VG Stuttgart, Urteil vom 21.07.2016 - 4 K 3671/15
Fundstelle
openJur 2019, 39647
  • Rkr:

1.Für die Richtigkeit der Tatsachen, auf denen das abschließende Werturteil einer Publikation des Landesamtes für Verfassungsschutz beruht, kommt es auf die konkrete Aussage in ihrem konkreten Kontext an und nicht auf einen wie auch immer gearteten Gesamtzusammenhang.(Rn.61)2.Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorliegen, ist die Sachlage bei Vornahme der Maßnahme, hier also der Zeitpunkt der streitgegenständlichen Veröffentlichung des Landesamts für Verfassungsschutz.(Rn.65)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Unterlassung der Verbreitung des in der Publikation des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg "Verfassungsschutz Aktuell .../2013" enthaltenen Artikels " N.R. propagiert den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ ", den Widerruf der in der genannten Überschrift des Artikels getätigten Behauptung sowie der in dem Artikel enthaltenen Behauptung, der Kläger betreibe eine "Online-Koranschule", hilfsweise die Unterlassung der genannten Behauptungen.

Der Kläger ist Imam und arbeitet als solcher in Heilbronn. Er war Vorstandsmitglied des "Hohen Rats der Gelehrten und Imame in Deutschland e. V." mit Sitz in Heilbronn, der bis zu seiner Auflösung im Jahr 2015 vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (im Folgenden: LfV) unter dem Gesichtspunkt des politischen Salafismus beobachtet wurde. Auf der vom Kläger betriebenen Internetseite "www.....de" finden sich Audiodateien, die religiöse Vorträge des Klägers enthalten, die online von jedermann frei abgespielt und angehört werden können und dort auch zum Download bereitstehen.

In der im ... 2013 erschienenen Ausgabe der Publikation "Verfassungsschutz Aktuell .../2013" veröffentlichte das LfV auf den Seiten 3 bis 5 unter der Rubrik "Islamismus" einen Beitrag mit dem Titel " N.R. propagiert den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ ". Der so veröffentlichte Artikel ist bis heute auf der Internetseite des LfV unter "www.verfassungsschutz-bw.de/..." von jedermann frei abrufbar.

In dem genannten Artikel des LfV heißt es in Fettdruck auf Seite 3:

"Am 19. August 2013 wurde auf der von N.R. betriebenen Online-Koranschule ein Korankommentar festgestellt, in dem er die im Koran aufgeführten Passagen zum Jihad in einer aggressiv-kämpferischen und expansiven Art interpretiert. Nach ihm sind die in einem jihadistischen Angriffskrieg gemachten Kriegsgefangenen die legitimen Sklaven der Muslime. N.R. unterstellt, dass diese keine Persönlichkeitsrechte besitzen. Deshalb dürften die Frauen unter ihnen den Muslimen ganz legal als ‚Sex-Sklavinnen‘ zur Verfügung stehen."

Im Anschluss daran wird ebenfalls auf Seite 3 des Beitrags des LfV in Normaldruck u. a. ausgeführt:

"Der salafistische Prediger N.R." (...) "betreibt mindestens seit dem Jahr 2007 auf einer Internetplattform eine Online-Koranschule. Auf dieser verbreitet er zumeist salafistische Positionen des saudi-arabischen Staats-Islams."

Vier Absätze danach (Seite 3/4) heißt es:

"N.R. verwendet den algerischen Korankommentar als Grundlage für eine mehrere Dutzend Stunden umfassende, in deutscher Sprache gehaltene Vortragsreihe, die als Audiomitschnitt heruntergeladen werden kann. Der überwiegende Teil des Korankommentars vermittelt friedliche und verfassungskonforme Inhalte. Jedoch beschäftigen sich einige weniger zentrale Passagen auch mit dem kriegerischen Jihad. N.R. vertritt hier die kämpferische, imperialistische Position der mittelalterlichen Theologie, wenn er fordert: ‚Oh, die Ihr glaubt, kämpft gegen diejenigen von den Ungläubigen, die in Eurer Nähe sind. Und sie sollen in Euch Härte vorfinden‘. So sollen Muslime gegen alle als Ungläubige diffamierte Nichtmuslime kämpfen, die sich nicht militärisch unterwerfen und ihnen keine demütigende Kopfsteuer entrichten: 'entweder Ihr zahlt uns die Jizya [Kopfsteuer] und dann werden wir Eure Länder regieren (...) Die zweite Möglichkeit ist, dass sie sich verweigern. Sie sagen, wir wollen unsere Religion behalten und nicht den Islam annehmen und keine Jizya bezahlen. Dann kämpfen wir gegen sie und Allah wird den Gläubigen zum Sieg verhelfen.' ".

Auf Seite 5 wird ausgeführt:

"Hierbei vermittelt N.R. den Eindruck, als wäre dieses historisch relevante Detail des islamischen Rechtsverständnisses auch heute noch gültig: ‚Im Islam ist es so, wenn ein kafir [Nichtmuslim] sich weigert, den Islam anzunehmen, und sich weigert, die Jizya [Kopfsteuer] zu bezahlen und dann auch noch den Islam bekämpft, dann hat er es nicht besser verdient, als dass er versklavt wird und schlimmer behandelt wird als ein Tier - denn das Tier kann frei rumlaufen, aber der Sklave ist ein Besitz seines Herrn. Der Sklave ist Besitz eines Muslims.‘ "

Schließlich wird auf Seite 5 ausgeführt:

"Er vermittelt das Bild, dass Muslime Eigentumsrechte an weiblichen Kriegsgefangenen erlangen können. Aus seiner Perspektive sind erbeutete Frauen sexuelles Freiwild, an dem muslimische Männer ganz legal ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigen dürfen." (...) "Hier hält er eine pseudojuristische Argumentation parat, bei der er sich um eine prophetische Überlieferung bemüht: 'Also war es für sie halal [erlaubt], mit diesen Frauen als Sklavinnen zu verkehren. Auch wenn sie verheiratet waren. Dadurch, dass sie den Krieg verloren haben und sie versklavt worden sind, ist ihre Ehe für ungültig erklärt worden.' "

Die auf der Internetseite des Klägers aktuell abrufbaren Audiodateien entsprechen inhaltlich teilweise nicht mehr den Dateien, auf denen die streitgegenständliche Publikation des LfV basiert. Im Februar oder März 2014 wurden die ursprünglichen Audiodateien durch im Dateinamen gleichlautende Audiodateien ersetzt.

Mit Schreiben vom 20.06.2014 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers das LfV auf, bis 21.07.2014 schriftlich zu erklären, die genannten Behauptungen (scil. die streitgegenständlichen Behauptungen aus dem o. g. Artikel des LfV) nicht weiter zu verbreiten, öffentlich zu widerrufen und dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.358,86 € zu leisten. Das LfV kam dem nicht nach, sondern wies die Forderungen mit Schreiben vom 22.08.2014 zurück.

Daraufhin hat der Kläger am 08.10.2014 beim Verwaltungsgericht Stuttgart einen isolierten PKH-Antrag gestellt, der mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss vom 01.06.2015 abgelehnt wurde (Az. 4 K 4430/14). Am 23.07.2015 hat der Kläger sodann Klage erhoben.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass in dem ihn betreffenden Artikel des LfV in der der Publikation "Verfassungsschutz Aktuell .../2013" mit dem Titel "N.R. propagiert den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ " unzutreffende Behauptungen enthalten seien. Zur Begründung beruft er sich u. a. auf ein Gutachten des Islam- und Politikwissenschaftlers Dr. .... Der Kläger bestreitet zunächst, eine "Online-Koranschule" zu betreiben. Vielmehr befänden sich auf seiner Internetseite lediglich Audiodateien zur Erläuterung des Korans in deutscher Sprache. Auch propagiere er weder den "bewaffneten Angriffskrieg" noch eine "als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ ", denn er werbe nicht, sondern versuche vielmehr anhand bestimmter Quellen die klassische Koran-Exegese ins Deutsche zu übertragen. In seinen Vorträgen äußere er weder seine persönliche Meinung noch interpretiere er selbst den Koran, sondern er gebe lediglich in bestimmten klassischen Werken enthaltene Koran-Interpretationen wieder, was er im Rahmen seines Vortrags mehrfach ausdrücklich klargestellt habe. Der Beitrag des LfV sei tendenziös (z. B. im Zusammenhang mit der Erläuterung der "Jizya", die der Autor des Artikels mit "Kopfsteuer" übersetzt habe, obwohl mit der Bezahlung der "Jizya" als Gegenleistung Religionsfreiheit garantiert werde und ein Anrecht auf militärische Verteidigung erworben werde), enthalte zahlreiche Widersprüche (z. B. in zeitlicher Hinsicht) und lasse absichtlich einzelne Worte des Original-Vortrags (z. B. die Worte "zum Beispiel" und "sagen wir mal" in dem Satz "[...] wenn die Muslime zum Beispiel in Mekka sind, also sagen wir mal in Saudi-Arabien [...]") aus, um dadurch seine Worte zu entstellen, weil durch das Auslassen der Worte der beispielhafte Charakter seiner Ausführungen nicht mehr zum Ausdruck komme. Heutige Staaten habe der Kläger in seinem Vortrag nur genannt, um die Denkweise der damaligen Muslime heutigen Zuhörern verständlich zu machen und nicht etwa, um heutzutage zu einem solchen Vorgehen aufzurufen. Die Aussage, "kämpft gegen diejenigen, die in Eurer Nähe sind", sei nicht auf die heutige Bundesrepublik Deutschland, sondern auf die Situation der damaligen Muslime bezogen gewesen, die die Existenz ihrer Glaubensgemeinschaft durch Gebietseroberungen gesichert hätten, um dort dauerhaft in Frieden leben zu können. Über den "Verteidigungs-Jihad" habe der Kläger in der 55. Audiodatei seiner Vortragsreihe über die Prophetenbiografie ausführlich gesprochen. Überdies habe der Kläger in dem Vortrag, der sich in der Datei "2Baq189-196-16Dez 2005.mp3" wiederfinde, klargestellt, dass niemand zum Islam gezwungen werde und dass von den muslimischen Herrschern jeder - gleich ob Muslim oder Andersgläubiger im mehrheitlich muslimischen Gebiet - bekämpft worden sei, der seine Steuern nicht habe bezahlen wollen. Weiter habe er deutlich gemacht, dass er das Töten von friedlichen Zivilisten für absolut verboten halte; die einzige Ausnahme bilde der Selbstverteidigungskrieg nach einem erfolgten Angriff. Schließlich habe der Kläger in seinem Vortrag auch andere Möglichkeiten des Umgangs mit Nichtmuslimen als den Jihad beschrieben, nämlich Friedensverträge. Für die unschöne Bemerkung zur Bekämpfung eines Nichtmuslims entschuldige er sich; er habe sich hier lediglich in etwas "reingesteigert" gegen jene, die den Islam und Muslime bekämpft hätten. Er habe durch seine Bemerkung keinesfalls zur - absolut unislamischen - Schlechtbehandlung von Nichtmuslimen aufrufen wollen, sondern damit nur ausdrücken wollen, dass man von einem vernunftbegabten Menschen moralisches Verhalten einfordern könne (und entsprechend auch enttäuscht werden könne) und von einem Tier eben nicht. Falsch sei auch die nicht belegte Aussage im Artikel des LfV, dass der Kläger ein Bild vermittele, nach dem es in westlichen Gesellschaften immer noch Sklaverei gebe. Das Bild, dass "Muslime Eigentumsrechte an weiblichen Kriegsgefangenen erlangen können" und "ganz legal ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigen dürfen" diene lediglich der Erläuterung der Lehren des Islam als einer umfassenden Religion mit eigener Gesetzgebung. Der Kläger habe mit seinem Vortrag lediglich die Absicht gehabt, die frühislamische Geschichte nachzuerzählen. In dem Abschnitt, der sich in der Audiodatei "4Nisa25_30_26Okt2007.mp3", Minuten 3.37 - 4.27, wiederfinde und der - ohne Kontext und Geschichtswissen - aus heutiger Perspektive unheimlich wirke, gehe es darum, welche Frauen ein Muslim grundsätzlich heiraten dürfe, wobei damit weder eine erzwungene Heirat noch erzwungene sexuelle Kontakte gemeint seien. Abgesehen davon habe der Kläger überdies an mehreren Stellen in seinem Vortrag darauf hingewiesen, dass sich die Muslime an die Gesetze des jeweiligen Landes halten sollen und betont, dass die islamische Gesetzgebung und Rechtsprechung nur in einem islamischen Staat von muslimischen Richtern usw. durchgeführt werden könne. Schließlich seien zahlreiche Äußerungen von ihm bekannt, in denen er zu Frieden und Mitmenschlichkeit aufrufe, und auch im alltäglichen Leben verhalte er sich gegenüber Nichtmuslimen in keiner Weise extremistisch, was z. B. die Teilnahme an interreligiösen Veranstaltungen, der Inhalt zahlreicher seiner Predigten und seine Distanzierung von Extremisten in einem von ihm herausgegebenen Buch zeige. Die Audiodateien, auf denen der Bericht des LfV basiere, habe er nachträglich als Zeichen eines versöhnlichen Entgegenkommens inhaltlich verändert und nicht zum Zwecke der Manipulation. Vor einem Flug von Stuttgart nach Istanbul am 31.03.2016 sei er überdies nicht nur auf Sprengstoff hin kontrolliert worden, sondern es sei von einem Polizeibeamten auch sein Gepäck in der Abflughalle untersucht worden, es seien Fotos von mitgeführten Büchern angefertigt worden und er sei zum Rückkehrzeitpunkt befragt worden. Auf seine Frage nach Anlass und Zweck der Durchsuchung sei ihm von dem Beamten erklärt worden, dass er aufgrund des Buchs "... Band 1/3" unter Beobachtung stehe und dass er selber wisse, dass er Probleme mit der Polizei habe.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die in dem Artikel des LfV enthaltenen Behauptungen eine unzulässige "Schmähkritik" darstellten, durch die er in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt werde, denn das LfV habe bereits eine irreführende Überschrift gewählt, da von ihm keinerlei Gefahr ausgehe, der überwiegende Teil seines Korankommentars friedliche und verfassungskonforme Inhalte darstelle und nur in nebensächlichen Passagen eine Beschreibung früherer Kriege enthalte, worin kein Aufruf zu einem Krieg enthalten sei. Überdies suggeriere der Artikel in unzutreffender und irreführender Weise, dass er die Muslime zur Bekriegung, Versklavung und Vergewaltigung von Nichtmuslimen/innen aufrufe. Darüber hinaus verstießen die Ausführungen in dem Beitrag des LfV gegen Grund- und Menschenrechte des Klägers, insbesondere gegen dessen "Grundrecht auf Religionsausübung", weil die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Interpretationen religiöser Texte nicht eingehalten worden seien und dem Artikel ein unzutreffendes Bild eines angeblichen "Salafismus" zugrunde gelegt werde, das wissenschaftlich nicht haltbar sei. Der Vorfall vom 31.03.2016 am Stuttgarter Flughafen zeige, dass sich die Beobachtung des LfV keineswegs auf eine distanzierte Beobachtung beschränke, sondern unverhältnismäßige Maßnahmen zur Folge habe, durch die der Kläger öffentlich an den Pranger gestellt werde.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. die weitere Verbreitung des Artikels "N.R. propagiert den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ (... 12/2013)" künftig zu unterlassen,

2. die Behauptungen

a. "N.R. propagiert den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ ",

b. "N.R. ist Betreiber einer ‚Online-Koranschule‘ "

öffentlich zu widerrufen,

3. hilfsweise: die in Ziff. 2 genannten Behauptungen künftig zu unterlassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass der den Kläger betreffende Artikel

"N.R. propagiert den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ " keine unwahren Tatsachen enthalte. Der Artikel beruhe auf den Ergebnissen einer längeren Analyse von Aussagen bzw. Koran-Kommentaren, die der Kläger in den auf seiner Internetseite abrufbaren Vorträgen getätigt habe. Durch die zwischenzeitlich vorgenommene inhaltliche Veränderung der Audiodateien sei der Aussagegehalt der Vorträge des Klägers teilweise stark verändert, bisweilen sogar ins Gegenteil verkehrt worden. Zutreffend sei zunächst die Behauptung, der Kläger betreibe eine "Online- Koranschule". Ein Indiz sei bereits die Internetadresse "www.....de", denn das Wort "..." sei arabischer Herkunft und bedeute übersetzt "Lektionen". Die auf der Internetseite des Klägers abrufbaren Vorträge wiesen einen stark lehrhaften Charakter auf. So spreche der Kläger vor Publikum und interagiere stellenweise auch mit diesem, indem er auf Fragen antworte oder Fragen stelle, so dass bei den Vorträgen überwiegend die Vermittlung von Wissen im Vordergrund stehe. Darüber hinaus weise der Kläger auf seiner Internetseite unter der Rubrik "Kurzbiografie" darauf hin, dass er über eine "Idschaza" - eine Art "Lehrbefugnis", die ihm von islamischen Autoritäten verliehen worden sei - verfüge. Auch biete er auf seiner Internetseite an, Unterrichte über einen Live-Stream über einen eigens eingerichteten "Paltalk-Channel" zu verfolgen. Zutreffend sei weiterhin die Tatsachenbehauptung in dem Artikel, der Kläger propagiere den "bewaffneten Angriffskrieg" sowie "eine als islamistisch verstandene Sex- Sklaverei", denn bei seinen weitläufigen Ausführungen zum Jihad produziere und befürworte er die klassisch exegetischen Ansätze, wie sie seit dem frühen Mittelalter bestünden, nehme dabei jedoch auch Kontextualisierungen vor und lasse persönliche Ansichten und Wertungen einfließen. Damit mache er sich diese zu eigen, schaffe aber auch gänzlich neue, eigene Aussagen. So etwa mache der Kläger in seinem Vortrag (Audiodatei "2Baq189_196_16Dez2005.mp3", Minuten 11.11 - 22.18) den globalen ("gesamte Weltkugel") und zeitlosen ("gilt zum jüngsten Tag") Anspruch seiner Islamauslegung deutlich, die insbesondere auch militärisch umzusetzen sei ("kämpft gegen diejenigen..."). Im Zusammenhang mit dem zeitlosen Charakter, den der Kläger dem gewaltsamen Jihad zuschreibe, falle auf, dass er die "klassischen" Bestimmungen kontextualisiere, indem er ein gewaltsames Vorgehen mit modernen Staaten wie Saudi-Arabien, Bahrain, Katar und Kuwait in Verbindung bringe, die in "klassischen" Korankommentaren nicht vorkämen. An anderer Stelle negiere der Kläger in einem Zitat die Tatsache, dass Muslime und Nichtmuslime als gleichberechtigte Partner friedlich zusammenleben könnten. Aus der von ihm als einzig gültig propagierten klassisch-islamischen Sicht sei eine friedliche Koexistenz von Muslimen und Nichtmuslimen nur dann möglich, wenn Nichtmuslime sich "vertraglich" durch Zahlung von Tribut den Muslimen unterwerfen und dadurch die Oberhoheit islamischer Herrschaft anerkennen würden, wobei der Kläger an dieser Stelle seines Vortrages verbal seine persönliche Zustimmung und Begeisterung für derartige Ansichten zum Ausdruck gebracht habe, anstatt eine kritisch-distanzierte Darstellung vorzunehmen. Besonders deutlich komme dies in einem Zitat zum Ausdruck, welches in der ursprünglichen Version einer Audiodatei enthalten gewesen sei, durch die nachträgliche, äußerst professionell vorgenommene Veränderung der Datei jedoch relativiert und in einen nicht verfassungsfeindlichen Zusammenhang gebracht worden sei, nämlich:

"Aber was die anderen Kuffar [Ungläubige] angeht (...) - So wird den anderen Kuffar: Ahl al-Kitab [d. h. Christen und Juden] und bei manchen Gelehrten auch andere vor die Wahl gestellt: Entweder Ihr zahlt uns die Jizya [Kopfsteuer] und dann werden wir Eure Länder regieren und wir werden Euch dafür, dass Ihr uns die Jizya bezahlt, verteidigen. Und sie dürfen ihre Religion behalten. Das ist die erste Möglichkeit. Die zweite Möglichkeit ist, dass Sie sich verweigern. Sie sagen, wir wollen unsere Religion behalten und nicht den Islam annehmen und keine Jizya bezahlen. Dann kämpfen wir gegen sie und Allah wird den Gläubigen zum Sieg verhelfen. Und die dritte Möglichkeit ist - und das ist eigentlich für sie und alle Menschen auf der Welt die beste Möglichkeit - sie treten einfach in die Barmherzigkeit Allahs ein und werden Muslime."

Auch den Ausführungen, die der Kläger im Rahmen eines Vortrags zu im Kampf erbeuteten Frauen gemacht habe, mangele es wiederum an einer kritisch-distanzierten Haltung und sie würden als für Muslime überzeitlich gültige verbindliche Regelungen erscheinen. Indem er auf anachronistische Weise suggeriere, dass man auch heutzutage noch Sklaven erbeuten dürfe, und er die aus seiner Sicht zu versklavenden "Ungläubigen" als unter den Tieren stehend darstelle, gehe die darin zum Ausdruck gebrachte Menschenverachtung weit über Ausführungen einer "klassischen Koranexegese" hinaus und zeige die persönliche Abneigung des Klägers gegenüber Nichtmuslimen. Der Kläger lege in seinen Ausführungen nicht lediglich die klassische Koranexegese dar, sondern versuche, anhand von Koranversen Bestimmungen und Verhaltensweisen darzulegen, an denen sich ein Muslim seiner Ansicht nach auch heute noch halten müsse, indem er von einer Einbettung der einzelnen Bestimmungen in den historischen Rahmen absehe oder diese nur unzureichend vornehme. Insbesondere die nachträgliche Veränderung der maßgeblichen, im streitgegenständlichen Artikel des LfV aufgeführten Audiodateien bzw. der dort aufgeführten Zitate deute darauf hin, dass dem Kläger die verfassungsfeindlichen Inhalte seiner Aussage bewusst seien und er die Dateien infolge der streitgegenständlichen Publikation des LfV bewusst manipuliert habe.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass für die Arbeit des Verfassungsschutzes relevante Positionen in entsprechenden Aussagen bzw. Koran-Kommentaren entstehen könnten, wenn historische Aspekte des islamischen Rechts in die Neuzeit transportiert würden, was vorliegend unter anderem in denjenigen vom Kläger zitierten Passagen des Korans der Fall sei, in denen muslimische Kriegsführung und Sklaverei thematisiert würden. Sofern - wie vorliegend - derartige Passagen in heiligen Schriften unmittelbar als rechtliche Grundlage heutigen Handelns propagiert würden, entstünde eine verfassungsrechtliche Relevanz, woraufhin das LfV die Öffentlichkeit über entsprechende Erkenntnisse habe informieren dürfen. Die Äußerung des Klägers im Rahmen eines so genannten "Disclaimers", dass sich Muslime an die Gesetze des jeweiligen Landes halten sollen, stelle sich im vorliegenden Zusammenhang als bloße (unbeachtliche) Leerformel dar.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte, auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Publikation des LfV "Verfassungsschutz Aktuell 11+12/2013", auf den Inhalt der auf der vom LfV übermittelten CD-ROM befindlichen Audiodateien ("2Baq189_196_16Dez2005_ Original.mp3"; "4Nisa25_30_26Okt2007_Original.mp3"; "2Baq189_196_16Dez2005_ Verändert.mp3"; "4Nisa25_30_26Okt2007_Verändert.mp3") und die vom LfV daraus erstellten, dem Gericht vorliegenden Transkriptionen sowie auf die Gerichtsakten verwiesen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung durch Inaugenscheinnahme der von Kläger betriebenen Internetseite "www.....de" Beweis erhoben zu der Frage, ob der Kläger auf der genannten Homepage ausdrücklich erklärt, dass die Inhalte manchmal im Widerspruch zur heutigen Gesetzgebung stehen, doch dies keine Aufforderung zur Umsetzung hier in Deutschland ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Dem Kläger steht der gegen den Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung des Artikels "N.R. propagiert den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ " nicht zu. Der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Unterlassung der Wiederholung einer amtlichen Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen droht, was erfordert, dass eine auf Tatsachen gestützte objektive ernstliche Gefahr alsbaldiger weiterer, nicht zu duldender Störungen besteht (vgl. Bayerischer VGH, Urteil v. 22.10.2015 - Az. 10 B 15.1320 -, juris, Rn. 28 u. 31). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

1. In Ermangelung einer spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage leitet sich der vom Kläger im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus einer grundrechtlich geschützten Position des Klägers ab, die sich aus seinem Grundrecht auf Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergibt. Denn die Grundrechte schützen den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch vor solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (vgl. BVerwG, Urteil v. 21.05.2008 - Az. 6 C13/07 -, juris, Rn. 13). Infolgedessen kann der Bürger, wenn er durch staatliches Informationshandeln in seinen Grundrechten verletzt wird, darauf gestützt Unterlassung verlangen.

2. Nicht jedes staatliche Informationshandeln und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung ist als Grundrechtseingriff zu bewerten. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Schutzbereich eines Grundrechts berührt wird und ob die Beeinträchtigung einen Eingriff oder eine eingriffsgleiche Maßnahme darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 - Az. 1 BvR 1072/01 -, juris, Rn. 50).

a) Der Schutzbereich des Grundrechts auf Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG ist vorliegend eröffnet. Wie die Meinungsfreiheit vorbehaltlich ihrer Schranken auch extremistische Meinungen schützt, schützt das Religionsgrundrecht vorbehaltlich seiner Schranken auch fundamentalistische oder extremistische religiöse Bekenntnisse (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 19.05.2011 - Az. 1 Ss 175/11 -, juris, Rn. 14); es schützt den Grundrechtsträger auch vor diffamierenden, diskriminierenden oder verfälschenden Darstellungen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 - Az. 1 BvR 670/91 -, juris, Rn. 53). Die Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist für den religiösen Bereich lex specialis zu Art. 5 Abs. 1 GG und folgt den zur Meinungsfreiheit entwickelten Grundsätzen (OLG Stuttgart, Urteil v. 19.05.2011, a. a. O., Rn. 15). Daneben ist auch der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eröffnet, wozu das Verfügungs- und Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung zählt sowie, damit verbunden, der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der so genannten "äußeren Ehre" als dem Ansehen in den Augen anderer (vgl. BVerfG, Beschluss v. 25.10.2005 - Az. 1 BvR 1696/98 -, juris, Rn. 25; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 24.11.2006 - Az. 1 S 2321/05 -, juris, Rn. 24).

b) Das LfV greift mit den umstrittenen Äußerungen seiner Publikation auch in die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre des Klägers ein.

Die streitgegenständliche Publikation des Beklagten ist kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. Wie ein Verfassungsschutzbericht zielt auch die Veröffentlichung in der Publikation "Verfassungsschutz Aktuell" auf die Abwehr besonderer Gefahren und stammt vom LfV als einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Stelle. Insofern geht eine Veröffentlichung in der Publikation "Verfassungsschutz Aktuell .../2013" über eine bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger, etwa als Marktteilnehmer, hinaus und stellt als "mittelbar belastende negative Sanktion" des Staates einen mittelbaren Grundrechtseingriff dar, der - wie ein unmittelbarer Grundrechtseingriff auch - vom Schutz der o. g. Grundrechte des Klägers erfasst ist (vgl. BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 - Az. 1 BvR 670/91 -, juris, Rn. 70; so auch zum Verfassungsschutzbericht: BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 - Az. 1 BvR 1072/01 -, juris, Rn. 54; BVerwG, Urteil v. 21.05.2008 - Az. 6 C13/07 -, juris, Rn. 15). Ähnlich wie bei einem Verfassungsschutzbericht kann die Erwähnung des Klägers in der Publikation "Verfassungsschutz Aktuell .../2013" unter der Rubrik "Islamismus" und seiner Beschreibung als "salafistischer Prediger" gerade vor dem aktuellen politischen Hintergrund der Handlungen des so genannten "Islamischen Staats" in Syrien und Irak und der darüber geführten öffentlichen Berichterstattung bzw. Auseinandersetzung geeignet sein, den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in Frage zu stellen.

Der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre des Klägers ist bereits eingetreten und dauert mit der Gefahr ständiger Wiederholung an, denn das LfV hat den Bericht in der Publikation "Verfassungsschutz Aktuell .../2013" nicht nur in gedruckter Form veröffentlicht, sondern hält ihn weiterhin in voller Länge auf seiner Homepage im Internet zur Einsichtnahme durch jedermann bereit. Der Kläger ist daher auch zukünftig den streitgegenständlichen Darstellungen ausgesetzt, die er zum Gegenstand seines Unterlassungsanspruchs gemacht hat. Dass die Veröffentlichung (gerade auch die auf der Homepage des LfV) öffentlich auch bundesweit wahrgenommen wird, zeigt etwa die Bezugnahme des streitgegenständlichen Artikels in Beschlüssen des Verwaltungsgerichts Bremen (Beschluss v. 29.04.2015 - Az. 4 V 358/15 -, juris, Rn. 55 ff.) bzw. des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen (Beschluss v. 01.12.2015 - Az. 1 B 95/15 -, juris, Rn. 44). Die vom Kläger geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung hat das LfV nicht abgegeben, so dass eine Wiederholungsgefahr auch insoweit gegeben ist. Dass die Intensität des Grundrechtseingriffs bei dem im Archiv der Homepage des LfV abgelegten Artikel möglicherweise nicht mehr so hoch ist wie bei dort aktuell abrufbaren Beiträgen, ändert an der Fortdauer des mittelbaren Grundrechtseingriffs nichts, denn anders als bei sich durch Zeitablauf überholenden Presseerklärungen, bezüglich derer unter Umständen mangels Wiederholungsgefahr nur ein (auf die Vergangenheit bezogener) Widerruf der getätigten Äußerung und keine (zukünftige) Unterlassung begehrt werden kann (vgl. VG Bremen, Beschluss v. 29.04.2015 - Az. 4 V 358/15 -, juris, Rn. 73; VG Hannover, Beschluss v. 30.03.2015 - Az. 4 B 546/15 -, juris, Rn. 81 f.), besitzt der streitgegenständliche Artikel, der gleich zu Beginn in Fettdruck auf den Zeitpunkt der in ihm verarbeiteten Feststellungen hinweist, insoweit nach wie vor Aktualität, auch wenn die Homepage des Klägers inzwischen eine äußerlich veränderte Gestalt hat und sich die dem Artikel des LfV zugrunde liegenden Audiodateien mit ihrem damaligen (ursprünglichen) Inhalt dort nicht mehr wiederfinden. Somit entfaltet der in gedruckter Form verbreitete und über das Internet weiterhin abrufbare Artikel weiterhin eine Beschwer für den Kläger (im Ergebnis ebenso für einen Verfassungsschutzbericht: VG Dresden, Urteil vom 07.05.2014 - Az. 6 K 373/11 -).

3. Der mittelbare Eingriff in die grundrechtlich geschützten Positionen des Klägers ist jedoch gerechtfertigt.

a) Der Staat ist nicht grundsätzlich gehindert, das tatsächliche Verhalten von Personen wertend zu beurteilen. Die Verteidigung von Grundsätzen und der Vorgaben der Verfassung durch Organe und Funktionsträger des Staates kann auch mithilfe von Informationen an die Öffentlichkeit und der Teilhabe an öffentlichen Auseinandersetzungen erfolgen. Dies gilt auch für den in Religions- und Weltanschauungsfragen zur Neutralität verpflichteten Staat, der nicht gehindert ist, das tatsächliche Verhalten einer religiösen oder weltanschaulichen Gruppierung oder das ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, selbst wenn deren Verhalten letztlich religiös motiviert ist; er darf sich mit den Trägern des Grundrechts öffentlich - auch kritisch - auseinandersetzen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 - Az. 1 BvR 670/91 -, juris, Rn. 53 f.). Führt das staatliche Informationshandeln aber zu Beeinträchtigungen, die einen Grundrechtseingriff darstellen oder gleichkommen, bedürfen sie der Rechtfertigung durch eine (verfassungskonforme) gesetzliche Ermächtigung, deren Voraussetzungen gewahrt sein müssen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 - Az. 1 BvR 670/91 -, juris, Rn. 70; BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 - Az. 1 BvR 1072/01 -, juris, Rn. 58; BVerwG, Urteil v. 21.05.2008 - Az. 6 C13/07 -, juris, Rn. 20).

b) Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Publikation des LfV ist § 12 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 2 LVSG. Nach § 12 Satz 1 LVSG unterrichten das Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenem Anlass im Einzelfall über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 2 LVSG. Zur Erfüllung der Aufgabe, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder frühzeitig zu erkennen und den zuständigen Stellen zu ermöglichen, diese Gefahren abzuwehren, sammelt das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen, u. a. über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (Nr. 1 Var. 1), sofern im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte für derartige Bestrebungen vorliegen.

Die Rechtsgrundlage § 12 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 2 LVSG genügt den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht angesichts der nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen ("mittelbar belastende negative Sanktion") an eine Veröffentlichung in Verfassungsschutzberichten stellt, weil ein möglicher, nicht durch belegbare Tatsachen gestützter "bloßer Verdacht" eben nicht ausreicht (vgl. BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 - Az. 1 BvR 1072/01 -, juris, Rn. 64 ff.), sondern tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung o. ä. gerichtet sind, erforderlich sind. Eine Unterrichtung der Öffentlichkeit ist danach zwar nicht aufgrund bloßer Vermutungen oder eines bloßen Verdachts zulässig, sondern erst beim Vorliegen konkreter und in gewissem Umfang verdichteter Umstände als Tatsachenbasis; nicht erforderlich ist demgegenüber, dass Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 2 LVSG sicher vorliegen (vgl. Bayerischer VGH, Urteil v. 22.10.2015 - Az. 10 B 15.1320 -, juris, Rn. 35). Die in § 12 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 2 LVSG getroffene Regelung stellt somit eine zulässige Schranke der oben genannten Grundrechte des Klägers dar; bezüglich Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken des Grundrechts (vgl. BVerfG, Beschluss v. 31.03.1994 - Az. 1 BvR 29/94, 1 BvR 573/92 -, juris, Rn. 12).

c) Der Eingriff in die Grundrechtspositionen des Klägers ist nur gerechtfertigt, wenn die Tatsachenbehauptungen in der streitgegenständlichen Publikation, die zur Begründung des abschließenden Werturteils über die verfassungsschutzrechtliche Relevanz der in dem Artikel des LfV beschriebenen Äußerungen bzw. Handlungen (Betreiber einer Online-Koranschule; Propagieren des bewaffneten Angriffskriegs und einer als islamistisch verstandenen "Sex-Sklaverei") herangezogen werden, der Wahrheit entsprechen und zutreffend wiedergegeben werden, denn für die Verbreitung unwahrer grundrechtsrelevanter Tatsachenbehauptungen gibt es in der Regel keinen einen Grundrechtseingriff rechtfertigenden Grund (entsprechend zum Werturteil der Verfassungsfeindlichkeit im Verfassungsschutzbericht: BVerwG, Urteil v. 21.05.2008 - Az. 6 C13/07 -, juris, Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 24.11.2006 - Az. 1 S 2321/05 -, juris, Rn. 27; vgl. weiterhin VG Bremen, Beschluss v. 29.04.2015 - Az. 4 V 358/15 -, juris, Rn. 27). Das auf wahren Tatsachenbehauptungen beruhende abschließende Werturteil ist zudem nur gerechtfertigt, wenn es sich als korrekte, sachbezogene Folgerung aus den mitgeteilten Tatsachen darstellt (vgl. VG Weimar, Urteil v. 03.12.2014 - Az. 8 K 981/12 We -, juris, Rn. 15; VG Bremen, Beschluss v. 29.04.2015, a. a. O., Rn. 27) und keine diffamierenden oder verfälschenden Darstellungen enthält, sondern sich im Rahmen einer sachlich geführten Informationstätigkeit bewegt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002 - Az. 1 BvR 670/91 -, juris, Rn. 56). Überdies dürfen die Äußerungen im Hinblick auf das mit ihnen verfolgte sachliche Ziel den Grundrechtsträger nicht unverhältnismäßig belasten (vgl. BVerfG, Beschluss v. 24.05.2005 - Az. 1 BvR 1072/01 -, juris, Rn. 65; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 12.07.2005 - Az. 15 B 1099/05 -, juris, Rn. 15; Bayerischer VGH, Beschluss v. 16.07.2010 - Az. 10 CE 10.1201 -, juris, Rn. 23).

d) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung. Maßgeblich ist daher weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums objektiv hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Der objektive Sinn wird vielmehr auch vom Kontext und den Begleitumständen der Äußerung bestimmt, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss v. 12.05.2009 - Az. 1 BvR 2272/04 -, juris, Rn. 31; BVerfG, Beschluss v. 24.09.2009 - 2 BvR 2179/09 -, juris, Rn. 7; OLG Stuttgart, Urteil v. 19.05.2011 - Az. 1 Ss 175/11 -, juris, Rn. 18).

e) Gemessen an diesen Grundsätzen ist für die Überprüfung der Darstellungen in dem streitgegenständlichen Artikel zunächst zwischen Tatsachenbehauptungen, die gerichtlich voll überprüfbar sind und im Zweifelsfall von der Verfassungsschutzbehörde bewiesen werden müssen, und Werturteilen, die auf den mitgeteilten Tatsachen beruhen und eine sachbezogene Folgerung darstellen müssen, zu unterscheiden.

Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist danach zu beurteilen, ob ihr Gehalt einer objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht. Kennzeichnend für ein Werturteil sind dagegen die charakteristischen Merkmale der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.10.1991 - Az. 1 BvR 1555/88 -, juris).

Bei der Aussage in dem streitgegenständlichen Artikel des LfV, der Kläger betreibe eine "Online-Koranschule", handelt es sich danach um ein Werturteil, denn der Begriff der "Schule" ist nicht fest definiert; er kann verschiedene Bedeutungen haben (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 14. Aufl. 1997, S. 1114). Im Sinne des Schul- oder Privatschulrechts ist "Schule" eine auf Dauer eingerichtete Bildungsstätte, in der unabhängig vom Wechsel der Lehrer und Schüler nach einem auf allgemein bildende oder berufsbildende Inhalte ausgerichteten Bildungsplan in einem nicht nur auf einzelne Kenntnisgebiete und Fertigkeiten beschränkten Umfang unterrichtet und erzogen wird (vgl. Ebert, Schulrecht Baden-Württemberg, 2013, § 23 SchG, Rn. 2). Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist der Schulbegriff aber weiter. Danach ist "Schule" eine Institution, deren Bildungsauftrag im Lehren und Lernen, also in der Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrer an Schüler, aber auch in der Wertevermittlung und in der Erziehung und Bildung zu mündigen, sich verantwortlich in die Gesellschaft einbringenden Persönlichkeiten besteht (vgl. www.wikipedia.de - Begriff: "Schule"). Da der Begriff der "Schule" rechtlich nicht geschützt ist, wird er auch von Institutionen und Einrichtungen verwendet, die keine Schulen im Sinne des Schulrechts sind, z. B. für Musikschulen, Fahrschulen, Tanzschulen, Segelschulen, Flugschulen, etc. (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 14. Aufl. 1997, S. 1114). Zentrales Element einer Schule ist somit die organisierte Wissensvermittlung von Lehrern an Schüler. Ob dies in einem konkreten Einzelfall anzunehmen ist, ist eine Wertungsfrage, die an bestimmte Tatsachen anknüpfen muss.

Im vorliegenden Fall betreibt der Kläger schon mindestens seit 2007 nicht nur vorübergehend die Internetplattform "www.....de". Die Homepage weist eine professionelle Gestalt auf. Nach der nicht bestrittenen Übersetzung des Wortes "..." durch den Beklagten bedeutet das in der Internetadresse enthaltene, aus dem arabischen stammende Wort soviel wie "Lektionen". Unter der Rubrik "Kurzbiografie" weist der Kläger darauf hin, dass er von verschiedenen Scheichs in verschiedenen islamwissenschaftlichen Themenfeldern so genannte "Idschaza", eine Art "Lehrbefugnis", erhalten habe. Auf der Internetseite findet sich u. a. das Angebot, "Live Unterricht" über einen Live-Stream mittels eines eigens dafür eingerichteten "Paltalk-Channel" zu verfolgen. Es besteht die Möglichkeit der User, Fragen zu stellen, auf die der Kläger antwortet; auch spricht er in seinen Vorträgen vor Publikum und interagiert stellenweise mit den Zuhörern. Auch inhaltlich sind die Vorträge lehrhaft aufgebaut und erinnern vom Sprachgebrauch und -duktus her an eine Lehrveranstaltung. So äußerte der Kläger sich z. B. in den dem streitgegenständlichen Artikel zugrunde liegenden Passagen etwa wie folgt:

"Was ist damit gemeint? Ist damit gemeint, dass die Leute zum Islam gezwungen werden? Nein! Das ist nicht damit gemeint. Sondern..." (Zweite Sure 2:190, Minuten 22.10 - 24.09).

"Und dann haben wir kennen gelernt, (...), außer: eine Ausnahme haben wir gesagt, wenn... (...) Was ist damit gemeint: ... (...) Wir wissen natürlich... (...)" (Vierte Sure 4:190, Minuten 3.37 - 8.07).

Die abrufbaren Vorträge des Klägers beschäftigen sich mit verschiedenen Themen islamischer Lehrinhalte, wie z. B. Koraninterpretation ("Tafsir") oder islamische Jurisprudenz ("Fiqh"). Dass es sich bei den Usern und der Zuhörerschaft um keinen feststehenden Personenkreis handelt, keine Unterrichtspflicht besteht und keine festen Leistungskontrollen stattfinden, ändert nichts daran, dass der Kläger als eine Art Lehrer den Zuhörern als Schülern zu bestimmten islamwissenschaftlichen Themen Wissen vermittelt, und zwar in nicht nur vorübergehender Form, sondern auf Dauer angelegt und organisiert. Für den unvoreingenommenen Zuhörer stellen sich die Erläuterungen des Klägers nicht nur als bloße Wiedergabe von in bestimmten klassischen Werken enthaltene Koran-Interpretationen dar, sondern als Darstellung seiner persönlichen Meinung und seiner eigenen Koran-Interpretation, was sich einerseits aus der Vortragstechnik und dem Vortragsaufbau (Frage - Antwort - Schema: "Was ist damit gemeint? Ist damit gemeint, dass die Leute zum Islam gezwungen werden? Nein! Das ist nicht damit gemeint. Sondern..." - Zweite Sure 2:190, Minuten 22.10 - 24.09), der klägerischen Aufforderung zum Kampf ("Kämpft gegen diejenigen, die in Eurer Nähe sind." - Zweite Sure 2:190, Minuten 21.11 - 22.12) und der Abwechslung von Zitaten, z. T. in arabischer Sprache (z. B. Vierte Sure 4:190, Minuten 6.57 - 8.07), mit eigenen Erläuterungen ("Wir wissen natürlich, wenn wir reden von Sklaven im Islam, dann meinen wir das, was der Islam darunter versteht und nicht das, was wir eventuell aus den Geschichtsbüchern kennen,..." - Vierte Sure 4:190, Minuten 4.56 - 6.26). Da die Art der Wissensvermittlung über das Internet erfolgt, fußt die vom LfV anhand der o. g. Tatsachen vorgenommenen Wertung, der Kläger betreibe eine "Online-Koranschule", auf wahren Tatsachen. Der Schluss von den mitgeteilten Tatsachen auf die vorgenommene Wertung ist nachvollziehbar, erfolgte sachbezogen und ist somit nicht zu beanstanden.

Bei der Aussage, der Kläger propagiere den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene "Sex-Sklaverei", handelt es sich ebenfalls um ein Werturteil. Der Begriff "propagieren" steht nach allgemeinem Sprachgebrauch für Werbung für eine Sache oder Idee, ggf. auch in Form von Propaganda, dem systematischen Versuch, öffentliche Sichtweisen zu formen und zu erwünschten Reaktionen zu steuern (vgl. www.wikipedia.de - Begriff: "propagieren"). Ob eine Handlung oder Äußerung eine entsprechende Werbung darstellt bzw. einen entsprechenden Versuch enthält, ist wiederum eine Wertungsfrage, die dem Wahrheitsbeweis - anders als die der Wertung zugrunde liegenden Tatsachen - nicht zugänglich ist.

Das Werturteil in dem streitgegenständlichen Artikel, der Kläger propagiere den bewaffneten Angriffskrieg, beruht auf folgenden Äußerungen des Klägers:

"Und die dritte und letzte Stufe des Jihads, die Allah herab gesandt hat - und die nicht abrogiert worden ist: die gilt bis zum jüngsten Tag - (...) kämpft gegen diejenigen von den Ungläubigen, die in Eurer Nähe sind. Und sie sollen in Euch Härte vorfinden. (...) kämpft gegen diejenigen, die in Eurer Nähe sind. Das heißt, wenn die Muslime zuerst z. B. in Mekka, also sagen wir mal in Saudi Arabien sind, dann gucken sie nach Bahrain - Nachbarland - sind dort Muslime und Nichtmuslime. Sind dort Muslime, dann gehen sie weiter, dann schauen sie nach Qatar, Kuwait - diese Länder außen drum rum -, nach Ägypten. Und langsam, langsam schaut man, dass der Kreis des islamischen Landes sich vergrößert und irgendwann mal die gesamte Weltkugel einnimmt." (Zweite Sure 2:190, Minuten 21.11 - 22.15).

Daraus ergibt sich für den unbefangenen Zuhörer der Eindruck, dass die vom Kläger gemachten Aussagen auch heute noch Gültigkeit besitzen und sich der Kläger mit den Inhalten persönlich identifiziert. Unter "Abrogation" wird in der islamischen Rechtswissenschaft und der Koranexegese die Aufhebung einer normativen Bestimmung des Korans oder der Sunna durch eine andere, zeitlich nachfolgende Bestimmung aus dem Koran oder der Sunna bezeichnet (vgl. www.wikipedia.de - Begriff "Abrogation (Islam)"). Die beschriebene Fortgeltung "bis zum jüngsten Tag" wird sprachlich unterstützt durch die Darstellung im Präsens, durch die wiederholte Verwendung eines Imperativs ("kämpft!") und durch die sprachliche Herstellung aktueller Bezüge durch die Nennung heutiger Staaten ("Saudi Arabien, Bahrain, Qatar, Kuwait"). Daran, dass beim Zuhörer dieser Eindruck entsteht, ändert die Auslassung einzelner beispielhafter Wörter in den Transkriptionen des LfV, auf denen der streitgegenständliche Artikel beruht, nichts, denn beim bloßen Zuhören gehen derartige Worte, die als Füllworte verstanden werden können, leicht unter oder treten angesichts der Verwendung des Präsens und der Anzahl der aufgezählten heutigen Staaten völlig in den Hintergrund. Die wiederholte Aufforderung "kämpft!" lässt sich ohne distanzierende Klarstellung und insbesondere vor der Einleitung des Abschnitts ("gilt bis zum jüngsten Tag") nicht nur als Wiedergabe historischer Quellen verstehen. In der Aufforderung, gegen diejenigen von den Ungläubigen zu kämpfen, die in der Nähe sind, ist für den unvoreingenommenen Zuhörer auch ein Werben des Klägers zu sehen, den "Kreis des islamischen Landes" gewaltsam zu vergrößern, bis es "irgendwann mal die gesamte Weltkugel einnimmt".

Das Werturteil in dem streitgegenständlichen Artikel, der Kläger propagiere eine als islamistisch verstandene "Sex-Sklaverei", beruht auf folgenden Äußerungen des Klägers:

"(...), dass ein Muslim verheiratete Frauen nicht heiraten darf und auch nicht mit ihnen verkehren darf, außer: Eine Ausnahme haben wir gesagt, wenn durch den Jihad Muslime Sklaven bekommen haben und darunter Frauen sind - also Gefangene erst einmal - und der Führer der Muslime erklärt die Gefangenen zu Sklaven: Männer und Frauen. Und dann ist es einem Muslim gestattet, eine Sklavin, die ihm der Führer der Muslime gegeben hat, ihm zugeteilt hat, mit ihr zu verkehren, als wäre es seine eigene Frau. (...) Wenn wir reden von Sklaven im Islam, dann meinen wir das, was der Islam darunter versteht und nicht das, was wir eventuell aus den Geschichtsbüchern kennen, was die Kuffar mit anderen Menschen gemacht haben. Wir Muslime haben ein Sklavenverständnis, was sich deutlich unterscheidet vom Sklavenverständnis der Kuffar. (...) Im Islam ist es so, wenn ein Kafir - Nichtmuslim - sich weigert, den Islam anzunehmen und sich weigert, die Jizya zu bezahlen und dann auch noch den Islam bekämpft, dann hat er es nicht besser verdient, als dass er versklavt wird und schlimmer behandelt wird als ein Tier - denn das Tier kann frei rumlaufen, aber der Sklave ist ein Besitz seines Herrn. Der Sklave ist Besitz eines Muslims. (...)" (Vierte Sure 4:190, Minuten 3.37 - 6.26).

Auch hieraus ergibt sich für den unbefangenen Zuhörer der Eindruck, dass die vom Kläger gemachten Aussagen auch heute noch Gültigkeit besitzen ("Im Islam ist es so..."; "Der Sklave ist Besitz seines Herrn. Der Sklave ist Besitz eines Muslims."). Auch diese Aussage ist im Präsens gehalten und vermittelt den Eindruck, als hätten die Regelungen aktuelle Geltung ("Und dann ist es einem Muslim gestattet..."). Wiederum findet keine Klarstellung statt, dass es sich bei den Aussagen lediglich um die Schilderung historischer Verhältnisse handele; vielmehr erzeugt die Aussage "(...) wenn wir von Sklaven reden im Islam, dann meinen wir (...) nicht das, was wir eventuell aus den Geschichtsbüchern kennen (...)" beim unbefangenen Zuhörer den gegenteiligen Eindruck. Nichts anderes ergibt sich aus der anschließenden Erzählung des Klägers (Vierte Sure 4:190, Minuten 8.08 - 10.28), die als historische Rechtfertigung seiner zuvor getätigten Äußerungen erscheint ("Also Abu Said al Khudri sagte, dass der Prophet am Tage... wo die Schlacht von Hunain stattgefunden hat, eine Gruppe von Muslimen zu einer Ortschaft geschickt hat in der Nähe von Taif..."), denn durch den sprachlichen Tempuswechsel und die in der Schilderung eines historischen Ereignisses wird beim unvoreingenommenen Zuhörer der Eindruck verstärkt, dass die vom Kläger zunächst dargestellten Regelungen noch heute gültig und verbindlich sind.

An den konkreten Aussageinhalten ändert auch der Umstand nichts, dass in den Vorträgen des Klägers im Übrigen friedliche und verfassungskonforme Inhalte enthalten sind und dass sich der Kläger im alltäglichen Leben gegenüber Nichtmuslimen keineswegs extremistisch verhält, denn für die Beurteilung der Richtigkeit der Tatsachen, auf denen das abschließende Werturteil des LfV beruht, kommt es auf die konkrete Aussage in ihrem konkreten Kontext an und nicht auf einen wie auch immer gearteten Gesamtzusammenhang, zumal der Kläger die historischen Bezüge jedenfalls nicht hinreichend klar gemacht hat und sich von bestimmten historischen Verhaltensweisen nicht distanziert hat. Nichts anderes ergibt sich aus dem - jedenfalls derzeit - auf seiner Homepage enthaltenen "Disclaimer", wonach - jedenfalls nach der aktuellen Fassung - ausgeführt wird, dass nicht auszuschließen sei, dass die auf www.....de veröffentlichten Inhalte manchmal im Widerspruch zur hiesigen Gesetzgebung stünden, doch dies keine Aufforderung zur Umsetzung hier in Deutschland sei, denn zum einen ist es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einem User ohne weiteres möglich, die entsprechenden Audio-Dateien abzuspielen bzw. herunterzuladen, ohne den Hinweis im Impressum oder ganz unten auf der Seite der abspielbaren Dateien bemerkt zu haben, zum anderen stellt sich der "Disclaimer" angesichts der Lehrhaftigkeit der Vorträge des Klägers und der relativierenden Formulierung ("nicht auszuschließen") als unbeachtliche Leerformel dar (ähnlich: VG Dresden, Urteil vom 07.05.2014 - Az. 6 K 373/11 -). Die auf Grundlage der ursprünglichen, nicht veränderten Audio-Dateien durch das LfV erstellten Transkriptionen geben den Inhalt der klägerischen Vorträge ganz überwiegend vollständig und jedenfalls ohne inhaltliche Verfälschung wieder. Der Schluss von den mitgeteilten Tatsachen auf die vorgenommene Wertung ist nachvollziehbar, erfolgte sachbezogen und ist somit ebenfalls nicht zu beanstanden.

f) Die auf wahren Tatsachen basierenden Werturteile durften vom LfV auch in der geschehenen Weise veröffentlicht werden, denn die dem streitgegenständlichen Artikel zugrunde liegenden Passagen aus den o. g. Vorträgen des Klägers enthalten auch tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 LVSG. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVSG solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu bringen, wozu der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte zählen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 LVSG sind Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder für einen Personenzusammenschluss handeln, Bestrebungen im Sinne des LVSG, wenn sie auf die Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des LVSG erheblich zu beschädigen.

Die Vorträge des Klägers, auf denen der Artikel des LfV basiert, sind im Internet einem unbeschränkten User-Kreis dauerhaft frei zugänglich. Es besteht die Gefahr, dass der Inhalt der Vorträge des Klägers von radikalisierten oder sich radikalisierenden Personen, gerade vor dem damals wie heute aktuellen politischen Hintergrund in Syrien und im Irak, als Rechtfertigung kriegerischen Handelns und der Begehung von Menschenrechtsverletzungen verstanden und zur Grundlage eigenen Handelns gemacht wird.

Der Aufruf des Klägers zum kriegerischen Jihad zielt auf die Anwendung von Gewalt von Muslimen gegen Andersgläubige und die Errichtung einer Gewalt- und Willkürherrschaft, das Erklären von weiblichen Kriegsgefangenen als Sklavinnen der Muslime, mit denen ein Muslim ganz legal sexuell verkehren dürfe, verstößt zumindest gegen die Menschenwürde der Betroffenen aus Art 1 Abs. 1 GG, deren Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und deren Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG. Eine ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweise des Klägers ist im Umstand des Aufforderns zu gewalttätigen Handlungen und in der Rechtfertigung von menschenrechtswidrigen Handlungen zu sehen. Dass sich der Kläger der Problematik seiner Äußerungen bewusst war, zeigen auch die Verwendung eines "Disclaimers" sowie der Umstand, dass er die dem streitgegenständlichen Artikel zugrunde liegenden Audio-Dateien nachträglich inhaltlich veränderte und dadurch "entschärfte". Schließlich hat sich der Kläger von seinen o. g. Äußerungen - insbesondere auf seiner Homepage - zu keiner Zeit vollumfänglich und klar distanziert. Dass das nachträgliche Verändern der Audio-Dateien als Geste eines versöhnlichen Entgegenkommens zu verstehen gewesen sei, erscheint angesichts der unkommentierten Weiterverwendung der Dateien unter dem gleichen Dateinamen eine reine Schutzbehauptung.

Um seine Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können, durfte das LfV auf tatsächliche Anhaltspunkte für entsprechende Bestrebungen des Klägers gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung durch die erfolgte Publikation öffentlich aufmerksam machen und nicht nur Informationen sammeln. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 12 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 2 LVSG liegen vor; insbesondere beruht der Artikel des LfV auf Vorträgen des Klägers, in denen verfassungsschutzrelevante Äußerungen enthalten sind, so dass tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen. Abzustellen ist dabei auf die Audio-Dateien, auf denen der streitgegenständliche Artikel beruht, also auf die nicht veränderten ursprünglichen Dateien, die die Korankommentare des Klägers wiedergeben, wie sie vom LfV am 19.08.2013 festgestellt wurden, denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob beim Kläger tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, ist die Sachlage bei Vornahme der Maßnahme (vgl. Bayerischer VGH, Urteil v. 22.10.2015 - Az. 10 B 15.1320 -, juris, Rn. 33), hier also der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels des LfV im ... 2013. Nur auf die in den ursprünglichen Dateien enthaltenen Vorträge des Klägers und die daraus gewonnenen Erkenntnisse bezieht sich die streitgegenständliche Publikation des LfV und nur darauf und nicht auf eine später veränderte Version der entsprechenden Vorträge konnte sie sich beziehen.

Der Eingriff in die grundrechtlich geschützten Positionen des Klägers war auch verhältnismäßig, denn es ist kein milderes Mittel aufgezeigt oder sonst ersichtlich, die Aufgaben des Verfassungsschutzes gleich effektiv zu erfüllen. Die streitgegenständliche Darstellung ist sachlich gehalten und weist explizit darauf hin, dass der überwiegende Teil des Korankommentars friedliche und verfassungskonforme Inhalte vermittelt und dass sich (lediglich) einige weniger zentrale Passagen mit dem kriegerischen Jihad beschäftigen. Dadurch wird der Kläger nicht undifferenziert "an den Pranger gestellt", sondern der Leser erhält ein zutreffendes und ausgewogenes Bild von den thematisierten Vorträgen des Klägers bzw. der Inhalte einiger weniger Passagen, die sich mit dem kriegerischen Jihad oder dem Umgang mit weiblichen Kriegsgefangenen auseinandersetzen. Vor diesem Hintergrund fällt auch die einzelfallbezogene Abwägung zwischen den grundrechtlich geschützten Positionen des Klägers und der durch ihre Wahrnehmung beeinträchtigten Rechtsgüter, deren Schutz Aufgabe des LfV ist, zulasten des Klägers aus, denn eine Aufforderung zu Gewalt und Menschenrechtsverletzungen findet ihre Grenze in den einfachgesetzlichen und grundgesetzlichen (bezüglich Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verfassungsimmanenten) Schranken (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urteil v. 19.05.2011 - Az. 1 Ss 175/11 -, juris, Rn. 26 ff.).

Nach § 12 Satz 2 LVSG durften in dem streitgegenständlichen Artikel auch personenbezogene Daten des Klägers mitgeteilt werden, da deren Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs erforderlich war und die Informationsinteressen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Klägers im konkreten Einzelfall überwiegen, denn der Zweck der streitgegenständlichen Veröffentlichung und das Textverständnis setzen die Nennung seines Namens und seiner Funktion voraus. Überdies wäre dem Leser ein Nachvollziehen des wiedergegebenen Inhalts des Artikels und eine Überprüfung der darin angegebenen Quellen andernfalls nicht möglich gewesen.

Ein konkreter Bezug der Kontrollmaßnahmen am Stuttgarter Flughafen zur streitgegenständlichen Veröffentlichung ist schon nach dem klägerischen Vortrag nicht ersichtlich, denn nach der wiedergegebenen Aussage des den Kläger kontrollierenden Polizeibeamten stehe er unter Beobachtung bzw. habe er Probleme mit der Polizei wegen seines Buchs "... Band 1/3".

II.

Angesichts dessen, dass die im streitgegenständlichen Artikel des LfV gemachten Behauptungen auf zutreffenden Tatsachen beruhen und die daraus gezogenen Folgerungen ausgewogen und sachgerecht sind (s. o.), steht dem Kläger auch der begehrte Anspruch auf Widerruf der Äußerungen "N.R. propagiert den bewaffneten Angriffskrieg und eine als islamistisch verstandene ‚Sex-Sklaverei‘ " sowie "N.R. ist Betreiber einer Online-Koranschule" nicht zu. Aus demselben Grund hat auch der hilfsweise geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Klägers, die vorgenannten Behauptungen künftig zu unterlassen, keinen Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung folgt auf § 154 Abs. 1 VwGO.