AG Wiesbaden, Urteil vom 05.07.2013 - 91 C 1886/12
Fundstelle
openJur 2019, 37402
  • Rkr:

1. Die von der Versicherung des Unfallgegners zu erstattenden Kosten für einen angemieteten Ersatzwagen sind dann zur Schadenskompensation im Sinne des § 249 Abs.2 S.1 BGB erforderlich, wenn sie dem Mittelwert der durch einen Sachverständigen für Marktforschung ermittelten Preise am Anmietort - unter Berücksichtigung der Standardabweichung - entsprechen.2. Eine Vorteilsausgleichung von 5% ist jedenfalls dann ausreichend, wenn das Ersatzfahrzeug nur 10 Tage genutzt und dabei nur 486 km zurückgelegt wurden

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 605,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.04.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 69,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 05.04.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Ersatz von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall.

Der PKW des Klägers, ein VW Transporter T 4, Schwacke-Automietwagenklasse 6, wurde bei einem Unfall am 12.12.2011 gegen 8:30 Uhr in Karlsruhe erheblich beschädigt. Die Beklagte war die Haftpflichtversicherung des gegnerischen PKW mit dem der Unfall verursacht wurde. Die alleinige Haftung der Beklagten für die dem Kläger durch den Unfall entstandenen Schäden steht dem Grunde nach außer Streit.

Der PKW des Klägers befand sich nach dem Unfall nicht mehr in verkehrssicherem Zustand und wurde in eine Werkstatt abgeschleppt. Der Kläger fuhr mit dem Abschleppauto mit. Er mietete einen Ersatzwagen der Klasse 6 und veranlasste, dass dieser Wagen durch einen Mitarbeiter des Mietwagenunternehmens zur Werkstatt gebracht wurde, wo der Kläger ihn entgegennahm, um zu einem für 11 Uhr vereinbarten geschäftlichen Termin zu fahren. Im Mietvertrag über das Ersatzfahrzeug (Anlage K 6, Bl. 126 f. d.A.) wurden eine Haftungsreduzierung auf 1.050 € und unbeschränkte Frei-km vereinbart. Die Dauer der Mietzeit war unbestimmt.

Nach Rückgabe des Fahrzeugs, mit dem der Geschädigte während der Mietzeit 486 km zurücklegte, rechnete das Mietwagenunternehmen unter dem 24.12.2011 ab. Die Rechnung (Anlage K 4, Bl. 97 d.A.) belief sich für letztlich 10 Tage Mietzeit auf 1.345,78 €.

Die Beklagte zahlte hierauf 557 €.

Mit Schreiben seiner Anwälte vom 05.01.2012 (Anlage K 2, Bl. 18 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung des Restbetrages bis zum 16.01.2012 auf und bat um Begleichung der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Für die vorgerichtliche Tätigkeit seiner Anwälte, welche auch die Geltendmachung weiterer unfallbedingter Schäden mit einem Gegenstandswert von insgesamt 6.561,71 € erfasste, entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 705,18 € gemäß Rechnung vom 06.01.2012 (Anlage K 3, Bl. 19 d.A.), die eine 1,5 Geschäftsgebühr zugrunde legt. Hierauf zahlte die Beklagte 546,69 €.

Der Kläger leitete ein gerichtliches Mahnverfahren ein. Der Mahnbescheid ist der Beklagten am 04.04.2012 zugestellt worden.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Ziel auf Erstattung der restlichen erforderlichen Mietwagenkosten, berechnet nach Schwacke und unter Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs von 5% und einer Zustellgebühr von 23 €, wie im Einzelnen auf S. 3 der Klageschrift, Bl. 12 d.A. kalkuliert.

Der Kläger behauptet, der abgerechnete Mietpreis, soweit eingeklagt, entspreche dem ortsüblichen und angemessenen Normaltarif, wie sich aus der Schwacke-Liste ergebe. Er behauptet, die aufgewandten Kosten seien zur Schadensbeseitigung erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 605,05 € zzgl. Zinsen von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit 17.01.2012 zu bezahlen; die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche anrechnungsfreie RA-Kosten in Höhe von 158,49 € zzgl. Zinsen von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit 17.01.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, die Mietwagenrechnung der Klägerin weiche vom örtlich zugänglichen durchschnittlichen Normaltarif um mehr als das Doppelte nach oben ab. Mit ihrer Zahlung von 557 € habe sie bereits die zur Schadenskompensation erforderlichen Kosten beglichen. Denn der Geschädigte habe zu Preisen von unter 500 € ein Ersatzfahrzeug anmieten können. Die Beklagte bezieht sich hierzu zum einen auf den Mietpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts 2011, aus dem sie einen mittleren Markt-Mietpreis von 383,20 € berechnet (Bl. 39 d.A.), zum anderen auf eine Recherche unter www.mietwagenmarkt.de vom 04.06.2012 (Anlage B 2, Bl. 59 f. d.A.) zum Beleg dafür, dass u.a. bei den Autovermietungen A und B ein Ersatzfahrzeug zu Preisen unter 500 € anmietbar gewesen wäre. Die Beklagte meint, der Kläger habe seine Schadensgeringhaltungspflicht verletzt, indem er vor der Anmietung nicht die Beklagte kontaktierte und sich nicht über die Angemessenheit des Mietpreises und alternative Angebote informierte. Für ersparte Eigenaufwendungen sei im Rahmen des Vorteilsausgleichs ein Betrag von 145,80 € abzuziehen bei 486 mit dem Ersatzwagen gefahrenen km ? 0,30 €/km. Bzgl. der anwaltlichen Gebührenrechnung sei ein Gebührensatz von 1,5 nicht nachvollziehbar, da weder eine besondere Schwierigkeit noch ein besonderer Umfang der Sache ersichtlich sei.

Das Gericht hat über die Frage der erforderlichen Mietwagenkosten Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 05.10.2012 (Bl. 129 f. d.A.). Hinsichtlich des Ergebnises der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen C vom 01.04.2013, Bl. 148 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.04.2013 (Bl. 170 d.A.), die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.05.2013 (Bl. 171 d.A.) Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Details des Sach- und Streitsstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage, über die gemäß § 128 Abs.2 ZPO aufgrund des Einverständnisses der Parteien im schriftlichen Verfahren entschieden werden konnte, hat größtenteils Erfolg.

Die Klage ist zulässig und bis auf einen Teil der Nebenforderungen begründet.

I.

Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung begründet. Dem bei einem Unfall Geschädigten steht gemäß §§ 7 Abs.1, 18 Abs.1 StVG, 115 Abs.1 VVG, 1 PflVG i.V.m. § 249 BGB ein Anspruch auf Ersatz der durch den Unfall entstandenen Schäden und damit auch der Kosten der Miete für einen Ersatzwagen für den Zeitraum zu, in denen er sein bei dem Unfall geschädigtes Fahrzeug nicht nutzen konnte und zwar nach § 249 Abs.2 S.1 BGB im Umfang des Geldbetrages der zur Schadenskompensation erforderlich ist. Was als erforderlich im Sinne des § 249 Abs.2 S.1 BGB anzusehen ist, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH danach, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Demnach waren die vom Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten erforderlich. Hiervon ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt. Das eingeholte Gutachten des Sachverständigen C hat die Behauptung des Klägers bestätigt.

Der Sachverständige hat eine anonyme telefonische Vollerhebung von Mietwagenangeboten in einem Umkreis von 25 km um den Anmietort am 04.03.2013 vorgenommen und diese ausgewertet. Er hat festgestellt, dass für die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs, wie das des Klägers, für eine Mietzeit von 10 Tagen im Mittel 1.085,08 € zu zahlen waren bei einer Standardabweichung von 324,69 €. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass 3 der 11 von ihm erhobenen Preise deutlich über dem vom Kläger zugrunde gelegten Preis gelegen hätten und aus diesem Grund sowie vor dem Hintergrund der hohen Spannweite der ermittelten Angebotspreise, welche bei 1.116,60 € lag, nicht anzunehmen sei, dass die Mietwagenpreise durchschnittlich im Zeitraum seit der Anmietung durch den Kläger (Dezember 2011) solch hohen Schwankungen unterlegen hätten, dass das Erhebungsergebnis signifikant davon beeinflusst worden sei. Insgesamt hat der Sachverständige das Fazit gezogen, dass Mietwagenkosten in Höhe von 1.162,05 €, welche der Forderung des Klägers zu Grunde liegen, den markt- und ortsüblichen Preisen entsprechen.

Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen C. Er ist als Diplom-Kaufmann mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Marktforschung besonders für die ihm gestellte Aufgabe qualifiziert. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Soweit die vom Sachverständigen überprüften Angebote hinsichtlich einzelner Kriterien (Zustellung des Fahrzeugs, freie km-Zahl, Höhe der Selbstbeteiligung) von den Anmietbedingungen des Klägers abwichen, hat der Sachverständige eine nachvollziehbare und lebensnahe Preisbereinigung vorgenommen (bzgl. der Zustellkosten) und im Übrigen (Frei-km und Haftungsbeschränkung) überzeugend dargelegt, dass die gefundenen Abweichungen bei diesen Kriterien keine preistreibende Wirkung haben, so dass sie für die Bewertung insgesamt nicht maßgebend sind.

Da der Kläger den Mietwagen zu einem ortsüblichen und angemessenen Preis gemietet hat, kann ihm die Beklagte auch nicht vorwerfen, er habe seine Schadensgeringhaltungspflichten verletzt, indem er vor der Anmietung nicht die Beklagte kontaktierte und sich nicht über alternative Angebote informierte. Hätte sich der Kläger über alternative Angebote informiert, wäre ihm, wie die Erhebung des Sachverständigen zeigt, mit hoher Wahrscheinlichkeit kein wesentlich geringerer Preis angeboten worden. Von einem Unfallgeschädigten kann ohnehin nicht erwartet werden, nach dem Unfall umfangreichere Preisrecherche vorzunehmen oder gar sämtliche Mietwagenunternehmen in seiner Umgebung anzurufen, wie dies der Sachverständige getan hat. Vom Geschädigten kann auch nicht verlangt werden, die Art und Weise der Schadensbeseitigung dem Schädiger (bzw. dessen Versicherung) zu überlassen, da er grundsätzlich Herr des Restitutionsverfahrens ist.

Soweit die Beklagte meint, die seitens des Klägers bei der Klageforderung bereits berücksichtigte Vorteilsausgleichung von 5% (= 59,95 €) sei unzureichend, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Das Gericht hält gemäß § 287 ZPO im Anschluss an OLG Nürnberg, Urteil vom 10.05.2000, Az: 9 U 672/00, den von der Klägerseite angesetzten Abzugsbetrag insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Ersatzfahrzeug nur für 10 Tage genutzt und dabei nur 486 km zurückgelegt wurden und damit die ersparten Eigenaufwendungen als sehr gering einzuschätzen sind, für ausreichend.

II.

Die Klage ist hinsichtlich der Nebenforderungen teilweise begründet.

Der Anspruch des Klägers auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten folgt ebenfalls aus §§ 7 Abs.1, 18 Abs.1 StVG, 115 Abs.1 VVG, 1 PflVG i.V.m. § 249 BGB, da die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung einen Teil des Schadens darstellen. Der Anspruch besteht jedoch nur in Höhe restlicher 69,23 €. Da weder erkennbar noch dargelegt ist, dass es sich vorliegend um eine im Vergleich zu einer durchschnittlichen Verkehrsunfallsache umfangreichere oder schwierigere rechtsanwaltliche Tätigkeit handelt, wie dies nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.2013, VI ZR 195/12), der sich das Gericht anschließt, für eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus Voraussetzung ist, kann nur eine 1,3 Geschäftsgebühr mit Erfolg geltend gemacht werden. Dementsprechend ergeben sich Rechtsanwaltskosten von 615,93 €, auf welche die Beklagte bereits 546,69 € gezahlt hat.

Ein Anspruch auf Verzinsung seiner Forderungen ergibt sich für den Kläger gemäß §§ 280 Abs.1 und Abs.2, 286, 288 Abs.1 BGB erst ab dem 05.04.2012, da der Beklagten am 04.04.2012 der Mahnbescheid zugestellt wurde. Für einen früheren Verzugseintritt ist nichts dargetan. Verzug setzt nach § 286 Abs.1 BGB grundsätzlich eine Mahnung voraus. Ein Ausnahmefall nach § 286 Abs.2 BGB, in dem eine Mahnung entbehrlich wäre, lag nicht vor. Die einseitige Bestimmung einer Zahlungsfrist bis zum 16.01.2012 im Schreiben vom 05.01.2012 erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 286 Abs.1 Nr.1 BGB, der eine zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarte Leistungszeit nach dem Kalender voraussetzt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.11, 713 ZPO.

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