Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2013 - L 2 R 391/12 ZVW
Fundstelle
openJur 2019, 37494
  • Rkr:
Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten zu Unrecht gezahlte Rentenversicherungsbeträge zurückzuerstatten.

Die Klägerin und ihr Halbbruder sind Erben der 1931 geborenen und 2005 verstorbenen B. B. Diese war die Witwe des 2001 verstorbenen Versicherten C. B. Sie erhielt aus der Versicherung des C. B. durch Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2002 große Witwenrente ab 1. Juli 2001. Im September 2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass B. B. am xx. xxx 2005 verstorben sei. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Einstellung der Witwenrente, die schließlich noch bis Oktober 2005 gezahlt wurde. Überzahlt wurden zweimal 432,17 € (= 864,34 €). Diesen Betrag forderte die Beklagte von der Empfängerbank der Witwe in Kroatien zurück. Die Bank teilte daraufhin mit, dass der Betrag am Zahlungsautomaten vom Sohn der Witwe (= Halbbruder der Klägerin) für die Beerdigungskosten abgehoben worden sei. Auf weitere Anfrage teilte die Empfängerbank mit, die Geldbeträge seien am Bankautomaten mit der PIN-Nummer abgehoben worden. Außer der Witwe selbst habe keiner Vollmacht für das Konto gehabt. Die Bank legte eine Aufstellung der am Bankautomaten erfolgten Abhebungen in der Zeit vom 2. August bis 9. November 2005 vor. Mit Schreiben vom 27. April 2006 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, die überzahlte Rente in Höhe von 864,34 € von ihr als Erbin zurückzufordern. Die Klägerin erklärte hierauf, mit der Beteiligung an der Rückzahlung habe sie nichts zu tun. Sie wohne in Deutschland, ihre Mutter habe in Kroatien gelebt. Sie sei zwar neben ihrem Halbbruder zusammen Erbin geworden. Geerbt habe sie jedoch nur Immobilien, aber kein Geld. Mit Bescheid vom 26. Mai 2006 forderte die Beklagte von der Klägerin die in der Zeit vom 1. September bis 31. Oktober 2005 aus der Versicherung des C. B. gewährte Hinterbliebenenrente in Höhe von 864,34 € zurück. Hiergegen richtete sich die Klägerin mit Widerspruch, dem sie einen notariellen Erbschein vom 12. Dezember 2005 beifügte. Hierin wird festgestellt, dass der Nachlass der verstorbenen B. B. aus Liegenschaften und beweglichem Vermögen bestehe. Aufgeführt wurde auch ein Bankkonto bei der E. Banka E-Stadt. Das Vermögen der Erblasserin bestehe aus Liegenschaften in F-Stadt und aus beweglichem Vermögen in Form nicht gezahlter Rente sowie Geld auf den Konten der Bank. Zu Erben seien die Klägerin und ihr Halbbruder D. B. je zu ½ eingesetzt worden. Diese hätten das Erbe angetreten und ihren Erbteil angenommen. Das Erbe sei in gleiche Teile zwischen beiden aufgeteilt worden.

Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 12. Juli 2006 den Bruder der Klägerin an zu ihrer Absicht, von ihm den Betrag in Höhe von 864,34 € zurückzufordern, und verlangte mit Bescheid vom 18. August 2006 von diesem als Miterbe die Erstattung des benannten Betrages auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 Satz 4 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI).

Mit Bescheid vom 27. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, sie habe gegenüber der Klägerin gemäß § 118 Abs. 4 SGB VI einen Rückforderungsanspruch. Die Klägerin könne Vertrauensschutz nicht geltend machen. Sie habe gewusst, dass die Witwe eine Hinterbliebenenrente bezogen habe. Ihr Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der bezogenen Geldleistung sei nicht schutzwürdig. Die Entscheidung, die überzahlte Rente zurückzufordern, sei nach Überzeugung der Beklagten zweck- und sachgerecht.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 24. Oktober 2006 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie trug vor, sie habe kein Geldvermögen geerbt. Mit der Hinterbliebenenrente der Witwe habe sie nie etwas zu tun gehabt. Von der Überzahlung und der angeblichen Abhebung des Geldes vom Geldautomaten habe sie von der Beklagten erfahren. Lediglich aus der Vermutung, dass die Rentenzahlungen auch nach dem Tod der Witwe erfolgten und das in Kroatien auszahlende Geldinstitut versäumen könne, die Auszahlung zu sperren, habe sie von Deutschland aus nach Erhalt der Sterbeurkunde die Beklagte über den Tod der Witwe benachrichtigt. Sie habe unbedingt verhindern wollen, dass die Rente weiterhin gezahlt werde. Sie sei fest davon überzeugt, dass die Deutsche Rentenversicherung genug Zeit gehabt habe, die Zahlung der Rente für Oktober 2005 zu vermeiden. Die Beklagte habe ihre Mitwirkungspflicht missachtet. Für ihre Mithilfe durch Bekanntgabe des Todes der Witwe sehe sie sich als ungerecht bestraft an. Sie habe keine andere Möglichkeit gehabt, Einfluss auf das Geschehen der Auszahlung und angebliche Abhebung vom Geldautomaten zu nehmen. Allenfalls der Betrag für September 2005 könne Streitsache sein, nicht aber der Betrag für zwei Monate.

Mit Urteil vom 23. November 2009 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 27. September 2006 auf. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erbenhaftung nach § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i.V.m. § 50 SGB X lägen nicht vor. Da sich das Bankkonto in Kroatien befunden habe und die Erbschaft nach kroatischem Recht festgestellt worden sei, hätte auch die Frage der Erbenhaftung in den Bescheiden nach kroatischem Recht beurteilt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Bei der Frage der Erbenhaftung müsse beachtet werden, dass die Rentenempfängerin am xx. xxx 2005 verstorben sei, die Gutschrift der streitigen Rentenzahlungen aber am 1. September und 3. Oktober 2005 erfolgt sei. Schon damit könne keine Erbenhaftung eintreten, weil infolge des bereits vorher eingetretenen Todesfalles die Bankgutschriften ins Leere liefen. Der Erbe hafte nur im Rahmen der Vorbehaltswirkung der Zahlung, wenn die Gutschrift als solche noch zu Lebzeiten des Berechtigten erfolgt sei. Für den Verbleib nachträglicher Geldeingänge treffe den Erben keine Verantwortung. Folglich hafte nur der tatsächliche Empfänger der Zahlungen gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI.

Mit ihrer am 24. Februar 2010 eingelegten Berufung richtete sich die Beklagte gegen das ihr am 1. Februar 2010 zugestellte Urteil. Es sei zutreffend, dass von der Beklagten nicht geprüft worden sei, ob kroatisches Recht anwendbar sei. Hierauf komme es jedoch für die Frage der Erbenhaftung nicht an. Die Frage des anwendbaren Rechts sei lediglich relevant für die Frage der Erbenstellung. Insoweit gelte wohl kroatisches Recht, da Art. 25 Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) auf das Heimatrecht des Erblassers verweise. Die Erbenstellung der Klägerin sei unproblematisch, da sie nach dem kroatischen Erbschein Erbin geworden sei. Vertrauensschutz sei nicht gegeben. Eine Reduzierung der Forderung gegen die Klägerin um die Hälfte komme nicht in Betracht. Die Frage der weiteren Haftung eines Erben nach kroatischem Recht sei unbeachtlich, da hier der Vorrang des öffentlichen Rechts gelte. Daher hafte die Klägerin für die Forderung in voller Höhe. Selbst bei Anwendung kroatischen Erbrechts komme eine Reduzierung der Forderung auf die Hälfte nicht in Betracht. Die Haftung sei nicht auf die Erbquote beschränkt. Verwaltungstechnisch sei es nicht möglich gewesen, die Rentenüberzahlung für die Monate September und Oktober 2005 zu verhindern. Die Beklagte legte hierzu eine Aufstellung über Schlusstage für Wegfallaufträge und Änderungsaufträge im Jahre 2010 vor.

Mit Urteil vom 23. August 2011 wies der Senat die Berufung zurück. Der Senat war der Auffassung, die Beklagte könne lediglich nach § 118 Abs. 4 SGB VI einen Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin geltend machen. Im Rahmen dieser Vorschrift sei jedoch der insoweit eigenständige öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach Satz 1 vorrangig, und zwar auch gegenüber den Erben. Nur für diejenigen Fälle, in denen die Erben nicht über das Kontoguthaben verfügt hätten und als Folge einer Haftung nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ausschieden, komme eine Rückforderung aus § 50 SGB X unter Beachtung der Vertrauensschutzregelungen der §§ 45 und 48 SGB X gem. § 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI in Betracht. Die Beklagte habe vorliegend die nach § 118 Abs. 4 SGB VI vorgeschriebene Reihenfolge nicht beachtet. Die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Reihenfolge schließe einen Anspruch gegen die Klägerin als Erbin aus. Die Revision ließ der Senat zu.

Auf die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten hob das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 10. Juli 2012 das Urteil des erkennenden Senats vom 23. August 2011 auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurück. Das BSG begründete seine Entscheidung damit, dass die Beklagte die Klägerin zu Recht ausschließlich als Miterbin in Anspruch genommen habe. Die bloße Rechtsstellung der Klägerin als Miterbin und als mögliche neue Kontoinhaberin reiche nicht aus, um sie zugleich als Empfängerin oder als Verfügende für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Rentenleistungen haften zu lassen. Für die vom erkennenden Senat vertretene Ansicht einer gesetzlichen Rangfolge in der Stufung der Verantwortlichkeit innerhalb von § 118 Abs. 4 SGB VI, wonach vorrangig Empfänger bzw. Verfügende fehlüberwiesener Rentenleistungen nach § 118 Abs. 4 Satz 1 in Anspruch zu nehmen seien, bevor der Anspruch gegenüber den Erben nach § 118 Abs. 4 letzter Satz SGB VI geltend zu machen sei, ergäben sich keine tragfähigen rechtlichen Anknüpfungspunkte. Vielmehr folge unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte von § 118 Abs. 4 SGB VI und nach Sinn und Zweck der Norm, dass die Erben gleichrangig, also neben Empfängern bzw. Verfügenden in Anspruch genommen werden könnten. Wenn die Klägerin Miterbin des Nachlasses der verstorbenen Witwe geworden sei, habe der erkennende Senat Feststellungen zum kroatischen Erbrecht nachzuholen. Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliege dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes angehörte (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Danach aber fehlten tatsächliche Feststellungen dazu, ob der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen die Erben nach kroatischem Recht zum Nachlass gehöre (sog. Erblasserschuld). Nach deutschem Recht gelte, dass mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf die Erben übergehe. Die Rechtsnachfolge der Erben erfasse daher das gesamte Vermögen des Erblassers samt den von Todes wegen erworbenen Nachlassverbindlichkeiten. Mangels entgegenstehender Vorschriften gingen öffentlich-rechtliche Ansprüche und Verpflichtungen in entsprechender Anwendung der §§ 1922, 1967 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beim Erbgang grundsätzlich auf die Erben als Gesamtrechtsnachfolger über. Der Erbe trete dann voll in die Stellung seines Rechtsvorgängers ein. Dies habe das Gericht nicht berücksichtigt, wenn es darauf abgestellt habe, dass die Nachlassverbindlichkeiten nicht von der Erblasserin herrühren könnten. Es fehlten ferner Feststellungen dazu, ob die Klägerin entsprechend den §§ 2058 ff. BGB nach kroatischem Recht für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis als Gesamtschuldnerin für den gesamten Rückerstattungsanspruch hafte, ob sie nur anteilig entsprechend ihrem Erbanteil (zur Hälfte) für die Rückzahlungspflicht einzustehen habe oder ob die Erbengemeinschaft als solche hafte. Schließlich fehlten Feststellungen dazu, ob die Klägerin nur beschränkt (nur mit dem ererbten Vermögen) oder unbeschränkt (auch mit ihrem Eigenvermögen) hafte. Selbst wenn die Klägerin nach kroatischem Recht für den Rückerstattungsanspruch haften müsse, fehlten Feststellungen zum deutschen Verfahrensrecht. Die Haftung der Klägerin als Erbin richte sich nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Danach gälten die §§ 48 und 45 SGB X entsprechend. Hierzu habe das Landessozialgericht keine Tatsachenfeststellung getroffen. Angesichts der Verfahrenssituation sehe der Senat von der Prüfung ab, ob sich aus den sonstigen für das Revisionsgericht verwertbaren Feststellungen die Erfüllung der relevanten Tatbestandsmerkmale ergebe.

Die Beklagte hält nach der Entscheidung des BSG ihre Rechtsansicht bestätigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie könne keinesfalls zur Erstattung der Rentenüberzahlung verpflichtet werden.

Der Senat hat eine sachverständige Auskunft des Instituts für Ostrecht vom Mai 2011 eingeholt.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen

Gründe

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts ist die Klägerin verpflichtet, der Beklagten die über den Tod der verstorbenen Witwe B. B. hinaus gezahlten Hinterbliebenrentenbeträge in Höhe von insgesamt 864,34 € zurückzuzahlen.

Der Anspruch der Beklagten ergibt sich aus den Vorschriften des § 118 Abs. 4 Satz 5 SGB VI i.V.m. § 50 SGB X. In § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Rückzahlung von Renten, die über den Tod des Berechtigten auf ein Konto gezahlt worden sind, durch den Rentenversicherungsträger zurückverlangt werden können. Allerdings ist der Rentenversicherungsträger nicht allein auf dieses Verfahren angewiesen. Denn nach § 118 Abs. 4 Satz 5 SGB VI bleibt ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X unberührt. § 118 Abs. 4 S. 5 SGB X bestimmt einen eigenständigen Rückforderungsanspruch gegenüber den Erben, die die überzahlte Rente nicht in Empfang genommen oder nicht über die Rentenzahlung verfügt haben nach den allgemeinen Regelungen des SGB X, wie das BSG in der zurückverweisenden Entscheidung dargelegt hat. Die §§ 45, 48 SGB X sind dabei entsprechend anzuwenden.

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 SGB X entsteht, wenn im Sozialversicherungsverhältnis Leistungen zu Unrecht erbracht wurden und der diesen Leistungen zugrunde liegende Verwaltungsakt rückwirkend aufgehoben worden ist oder sich, wie bei dem Tod eines Berechtigten, auf andere Weise erledigt hat (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Pflicht zur Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen ergibt sich hieraus automatisch. Der Versicherungsträger muss die zu Unrecht gezahlten Leistungen zurückzufordern, wenn die Rechtsgrundlage für die Leistungen entfallen ist. In den Fällen des § 118 Abs. 4 Satz 5 SGB VI ist nach dem Tod des Berechtigten der Erstattungsbescheid gegenüber den Erben zu erlassen. Haben mehrere Erben die zurückzufordernden Beträge erhalten, haften sie nach § 2058 BGB für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner. Gesamtschuldnerschaft bedeutet, dass mehrere Personen eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger diese Leistung aber nur einmal zu fordern berechtigt ist. Der Gläubiger kann nach seinem Belieben den Schuldner auswählen (§ 421 BGB), der die Forderung erfüllen soll.

Die Voraussetzungen für die Rückforderung der überzahlten Rentenbeträge sind bezogen auf die Klägerin erfüllt. Mit dem Tod der verstorbenen Witwe bestand kein Anspruch auf weitere Zahlung von Witwenrente. Die für die Monate September und Oktober 2005 gezahlten Rentenbeträge waren zu Unrecht gezahlt worden.

Vertrauensschutz kann die Klägerin nicht geltend machen. Denn einem Erben ist regelmäßig bekannt, dass nach dem Todesmonat des Rentenberechtigten gezahlte Rentenbeträge zu Unrecht in Empfang genommen werden. Auch wenn die Rente über den Sterbemonat weitergezahlt wird und der Erbe zunächst keine Kenntnis vom Tod des Berechtigten hat bzw. davon, dass der Erblasser eine Rente bezogen hat, kann er sich grundsätzlich nicht auf Vertrauen berufen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob der Erbe bösgläubig ist, kann in diesen Fällen allein der Zeitpunkt sein, in dem er von dem Tod des Berechtigten erfährt, von der Erbschaft Kenntnis erhält und davon, dass zu den Nachlassverbindlichkeiten die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Rentenversicherungsträger gehört (BSG in SozR 3 - 2600 § 118 Nr. 2; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 41/97). Unter Beachtung dieser Kriterien ist auch der Klägerin kein Vertrauensschutz zuzubilligen. Ihr war der Tod der rentenberechtigten Witwe - ihrer Mutter - bekannt, sie wusste von den Rentenzahlungen und benachrichtigte daraufhin die Beklagte, um weitere Überzahlungen zu vermeiden, wie sie selbst angegeben hat. Der Klägerin war auf der Grundlage ihres eigenen Vortrages offenkundig auch bewusst, dass sie die überzahlten Rentenbeträge nicht würde behalten dürfen.

Nach § 118 Abs. 4 Satz 5 SGB VI i.V.m. den §§ 50, 45 SGB X ist jedoch auch gegenüber bösgläubigen Erben vom Versicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob ein Rückzahlungsanspruch geltend gemacht wird. Ausweislich der Begründung im Widerspruchsbescheid hat sich die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung davon leiten lassen, dass der Klägerin die Zu-Unrecht-Zahlung der Rente erkennbar war, dass staatliches Handeln stets der Gesetzmäßigkeit bedarf, dass das öffentliche Interesse Vorrang vor dem persönlichen Interesse der Klägerin hat und der Rentenversicherungsträger verpflichtet ist, die Mittel der Versichertengemeinschaft rechtmäßig und sachgerecht zu verwenden. Diese Ermessenserwägungen sind sachgerecht. Von Seiten der Klägerin sind keine rechtlich verwertbaren Tatsachen vorgetragen worden, die dazu führen müssten, dass die Beklagte eine andere Entscheidung trifft.

Die Klägerin hat der Beklagten die gesamte überzahlte Rente zu erstatten. Sie ist laut Erbschein vom 12. Dezember 2005 zur Hälfte Erbin der in Kroatien verstorbenen kroatischen Rentenberechtigten geworden. Daher ist das Internationale Privatrecht (IPR) zu beachten, weil bei Sachverhalten mit Verbindung zu einem ausländischen Staat sich das anzuwendende Recht gemäß Art. 3 EGBGB nach den Vorschriften des EGBGB bestimmt. Hier gilt Art. 25 Abs. 1 EGBGB, wonach die Rechtsnachfolge wegen Todes (einschließlich der Erbenhaftung) dem Recht des Staates unterliegt, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Deshalb ist die Haftung der Klägerin für Nachlassverbindlichkeiten nach kroatischem Recht zu beurteilen. Maßgeblich ist das kroatische "Gesetz über das Erben", in Kraft seit 3. April 2003, anwendbar für Erbfälle ab 3. Oktober 2003. Für den Übergang des Nachlasses auf die Erben gilt der Grundsatz des Vonselbsterwerbs, vorbehaltlich des Ausschlagsrechts. Mehrere Erben bilden eine Erbengemeinschaft, die auf baldige Auseinandersetzung gerichtet ist (Erbrecht in Europa, Süß, Kroatien, Dezember 2009). Nach dem Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht vom 25. Mai 2011 ist der Umfang des Erben für Verbindlichkeiten in Art. 139 des Gesetzes über die Beerbung geregelt. Hieraus folgt eine Haftung der Klägerin gesamtschuldnerisch (§ 421 BGB) mit den übrigen Erben für die Verbindlichkeit der verstorbenen Mutter bis zur Höhe des Wertes ihres Erbteils. Da zu dem Erbe der Klägerin Immobilien sowie schuldrechtliche Forderungen und das Bankkonto, auf das die Rentenbeträge eingezahlt wurden, gehörten, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass der halbe Wert der gesamten Erbschaft über dem Betrag lag, den die Beklagte von der Klägerin geltend macht. Anhaltspunkte dafür, dass die Hälfte des Erbes weniger als 864,34 € wert war, bestehen nicht.

Der Rentenversicherungsträger hat das Recht, aus dem Kreis der Erben den Erstattungspflichtigen auszuwählen. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, sich zunächst an das Geldinstitut zu wenden, bei dem die verstorbene Witwe ihr Konto hatte. Denn von § 118 Abs. 3 SGB VI werden nur Geldinstitute im Inland erfasst.

Nach alledem kann die erstinstanzliche Entscheidung nicht aufrecht erhalten bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.

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