Hessisches LAG, Teilurteil vom 10.11.2014 - 7 Sa 350/13
Fundstelle
openJur 2019, 37196
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 20. Februar 2013 - 2 Ca 265/12 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird, soweit der Kläger die Zahlung von 9.197,40 EUR (in Worten: Neuntausendeinhundertsiebenundneunzig und 40/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. April 2012 verlangt, abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird, soweit der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.000,00 EUR (in Worten: Zehntausend und 0/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juni 2012 verlangt, zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung um Provisionsansprüche, Schadensersatz und den Anspruch auf Zahlung einer Jahresprämie.

Die Beklagte vertreibt Produkte des Arbeitsschutzes und unterhält hierfür einen Außendienst. Der Kläger war bei der Beklagten vom 01. April 1991 bis 30. November 2011 beschäftigt, zuletzt als Vertriebsleiter. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 10. Januar 1991 (Bl. 222 - 223 d. A.) sowie der Änderungsvertrag vom 11. November 2008 (Bl. 8 - 11 d. A.) zu Grunde. Hinsichtlich der Vergütung ist im Änderungsvertrag vom 11. November 2008 folgendes geregelt:

"§ 3 Entgelt

Entsprechend seiner Tätigkeit erhält der Angestellte ein Brutto-Fixum von 4.208,00 Euro.

Ab einem zu erwirtschafteten Rohertrag (quartalsmäßiger Durchschnitt) von 12.624,00 Euro erhält der Angestellte eine Provision von 27 % vom Rohertrag, der diesen Betrag übersteigt. (...)".

Ferner enthält der genannte Vertrag in § 10 folgende Regelung:

"§ 10 Vertragsänderungen

Änderungen und Ergänzungen der vorstehenden vertraglichen Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform."

Im 4. Quartal 2010 befand sich die Beklagte in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Aus diesem Grunde kündigte sie in dieser Zeit das Arbeitsverhältnis mit dem Außendienstmitarbeiter Herrn K. Dies erfolgte nach einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten Herrn S, das im Beisein der Lohn- und Finanzbuchhalterin der Beklagten Frau G im 4. Quartal 2010 stattfand. In diesem Gespräch wurde vereinbart, dass der Kläger nach Ausscheiden des Herrn K dessen Vertriebsgebiet ab Dezember 2010 mit betreuen sollte. Der weitere Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger erzielte im Zeitraum von Dezember 2010 bis Juli 2011 in dem neu übernommenen Vertriebsgebiet durch seine Tätigkeit einen Rohertrag in Höhe von 34.064,43 Euro. In dem genannten Zeitraum erhielt der Kläger für diese Vertriebstätigkeiten keine (zusätzlichen) Provisionszahlungen. Erst ab dem 01. Juli 2011 zahlte die Beklagte an den Kläger auch für die in dem neuen Gebiet erbrachten Vertriebstätigkeiten Provisionen entsprechend dem Arbeitsvertrag. Hinsichtlich der Höhe der monatlich vom Kläger erwirtschafteten Roherträge wird auf die Ausführungen des Klägers in dem Schriftsatz vom 16. August 2012 Bezug genommen (Bl. 49 d. A.). Zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten Herrn S kam es im Juli 2011 zu einem weiteren Gespräch, in dem es unter anderem um die wirtschaftlichen Probleme der Beklagten ging. Der Kläger erklärte sich bereit, das Unternehmen gegebenenfalls zu erwerben. In diesem Zusammenhang wurde von Herrn S die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten angesprochen. Die in der Folgezeit geführten Verhandlungen der Parteien über einen Verkauf des Unternehmens verliefen ergebnislos. Am 29. August 2011 bemühte sich der Kläger in einem weiteren Gespräch mit beiden Geschäftsführern der Beklagten darum, eine Einigung über die Firmenübernahme herbeizuführen. Auch dieser Versuch scheiterte. Der Kläger überreichte sodann ein Kündigungsschreiben, mit welchem er das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2011 kündigte. Im Einzelnen wird auf Bl. 18 - 19 d. A. Bezug genommen. Der Kläger wechselte zu einem anderen Arbeitgeber, bei dem sein jährliches Nettogehalt 10.000,00 Euro niedriger ist als bei der Beklagten. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19. März 2012 verlangte der Kläger Provisionszahlungen für die Vertriebstätigkeiten in dem von Herrn K übernommenen Vertriebsgebiet für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Juli 2011 in Höhe von insgesamt 9.197,40 Euro brutto. Der Beklagten wurde eine Zahlungsfrist bis zum 13. April 2012 gesetzt. Ergänzend wird auf Blatt 20 - 21 d. A. verwiesen.

Mit der Klageschrift, die bei dem Arbeitsgericht Kassel am 18. Juni 2012 eingegangen ist und die der Beklagten am 25. Juni 2012 zugestellt worden ist (Postzustellungsurkunde Bl. 30 d. A.), hat der Kläger - soweit hier von Interesse - die Nachzahlung von Provisionen in Höhe von 9.197,40 Euro brutto sowie Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Jahresnettolohn bei der Beklagten und dem Jahresnettolohn bei dem neuen Arbeitgeber, also in Höhe von 10.000,00 Euro netto, eingeklagt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er könne von der Beklagten Provisionszahlungen in Höhe von 9.197,40 Euro brutto verlangen. Er hat behauptet, er habe sich zwar einverstanden erklärt, das Vertriebsgebiet des Herrn K mit zu übernehmen, allerdings sei von einem Verzicht auf Provisionszahlungen für diese Vertriebstätigkeiten keine Rede gewesen. Überdies hat er gemeint, die Beklagte sei verpflichtet, an ihn Schadensersatz zu zahlen. Diese Verpflichtung ergebe sich im Hinblick auf den deutlich schlechteren Verdienst bei dem neuen Arbeitgeber des Klägers. Der Kläger hat behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm gegenüber auch auf Gespräche mit einem Insolvenzverwalter verwiesen. An der Richtigkeit der Informationen über Zahlungsunfähigkeit und drohende Insolvenz habe er nicht gezweifelt. Er habe sich eben deshalb im Hinblick auf sein Lebensalter entschlossen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Der Kläger hat behauptet, entgegen den Angaben des Geschäftsführers sei die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten von niemandem festgestellt worden. Es sei bei dieser Aussage allein darum gegangen, den Kläger als langjährigen Mitarbeiter los zu werden. Der Kläger hat dies als arglistige Täuschung gewertet und gemeint, dies begründe den Schadensersatzanspruch.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,1.

an ihn Provisionen zu zahlen in Höhe von 9.197,40 Euro brutto Provision nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2012;

2.

an ihn 2.000,00 Euro brutto Weihnachtsgeld für 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2012 zu zahlen;

3.

an ihn Schadensersatz zu zahlen in Höhe von 10.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger selbst habe vorgeschlagen, das Gebiet des Herrn K zeitweise provisionslos zusätzlich zu seinem eigenen Vertriebsgebiet zu übernehmen, nämlich bis einschließlich Juni 2011. Dies habe der Kläger so in dem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten Herrn S im 4. Quartal 2010 angeboten. Die Beklagte hat gemeint, aufgrund dieser Vereinbarung der Parteien stünden dem Kläger keine Provisionen für die Tätigkeiten in diesem Vertriebsgebiet im fraglichen Zeitraum zu. Ebenso wenig habe der Kläger Anspruch auf Schadensersatz. Die Beklagte hat hierzu behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe damals wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation erwogen, Rat bei einem Insolvenzexperten zu suchen. Es sei dem Kläger keineswegs vorgegaukelt worden, dass es der Firma schlecht ginge, um ihn zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu veranlassen, zumal der Kläger als Vertriebsleiter die Zahlen der Beklagten sehr genau gekannt habe. Die Beklagte habe ihn auch nicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses gedrängt.

Das Arbeitsgericht Kassel hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 01. Februar 2013 Beweis erhoben durch Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugin G auf Grundlage eines Beweisbeschlusses vom 01. Februar 2013. Hinsichtlich der Einzelheiten des Beweisbeschlusses sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01. Februar 2013 Bezug genommen (Bl. 139 -141 d.A.).

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen (Bl. 145 - 148 d.A.).

Soweit hier von Interesse, hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung der vom Kläger verlangten Provisionen in Höhe von 9.197,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 14. April 2012 verurteilt und den Schadensersatzantrag abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass sich die Zahlungsverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 11. November 2008 (dort § 3) i. V. m. § 611 BGB ergibt. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass der Kläger sich mit der Beklagten geeinigt habe, dass er das Gebiet des früheren Mitarbeiters Herrn K in dem streitbefangenen Zeitraum ohne Provisionszahlung zusätzlich betreut. Das Arbeitsgericht hat die Aussage der Zeugin G hierzu als nicht widerspruchsfrei gewürdigt. Dabei hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Zeugin zunächst erklärte, sie wisse nicht mehr, von wem der diesbezügliche Vorschlag ausgegangen sei, später aber - auf Vorhalt der Beklagtenseite - aussagte, der Kläger habe die zweitweise provisionsfreie Übernahme des Gebiets vorgeschlagen. Für das Arbeitsgericht hätten sich aufgrund der recht vagen und widersprüchlichen Angaben der Zeugin erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben zu den getätigten Willenserklärungen ergeben. Soweit die Zeugin wiederholt bekundet habe, der Kläger sei "einverstanden" gewesen mit einer provisionsfreien Übernahme des Gebiets, ergebe sich hieraus noch keine Abrede der Parteien. Es handele sich bei dem Wort "einverstanden" um eine rechtliche Wertung. Jedoch habe die Zeugin nicht begründet, welche Aussage der Kläger betreffend eines Angebotes im Rechtssinne genau getroffen habe.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, für die Schadensersatzzahlung fehle eine Anspruchsgrundlage. Der Kläger habe keine Tatsachen dargelegt, aus denen sich ergebe, dass die Beklagte ihn in pflichtwidriger Weise aus dem Arbeitsverhältnis gedrängt habe und er deswegen eine gegebenenfalls schlechter vergütete Tätigkeit aufgenommen habe. Dem Kläger sei aus den Verkaufsverhandlungen ersichtlich gewesen, dass es bei der Beklagten Zahlungsschwierigkeiten gegeben habe. Es könne dahin stehen, ob diese Schwierigkeiten im Sinne der Insolvenzordnung als Zahlungsunfähigkeit zu qualifizieren seien. Von dem Kläger sei nicht vorgetragen worden, dass die Beklagte ihm nahe gelegt habe, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Soweit der Kläger sich, aus welchen Umständen auch immer, dazu entschlossen habe, im August 2011 sein Arbeitsverhältnis zum 30. November 2011 selbst zu kündigen, sei hierin auch nicht mittelbar eine pflichtwidrige, Schadensersatz auslösende Handlung der Beklagten zu erkennen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel, das dem Kläger am 21. Februar 2013, der Beklagten am 22. Februar 2013 zugestellt worden ist (Bl. 154 - 155 d. A.), hat die Beklagte Berufung eingelegt, der Kläger Anschlussberufung. Die Berufungsschrift der Beklagten ist am 19. März 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen, ihre Berufungsbegründung nach Verlängerung auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 22. Mai 2013 am 21. Mai 2013. Die Berufungsbegründung ist dem Kläger am 18. Juli 2013 zugestellt worden, seine Anschlussberufung ist am 07. August 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von Provisionen. Die Beklagte ist der Ansicht, die Wertung der Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht sei fehlerhaft und unsachgemäß. Sie entspreche insbesondere nicht der normalen Realität. Das Arbeitsgericht habe selbst festgestellt, dass die Zeugin mehrfach bekundet habe, dass der Kläger mit der provisionsfreien Übernahme des Gebiets einverstanden gewesen sei. Angesichts des Inhalts der Zeugenaussage sei die Feststellung des Arbeitsgerichts, die Zeugin habe relativ vage ausgesagt, nicht nachvollziehbar. Zudem sei das Aussageverhalten der Zeugin fehlerhaft als widersprüchlich gewürdigt worden. Es sei nur natürlich, dass sich ein Zeuge an immer mehr erinnere, je intensiver er mit dem Thema konfrontiert werde.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe kurz nach dem Gespräch im 4. Quartal 2010 gegenüber dem damals ebenfalls im Vertrieb tätigen früheren Mitarbeiter Herrn H geäußert, man werde sich von Herrn K trennen und er selbst werde das Gebiet von Dezember 2010 bis Juli 2011 provisionsfrei fortführen. Herr H sei auch an der Übernahme des Vertriebsgebiets des Herrn K interessiert gewesen. Nach der Mitteilung des Klägers habe er sich keine Gedanken mehr darüber machen müssen, dass er das Gebiet nicht betreuen könne, um zusätzliche Provisionen zu verdienen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 20. Februar 2013 - 2 Ca 265/12 - teilweise abzuändern und

die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Berufung sei bereits unzulässig. Hierzu macht er geltend, es gebe keinen nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten und damit keinen tauglichen Berufungsangriff. Letztlich erkläre die Beklagte nur, dass sie mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Beweiswürdigung nicht einverstanden sei, dies sei jedoch keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung. Es sei unzulässig, wenn der Berufungsführer nur seine Beweiswürdigung an die Stelle der von dem erstinstanzlichen Gericht durchgeführten Beweiswürdigung setze, ohne einzelne Fehler darzulegen. Insbesondere sei auch die Verletzung konkreter Vorschriften zu rügen und deutlich zu machen, inwieweit das Arbeitsgericht die Grundsätze der freien Beweiswürdigung verkannt habe.

Der Kläger hält die Berufung auch für unbegründet. Die Beklagte habe einen Verzicht des Klägers auf seine arbeitsvertraglichen Provisionsansprüche nicht beweisen können. Er behauptet weiterhin, ein solcher Verzicht sei nicht erklärt worden. Der Kläger meint, die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei an keiner Stelle zu beanstanden. Die Zeugin habe aus ihrer eigenen Erinnerung heraus gar nichts gewusst. Jedoch habe sie auf Intervention des Geschäftsführers dessen suggestiv gestellte Fragen mit "ja" beantwortet. Aus dem Inhalt der Zeugenaussage ergebe sich insbesondere auch kein rechtsverbindlich vereinbarter Verzicht auf tatsächlich entstandene Provisionsansprüche. Eine solche tatsächliche Vereinbarung habe die Zeugin zu keinem Zeitpunkt bestätigt. Zweifel an der Richtigkeit der Zeugenaussage ergäben sich auch mit Blick darauf, dass sonst alles, was bei der Beklagten relevant sei, schriftlich dokumentiert werde. Der Kläger behauptet zudem, er sei im Anschluss an das Gespräch im 4. Quartal 2010 zu seinem damaligen Kollegen Herrn J gegangen und habe ihm erzählt, dass der Geschäftsführer der Beklagten sich weigere, Provisionszahlungen für die Übernahme des Vertriebsgebiets des Herrn K zu leisten und dass er, der Kläger, damit nicht einverstanden sei.

Mit der Anschlussberufung verfolgt der Kläger - soweit hier von Interesse - den Anspruch auf Schadensersatzzahlung weiter. Ein Rechtsanspruch ergebe sich zum einen nach den Regelungen über die positive Forderungsverletzung des Arbeitsvertrages, ebenso auch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Der Kläger meint, er habe bereits erstinstanzlich substantiiert dazu vorgetragen, wie er von der Beklagten hingehalten und getäuscht worden sei. Der Kläger macht geltend, die Eigenkündigung sei nicht seine eigene Entscheidung gewesen. Hierzu sei er durch den Geschäftsführer S veranlasst worden, nämlich durch dessen Behauptung, die Beklagte sei zahlungsunfähig.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 20. Februar 2013 - 2 Ca 265/12 - teilweise abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen,1.

an ihn 2.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. April 2012 zu zahlen;

2.

an ihn 10.000,00 Euro Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juni 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich nicht, dass bei ihm vorsätzlich ein Irrtum über den Fortbestand der Firma erzeugt worden sei. Die Beklagte nimmt ergänzend auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen Bezug und meint, der Kläger habe auch im Berufungsrechtszug keinen schlüssigen Tatsachenvortrag zur Begründung eines Schadensersatzanspruches gehalten. Insbesondere habe der Kläger nicht vorgetragen, dass ihm ein Verlust des Arbeitsplatzes wegen Insolvenz bevorgestanden habe.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 10. November 2014 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H, der Zeugin G und des Zeugen J. Hinsichtlich der zugrunde liegenden Beweisbeschlüsse sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. November 2014 Bezug genommen (Bl. 216-219 d.A.).

Gründe

Die Kammer entscheidet durch Teilurteil über die Berufung der Beklagten sowie über die Anschlussberufung des Klägers, soweit hinsichtlich der Anschlussberufung Entscheidungsreife gegeben ist. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gemäß § 301 ZPO liegen vor.

A

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 20. Februar 2013 sowie die Anschlussberufung des Klägers, mit der er den Schadensersatzanspruch weiter verfolgt, sind gem. den §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO statthaft und begegnen nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes keinen Bedenken (§§ 64 Abs. 2 ArbGG). Sie sind form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 517, 519, 520, 524 ZPO.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch die Berufung der Beklagten in diesem Sinne ordnungsgemäß begründet. Wendet sich ein Berufungskläger - wie vorliegend - gegen die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil, so greift er, gestützt auf den Berufungsgrund des § 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen mit dem Ziel einer erneuten Feststellung durch das Berufungsgericht an. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Berufung muss er deshalb gemäß § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO die Voraussetzungen darlegen, unter denen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Eingangsgericht getroffenen Feststellungen entfällt (BGH, 12.03.2004, V ZR 257/03, NJW 2004, 1876; BGH, 28.05.2003, XII ZB 165/02, NJW 2003, 2531). Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO entfällt die Bindung an die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen, sofern konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Es kann dahinstehen, ob schon die sonstigen Ausführungen der Beklagten zu der aus ihrer Sicht fehlerhaften Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts als ordnungsgemäße Berufungsbegründung ausreichen. Denn jedenfalls durch die Behauptung der Beklagten in der Berufungsbegründung, der Kläger selbst habe dem damaligen Mitarbeiter der Beklagten Herrn H kurz nach dem Gespräch im vierten Quartal 2010 erzählt, dass er das Vertriebsgebiet des Herrn K bis Juli 2011 provisionsfrei übernehmen werde, ist ein Anhaltspunkt für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen dargelegt. Dieser von der Beklagten vorgetragene Umstand stützt nämlich - sofern er sich erweisen lässt - die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin G. Da das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung gerade damit begründet hat, dass Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G bestünden, betrifft dies einen entscheidungserheblichen Umstand.

B

Die Berufung der Beklagten ist in der Sache erfolgreich (hierzu unter I.). Die Anschlussberufung des Klägers bleibt, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz wendet, ohne Erfolg (hierzu unter II.).

I. Erfolgreich wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von Provisionen in Höhe von 9.197,40 EUR brutto nebst Zinsen hieraus seit dem 14. April 2012. Ein solcher Anspruch ergibt sich hier nicht aus § 3 des Änderungsvertrages vom 11. November 2008 i. V. m. § 611 Abs. 1 BGB. Zur Überzeugung der Kammer steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten Herr S - in Abweichung von der Provisionszusage gemäß § 3 des Änderungsvertrages vom 11. November 2008 - im vierten Quartal 2010 mündlich vereinbarten, dass der Kläger für einen begrenzten Zeitraum, nämlich von Dezember 2010 bis einschließlich Juni 2011, das Vertriebsgebiet des früheren Mitarbeiters K ohne zusätzliche Provisionsansprüche übernehmen sollte (hierzu näher unter 1.). Diese mündliche Vereinbarung ist auch wirksam und führt dazu, dass der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Provisionszahlungen mehr verlangen kann (hierzu unter 2.).

1. Im Rahmen der Beweisaufnahme hat sich die Kammer nach der Vernehmung des Zeugen H veranlasst gesehen, auch die bereits erstinstanzlich vernommene Zeugin G zu vernehmen, zudem auch den präsenten Zeugen J. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass der Kläger mit dem Geschäftsführer der Beklagten S die von der Beklagten behauptete Vereinbarung zur Übernahme des weiteren Vertriebsgebiets ohne zusätzliche Provisionszahlungen für den begrenzten Zeitraum vom Dezember 2010 bis Juli 2011 getroffen hat.

a) Dies hat die Zeugin G entsprechend ausgesagt, wie sie es auch schon vor dem erstinstanzlichen Gericht bekundet hat. Die Zeugin hat bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 10. November 2014 angegeben, der Kläger habe in dem Gespräch den Vorschlag gemacht, das Gebiet des Herrn K selbst zu übernehmen. Auf die Nachfrage des Herrn S, was das bringen solle, wenn dann Provisionszahlungen an den Kläger hierfür zu leisten seien, habe der Kläger angeboten, das Gebiet zunächst ohne Provisionszahlungen mit zu übernehmen und erst ab Juli 2011 dann Provisionen hierfür zu erhalten. Die Kammer hält die Angaben der Zeugin G für glaubhaft, die Zeugin selbst für glaubwürdig. Die Angaben der Zeugin sind präzise, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die Kammer sieht es insbesondere nicht als widersprüchliches Aussageverhalten an, dass die Zeugin sich erst im Laufe der Vernehmung daran erinnerte, dass der Vorschlag, das Gebiet für eine gewisse Zeit provisionsfrei zu übernehmen, vom Kläger ausging. Der Umstand, von wem diese Vereinbarung ausging, war für die Zeugin nachvollziehbar von geringem Interesse. Der Zeugin obliegt die Lohnbuchhaltung bei der Beklagten. Gerade angesichts dieses Aufgabenbereichs ist das Interesse auf den Inhalt einer von den vertraglichen Regelungen abweichenden Vereinbarung gerichtet und nicht darauf, auf wessen Vorschlag hin diese zustande kommt. Zum Kerngeschehen - dass man sich entsprechend verständigte - ist das Aussageverhalten der Zeugin konstant. Der von der Zeugin geschilderte Gesprächsverlauf ist zudem nachvollziehbar und plausibel. Denn schließlich erfolgte die Entlassung des Herrn K unstreitig aus wirtschaftlichen Gründen. Auf diesem Hintergrund erscheint es nicht fernliegend, wenn bei der Umverteilung der Vertriebstätigkeiten die Einnahmesituation der Beklagten verbessert wird, indem zeitweise keine zusätzlichen Provisionen für die neu übernommenen Aufgaben gezahlt werden. Dass die Zeugin das Geschehen nicht im juristischen Sinne subsumierte (als Forderungsverzicht oder als Aussetzen der arbeitsvertraglichen Regelung für einen gewissen Zeitraum), ist unschädlich. Die Zeugin hatte Aussagen über tatsächliche Umstände zu treffen; die Glaubhaftigkeit hängt nicht von deren rechtlicher Einordnung ab.

b) Die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin G wird zudem gestützt durch die Aussage des Zeugen H. Der Zeuge H hat für die Kammer glaubhaft bekundet, dass es angesichts der prekären wirtschaftlichen Situation bei der Beklagten damals vor allem um Kostensenkung ging und dass dies durch Senkung der Personalkosten erreicht werden sollte. Der Kläger habe ihn, den Zeugen H, informiert, dass er selbst das Gebiet des Herrn K übernehmen werde und zwar zunächst für eine halbes Jahr ohne Provisionszahlung, dann werde man weitersehen ("Lschauen wir mal"). Da der Zeuge H bei dem fraglichen Gespräch selbst nicht dabei war, konnte er nur Angaben zu dem ihm mitgeteilten Ergebnis des Gesprächs machen; diese entsprechen den Angaben der Zeugin G. Die Aussage des Zeugen H ist frei von Widersprüchen und präzise. Wenn der Zeuge für Teile seiner Aussage (betreffend die näheren Umstände des Ausscheidens des Herrn K) einschränkend darauf hinweist, dies sei zumindest sein Kenntnisstand und er sei nicht bei allen Gesprächen dabei gewesen, spricht diese Genauigkeit bei der Aussage für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben insgesamt.

Schließlich spricht für die Glaubhaftigkeit der Angaben sowohl der Zeugin G als auch des Zeugen H die gelebte Praxis. Tatsächlich hat der Kläger nur für einen begrenzten Zeitraum, nämlich bis einschließlich Juni 2011, keine Provisionszahlungen für die Vertriebstätigkeiten in dem neu übernommenen Gebiet erhalten, ab Juli 2011 wurden dann entsprechende Provisionen - unstreitig - gezahlt. Eine nachvollziehbare Erklärung dafür, dass die Beklagte ab Juli 2011 anfing, für diese Vertriebstätigkeiten Provisionen an den Kläger zu zahlen, während sie dies vorher nicht tat, hat der Kläger nicht abgegeben. Insbesondere ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger die Provisionszahlungen für die Zeit von Dezember 2010 bis Juni 2011 bereits zuvor - also vor dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19. März 2012 - von der Beklagten verlangt hätte. Nach dem Inhalt der Zeugenaussagen der Frau G und des Herrn H lässt sich diese zeitliche Pause bei den Provisionszahlungen allerdings plausibel erklären.

c) Die Kammer hat weder bezüglich der Zeugin G noch hinsichtlich des Zeugen H Anhaltspunkte dafür, an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Beide Zeugen machten bei ihrer Aussage einen sicheren und aufrichtigen Eindruck. Sie äußerten sich spontan und anschaulich. Der Zeuge H ist nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt. Der Umstand, dass er der Beklagten vor einiger Zeit das operative Geschäft abgekauft hat, lässt nicht darauf schließen, dass er persönliche Interessen in Bezug auf diesen Rechtsstreit verfolgt. Solche sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Die Zeugin G arbeitet weiterhin für die Beklagte. Dieser Umstand allein begründet für die Kammer aber keine Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Es ist nicht erkennbar, dass die Zeugin ein persönliches Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits hätte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass seitens der Beklagten Druck auf die Zeugin ausgeübt worden wäre. Für eine solche Annahme genügt weder der Umstand, dass im Rahmen der ersten Zeugenvernehmung vor dem Arbeitsgericht Kassel der Beklagtenvertreter und auch der Geschäftsführer der Beklagten persönlich die Zeugin befragten und Vorhalte zum Gesprächsverlauf machten. Dies ist ein zulässiges prozessuales Verhalten. Auch der vom Kläger angeführte Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit der Zeugin ein Gespräch führte, gibt für eine solche Annahme keinen Anlass.

Es bestand auch kein Anlass, die Zeugin zu vereidigen, wie dies vom Kläger beantragt worden ist. Die Kammer sah eine Vereidigung der Zeugin für die Überzeugungsbildung und Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht als notwendig an, § 58 Abs. 2 S. 1 ArbGG.

d) Die Vernehmung des Zeugen J hat für die Kammer keine abweichende Beurteilung der Glaubhaftigkeit der beiden oben genannten Zeugenaussagen begründet. Die Kammer hat gewisse Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen J. Die Angaben des Zeugen zu dem Beweisthema erschöpften sich zu Beginn seiner Aussage zunächst in einer rein abstrakten Wiederholung des Beweisthemas ohne Mitteilung eigener Wahrnehmungen und konkreter Tatsachen. So hat der Zeuge, nachdem er gebeten worden war, sich zur Sache näher zu erklären, allein mitgeteilt, das, was der Kläger gesagt habe, sei richtig. Auch das, was das Gericht zum Beweisthema gesagt habe, sei richtig und könne von ihm bestätigt werden. Mehr wisse er dazu nicht. Irgendwelche konkreten Angaben zu dem eigentlichen Gesprächsinhalt zwischen ihm und dem Kläger hat der Zeuge zu Beginn seiner Aussage nicht gemacht, obwohl er selbst angab, er könne sich an die Situation "sehr gut erinnern". Später erklärte der Zeuge auf Befragen, der Kläger habe ihm gesagt, dass er "gegen seinen Willen ein Gebiet ohne Provisionszahlung weiter bearbeiten muss". Zugleich hat der Zeuge darauf hingewiesen, er könne "natürlich nichts dazu sagen, was zwischen Herrn O und Herrn S gesprochen worden ist." Präzise tatsächliche Angaben, die die Beweisbehauptung des Klägers stützen, hat der Zeuge danach nicht gemacht. Soweit der Kläger dem Zeugen mitgeteilt haben soll, er müsse "gegen seinen Willen ein Gebiet ohne Provisionszahlung weiter bearbeiten", widerspricht dies nicht ohne weiteres den Angaben der Zeugin G und des Zeugen H. Es ist gut vorstellbar, dass der Kläger durch eine solche Äußerung gegenüber dem Kollegen seinen Unmut darüber zum Ausdruck bringen wollte, dass er sich zu der entsprechenden Vereinbarung unter dem Druck der schwierigen wirtschaftlichen Lage bereitgefunden hatte. Eine solches Gefühl der Unzufriedenheit kann sich sogar dann eingestellt haben, wenn der Kläger selbst - wegen der wirtschaftlichen Probleme - sich veranlasst gesehen hat, den Vorschlag zur Übernahme des weiteren Vertriebsgebiets ohne zusätzliche Provisionszahlungen zu unterbreiten, wie die Zeugin G ausgesagt hat.

Für die Kammer haben sich aufgrund der Zeugeneinvernahme auch Zweifel in Bezug auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen ergeben. Zum einen ist der Zeuge offenbar mit nachhaltiger Verärgerung bei der Beklagten ausgeschieden. Jedenfalls hat er ausgesagt, er habe das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten im Rahmen einer Psychotherapie aufarbeiten müssen. Dass er seinen Frieden mit den Umständen seines Ausscheidens bei der Beklagten bisher nicht recht gemacht hat, war für die Kammer erkennbar. So führte der Zeuge im Hinblick auf eine frühere einseitige Lohnkürzung der Beklagten aus, er "warte bis heute auf eine entsprechende Mitteilung (der Beklagten)", obgleich bereits im September 2011 ein Aufhebungsvertrag unter wechselseitigem Forderungsverzicht abgeschlossen worden ist, wie der Zeuge zugleich aussagte. Auch die Umstände, unter denen sich der Zeuge nach seinen eigenen Angaben zur Aussage in diesem Rechtsstreit bereit erklärt haben will, geben der Kammer Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit. Zunächst ist es schon überraschend, dass anlässlich der Einladung zu einer Hochzeit das Gespräch auf diesen Rechtsstreit gekommen sein soll. Zugleich hat der Zeuge die Frage des Gerichts, ob er zu dem Kläger in näherem persönlichen Kontakt steht, ohne weiteres verneint. Diese Auskunft lässt sich nur schwer vereinbaren mit der behaupteten Einladung zur Hochzeit. Auch überrascht es angesichts dieser letzteren Aussage dann, dass der Zeuge zugleich aussagte, er habe sich dem Kläger als Zeuge in dem Rechtsstreit angeboten ("Ich habe Herrn O dann gesagt: Ich bin als Zeuge da."). Die Kammer hat angesichts dieser Angaben den Eindruck gewonnen, dass der Zeuge die persönliche Verbindung zwischen ihm und dem Kläger herunterspielt.

2. Die mündliche Vereinbarung, die der Kläger nach Überzeugung der Kammer mit dem Geschäftsführer der Beklagten Herrn S im 4. Quartal 2010 getroffen hat, ist wirksam. Danach haben die Parteien vereinbart, die Provisionsregelung gemäß § 3 des Arbeitsvertrages für einen bestimmten begrenzten Zeitraum und nur bezogen auf die Tätigkeiten in dem neu übernommenen Vertriebsgebiet auszusetzen und nicht anzuwenden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien aus rechtlichen Gründen an einer solchen Absprache gehindert wären. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend gemacht hat, die Wirksamkeit einer solchen mündlichen Absprache scheitere an dem Schriftformerfordernis gemäß § 10 des Arbeitsvertrages, folgt dem die Kammer nicht. Gemäß § 10 des Arbeitsvertrages bedurften Änderungen und Ergänzungen der vertraglichen Vereinbarungen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform. Eine solche "einfache Schriftformklausel" kann jedoch von den Vertragsparteien nach zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, jederzeit konkludent und formlos aufgehoben werden (ständige Rechtsprechung, BAG, 15.05.2012, 3 AZR 610/11, NZA 2012, 1279; BAG, 20.05.2008, 9 AZR 382/07, ). Dies ist sogar dann möglich, wenn die Parteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform nicht gedacht haben (BAG, 20.05.2008, 9 AZR 382/07, ).

II. Die Anschlussberufung des Klägers bleibt - soweit hier über sie entschieden wird - ohne Erfolg. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, lässt sich ein Schadensersatzanspruch auf Grundlage der Ausführungen des Klägers nicht begründen, dies gilt auch mit Blick auf die Ergänzungen im Berufungsverfahren.

1. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. mit § 611 Abs.1 BGB, §§ 280, 249 ff. BGB sind nicht dargelegt. Dabei kann offenbleiben, ob - wie der Kläger behauptet - der Geschäftsführer der Beklagten ihm gegenüber von einer drohenden Insolvenz gesprochen hat. Selbst wenn dies der Fall war und selbst wenn diese Darstellung unzutreffend, weil übertrieben gewesen sein sollte, fehlt es hier an der Kausalität dieses Verhaltens für den Ausspruch der Eigenkündigung und damit auch für den bei dem Kläger durch den Nettogehaltsverlust eingetretenen Schaden. Zum einen ist unstreitig, dass der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger zu keinem Zeitpunkt zur Eigenkündigung aufgefordert hat. Zum anderen hat der Kläger, der als Vertriebsleiter zumindest die Vertriebszahlen gut kannte - wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat - sich bis kurz vor Ausspruch der Eigenkündigung intensiv darum bemüht, das Unternehmen zu erwerben. Wie der Kläger selbst mitgeteilt hat, waren die Vertriebsergebnisse positiv. Auch ging offenbar der Kläger davon aus, die Firma sei wirtschaftlich noch profitabel, anderenfalls hätte er wohl nicht versucht, der Beklagten das Unternehmen abzukaufen. Noch unmittelbar vor der Übergabe der Eigenkündigung hat der Kläger erneut versucht, mit der Beklagten eine Einigung hierüber zu erzielen. Als dieser Versuch scheiterte, übergab er sein Kündigungsschreiben. Eine Anfechtung seiner Kündigungserklärung wegen arglistiger Täuschung hat der Kläger nie erklärt. Dies alles widerlegt die sehr pauschale Behauptung des Klägers, er sei allein von der Vorstellung geleitet gewesen, es drohe die Insolvenz und er habe deshalb gekündigt. Es ist gut nachvollziehbar, dass der Kläger in dieser wirtschaftlich angespannten Lage und angesichts der gescheiterten Verkaufsverhandlungen einen anderen Arbeitsplatz suchte. Diese Entscheidung lag jedoch in seinem Risikobereich und wenn er hier Abstriche machen musste bei der Vergütung, haftet die Beklagte hierfür unter diesen Umständen nicht. Ebenso wenig substantiert ist schließlich die weitere Behauptung des Klägers, die Beklagte habe es gerade darauf angelegt, ihn durch Täuschung zur Kündigung zu veranlassen, um ihn los zu werden. Der Kläger hat hierzu nicht einmal eine entsprechende Aufforderung der Beklagten an ihn dargelegt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war - soweit ersichtlich - gar nicht Gegenstand des Gesprächs. Dass Ausführungen des Klägers zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs fehlen, hat bereits das Arbeitsgericht festgestellt. Weiterführender Tatsachenvortrag ist seitens des Klägers im Berufungsverfahren nicht erfolgt.

2. Ebenso wenig sind die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ersichtlich. Aus den genannten Gründen kann bereits nicht angenommen werden, dass der Kläger tatsächlich davon ausging, dass die Insolvenz unmittelbar drohte. Ein entsprechender Irrtum kommt nach dem oben bereits Gesagten nicht in Betracht. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass gerade diese Fehlvorstellung den Kläger zur Aufgabe des Arbeitsplatzes veranlasste und nicht eigene, berechtigte Gründe, die in seinem Risikobereich liegen. Damit fehlt es auch an einer Kausalität des Irrtums für die Vermögensverfügung (Aufgabe des Arbeitsplatzes). Auch hierzu kann auf das oben Ausgeführte verwiesen werden.

Da ein Teilurteil ergangen ist, ist die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorzubehalten.

Für die Zulassung der Revision ist kein Grund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG ersichtlich.

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