OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.11.2015 - 2 UF 251/15
Fundstelle
openJur 2019, 36927
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschwege vom 27.5.2015 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten werden den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen zu 1/3 und der Antragsgegnerin zu 2) darüber hinaus zu weiteren 2/3 als Alleinschuldnerin auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im zweiten Rechtszug werden den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen auferlegt; im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 2) haben einander am ...11.1982 geheiratet. Aus ihrer Ehe ist am ... 1987 die Antragsgegnerin zu 1) hervorgegangen.

Die beteiligten Eheleute leben seit 2002 voneinander getrennt. Sie haben schon mehrfach vor Gericht um den Trennungsunterhalt gestritten, der zur Zeit i. H. v. mtl. 649,00 € tituliert ist. In dem vor dem Senat unter dem Az. 2 UF 169/15 (Familiengericht Eschwege, 5 F 377/14 UE) rechtshängigen Abänderungsverfahren begehrt der Antragsteller Reduzierung seiner Unterhaltspflicht auf null. Hierzu hat er u. a. Verwirkung gemäß § 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 7 BGB geltend gemacht und behauptet, dass die Antragsgegnerin zu 1) nicht von ihm abstamme und er hierüber jahrelang von der Antragsgegnerin zu 2) getäuscht worden sei.

In dem vorliegenden Verfahren, dessentwegen der Senat das Verfahren 2 UF 169/15 mit Beschluss vom 6.7.2015 nach § 21 FamFG ausgesetzt hat, begehrt der Antragsteller die Ersetzung der Einwilligungen der Antragsgegnerinnen in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Duldung entsprechender Probeentnahmen (§ 1598a Abs. 2 BGB).

Die Antragsgegnerin zu 1) hat die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts Eschwege gerügt und behauptet, ihren Wohnsitz und regelmäßigen Aufenthalt in ... zu haben, ohne allerdings eine Adresse mitzuteilen. Insoweit hat das Familiengericht eine EWO-Polizei-Auskunft eingeholt, aus welcher hervorgeht, dass die Antragsgegnerin zu 1) weiterhin mit Hauptwohnsitz in ... gemeldet ist. Im Übrigen sind beide Antragsgegnerinnen den Anträgen entgegengetreten. Die Antragsgegnerin zu 1) hat geltend gemacht, dass das Begehren des Antragstellers rechtsmissbräuchlich und er aus finanziellen Gründen gar nicht in der Lage sei, das Gutachten erstellen zu lassen. Darüber hinaus hat sie sich auf ihr Selbstbestimmungsrecht, ihre Handlungsfreiheit, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie auf ihre Menschenwürde berufen. Die Antragsgegnerin zu 2) hat eingewandt, dass die Antragsgegnerin zu 1) von dem Antragsteller abstamme.

Das Amtsgericht hat den Anträgen des Antragstellers mit Beschluss vom 27.5.2015 entsprochen und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Zustimmung zur genetischen Abstammungsuntersuchung sowie auf Duldung der für die Begutachtung erforderlichen Probeentnahmen aus § 1598a Abs. 2 BGB habe. Das Gesetz ermögliche die folgenlose Klärung der genetischen Abstammung, die nicht an weitere Voraussetzungen wie z. B. die Einhaltung von Fristen oder ein besonderes Feststellungsinteresse gebunden sei, weshalb der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht greife. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Vorschrift, die gerade einem Grundrechtseingriff durch heimlich durchgeführte Genuntersuchungen entgegenwirken solle, bestünden nicht.

Gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 12.6.2015 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegnerinnen jeweils am 13.7.2015 (Montag) Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihre Rechtsansicht wiederholt und vertieft, dass § 1598a BGB verfassungswidrig sei. Sie meint zum einen, der Gesetzgeber hätte jedenfalls bei inzwischen volljährigen Kindern für Härtefälle Ausnahmen vorsehen müssen und verstoße dadurch, dass er in § 1598a Abs. 3 BGB nur für minderjährige Kinder bei erheblicher Kindeswohlbeeinträchtigung eine Verfahrensaussetzung vorsehe, gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, gegen die Richtlinie 2000/78/EG sowie gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Sie hat daher angeregt, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen sowie die hier aufgeworfenen Fragen gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen. Darüber hinaus rügt sie fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Vorinstanz, weil § 1598a BGB bei verfassungskonformer Auslegung voraussetze, dass der Antragsteller Zweifel an der Abstammung habe und ein besonderes Feststellungsinteresse behaupte, was beides nicht der Fall sei. Die Antragsgegnerin zu 2) hat ihre Beschwerde nicht begründet.

Die Antragsgegnerinnen haben zunächst beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschwege vom 27.5.2015 abzuändern und die auf ihren Erlass gerichteten Anträge zurückzuweisen.

Nachdem der Senat mit Hinweisbeschluss vom 15.10.2015 angekündigt hat, dass gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne erneute mündliche Verhandlung entschieden und die Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen werden sollen, hat die Antragsgegnerin zu 1) ihr Rechtsmittel zurückgenommen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

und verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu 2) ihr Rechtsmittel nicht begründet hat, ist unerheblich, weil es in Abstammungssachen keinen Begründungszwang gibt (§ 65 Abs. 1 FamFG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, welches mit zutreffender Begründung das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1598a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB und dementsprechend das Bestehen des von dem Antragsteller geltend gemachten Anspruchs auf Ersetzung der nicht erteilten Einwilligungen in die genetische Abstammungsuntersuchung und auf Anordnung der Duldung von Probeentnahmen bejaht hat.

Dass der Antragsteller Zweifel an seiner Vaterschaft hat, ist nicht Tatbestandvoraussetzung; auch kommt es auf ein besonderes Feststellungsinteresse nicht an. Im Übrigen steht außer Frage, dass der Antragsteller seine Vaterschaft anzweifelt und liegt in Hinblick auf das bei dem Senat rechtshängige Unterhaltsverfahren sogar ein besonderes Feststellungsinteresse vor.

Ob der Antragsteller derzeit über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um das heutzutage nicht mehr exorbitant teure Gutachten in Auftrag zu geben, ist rechtlich unerheblich, ggf. würde der Titel, auf den der Antragsteller einen Anspruch hat, nicht oder erst später vollstreckt, wobei die zeitliche Verzögerung die Antragsgegnerinnen nicht beschweren würde. Im Übrigen liegt ohnehin die Annahme nahe, dass der Antragsteller sich das für die Begutachtung aufzubringende Geld notfalls leihen wird, weil er sich aus dem von ihm vermuteten Ergebnis der Gutachteneinholung Vorteile in dem von dem Senat ausgesetzten Unterhaltsverfahren verspricht.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1598a BGB bestehen, worauf bereits die Vorinstanz hingewiesen hat, nicht. Der Gesetzgeber hat die gesetzliche Neuregelung gerade auf Grund des ihm von dem Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 13.2.2007 (Az.: 1 BvR 421/06, BVerfGE 117, 202 ff. [BVerfG 13.02.2007 - 1 BvR 421/05]) erteilten Auftrags geschaffen und die Erwägungen hierzu in den Gesetzesmaterialien (BT.-Drs. 16/6561) eingehend dargelegt. Danach sind die widerstreitenden Grundrechte der Beteiligten sorgfältig wechselseitig ausgeglichen worden und hat der Gesetzgeber dadurch, dass er in § 1598a Abs. 3 BGB für minderjährige Kinder in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Verfahrensaussetzung vorgesehen hat, einem im Einzelfall möglichen Schutzbedürfnis des minderjährigen Kindes Rechnung getragen, zugleich aber klargestellt, dass das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich den Interessen des Klärungsberechtigten den Vorrang vor den gegebenenfalls anders lautenden Interessen des Kindes eingeräumt hat. Es ist nach Ansicht des Senats nicht zu beanstanden, die Kinderschutzklausel auf minderjährige Kinder zu beschränken, die auf Grund ihres Alters und ihrer entwicklungspsychologisch bedingten Befindlichkeiten, die im Übrigen konkret darzulegen sind, im Einzelfall außergewöhnlich belastet sein können. Ist das Kind demgegenüber, wie vorliegend, bereits erwachsen, rechtfertigt bzw. gebietet es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Umstand, dass nunmehr die Grundrechte von zwei Erwachsenen gegeneinander abzuwägen sind, dem Klärungsbedürfnis Vorrang einzuräumen. Vor diesem Hintergrund kommt eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht.

Aus welchen Gründen ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV vorliegend eingeleitet werden sollte und über die Auslegung welchen primären Unionsrechts (Art. 267 Abs. 1 a) AEUV) oder die Gültigkeit welchen sekundären Unionsrechts (Art. 267 Abs. 1 b) AEUV) zu befinden sein sollte, hat die Antragsgegnerin zu 1) nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Der allgemeine Verweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union reicht insoweit ebenso wenig wie die Erwähnung der Richtlinie 2000/78/EG (zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf), zu welcher die hier in Rede stehende familienrechtliche Problematik keinen Bezug aufweist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG bezüglich der Antragsgegnerin zu 1) und auf § 84 FamFG hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2), wobei der Senat bei den Gerichtskosten durch die Kostenquotelung der unterschiedlichen Kostenverursachung Rechnung getragen hat.

Die Festsetzung des Gegenstandwertes richtet sich nach §§ 40 Abs. 1 S. 1, 47 Abs. 1 FamGKG.