LAG Hamm, Urteil vom 07.10.2019 - 18 SaGa 49/19
Fundstelle
openJur 2019, 37525
  • Rkr:
Verfahrensgang

1. Es bleibt offen, ob es bei angestellten Vertriebsmitarbeitern grundsätzlich geboten ist, die Vorschrift des § 90a Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB analog anzuwenden und die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots nur für den zugewiesenen Verkaufsbezirk oder den Kundenkreis zuzulassen. Ein weiterreichendes Tätigkeitsverbot dient jedenfalls dann dem berechtigten Interesse des Prinzipals, wenn der Außendienstmitarbeiter nicht nur durch das Ausnutzen persönlicher Kontakte in die Kundenbeziehungen einbrechen kann, sondern wenn er über die Kundenkontakte hinaus weitere Kenntnisse besitzt, an deren Verwertung bei der Konkurrenz der Prinzipal ein berechtigtes Interesse besitzt. Zu solchen Kenntnissen des Außendienstmitarbeiters zählen auch Kenntnisse über Preisspannen, Preisuntergrenzen und die Verkaufspräferenzen des Prinzipals.

2. Das schützenswerte Interesse der Verfügungsklägerin lässt sich über die Vereinbarung einer Kundenschutzklausel nicht effektiv absichern, falls der Prinzipal nicht lediglich mit einem kleinen, gleichbleibenden Kreis von Großkunden Geschäfte tätigt, sondern mit einer Vielzahl von wechselnden Kunden. Dann müsste eine Kundenschutzklausel ständig neu gefasst und an den sich verändernden Kundenstamm angepasst werden. Das wäre unpraktikabel, stets von der Zustimmung des Handlungsgehilfen abhängig und daher für den Prinzipal unzumutbar.

Tenor

Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 11.07.2019 - 1 Ga 5/19 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Verfügungsklägerin auf Unterlassung von Wettbewerb.

Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um die deutsche Vertriebsgesellschaft einer Unternehmensgruppe. Sie handelt bundesweit insbesondere mit Befestigungsteilen und Spezialartikeln für das Bau- und Metallhandwerk sowie für das Kraftfahrzeughandwerk. Zu den Produkten gehören unter anderem auch Elektroinstallationen, Heizungszubehör und Sanitärbedarf sowie Solar-Zubehör. Der 51jährige Verfügungsbeklagte war bei der Verfügungsklägerin seit Oktober 2012 als Angestellter im Außendienst tätig. Er wohnt in E. Ihm war ein Verkaufsgebiet zugewiesen, das sich in nordsüdlicher Richtung von Rahden/Petershagen bis Büren/Bad Wünnenberg und west-östlicher Richtung von Bielefeld bis Hessisch Oldendorf erstreckte. Die Parteien schlossen unter dem 25.06.2018 eine Wettbewerbsvereinbarung ab. Sie sieht unter anderem vor, dass der Verfügungsbeklagte sich verpflichtet, für die Dauer von 12 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses räumlich in einem Umkreis von 150 Kilometern vom Wohnsitz des Arbeitnehmers nicht für ein Unternehmen tätig zu sein, das mit der Verfügungsklägerin im Wettbewerb steht. Ihm wurde eine Karenzentschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zugesagt. In einer Anlage zu dieser Vereinbarung wurden zahlreiche Unternehmen beispielhaft als Wettbewerbsunternehmen aufgeführt, unter anderem die Firma T.

Der Verfügungsbeklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2019. Er trat danach in die Dienste der Firma T. Ausweislich der ihm überlassenen Visitenkarte ist er für diese Firma als "Junior-Gebietsverkaufsleiter" tätig in den Bereichen Sanitär/Heizung/Klima, Elektro/Solar, Maler/Stukkateur sowie Zimmerei/Schreinerei. Nachdem diese Visitenkarte der Verfügungsklägerin zur Kenntnis gebracht wurde, forderte sie den Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 23.05.2019 unter Bezugnahme auf das vereinbarte Wettbewerbsverbot auf, Auskunft zu erteilen über das ihm als Junior-Gebietsverkaufsleiter zugewiesene Gebiet und über die von ihm ausgeübte Tätigkeit für die Firma T. Der Verfügungsbeklagte ließ die Verfügungsklägerin daraufhin wissen, er mache derzeit keine Karenzentschädigung geltend, da sein Einkommen das zuvor bei der Verfügungsklägerin erzielte Einkommen erheblich übersteige. Weitere Auskünfte erteilte er nicht.

Mit ihrem Antrag, der am 13.06.2019 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, hat die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung darauf in Anspruch genommen, nicht für die Firma T tätig zu werden.

Sie hat - zusammengefasst - folgendes vorgetragen: Die Firma T sei als Konkurrenzunternehmen anzusehen. Sie biete Produkte im gleichen Bereich wie die Verfügungsklägerin an. Es bestünden erhebliche Schnittmengen. Die Zielgruppen deckten sich. Die Verfügungsklägerin habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der Verfügungsbeklagte die Tätigkeit für die Firma T unterlasse. Der Verfügungsbeklagte sei im Hinblick auf Preisgestaltung und Angebotskalkulation bei der Verfügungsklägerin geschult worden. Er besitze Informationen über Preislisten und Preisuntergrenzen. Er verfüge über Kenntnisse im Hinblick auf Kundenbeziehungen und Vertriebstechniken. Ihm sei ein Notebook überlassen worden, dass ständigen Zugriff auf Daten zur Preisgestaltung sowie über Kunden und deren Verkaufsverhalten ermöglicht habe. Der erforderliche Verfügungsgrund liege vor. Der Kläger sei bei einem Konkurrenzunternehmen beschäftigt und habe damit gegen die Wettbewerbsvereinbarung verstoßen. Der Verstoß indiziere eine Wiederholungsgefahr. Die Verfügungsklägerin hat ihre tatsächlichen Angaben glaubhaft gemacht durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn D.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

dem Verfügungsbeklagten es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines Ordnungsgeldes i. H. v. bis zu 250.000,00 Euro bzw. Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum Ablauf des 30.04.2020 in dem ihm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einem Umkreis von 150 km vom Sitz des Wohnortes des Verfügungsbeklagten in E für die Firma H T GmbH, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer K T tätig zu werden;

hilfsweise:

dem Verfügungsbeklagten es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines Ordnungsgeldes i. H. v. bis zu 250.000,00 Euro bzw. Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum Ablauf des 30.04.2020 in dem ihm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses übertragenen Verkaufsgebiet (Anlage AST 12, blau umrandeter Kartenausschnitt) für die Firma H T GmbH, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer K T tätig zu werden.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte hat - zusammengefasst - folgendes vorgetragen: Die Verfügungsklägerin, die hauptsächlich im Kfz-Bereich tätig sei, habe nicht hinreichend dargelegt, dass es sich bei der Firma T um eine Konkurrentin handele. Ihr Vorbringen sei insoweit nicht einlassungsfähig, sie habe keinen Produktvergleich vorgenommen. Sie besitze auch kein berechtigtes Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots. Beim Verfügungsbeklagten handele es sich um einen einfachen Vertriebsmitarbeiter, der keine Leitungsfunktion wahrgenommen habe. Ihm seien zwar Preisspannen bekannt gewesen, nicht aber die Einkaufspreise der Verfügungsklägerin. Sein Verkaufsgebiet sei wesentlich kleiner gewesen als das Gebiet im Umkreis von 150 Kilometern um seinen Wohnort, auf das sich das Wettbewerbsverbot erstrecke. Die Verfügungsklägerin besitze allenfalls ein berechtigtes Interesse an der Vereinbarung einer Kundenschutzklausel. Das Wettbewerbsverbot sei zudem verwirrend formuliert und biete keinen effektiven Schutz vor dem Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen. Insoweit indiziere die räumliche Einschränkung des Verbots, das die Außendienstmitarbeiter nicht über Kenntnisse verfügen, deren Preisgabe der Verfügungsklägerin schaden könnten. Bei der Firma T sei der Verfügungsbeklagte nicht für die "direkte Kundenwerbung" zuständig. Er sei bisher lediglich geschult und eingearbeitet worden. Er betreue keine Kunden der Firma T, sondern nur andere Außendienstmitarbeiter dieser Firma.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Hauptantrag der Verfügungsklägerin erkannt und die begehrte einstweilige Verfügung erlassen. Hiergegen wendet sich der Verfügungsbeklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Der Verfügungsbeklagte greift das Urteil erster Instanz unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens an. Er trägt vor, lediglich "normale Kenntnisse eines einfachen Außendienstmitarbeiters" zu besitzen. Ihm sei bekannt, welche Waren bevorzugt bei der Verfügungsklägerin zu verkaufen seien. Maßgeblich im Rahmen des Direktvertriebs seien vor allem die persönlichen Beziehungen des Außendienstmitarbeiters zu den Kunden. Zwar sei ein Interesse der Verfügungsklägerin daran gegeben, dass der Außendienstmitarbeiter die Kunden, zu denen er eine persönliche Verbindung unterhalte, nicht abwerbe; eine Kundenschutzklausel sei aber im Streitfall nicht vereinbart worden. Es fehle auch an einer Rechtsverletzung durch den Kläger. Der Kläger betreue für die Firma T Außendienstmitarbeiter im süddeutschen Raum. Er sei bislang nicht im Umkreis von 150 Kilometern um seinen Wohnort für die Firma T tätig geworden.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 11.07.2019, Az.: 1 Ga 5/19, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise: das Urteil nach Maßgabe des erstinstanzlich gestellten Hilfsantrages abzuändern.

Die Verfügungsklägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Sie trägt vor, der Verfügungsbeklagte habe umfangreiche Einblicke in Kunden- und Lieferbeziehungen der Verfügungsklägerin nehmen können. Sie besitze ein berechtigtes Interesse daran, dass er in die bestehenden Kunden- und Lieferbeziehungen nicht einbreche. Für den Verfügungsbeklagten sei die Einhaltung des Wettbewerbsverbots nicht unzumutbar. Für die Dauer eines Jahres sei ihm das Ausweichen auf eine andere Branche zumutbar. Das Wettbewerbsverbot sei nicht tätigkeits-, sondern unternehmensbezogen ausgestaltet.

In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz, der einen Tag nach Verkündung des Berufungsurteils bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, hat der Verfügungsbeklagte vorgetragen, dass jeder Außendienstmitarbeiter, auch wenn mit ihm kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, die Preisspannen der Produkte kennt.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat dem Verfügungsbeklagten zu Recht untersagt, bis zum 30.04.2020 im Umkreis von 150 Kilometer um seinen Wohnort für die Firma T tätig zu werden. Es besteht keine Veranlassung, das erstinstanzliche Urteil abzuändern.

1. Der Verfügungsklägerin steht ein Anspruch darauf zu, dass der Verfügungsbeklagte nach Maßgabe des Hauptantrages der Verfügungsklägerin nicht für die Firma T tätig wird.

a) Der Antrag ist zulässig.

Die Verfügungsklägerin nimmt den Verfügungsbeklagten auf Unterlassung der Tätigkeit für die Firma T in Anspruch und begehrt damit eine zukünftige Leistung. Nach § 259 ZPO kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Es besteht die Gefahr, dass der Verfügungsbeklagte durch die Tätigkeit bei der Firma T gegen die Wettbewerbsvereinbarung vom 25.06.2018 verstößt.

Es handelt sich um eine Wettbewerberin der Verfügungsklägerin. Als Konkurrenzunternehmen ist jedes Unternehmen anzusehen, das gleiche oder ähnliche Produkte in ähnlichen Märkten vertreibt (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 8. Aufl. 2019, Rdnr. 241 f. m.w.N.). Ausreichend ist, wenn sich die Geschäftsgegenstände nicht unerheblich überschneiden, eine Schnittmenge von 10 % genügt (BAG, Urteil vom 16.12.1968 - 3 AZR 434/67). Hier liegt nach den Angaben der Verfügungsklägerin offensichtlich eine erhebliche Überschneidung zwischen ihrem Angebot und dem Angebot der Firma T im Hinblick auf Produkte und Zielgruppen vor. Dies gilt insbesondere für den Sanitär- und Heizungsbereich sowie für die Befestigungs- und Montagetechnik für das Bau- und Metallhandwerk. Die Verfügungsklägerin hat ihre Angaben glaubhaft gemacht. Der Verfügungsbeklagte ist dem nicht konkret entgegengetreten. Er hat lediglich unsubstantiiert darauf verwiesen, dass die Verfügungsklägerin den Großteil ihres Umsatzes aus dem "Kfz-Bereich" generiere, ohne diesen Umsatzanteil näher zu beziffern und ohne die Behauptung aufzustellen, dass dieser Anteil mehr als 90 % betrage. Er hat zum Produktportfolio der Firma T auch keine abweichenden Angaben gemacht.

Die Besorgnis, dass der Kläger sich seiner Unterlassungspflicht aus der Wettbewerbsvereinbarung entziehen werde, speist sich zunächst daraus, dass er eine Vertragsbeziehung mit der Firma T einging und bereits für dieses Unternehmen tätig ist. Darüber hinaus verweigerte der Verfügungsbeklagte die Auskunft über die Tätigkeit, die er für diese Firma ausübt, obgleich er gegenüber der Verfügungsklägerin zur Auskunftserteilung verpflichtet war. Ein Auskunftsanspruch des Prinzipals besteht bei objektiven Verdachtsmomenten für einen Wettbewerbsverstoß (BAG, Urteil vom 21.10.1970 - 3 AZR 479/69). Diese Verdachtsmomente ergeben sich im Streitfall aus den Angaben auf der Visitenkarte, die dem Verfügungsbeklagten von der Firma T überlassen wurde.

b) Der Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin ergibt sich aus der Wettbewerbsvereinbarung, die die Parteien unter dem 25.06.2018 abgeschlossen haben. Die Vereinbarung ist weder unwirksam noch für den Verfügungsbeklagten unverbindlich.

aa) Die Wettbewerbsvereinbarung ist nicht unwirksam gemäß § 74 Abs. 1 HGB.

Das Wettbewerbsverbot wurde schriftlich abgeschlossen. Dem Verfügungsbeklagten wurde eine Vertragsurkunde ausgehändigt, wie sich aus seiner abschließenden Erklärung unter der Vereinbarung ergibt und zwischen den Parteien unstreitig ist.

bb) Das Wettbewerbsverbot ist nicht unverbindlich nach § 74 Abs. 2 HGB.

Die Verfügungsklägerin hat sich in der Wettbewerbsvereinbarung vom 25.06.2018 verpflichtet, eine Karenzentschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt vom Verfügungsbeklagten bezogenen vertragsmäßigen Leistungen für die Dauer des Wettbewerbsverbots zu zahlen. Das entspricht der gesetzlich vorgesehenen Mindesthöhe.

cc) Das Wettbewerbsverbot ist nicht unverbindlich nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB.

Nach dieser Vorschrift ist das Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Im Streitfall besteht ein berechtigtes Interesse der Verfügungsklägerin an der Einhaltung des vereinbarten Wettbewerbsverbots.

(1) Die Verfügungsklägerin will mit dem Wettbewerbsverbot berechtigterweise verhindern, dass der Kläger in ihren Kundenkreis einbricht.

Dieses Interesse des Prinzipals ist schützenswert (BAG, Urteil vom 01.08.1995 - 9 AZR 884/93) und geht über das bloße Interesse hinaus, das Tätigwerden des ausgeschiedenen Arbeitnehmers für die Konkurrenz zu verhindern.

Der Einbruch in den Kundenkreis ist für den Verfügungsbeklagten möglich, weil er persönliche Kontakte zu den Kunden der Verfügungsklägerin hatte. Insoweit unterscheidet er sich von einem gewerblichen Arbeitnehmer, dem gegenüber es an einem berechtigten geschäftlichen Interesse für ein Wettbewerbsverbot grundsätzlich fehlt (Bauer/Diller, a.a.O., Rdnr. 311 m.w.N.).

Gegen das berechtigte Interesse der Verfügungsklägerin spricht nicht, dass sie mit dem Verfügungsbeklagten lediglich ein räumlich beschränktes Wettbewerbsverbot vereinbarte. Wenn der Verfügungsbeklagte meint, die räumliche Begrenzung des Verbots belege, dass er keine "Geheimnisse" kenne, deren Preisgabe der Verfügungsklägerin schaden könnte, so verkennt er, dass Wettbewerbsverbote nicht nur gegenüber Geheimnisträgern zulässig sind (BAG, Urteil vom 24.06.1966 - 3 AZR 501/65). Er muss sich zudem entgegenhalten lassen, dass auf Grundlage seiner Rechtsansicht die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots mit Außendienstmitarbeitern gar nicht mehr möglich wäre. Denn der Verfügungsbeklagte hält ja das Wettbewerbsverbot andererseits räumlich für zu weitreichend, da es die Grenzen des ihm zugewiesenen Verkaufsbezirks überschreitet. Richtigerweise kann nicht die räumliche Begrenzung, sondern nur die räumliche Entgrenzung des Wettbewerbsverbots zu dessen Unwirksamkeit führen, wenn und soweit es in örtlicher Hinsicht an berechtigten Interessen des Prinzipals fehlt.

(2) Im Streitfall ist auch die örtliche Reichweite des Wettbewerbsverbots durch berechtigte geschäftliche Interessen der Verfügungsklägerin gedeckt.

Das folgt bereits daraus, dass die Verfügungsklägerin bundesweit tätig ist und sie sich nicht vorhalten lassen muss, im Umkreis von 150 Kilometern um den Wohnsitz des Klägers drohe ihr gar keine Konkurrenz. Es kann offenbleiben, ob es bei angestellten Vertriebsmitarbeitern grundsätzlich geboten ist, die Vorschrift des § 90a Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB analog anzuwenden und die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots nur für den zugewiesenen Verkaufsbezirk oder den Kundenkreis zuzulassen (zum Meinungsstand Bauer/Diller, a.a.O, Rdnr. 308). Ein weiterreichendes Tätigkeitsverbot ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Außendienstmitarbeiter nicht nur durch das Ausnutzen persönlicher Kontakte in die Kundenbeziehungen einbrechen kann, sondern wenn er über die Kundenkontakte hinaus weitere Kenntnisse besitzt, an deren Verwertung bei der Konkurrenz der Prinzipal ein berechtigtes Interesse besitzt. Zu solchen Kenntnissen des Außendienstmitarbeiters zählen auch Kenntnisse über Preisspannen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2008 - 10 Sa 60/07). Im Streitfall kennt der Verfügungsbeklagte die üblichen Preisspannen und Preisuntergrenzen sowie die Verkaufspräferenzen der Verfügungsklägerin. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Informationen, die der Verfügungsbeklagte insoweit über das ihm zur Verfügung gestellte Laptop abrufen konnte, waren nicht auf sein Verkaufsgebiet beschränkt, sondern betrafen sämtliche Produkte der Verfügungsklägerin, deren Preisgestaltung bundesweit einheitlich ist. Insoweit besteht auch über den Verkaufsbezirk des Verfügungsbeklagten hinausgehend ein Interesse der Verfügungsklägerin daran, dass der Verfügungsbeklagte seine Kenntnisse nicht bei einem Konkurrenzunternehmen nutzt, um Kunden der Verfügungsklägerin durch entsprechend gestaltete Angebote abzuwerben.

Dass die jeweiligen Preisspannen für die Produkte sich "ständig ändern" (wie der Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht behauptete) und es deshalb an einem berechtigten Interesse der Verfügungsklägerin fehlt, lässt sich nicht feststellen. Die Verfügungsklägerin hat in der mündlichen Verhandlung eine hohe Änderungsfrequenz im Hinblick auf die Preisspannen in Abrede gestellt ("nicht jede Woche"). Der Verfügungsbeklagte hat daraufhin seine Angaben weder näher konkretisiert noch glaubhaft gemacht. Den Arbeitnehmer trifft jedoch die Darlegungslast im Hinblick auf Umstände, die zur Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots führen (BAG, Urteil vom 07.07.2015 - 10 AZR 260/14).

In seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz, der einen Tag nach Verkündung des Berufungsurteils bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, hat der Verfügungsbeklagte vorgetragen, dass jeder Außendienstmitarbeiter, auch wenn mit ihm kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, die Preisspannen der Produkte kennt. Das Berufungsgericht hat nicht zu entscheiden, ob dieser Vortrag zutrifft und ob dann eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre (wogegen freilich spricht, dass die Wirksamkeit des Verbots davon abhänge, ob mit ausnahmslos jedem Außendienstmitarbeiter ein Wettbewerbsverbot vereinbart wird). Das Vorbringen im Schriftsatz vom 08.10.2019 hat bei der Entscheidung gemäß § 296a ZPO außer Betracht zu bleiben.

(3) Das schützenswerte Interesse der Verfügungsklägerin lässt sich über die Vereinbarung einer Kundenschutzklausel nicht effektiv absichern.

Die Verfügungsklägerin arbeitet nicht lediglich mit wenigen Großkunden zusammen. Vielmehr zählen zu ihren Kunden neben großen überregional tätigen Unternehmen auch kleine Handwerksbetriebe. Dies hat die Verfügungsklägerin bereits in der Antragsschrift vorgebracht, ohne dass der Verfügungsbeklagte dem entgegengetreten ist. Dann aber müsste eine Kundenschutzklausel ständig neu gefasst und an den sich verändernden Kundenstamm angepasst werden. Das wäre unpraktikabel, stets von der Zustimmung des Verfügungsbeklagten abhängig und daher für die Verfügungsklägerin unzumutbar.

dd) Das Wettbewerbsverbot ist nicht unverbindlich gemäß § 74a Abs. 1 S. 2 HGB.

Es stellt keine unbillige Erschwerung des Fortkommens für den Verfügungsbeklagte in örtlicher, gegenständlicher oder zeitlicher Hinsicht dar. Bei Vertriebsmitarbeitern ist es regelmäßig nicht unbillig, ihnen eine Vertriebstätigkeit in ihrem bisherigen Produktsegment auch deutschlandweit zu verbieten (LAG Hamm, Urteil vom 01.12.2009 - 14 SaGa 59/09; Bauer/Diller, a.a.O., Rdnr. 344 m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Wettbewerbsverbot - wie hier - unternehmensbezogen ist und in zeitlicher Hinsicht nur für ein Jahr gelten soll. Dem 51-jährigen Verfügungsbeklagten ist es zuzumuten, sich für diesen Zeitraum im Umkreis von 150 Kilometern um seinen Wohnort einer Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen zu enthalten.

ee) Das Wettbewerbsverbot stellt keine unangemessene Benachteiligung des Verfügungsbeklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar.

Jedenfalls dann, wenn die Wettbewerbsvereinbarung gesondert zwischen den Parteien getroffen wurde, findet keine Inhaltskontrolle dieser Vereinbarung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB statt (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2008 - 10 Sa 60/07). Zudem ist die in § 74a HGB angelegte geltungserhaltende Reduktion eine Spezialvorschrift, die eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB ausschließt (Bauer/Diller, a.a.O., Rdnr. 356 m.w.N.).

ff) Das Wettbewerbsverbot stellt auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB dar.

Diese Vorschrift ist gem. § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auch auf Wettbewerbsverbote anwendbar (LAG Hamm, Urteil vom 01.12.2009 - 14 SaGa 59/09, Urteil vom 25.11.2008 - 14 SaGa 41/08; Bauer/Diller, a.a.O., Rdnr. 357). Verlangt das Transparenzverbot nicht, dass die Reichweite des Gebots aus dem Vertragstext selbst hervorgeht. Vielmehr genügt es, wenn vermeidbare Unklarheiten vermieden werden und anhand des Vertragstextes im Moment des Ausscheidens die Reichweite des Verbots objektiv feststellbar ist (LAG Hamm, Urteil vom 01.12.2009 - 14 SaGa 59/09). Daran bestehen hier keine Bedenken. Das Wettbewerbsverbot ist auf einen räumlich festgelegten Bereich beschränkt und unternehmensbezogen ausgestaltet. Die in Betracht kommenden Konkurrenzunternehmen sind in der Vereinbarung beispielhaft aufgezählt.

2. Der erforderliche Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung liegt vor.

Der Arbeitgeber braucht nicht abzuwarten, bis der Arbeitnehmer tatsächlich einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot begeht (Bauer/Diller, a.a.O., Rdnr. 880). Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung reicht es aus, dass die Gefahr besteht, der verbotswidrig tätige Arbeitnehmer werde Kunden abwerben und dem Arbeitgeber damit schaden und Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren nicht rechtzeitig zu erlangen ist (Bauer/Diller, a.a.O., Rdnr. 892, 894 m.w.N.).

Diese Gefahr besteht hier. Die Verfügungsklägerin kann den ihr zustehenden Unterlassungsanspruch nicht rechtzeitig im ordentlichen Verfahren durchsetzen. Der Verfügungsbeklagte ist bereits für ein Konkurrenzunternehmen tätig. Er hat die Möglichkeit, aufgrund persönlicher Kontakte und seiner Kenntnis über Preisspannen in Kundenbeziehungen einzubrechen. Es kommt nicht darauf an, ob der Verfügungsbeklagte dies bereits versucht hat oder ob er bislang für die Firma T im Umkreis von 150 Kilometern um seinen Wohnort tätig wurde. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Verfügungsbeklagte solchermaßen unter Verstoß gegen die Wettbewerbsvereinbarung zukünftig tätig wird. Der Verfügungsbeklagte hat keine Umstände dafür vorgebracht, dass bis zum 30.04.2020 nach den vertraglichen Vereinbarungen, die er mit der Firma T traf, ein solcher Verstoß ausgeschlossen ist. Der Verfügungsbeklagte hat zu den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen keine Angaben gemacht und auch nicht näher dargelegt, welche Planungen im Hinblick auf sein Tätigwerden für die Firma T bis zum 30.04.2020 bestehen, so dass nicht davon auszugehen ist, er werde bis zu diesem Datum weiterhin ausschließlich in Süddeutschland mit der Schulung von Außendienstmitarbeiter für die Firma T befasst sein.

II

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.

III

Die Revision ist nicht statthaft (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

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