstehend bereits geschilderten Ausnahme des Prüfberichtes der CVUA-RRW jeweils bestätigt, dass die Probenahme und Analyse entsprechend den einschlägigen EU - Vorgaben vorgenommen wurde (vergleiche Bl. 138, letzter Absatz, Bl. 152, Bl. 153, letzter Absatz, Bl. 157, Bl. 159, letzter Absatz). Hierauf durfte sich der Beklagte im Rahmen der ihm obliegenden Tätigkeit verlassen, solange sich ihm nicht aufgrund weiterer Anhaltspunkte aufdrängen musste, dass die entsprechenden Untersuchungen und Analysen doch nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden waren. Derartige Anhaltspunkte werden jedoch, wie vorstehend bereits ausgeführt, von der Klägerin nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich.

3.

Letztlich begegnet die Klage auch im Hinblick auf die geltend gemachte Schadenshöhe erheblichen Bedenken. Insoweit weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass sich nicht ohne weiteres erschließt, weshalb die zunächst sichergestellten, nicht leicht verderblichen Waren nur 2 Monate später nicht oder nur noch zum Einkaufspreis veräußert werden konnten. Zudem dürfte die Schadensberechnung durch bloße Berechnung der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis zu kurz greifen.

Da nach den vorstehenden Ausführungen unter Z. 1 und 2 jedoch Ansprüche der Klägerin bereits dem Grunde nach nicht bestehen, bedarf es insoweit keiner weiteren Ausführungen seitens des Senats.

II.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Hinweisen des Gerichts binnen der genannten Frist. Auf die Möglichkeit der Kosten sparenden Rücknahme der Berufung (KV Nr. 1220, 1222) zu § 3 Abs. 2 GKG) wird hingewiesen.

Berufungsstreitwert: 258.512,35 EUR

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