ArbG Hamm, Beschluss vom 14.09.2007 - 2 BV 9/07 L
Fundstelle
openJur 2019, 38075
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 10 TaBV 109/07
Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

Mit der am 03.05.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift begehrt die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3), hilfsweise zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist von 3 Monaten zum Monatsende.

Der 55 Jahre alte, verheiratete Beteiligte zu 3) ist jedenfalls seit dem 01.07.2004 für die Arbeitgeberin als Masseur und Bademeister beschäftigt. Ob das Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Betriebs- oder Teilbetriebsübergangs auf die Arbeitgeberin übergegangen ist mit der Folge, dass vor Beschäftigungszeiten seit 1987 anzurechnen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Der Beteiligte zu 3) ist Betriebsratsvorsitzender,

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Beteiligte zu 3) seine Mittagspause ab 12:20 Uhr zu absolvieren hat. Die Pause dauert bis 13:20 Uhr mit Ausnahme des montags, wo in der Zeit von 12:50 Uhr bis 13:20 Uhr eine Teambesprechung stattfindet und donnerstags 14tägig, wo in der Zeit von 12:50 Uhr bis 13:20 Uhr — maximal bis 13:40 Uhr — eine interne Fortbildung zu absolvieren ist. Zwischen den Beteiligten ist ebenfalls unstreitig, dass dem Beteiligten zu 3) seitens der Arbeitgeberin Tagespläne vorgegeben werden, in denen die zu behandelnden Personen mit der Art der Behandlung und der Zeit der Behandlung aufgeführt sind. Am Ende eines Arbeitstages dokumentiert der Beteiligte zu 3) die geleistete Tätigkeit, indem er den Tagesplan abzeichnet. In der Zeit vom 07.03.2007 bis zum 18.04.2007 ist der Beteiligte zu 3) an insgesamt 16 Tagen beobachtet worden, als er bereits vor 12:20 Uhr die Kantine aufsuchte, obwohl zu diesen Zeiten laut Behandlungsplan noch Patienten zu versorgen waren.

Die Tätigkeit des Beteiligten zu 3) besteht im Wesentlichen darin, Moorpackungen zu verabreichen, Heißluftbehandlungen und Massagebehandlungen durchzuführen, Motorschienen anzulegen, Interferenzstrombehandlungen und diadynamische Strombehandlungen zu verabreichen. Dabei werden — dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig — regelmäßig Kombinationen bei einzelnen Behandlungen bestehend häufig aus Moorpackungen und Massagen verabreicht.

Wegen der festgestellten "Pausenauffälligkeiten" hörte die Arbeitgeberin den Beteiligten zu 3) am 19.04.2007 an. Mit Schreiben vom 23.04.2007, beim Betriebsrat eingegangen am gleichen Tage, bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen, hilfsweise der zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist gegenüber dem Beteiligten zu 3).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Anhörungsschreiben (Blatt 8 ff. der Gerichtsakte).

Mit Schreiben vom 26.04.2007 (Blatt 11, 12 der Gerichtsakte) verweigerte der Betriebrat die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu . 3).

Die Arbeitgeberin meint, die beabsichtigte Kündigung sei gerechtfertigt mit der Folge, dass die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung durch das Arbeitsgericht zu ersetzen sei. Man werfe dem Beteiligten zu 3) erhebliche Vertragsverstöße vor. So sei er eigenmächtig vom Behandlungsplan abgewichen und habe Arbeitszeiten für die Behandlung einzelner Patienten dokumentiert, die nicht zutreffend seien. Im Übrigen sei erwiesen bzw. es bestehe der dringende Verdacht, dass der Beteiligte zu 3) seine Hauptleistungspflicht, nämlich die Arbeitspflicht nachhaltig verletzt hat, in dem er Pausen verlängert habe. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn der Beteiligte zu 3) zu im Behandlungsplan festgelegten Zeiten in der Kantine auftauche, um dort Pause zu machen, obwohl Patienten zu behandeln seien. Aufgrund des "straffen" Arbeitsprogramms sei es ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer derartige Arbeitszeiten "herausholen könne", um die Pausen zu verlängern. Im Übrigen gebe es bei der Arbeitgeberin klare Vorgaben, die Behandlungspläne strikt einzuhalten. Eine Abweichung von den Behandlungsplänen sei nur nach vorheriger Zustimmung des Vorgesetzten möglich. Der Beteiligte zu 3) sei nicht befugt, in medizinische Indikationen einzugreifen, in dem er eigenmächtig Patienten zu anderen als zu den vorgegebenen Zeiten der Behandlung bestellt und behandelt habe.

Die Arbeitgeberin beantragt,

1. die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu

3), des Betriebsratsvorsitzenden B, zu ersetzen;

hilfsweise

2. die Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialerAuslauffrist von drei Monaten zum Monatsende gegenüber dem Beteiligten zu 3),dem Betriebsratsvorsitzenden B zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) beantragen,

den Antrag abzuweisen.

Sie meinen, die Kündigung sei nicht gerechtfertigt. Es fehle an einem an sich geeigneten Kündigungsgrund. Zwar sei zutreffend, dass der Beteiligte zu 3) teilweise vor 12:20 Uhr in der Kantine gewesen sei. Er habe seine Arbeitspflicht jedoch nicht verletzt. Im Gegenteil habe er allein "patientenorientiert" im vorgegebenen Umfang behandelt. Die eher starre Taktung der EDV im Arbeitsplan sei im Arbeitsalltag nicht einzuhalten. Sie berücksichtige nicht ausreichend individuelle Gegebenheiten der Patienten. Im Laufe eines Tages komme es immer wieder zu Terminveränderungen; es seien auch Zeitressourcen im tatsächlichen Behandlungsablauf "herauszuholen". Dies gelte insbesondere für sogenannte "Kombinationsverordnungen", bestehend aus Massage und vorheriger Kälte- bzw. Wärmebehandlung. In solchen Fällen komme es häufig vor, dass Patienten zunächst die Kälte- bzw. Wärmebehandlung erhielten und anschließend — soweit zeitliche Kapazitäten vorhanden seien — direkt die Massage und zwar in Abweichung vom Arbeitsplan. Dies sei sowohl medizinisch sinnvoll als auch von den Patienten gewünscht. Denn die Patienten müssten sich nicht erneut anziehen, um von der Moorabteilung zu den Behandlungsräumen zu gehen, um dort massiert zu werden. Die Ersparnis an Wegezeiten sei erheblich. Darüber hinaus sei immer wieder feststellbar, das Patienten, deren Behandlungszeiten nach 12:00 Uhr terminiert seien, um Vorverlegung des Termins beten, um an der Tischgemeinschaft zum Mittagessen teilnehmen zu können. Wenn also solche Patienten vor dem festgesetzten Behandlungstermin bereits im Vorzimmer warten würden und er, der Beteiligte zu 3), freie Kapazitäten habe, würden auch Termine einvernehmlich nach Absprache und auf Wunsch der Patienten vorverlegt. Dies führe zu einer Verdichtung der Arbeitsabläufe, die jedoch wegen der Kombination einzelner Behandlungsschritte bzw. wegen ersparter "Rüstzeiten" für An- und Ausziehen für Arbeitnehmer machbar sei. Schließlich verfüge der Beteiligte zu 3) nicht nur über ein Zimmer zur Massagebehandlung, sondern über zwei Zimmer mit der Folge, dass er das jeweilige Anund Ausziehen des einzelnen Patienten nicht abwarten müsse, sondern nach Ende der Massage in das zweite Behandlungszimmer wechseln könne. Die vorgegebenen Massagezeiten von 15 Minuten zuzüglich der Zeiten für An- und Ausziehen seien vom Beteiligten zu 3) immer eingehalten worden. Er, der Beteiligte zu 3), habe sich im Sinne der Patienten und im Sinne eines "kundenfreundlichen Verhaltens" so verhalten wie geschehen. Ein sklavisches Abarbeiten des Arbeitsplans sei weder im Interesse der Patienten noch aus medizinischen Gründen indiziert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.

Der zulässige Antrag konnte in der Sache keinen Erfolg haben. Er ist unbegründet. Gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats der Zustimmung des Betriebsrats. Wird die Zustimmung verweigert, gilt § 103 Abs. 2 BetrVG, wonach das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen kann, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Gemäß § 15 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt wird. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigendem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in den der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, ist nach gefestigter Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst müssen Tatsachen vorliegen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden. In einem weiteren Schritt ist festzustellen, ob unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers dem Arbeitgebers zumutbar ist (vergleiche statt aller BAG, Urteil vom 07.07.2005 (2 AZR 581/04), 12.01.2006 (2 AZR 179/05), 02.03.2006 (2 AZR 53/05) und 27.04.2006 (2 AZR 386/05), 19.04.2007 (2 AZR 78/06), 31.05.2007 (2 AZR 200/06)).

Insoweit ist erforderlich, dass ein — in der Regel schuldhaftes — Fehlverhalten vorliegt, welches es dem Arbeitgeber auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unzumutbar macht, am Arbeitsverhältnis festzuhalten. In der Regel ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung eine einschlägige Abmahnung erforderlich. Dies ergibt sich nunmehr aus § 314 Abs. 2 BGB und entspricht ständiger Rechtssprechung des BAG. Denn die Abmahnung ist zugleich Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit der Folge, dass eine verhaltensbedingte Kündigung nicht gerechtfertigt ist, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine zukünftige Vertragsstörung zu beseitigen und zu vermeiden. Nur ausnahmsweise ist nach der Rechtssprechung des BAG eine Abmahnung entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder wenn es sich um solch schwere Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitnehmer offensichtlich ausgeschlossen werden kann (vergleiche statt aller BAG, Urteile vom 12.01.2006 (2 AZR 21/05 und 2 AZR 179/05), 02.03.2006 (2 AZR 53/05), 27.04.2006 (2 AZR 386/05), 07.07.2005 (2 AZR 581/04), 24.11.2005 (2 AZR 39/05), 06.10.2005 (2 AZR 280/04).

Unter Berücksichtung dessen besteht aus Sicht der Kammer kein an sich geeigneter Kündigungsgrund mit der Folge, dass es keiner Entscheidung bedarf, ob die Arbeitgeberin die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beachtet hat.

Die Arbeitgeberin wirft dem Beteiligten zu 3) im Wesentlichen folgende Verstöße vor:

1. Er sei eigenmächtig vom Behandlungsplan abgewichen, in dem er Patienten zu Zeiten behandelt habe, die außerhalb des Planes gelegen hätten.

2. Er habe Arbeitszeiten dokumentiert, die er nicht geleistet habe, in dem er am Ende eines Arbeitstages den Arbeitsplan abgezeichnet habe.

3. Er habe seine Hauptleistungspflicht dahingehend verletzt, als er Arbeitszeiten nicht erbracht, wohl aber Vergütung dafür erhalten habe; insoweit bestehe jedenfalls der dringende Verdacht eines Arbeitszeitbetruges.

1. Mit der Arbeitgeberin geht die erkennende Kammer davon aus, dass der Beteiligte zu 3) den Behandlungsplan eigenmächtig und ohne vorherige Zustimmung der Arbeitgeberin abgeändert und fehlerhafte Arbeitszeiten dokumentiert hat. Insoweit handele es sich um ein schuldhaftes Fehlverhalten, was aus Sicht der Kammer auch nicht gerechtfertigt werden kann. Soweit der Beteiligte zu 3) darauf verweist, er handele patientenorientiert, mag dies sein. Gleichwohl war er nicht berechtigt, die betrieblichen Abläufe umzustellen und Behandlungen durchzuführen zu Zeiten, die nicht dem Arbeitplan entsprachen. Dafür, dass die Arbeitgeberin dieses Verfahrens ein solches Verhalten in der Vergangenheit toleriert hat, hat der Beteiligte zu 3) substantiiert nichts vorgetragen. Wie die mögliche Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin solche Abweichungen vom Behandlungsplan in der Vergangenheit bewertet hat, bedarf hier keiner Entscheidung; entscheidend ist hier allein, ob die seit dem 01.07.2004 am Arbeitsverhältnis beteiligte Arbeitgeberin ein solches Verhalten in Kenntnis der Umstände jemals geduldet hat. Dafür liegen zur Überzeugung der Kammer keinerlei Anhaltspunkte vor.

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist die Kammer jedoch der Meinung, dass in diesem Fall nicht von einem schweren Pflichtverstoß auszugehen ist mit der Folge, dass vor Ausspruch einer verhaltensbedingten — zumal außerordentlichen - Kündigung eine Abmahnung erforderlich war. Es fehlt somit insoweit an einem an sich geeigneten Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Dabei kenn nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beteiligte zu 3) glaubhaft in diesem Verfahren deutlich gemacht hat, er habe im wohlverstandenem Interesse der Patienten gehandelt und die Behandlungszeiten so erbracht, wie dies möglich und von den Patienten gewünscht gewesen sei. Unter Berücksichtigung dessen ist davon auszugehen, dass durch Ausspruch einer Abmahnung als geeignetes milderes Mittel der Beteiligte zu 3) auf "dem Pfad der Tugend" zurückgeführt worden wäre mit der Folge, dass die beabsichtigte Kündigung unverhältnismäßig ist.

2. Gleiches gilt für den —erwiesenen- Vorwurf, der Beteiligte zu 3) habe am Ende eines Arbeitstages durch seine Unterschrift unter den Arbeitsplan Arbeitszeiten dokumentiert, die er —jedenfalls zu diesen Zeiten- nicht erbracht habe. Auch insoweit handelt es sich um ein abmahnungswürdiges Fehlverhalten, welches jedoch aus Sicht der Kammer nicht so schwer wiegt, als dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien auf Dauer zerstört ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch die fehlerhafte Dokumentation auf Seiten der Arbeitgeberin ein Schaden nicht entstanden ist; etwas Anderes behauptet sie jedenfalls nicht. Andererseits hat sich der Beteiligte zu 3) substantiiert, ausführlich und in sich widerspruchsfrei —wie auch bereits anlässlich der Anhörung vom 19.4.2007- dahingehend eingelassen, er habe ausschließlich patienten- bzw. kundenorientiert gehandelt in der sicheren Erwartung, ein solches Verhalten sei von der Arbeitgeberin gewünscht. Unter Berücksichtigung dessen ist für die Kammer auch nicht ansatzweise erkennbar, warum die "Störung" des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine Abmahnung mit Wirkung für die Zukunft beseitigt werden können soll. Im Übrigen zeigt das Arbeitsverhalten des Beteiligten zu 3) nach Zustellung der Antragsschrift, dass er nunmehr nach dem Willen der Arbeitgeberin die Behandlungen entsprechend des Arbeitsplanes durchführt und dies dokumentiert. Offensichtlich ist der Beteiligte zu 3) somit allein durch das Betreiben dieses Zustimmungsersetzungsverfahrens auf

den "Pfad der Tugend" zurückgekehrt und hat sein bisheriges Fehlverhalten abgestellt. Der Ausspruch einer Kündigung wäre auch unter Berücksichtigung dessen unverhältnismäßig.

3. Soweit die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 3) vorwirft, er habe die Hauptleistungspflicht verletzt bzw. einen "Arbeitszeitbetrug begangen" konnte die Kammer dem nicht folgen. Gleiches gilt, soweit die Arbeitgeberin meint, jedenfalls bestehe insoweit der dringende Tatverdacht eines Arbeitzeitbetruges und einer Verletzung der Hauptleistungspflicht. Die Arbeitgeberin hat in diesem Verfahren trotz entsprechenden Vortrags des Beteiligten zu 3.) substantiiert nicht vorgetragen, dieser habe Patienten nicht oder verkürzt behandelt. Insoweit liegt auch ein konkretes Beweisangebot nicht vor. Im Gegenteil hat der Beteiligte zu 3) substantiiert und in sich schlüssig dargelegt, dass immer wieder Zeitreserven "vorhanden" seien, die er im Sinne einer patientenorientierten Arbeitsweise genutzt habe. Ihm sei es gerade nicht darum gegangen Pausen zu verlängern, sondern die Patienten zufrieden zu stellen. Somit war es Aufgabe der Arbeitgeberin, konkret darzulegen, in welchem Fall der Beteiligte zu 3.) seine Arbeitspflicht verletzt haben soll, sei es, dass er Behandlungen gar nicht oder dass er Behandlungen verkürzt durchgeführt hat. Zur Überzeugung der Kammer fehlt es somit an einem erwiesenen "Arbeitzeitbetrug" bzw. an einer erwiesenen Verletzung der Arbeitspflicht.

Soweit die Arbeitgeberin die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung wegen Arbeitszeitmanipulation begehrt, fehlt es aus Sicht der Kammer an einem dringenden Tatverdacht. Dieser aber ist erforderlich, um eine Verdachtskündigung aussprechen zu können (vergleiche BAG, Urteil vom 06.11.2003 (2 AZR 631/02), Urteil vom 10.02.2005 (2 AZR 189/04)). Nachdem zunächst — auf den ersten Blick — gewisse nicht unerhebliche Verdachtsmomente gegen den Beteiligten zu 3) zu erkennen waren, hat dieser im Verlaufe dieses Verfahrens erhebliche entlastende Umstände vorgetragen, die darauf schließen lassen, dass er jedenfalls die Behandlungszeiten nicht verkürzt hat. Demgemäß oblag es der Arbeitgeberin in diesem Verfahren, substantiiert Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass gleichwohl noch immer ein dringender Tatverdacht hinsichtlich eines "Arbeitszeitbetruges" besteht. Denn die den dringenden Verdacht einer erheblichen Verfehlung im Arbeitsverhältnis stärkenden oder entkräftenden Tatsachen können bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vorgetragen werden (vergleiche BAG, Urteil vom 06.11.2003 — 2 AZR 631/02). Jedenfalls zurzeit ist davon auszugehen, dass ein dringender Tatverdacht nicht — mehr — besteht mit der Folge, dass zu entscheiden war wie geschehen.

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