OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.10.2013 - 26 Sch 9/13
Fundstelle
openJur 2019, 37487
  • Rkr:
Tenor

Der von dem Schiedsgericht, bestehend aus ... als Vorsitzendem sowie den ... und ... als beisitzende Schiedsrichter, am 23./24.01.2013 zu Fallnummer ... erlassene Schiedsspruch, der auszugsweise folgenden Wortlaut hat:"I. Sämtliche Ansprüche des Klägers werden hiermit zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt sämtliche Kosten dieses Schiedsverfahrens, mit Ausnahme der in Abschn. III. hierunter aufgeführten Kosten(Art. 31 Abs. 2 der ICC-Verfahrensordnung). Die Kosten werden hiermit auf einen Betrag von € 295.037,80 festgesetzt." (...) wird insoweit teilweise für vollstreckbar erklärt,

als sämtliche Ansprüche des Klägers zurückgewiesen wurden sowie in Höhe eines Teilbetrages der zu Lasten des Klägers festgesetzten Kosten in Höhe von € 275.748,67.

Der weitergehende Antrag auf Vollstreckbarerklärung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin 7 % und die Antragsgegnerin 93 % zu tragen.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf bis zu € 320.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Die hiesige Antragstellerin war Schiedsbeklagte in einem vor dem International Court of Arbitration seitens der hiesigen Antragsgegnerin eingeleiteten Schiedsverfahrens.

Durch Schiedsspruch vom 23./24.01.2013 wies das Schiedsgericht die geltend gemachten Ansprüche der Schiedsklägerin zurück und verpflichtete die Schiedsklägerin zugleich zur Übernahme des größten Teils der Verfahrenskosten in Höhe von € 295.037,80.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte beglaubigte Kopie des Schiedsspruches verwiesen.

Mit Antragsschrift vom 09.04.2013 hat die Schiedsbeklagte die Vollstreckbarerklärung bezüglich der Ziffern I. und II. des Schiedsspruches beantragt.

Im weiteren Verlauf des hiesigen Verfahrens hat die Antragstellerin ihren Antrag teilweise zurückgenommen und begehrt nunmehr mit Rücksicht auf zwischenzeitlich erfolgte wechselseitige Aufrechnungserklärungen bezüglich Ziffer II. des Schiedsspruchs nur noch die Vollstreckbarerklärung in Höhe eines Teilbetrages von € 275.761,57.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Vollstreckbarerklärung stünden keine Versagungsgründe entgegen; insbesondere könne die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg einwenden, der Schiedsspruch sei noch nicht bestandskräftig. Zwar sei es zutreffend, dass die Antragsgegnerin nach Erlass des Schiedsspruchs Anträge nach Art. 29 der ICC-Schiedsordnung gestellt habe; diese Anträge seien jedoch in der Zwischenzeit von dem Schiedsgericht durch Entscheid vom 24.07.2013 vollständig zurückgewiesen worden, weshalb der Einwand der Unverbindlichkeit des Schiedsspruchs nicht durchgreife.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

1)

Ziffer I. des in dem Schiedsverfahren vor dem International Court of Arbitration, Fallnummer ..., zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Schiedsrichter Herrn ... als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern Herrn ... und ...., am 24. Januar 2013 in Stadt1, Brasilien, ergangenen Schiedsspruch, mit folgendem Inhalt:"I. All claims of the Claimant are dismissed hereby."

für vollstreckbar zu erklären.

2)

Ziffer II. des in dem Schiedsverfahren vor dem International Court of Arbitration, Fallnummer ..., zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Schiedsrichter Herrn ... als Vorsitzenden und den Schiedsrichtern Herrn ... und ..., am 24. Januar 2013 in Stadt1, Brasilien, ergangenen Schiedsspruch, mit folgendem Inhalt:"II. The claimant shall bear any and all costs, except those that are listed in Sec. III hereunder, of this arbitration proceeding (Art. 31 Sec. 2 of the ICC-Rules). The costs are hereby fixed at an amount of € 295.037,80."

in Höhe von € 275.761,57 für vollstreckbar zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, der Antrag auf Vollstreckbarerklärung sei schon unzulässig, da die von der Antragstellerin begehrte teilweise Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gemäß den Vorschriften des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 (nachfolgend: UNÜ) nicht vorgesehen sei. Im Übrigen fehle dem Schiedsspruch zu Ziffer I. ein vollstreckungsfähiger Inhalt, weshalb auch insoweit von der Unzulässigkeit des Antrages auszugehen sei.

Der Antrag sei darüberhinaus auch unbegründet, weil der streitgegenständliche Schiedsspruch bisher nicht verbindlich geworden sei. Sie, die Antragsgegnerin, habe mit Antragsschrift vom 11.02.2013 (Anlage AG 1, Bl. 33 ff. d.A.) gegenüber dem Schiedsgericht einen Antrag nach Art. 30 des Brasilianischen Schiedsgesetzes gestellt und darin auf diverse Widersprüche, Auslassungen und inhaltliche Fehler des Schiedsspruchs hingewiesen. Da ein derartiger Antrag zu einer inhaltlichen Abänderung des Schiedsspruchs oder sogar zu einer Nichtigerklärung des Schiedsspruchs führen könne, sei dem Schiedsspruch die Anerkennung im Inland wegen fehlender Verbindlichkeit i.S.v. Art. V Abs. 1 lit. e) UNÜ zu versagen.

Jedenfalls aber sei der zu Ziffer II. des Schiedsspruchs gestellte Antrag auf Vollstreckbarerklärung der Höhe nach unbegründet, da die von der Antragstellerin in Abzug gebrachten Beträge rechnerisch unzutreffend seien. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin entspreche der im Schiedsspruch zu Ziffer III. ausgeurteilte Betrag von US-$ 13.825,75 zum maßgeblichen Stichtag der Aufrechnungserklärung am 28.03.2013 nicht lediglich einem EURO-Betrag in Höhe von € 10.368,60, sondern es seien auf der Grundlage des zur Akte gereichten Währungsrechner-Auszuges vielmehr € 10.787,40 in Abzug zu bringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Parteivortrages wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.

A. Der Antrag, den Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts vom 23./24.01.2013 teilweise für vollstreckbar zu erklären, ist gemäß §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 S. 1, 1064 Abs. 1, S. 1 ZPO zulässig.

Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO, nachdem die Antragsgegnerin im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ihren Sitz hat.

Die übrigen formellen Voraussetzungen nach § 1064 Abs. 1, Abs. 3 ZPO liegen ebenfalls vor. So fordert § 1064 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 ZPO für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches lediglich die Vorlage des Schiedsspruchs in Ur- oder beglaubigter Abschrift, während es einer in bestimmter Weise beglaubigten Übersetzung des Schiedsspruches oder der Schiedsvereinbarung gemäß Art. IV UNÜ nicht bedarf (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1504 f.).

Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil er sich lediglich auf einen Teil des ausgeurteilten Kostenerstattungsbetrages bezieht.

Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin ein, dass ein ausländischer Schiedsspruch seinem vollstreckungsfähigen Inhalt nach stets nur insgesamt für vollstreckbar erklärt werden könne. Es erschließt sich nicht, worauf die Antragsgegnerin diese Rechtsauffassung stützt. Gemäß Art. III UNÜ darf die Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen keinen wesentlich strengeren Verfahrensvorschriften unterliegen als die Anerkennung oder Vollstreckung inländischer Schiedssprüche. Das Vollstreckbarerklärungsverfahren ist ein Erkenntnisverfahren besonderer Art, für welches die allgemeinen Vorschriften der ZPO gelten, sofern §§ 1062 ff. ZPO keine gesonderte Regelung treffen (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 29. Auflage 2012, Rdnr. 3 zu § 1060 ZPO sowie Rdnr. 2 zu § 1061 ZPO).

Es besteht danach auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren die Bindung an die gestellten Anträge gemäß § 308 ZPO, wobei es einer Partei im Rahmen der den Zivilprozess beherrschenden Dispositionsmaxime freisteht, den Vollstreckbarerklärungsantrag in quantitativer Hinsicht auf Teile des vollstreckungsfähigen Inhalts des Schiedsspruches zu beschränken (vgl. hierzu Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage 2005, Kap. 27, Rdnr. 6; MüKo-Münch, ZPO, 4. Auflage 2013, Rdnr. 3 zu § 1064 ZPO; vgl. auch Zöller-Geimer, a.a.O., Rdnr. 66 zu § 1061 ZPO).

Dem Antrag fehlt entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Umstand, dass der Schiedsspruch zu Ziffer I. lediglich die Abweisung der Ansprüche der Schiedsklägerin zum Inhalt hat, hindert die beantragte Vollstreckbarerklärung nicht. Denn es entspricht der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, einen Schiedsspruch auch dann für vollstreckbar zu erklären, wenn er keinen eigentlich vollstreckungsfähigen Inhalt hat (vgl. BGH WM 2006, 1121 [BGH 30.03.2006 - III ZB 78/05]; zustimmend Kröll, SchiedsVZ 2007, 145, 152; OLG München, Beschluss vom 28.01.2009, Az.: 34 Sch 22/08, zitiert nach BeckRS; OLG München, Beschluss vom 24.06.2010, Az.: 34 Sch 21/10, zitiert nach juris; OLG München, Beschluss vom 28.01.2009, Az.: 34 Sch 22/08, zitiert nach BeckRS; OLG Frankfurt/Main, Senatsbeschluss vom 30.09.2010, Az.: 26 Sch 22/10, zitiert nach juris; Schwab/Walter, a.a.O., Kap. 26, Rdnr 7; a.A. Musielak/Voit, ZPO, 10. Auflage 2013, Rdnr. 2 zu § 1060 ZPO; Müko-Münch, a.a.O., Rdnr. 11 zu § 1060 ZPO). Da die Vollstreckbarerklärung auch dazu dient, einen Schiedsspruch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen zu sichern, kann die insoweit bezweckte besondere Bestandskraft der Streiterklärung nur durch die Vollstreckbarerklärung gewährleistet werden (OLG Frankfurt/Main, Senatsbeschluss a.a.O.).

B. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist auch im tenorierten Umfang begründet.

Der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Versagungsgrund nach Art. V Abs. 1 lit. e) UNÜ liegt nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schiedsspruch dann als verbindlich i.S.v. Art. V Abs. 1 lit. e) UNÜ anzusehen, wenn er weder bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz noch mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann; die Möglichkeit, den Schiedsspruch im Erlassstaat mit einem der deutschen Aufhebungsklage vergleichbaren Rechtsbehelf nachträglich zu beseitigen, steht nach einheitlicher Rechtsprechung der Verbindlichkeit nicht entgegen (BGHZ, 52, 184 ff.; BGH NJW 1988, 3090 ff.; BayObLG, NJW-RR 2003, 502 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 06.07.2012, Az.: 19 Sch 8/11, zitiert nach BeckRS; Zöller-Geimer, a.a.O., Rdnr. 24 zu § 1061 ZPO).

Es ist danach schon zweifelhaft, ob die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Einwände nach Art. 29 Abs. 2 der ICC-Regeln bzw. nach Art. 30 des Brasilianischen Schiedsgesetzes überhaupt in diesem Sinne der Verbindlichkeit des Schiedsspruches entgegenstanden. Jedenfalls ist durch die von der Antragstellerin zur Akte gereichte beglaubigte Kopie des Entscheids des Schiedsgerichts vom 24.07.2013 (Anlage ASt. 7, Bl. 81 ff. d.A.) nachgewiesen, dass die erhobenen Rügen der Antragsgegnerin vollumfänglich zurückgewiesen wurden. Die Antragsgegnerin hat hierauf nichts Substanzielles erwidert; insbesondere ist nicht vorgetragen, dass der Schiedsspruch noch bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz oder mit einem sonstigen Rechtsmittel angegriffen werden könnte.

Auch sonstige Gründe, die der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs nach Art. V Abs. 1, Abs. 2 UNÜ entgegenstehen könnten, sind weder begründet vorgetragen noch ersichtlich, weshalb eine abschließende Entscheidung im Beschlussverfahren ergehen kann (§ 1063 Abs. 2 ZPO).

Der Höhe nach kann dem bezifferten Antrag auf Vollstreckbarerklärung jedoch nur im Umfang von € 275.748,67 entsprochen werden. Von dem im Schiedsspruch zu Ziffer II. ausgeurteilten Erstattungsbetrag über € 295.037,80 ist neben dem Aufrechnungsbetrag über € 8.907,63 aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31.05.2013 ein weiterer Betrag in Höhe von € 10.381,50 in Abzug zu bringen. Denn dieser Betrag entspricht auf der Grundlage des von beiden Parteien herangezogenen Währungsrechners (.... com) - und nach Überprüfung durch den Senat - zum maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 24.01.2013 dem zu Ziffer III. des Schiedsspruchs festgesetzten Betrag von US-$ 13.825,75.

Gemäß § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüberstanden. Dies war hier der Tag des Erlasses des Schiedsspruchs. Auf den zwischen dem Entstehen der Aufrechnungslage und dem Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung am 28.03.2013 gestiegenen Wechselkurs kann sich die Antragsgegnerin nicht berufen, da jedenfalls in den Fällen, in denen beidseitig aufgerechnet werden kann, auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage abzustellen ist (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Auflage 2013, Rdnr. 2 zu § 389 BGB unter Hinweis auf BGH, NJW 1958, 1040 [BGH 17.04.1958 - II ZR 335/56]; Jauernig-Stürner, BGB, 14. Auflage 2011, Rdnr. 1 zu § 389 BGB).

Der zu Ziffer II. des Schiedsspruchs ausgeurteilte Betrag ist daher in Höhe eines Teilbetrages über € 275.748,67 für vollstreckbar zu erklären.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 1064 Abs. 2, § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 3 ZPO und entspricht dem anfänglichen Vollstreckungsinteresse der Antragstellerin.

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