AG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.02.2015 - 32 C 3624/15 (18)
Fundstelle
openJur 2019, 37036
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung getätigter Aufwendungen für Heilbehandlungskosten sowie die Feststellung dass zwischen den Parteien nicht vereinbart ist, dass physiotherapeutische Maßnahmen nicht ihrer Höhe nach auf die Sätze der GOÄ beschränkt sind.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten einen Krankheitskostenversicherungsvertrag. Sie ist im Tarif 101 versichert. In den Vertrag sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, bestehen aus Teil I Musterbedingungen (MB/KK) und Teil II Tarifbedingungen (TB/KK), vgl. K 1, K 4.

Aufgrund einer Wirbelsäulenerkrankung ist die Klägerin seit mehreren Jahren in physiotherapeutischer Behandlung. Die Beklagte erstattete zunächst die kompletten Rechnungskosten.

Mit Schreiben vom 27.04.2015 teilte die Beklagte mit, dass fortan nur noch eine Kostenübernahme in Höhe der nach GOÄ erstattungsfähigen Beträge, wahlweise auch nach dem Gebührenverzeichnis für die Angehörigen der Gesundheits- und Medizinalberufe erfolge.

In der Folgezeit fielen der Klägerin Kosten in Höhe von 432,00 Euro für Heilbehandlungskosten beim Physiotherapeuten A. zu einem Einzelpreis von 36,00 Euro an, vgl. Rechnung v. 07.04.2015, K 3, von denen die Beklagte 270,00 Euro erstattete. Dabei legte die Beklagte als Einzelpreis den beihilfefähigen Höchstsatz von 22,50 Euro zugrunde. Der entsprechende 1,0 Satz zu Ziffer 3306 GOÄ (manuelle Therapie) beträgt 8,63 Euro, der 2,3 fache Satz 19,84 Euro, der 2,5 fache Höchstsatz 21,58 Euro.

Die Klägerin beantragte zunächst festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die ihr durch die Inanspruchnahme physiotherapeutischer Heilbehandlung entstehenden Kosten jeweils in voller Höhe (100%) zu erstatten (Antrag zu 1)). Sie beantragte ferner die Beklagte zu verurteilen, an sie 324,00 Euro (Antrag zu 2) sowie 83,54 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren (Antrag zu 3) zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 05.11.2015 änderte die Klägerin ihren Antrag zu 1) und 3) unter Beibehaltung des Antrags zu 2).

Die Klägerin beantragt zuletzt,festzustellen, dass zwischen den Parteien nicht vereinbart ist, dass - sofern Leistungspflicht besteht - die Gebühren und Kosten für physiotherapeutische Maßnahmen von nichtärztlichen Therapeuten im tariflichen Umfang nur bis zu den Höchstsätzen der GOÄ erstattungsfähig sind. Die Kosten für physiotherapeutische Maßnahmen von Nicht-Ärzten sind vielmehr erstattungsfähig soweit sie ortsüblich und angemessen sind. Dies gilt auch im Fall einer Honorarvereinbarung.Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die ihr durch die Inanspruchnahme physiotherapeutischer Heilbehandlungen entstandenen Kosten in Höhe von 324,00 Euro zu zahlenDie Beklagte zu verurteilen, an die XXX Rechtschutzversicherungs-AG, xxx, unter Angabe der Schadensnummer xxx, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 83,54 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2015 zu zahlen.Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten weder ein Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung zur Kostenübernahme über die Sätze der GOÄ hinaus noch auf Zahlung der begehrten Heilbehandlungskosten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankheitskostenversicherungsvertrag zu.

Die von der Klägerin begehrten Leistungen fallen zwar zunächst unter die vertraglich geschuldeten Heilmittel, vgl. K.1, B. 13 d.A.. Bei Heilmitteln handelt es sich gem. der wirksam in den Vertrag einbezogenen AGB Ziffer 2 c) Teil II (TB/KK) zu § 4 MB/KK unter anderem um physikalische Heilbehandlungen, wie vorliegend.

Gem. Ziffer 1 a) Teil II TB/KK zu § 4 Abs. 1 MB/KK sind Gebühren und Kosten jedoch im tariflichen Umfang lediglich bis zu den Höchstsätzen der jeweils gültigen amtlichen ärztlichen Gebührenordnungen sowie den Verordnungen über Krankenhauspflegesätze in der BRD erstattungsfähig. Keine Leistungspflicht besteht für die Teile einer Liquidation, die diese Höchstsätze überschreitet oder nicht den Vorschriften der Gebührenordnung bzw. Verordnungen über Krankenhauspflegesätze entsprechen.

Auszulegen sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach ständiger Rechtsprechung so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an.

In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH VersR 2013, 601?ff.).

Für den Versicherungsnehmer ist vorliegend erkennbar, dass die private Krankenversicherung ihre Einstandspflicht grundsätzlich auf die GOÄ-Sätze beschränken will. Da manuelle Therapie auch von Ärzten angeboten wird und dafür in der GOÄ auch eine Nummer 3306 vorgesehen ist, ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht davon auszugehen, dass er nicht mehr erstattet bekommt, wenn er anstelle eines Arztes einen Physiotherapeuten aufsucht. Mitnichten ist aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers zu erwarten, dass jede von ihm vereinbarte Vergütung von der Krankenversicherung zu 100 % erstattet wird.

Dies entspricht den Wertungen der Kommentarliteratur. So heißt es in Bach/Moser: Heilmittel in Form von Anwendungen und Behandlungen durch Angehörige staatlicher Heilberufe sind physikalisch-medizinische Leistungen iSd. GOÄ, wenn sie in einem in eigener Praxis tätigen Masseur, Krankengymnasten oder Physiotherapeuten ausgeführt werden (vgl. Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 4. Auflage, MB/KK, § 4, Rn. 24, zitiert nach beck-online). Dies ist bei dem Physiotherapeuten Johannes Kurz, bei dem sich die Klägerin in Behandlung begab, bereits nach dessen Briefkopf der Fall, vgl. B 1.

Eine Begrenzung des Erstattungsumfangs für eine physikalische Therapie auf die Höhe der GOÄ-Sätze in den allgemeinen Versicherungsbedingungen ist rechtlich auch zulässig (AG München VersR 2012, 1505?f.).

Mangels Erfolg der Hauptforderung konnte die Klägerin auch mit ihren Nebenforderungen nicht durchdringen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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