VG Kassel, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 974/13.KS
Fundstelle
openJur 2019, 37391
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls der Beklagte nicht Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Beamter im Ruhestand und befindet sich derzeit in einem Privatinsolvenzverfahren. Mit seiner bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main eingereichten Klage über Forderungen aus Zahlungen des Beklagten als Drittschuldner an den Gläubiger des Klägers strebt dieser den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts an.

Aus einer dem Gericht nicht näher bekannt gemachten Forderung gegen den Kläger wurde nach Abtretung des pfändbaren Betrags seiner Versorgungsbezüge die Zwangsvollstreckung betrieben. In diesem Zusammenhang ging bei dem Beklagten am 4. Juni 2009 eine notariell beurkundete Abtretungserklärung ein. Des Weiteren erging ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, dem der Beklagte als Drittschuldner im Zeitraum vom März 2012 bis einschließlich Mai 2012 in der Form nachkam, dass er monatlich einen Betrag in Höhe von 266,78 € der Versorgungsbezüge des Klägers an dessen Gläubiger abführte. Bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages wurden jedoch von Seiten des Beklagten die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers nicht in die Berechnung einbezogen.

In den Behördenakten befindet sich ferner ein Schreiben vom 28. Februar 2012, mit dem der Beklagte den Kläger über die Folgen der Zwangsvollstreckung und über die Notwendigkeit der Vorlage aktueller Bescheinigungen von Kranken- und Pflegeversicherung zur Berechnung des Pfändungsfreibetrags informiert. Der Kläger beruft sich darauf, dieses Schreiben nicht erhalten zu haben. Die maßgeblichen Bescheinigungen reichte er erstmals mit Schreiben vom 8. Juni 2012 bei dem Beklagten ein.

Nach Zugang der o.g. Bescheinigungen berechnete der Beklagte den Pfändungsfreibetrag neu, retournierte daraufhin die pfändungsbedingte Zahlung für Juni 2012 von dem Gläubiger des Klägers und zahlte den Betrag von 266,00 € an den Kläger aus. In den Monaten Juli und August 2012 führte der Beklagte unter Berücksichtigung der von dem Kläger am 8. Juni 2012 nachgewiesenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 0,78 € von den dessen Versorgungsbezügen an den Gläubiger ab.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 lehnte der Beklagte eine Erstattung der zu viel an den Gläubiger abgeführten Summe aus den Monaten März bis Mai 2012 ab. Mit Schreiben vom 21. Juli 2012 wandte sich der Kläger gegen dieses Schreiben und reichte eine aus dem Jahr 2012 datierende Bescheinigung seiner Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bei dem Beklagten ein. Dies hatte eine Neuberechnung des Pfändungsfreibetrages durch den Beklagten zur Folge, der aufgrund dessen ab September 2012 14,78 € an den Gläubiger abführte. Eine rückwirkende Berücksichtigung des auf Grundlage der am 8. Juni 2012 durch den Kläger eingereichten Bescheinigung berechneten Pfändungsfreibetrages lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 7. März 2013 ab. Mit Schreiben vom 12. April 2013 forderte der Kläger den Beklagten zum Erlass einer Entscheidung hinsichtlich seiner Ablehnung der rückwirkenden Berücksichtigung des aktuellen Pfändungsfreibetrages für die Monate März 2012 bis Mai 2012 auf. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 7. Mai 2013 ab.

Am 11. Juni 2013 hat der Kläger die hier vorliegende Klage erhoben. Er vertritt die Auffassung, für die Monate März 2012 bis einschließlich Mai 2012 Entgeltansprüche gegen den Beklagten zu haben, da diese nicht durch Zahlung an den Gläubiger erloschen seien. Er trägt vor, im Rahmen der Abtretung könnten nur solche Beträge schuldbefreiend an den Gläubiger gezahlt werden, die auch der Pfändung unterliegen, mithin die tatsächlich pfändbaren Beträge. Dem Beklagten als Drittschuldner habe es daher oblegen zu eruieren, welche Beträge der Pfändung unterliegen und welche nicht. Gemäß § 850e Nr. 1 ZPO seien bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens die nach § 850a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge, ferner Beträge, die unmittelbar auf steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind, nicht mitzurechnen. Diesen Beträgen stünden gleich die auf den Auszahlungszeitraum entfallenden Beiträge, die der Schuldner an eine Ersatzkasse oder an ein Unternehmen der privaten Krankenkasse leistet, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Es seien daher die von ihm an die Kranken- und Pflegeversicherung gezahlten Beiträge von dem Beklagten zu berücksichtigen gewesen, mit dem Ergebnis, dass ein pfändbarer Betrag von 0,78 € verblieben wäre. Die überzahlte Differenz stehe ihm als Entgeltanspruch zu.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten zu verpflichten, einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen, mit dem Inhalt, dass der Beklagte den für Juli und August 2012 angewandten Pfändungsfreibetrag rückwirkend auf die Monate März 2012 bis einschließlich Mai 2012 berücksichtigt und ihm die über den Pfändungsfreibetrag hinausgehend an den Gläubiger abgeführten Beträge von jeweils 266,00 € - insgesamt 798,00 € - auszahlt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der vom Kläger geäußerten Rechtsauffassung im Einzelnen entgegengetreten. Insoweit wird auf die schriftsätzliche Klageerwiderung Bezug genommen.

Mit Schriftsätzen vom 3. Juli 2013 (Beklagter) und 18. Juli 2013 (Kläger) haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter i.S.v. § 87a Abs. 3, 2 VwGO mitgeteilt und mit Schriftsätzen vom 3. September 2013 (Beklagter) und 11. September 2013 (Kläger) auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde das nach § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG, §§ 68 ff. VwGO erforderliche Vorverfahren durchgeführt.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 hat der Beklagte den Antrag auf Zahlung weiterer Versorgungsbezüge gerichteten Antrag des Klägers abgelehnt, den gegen diesen Verwaltungsakt gerichteten Widerspruch vom 21. Juli 2012 hat die Bezügestelle mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2013 zurückgewiesen. Dass weder Ausgangs- noch Widerspruchsbescheid als solche bezeichnet wurden noch ihnen eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt wurde, steht dem nicht entgegen, da es auf den konkreten Regelungsgehalt und nicht auf die Bezeichnung ankommt.

Die Klagefrist wurde ebenfalls gewahrt: Da es dem Widerspruchsbescheid vom 7. März 2013 an einer Rechtsmittelbelehrung mangelt, galt die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO, die vorliegend eingehalten wurde.

Die Klage ist jedoch unbegründet; der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung weiterer Versorgungsbezüge über den bereits an ihn bzw. seine Gläubiger gezahlten Betrag hinaus.

Rechtsgrundlage für die Zahlung der Versorgungsbezüge des Klägers ist § 3 Abs. 1 HBeamtVG, wonach die Versorgung eines Landesbeamten durch Gesetz geregelt wird. Der sich aus den §§ 4 ff HBeamtVG ergebene Anspruch auf Ruhegehalt, gegen dessen Berechnung sich der Kläger nicht wendet, ist jedoch gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen, wobei der Beklagte gem. § 51 Abs. 1 HBeamtVG berechtigt und verpflichtet war, an den Gläubiger des Klägers befreiend zu leisten, da der Kläger seine Ansprüche auf Versorgungsleistungen im Rahmen des gesetzlich möglichen, also bis zur Höhe des Pfändungsfreibetrags, abgetreten hatte.

Dass der Beklagte bei seiner Leistung an den Gläubiger des Klägers entgegen § 51 Abs. 1 HBeamtVG über den Pfändungsfreibetrag hinaus geleistet hat, steht dem Erlöschen nicht entgegen, da der Kläger seiner aus der allgemeinen Treuepflicht folgenden Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. Insoweit greift § 48 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 HVwVfG analog ein.

Grundsätzlich haben Versorgungsberechtigte aufgrund ihrer allgemeinen Treuepflicht alle diejenigen Tatsachen dem Dienstherrn mitzuteilen, die für den Bezug der ihnen zustehenden Leistung von Bedeutung sind und zwar selbst dann, wenn der entsprechende Bescheid hierzu keine Auflage enthält (vgl. Plog/Wiedow, BBG, Loseblatt, Stand: Oktober 2012, § 62 BeamtVG Rn. 32). Damit war der Kläger verpflichtet, dem Dienstherrn die Höhe des Krankenkassenbeitrags und des Pflegekassenbeitrags mitzuteilen, da diese Beiträge Auswirkungen auf die Pfändungsfreigrenze haben. Es kommt folglich nicht darauf an, ob der Kläger eine diesbezügliche ausdrückliche Aufforderung von Seiten des Beklagten erhalten hat, da er bereits aufgrund seiner Treuepflicht verpflichtet war, diese Mitteilung vorzunehmen. Dass eine solche Anzeigepflicht in § 62 Abs. 2 HBeamtVG nicht ausdrücklich erwähnt ist, steht dem ebenfalls nicht entgegen. § 62 Abs. 2 HBeamtVG, der mehrere Anzeigepflichten eines Ruhestandsbeamten ausdrücklich erwähnt, ist nicht abschließend.

Als Folge dieser Verletzung der Anzeigepflicht greift § 48 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 HVwVfG analog ein. Nach dieser Regelung kann sich ein Adressat eines Verwaltungsaktes nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor, denn der Kläger hat die zu hohe Zahlung an seinen Gläubiger durch unvollständige Angaben erwirkt. Er hat seine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht vollständig angegeben. Zwar regelt § 48 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 HVwVfG nur den Fall, dass ein fehlerhafter Verwaltungsakt durch die unvollständigen Angaben erwirkt wurde, nach einhelliger Auffassung ist § 48 HVwVfG jedoch analog auch auf Maßnahmen anzuwenden, die keinen Verwaltungsakt darstellen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. A., 2011, § 48 Rn. 23 m.w.N.), so dass der Umstand, dass es sich bei der Leistung an den Gläubiger nicht um einen Verwaltungsakt handelt, einer Anwendung der Vorschrift nicht entgegensteht.

Ein Verschulden ist im Rahmen des § 48 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 HVwVfG nicht erforderlich (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn. 119 m.w.N.), so dass es dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger seiner Mitteilungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist.

Aber selbst wenn man dies vorliegend anders sehen und ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Klägers verlangen wollte, so würde dies an der Entscheidung nichts ändern. Der Kläger hat schuldhaft, nämlich fahrlässig, seine Anzeigepflicht verletzt. Von einem Versorgungsempfänger, kann erwartet werden, dass er die Grundprinzipien des Beamtenrechts, sein früheres statusrechtliches Amt nebst besoldungs- und versorgungsrechtlicher Einstufung, die Berechnungsgrundlage des Ruhegehalts sowie die ihm zustehenden Bestandteile der Versorgung kennt. Ausgehend von diesem Wissensstand und unter Berücksichtigung der beamtenrechtlichen Treuepflicht trifft den Beamten die Obliegenheit, unter Zuhilfenahme ihm zur Verfügung stehender Informationen Zahlungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und im Zweifelfalle sich an die auszahlende oder anweisende Stelle zu wenden (BVerwG, Urteil vom 24. April 1959 - VI C 91.57 -, BVerwGE 8, 261 ff). Entsprechendes gilt auch für den Fall, dass – wie hier – Teile der Versorgungsbezüge eines Ruhestandsbeamten im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändet werden. Auch in diesem Fall ist der Ruhestandsbeamte verpflichtet, sich über die Auswirkungen auf sein Ruhegehalt zu informieren und – sofern notwendig - dem Dienstherrn alle Umstände mitzuteilen, die Auswirkung auf die Höhe seines Ruhegehalts haben könnten.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge gem. § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 798,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 3 GKG.

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