AG Offenbach am Main, Beschluss vom 19.04.2013 - 61 M 2589/13
Fundstelle
openJur 2019, 37398
  • Rkr:
Tenor

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Auftrag der Gläubigerin zur Abgabe der Vermögensauskunft durch den Schuldner vom 12.03.2013 nicht mit der Begründung abzulehnen, die Gläubigerin habe eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners glaubhaft zu machen, da der Schuldner bereits am 06.01.2011 die eidesstattliche Versicherung abgab.

Gründe

Die Gläubigerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Auftrags zur Abnahme einer Vermögensauskunft durch den Gerichtsvollzieher.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner.

Der Schuldner gab am 06.01.2011 bei dem Amtsgericht Offenbach am Main die eidesstattliche Versicherung ab.

Am 12.03.2013 beantragte die Gläubigerin bei dem Gerichtsvollzieher u.a. die Bestimmung eines Termins zur Abnahme der Vermögensauskunft.

Der Gerichtsvollzieher lehnte die Übernahme dieses Auftrags mit Schreiben vom 18.03.2013 ab. Zur Begründung führt er aus, dass wegen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners am 06.01.2011 eine erneute Abgabe der Vermögensauskunft nach dem neuen Zwangsvollstreckungsrecht, in Geltung ab dem 01.01.2013, nur bei Glaubhaftmachen einer wesentlichen Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners möglich sei.

Dagegen hat sich die Gläubigerin am 05.04.2013 mit einer Erinnerung gewandt.

Sie ist der Ansicht, dass nach dem neuen Recht der Zwangsvollstreckung ab dem 01.01.2013 auch für eidesstattliche Versicherungen, die vor dem 01.01.2013 nach altem Recht abgegeben worden sind, nur noch eine zweijährige Sperrfrist bezüglich einer Pflicht des Schuldners zur erneuten Offenbarung seines Vermögens gilt.

Die zulässige Erinnerung gem. § 766 Abs. 2 ZPO ist begründet.

Eine Sperrfrist wegen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 06.01.2011 steht der Abnahme einer Vermögensauskunft des Schuldners nicht entgegen.

Auf den nach dem 31.12.2013 eingegangenen Vollstreckungsauftrag ist hinsichtlich einer Sperrfrist § 802d ZPO anzuwenden, § 39 Nr. 1 EGZPO.

Danach ist ein Schuldner der die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO oder nach § 284 AO innerhalb der letzten zwei Jahre abgegeben hat, nur zur erneuten Abgabe verpflichtet, wenn ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen.

Die Voraussetzungen einer solchen Sperrfrist liegen hier nicht vor.

Der Schuldner hat nicht innerhalb der letzten zwei Jahre eine Vermögensauskunft nach der neuen Vorschrift des § 802c ZPO oder eine eidesstattliche Versicherung nach altem Recht, die gem. § 39 Nr. 4 EGZPO einer solchen gleich stünde, abgegeben.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Schuldner nach altem Recht eine Sperrfrist von drei Jahren zukam, § 903 S. 1 ZPO a.F., denn das neue Zwangsvollstreckungsrecht in § 802d ZPO und die entsprechende Übergangsregelung in § 39 Nr. 4 EGZPO für nach altem Recht abgegebene eidesstattliche Versicherungen sind eindeutig und ein gesetzgeberisches Versehen ist nicht ersichtlich, weshalb eine Ausdehnung der Sperrfrist auf drei Jahre im Rahmen des nun geltenden und hier anzuwendenden § 802d ZPO nicht möglich ist (ebenso AG Augsburg, Beschluss vom 20.03.2013 – 1 M 2556/13, zitiert nach juris; AG Osnabrück, Beschluss vom 15.02.2013 – 27 M 59/13, zitiert nach juris).

Es bestehen bei dieser Abkürzung der Sperrfrist von drei auf zwei Jahre für nach altem Recht abgegebene eidesstattliche Versicherungen im Rahmen von § 802d ZPO i.V.m. § 39 Nr. 4 EGZPO auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf Vertrauensschutz des Schuldners in den Bestand einer dreijährigen Sperrfrist (ebenso AG Augsburg, Beschluss vom 20.03.2013 – 1 M 2556/13). Es liegt ein Fall einer sog. unechten Rückwirkung, bzw. tatbestandlicher Rückanknüpfung, vor, da die belastenden Folgen – hier die Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft ohne besondere Anforderungen schon nach zwei Jahren – erst nach der Verkündung des Gesetzes eintreten (BVerfG, Beschluss vom 7. 7. 2010 - 2 BvL 14/02 u.a., NJW 2010, 3629 [BVerfG 07.07.2010 - 2 BvL 14/02]). Diese Rückanknüpfung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Sie ist mit den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschluss vom 7. 7. 2010 - 2 BvL 14/02 u.a., NJW 2010, 3629 [BVerfG 07.07.2010 - 2 BvL 14/02]). Diese Voraussetzungen der Zulässigkeit der unechten Rückwirkung sind hier gegeben. Aus Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drucksache 16/13432, S. 44) wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Frist von drei Jahren angesichts moderner, schnell wechselnder Lebensumstände als zu lang ansah und mit der Verkürzung auf zwei Jahre diesem Umstand Rechnung tragen und zugleich eine Überlastung der Gerichtsvollzieher und der die Vermögensverzeichnisse führenden zentralen Vollstreckungsgerichte, die bei einer Verkürzung auf ein Jahr zu befürchten wäre, vermeiden wollte. Diesem Ziel des Gesetzgebers steht auch kein erhebliches Gewicht eines enttäuschten Vertrauens des Schuldners der Zwangsvollstreckung entgegen, der im Januar 2010 eine eidesstattliche Versicherung nach altem Recht abgegeben hat. Denn insbesondere war die Verkürzung der Frist schon damals, etwa aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses vom 17.06.2009 (BT-Drucksache 16/13432) absehbar.

Eine Kostenentscheidung ergeht nicht, da der Schuldner an dem Erinnerungsverfahren nicht beteiligt war, auch wenn im einseitigen Verfahren eine Kostenentscheidung zu Lasten des Schuldners nicht generell ausgeschlossen ist (Zöller ZPO 29. Aufl., 2012 § 766 Rn 34).

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, das das Verfahen nach § 766 ZPO ohnehin gerichtsgebührenfrei ist, für den Gläubigervertreter, der bereits die Gebühr RVG-VV 3309 verdient hat, diese nicht erneut anfällt (Zöller aaO Rn 39) und auf Seiten des nicht beteiligten Schuldners keine Kosten angefallen sein können.