VG Darmstadt, Urteil vom 15.09.2015 - 4 K 1659/13.DA
Fundstelle
openJur 2019, 36832
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Erhöhung der Grundsteuer B für das Jahr 2013. Der diesbezügliche Hebesatz betrug zunächst 400 v.H. des Steuermessbetrags. Mit Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 14. März 2013 über die Haushaltssatzung für das Jahr 2013 setzte diese den Hebesatz für das Haushaltsjahr 2013 auf 800 v.H. fest. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 8. August 2013 genehmigte dieses die Haushaltssatzung. Zur Begründung wird ausgeführt, die Beklagte habe im Februar 2013 mit dem Land Hessen den Konsolidierungsvertrag über Maßnahmen zur Erreichung des Haushaltsausgleichs nach § 3 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zur Sicherstellung der dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit konsolidierungsbedürftiger Kommunen (Schutzschirmgesetz - SchuSG) geschlossen, worin ein Konsolidierungszeitraum von zehn Jahren vereinbart worden sei. Zwar werde das Konsolidierungsziel im Jahr 2013 um mehr als 7 Mio. EUR übertroffen, jedoch weise die Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2016 erhebliche negative Abweichungen aus. Eine entsprechende Anpassung der Finanzplanung mit ergänzenden Konsolidierungsmaßnahmen sei daher erforderlich. Es wurde empfohlen, Beiträge und Gebühren laufend auf ihren Kostendeckungsgrad hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Ein weiterer Verzicht auf die Erhebung von Straßenbeiträgen sei vor dem Hintergrund der desaströsen Haushaltslage nicht mehr länger zu vertreten.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2013 setzte die Beklagte die Grundsteuer B gegenüber dem Kläger für das Objekt "A-Straße/001" in Rüsselsheim für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2013 in Höhe von 672,80 EUR fest. Auf den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten über die Haushaltssatzung vom 14. März 2013 wird hingewiesen. Bis zum 30. Juni eines Jahres sei der Beschluss über eine Hebesatzerhöhung jederzeit möglich. Die Änderung sei durch den kommunalen Rettungsschirm zur Haushaltskonsolidierung notwendig und trete rückwirkend zum 1. Januar 2013 in Kraft.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 10. Juni 2013 Widerspruch, ohne diesen zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Widerspruch sei unbegründet, insbesondere sei die erfolgte Verdopplung des Hebesatzes rechtmäßig erfolgt. Zudem sei die Festsetzung des Hebesatzes aufgrund des der Stadt zustehenden weiten Ermessens im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Steuerhoheit nicht angreifbar. Auch weise der Hebesatz keinen Erdrosselungscharakter auf, weshalb er nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG und das sich aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebende Sozialstaatsprinzip verstoße. Der Hebesatz der Grundsteuer habe nicht die Wirkung, dass die Steuerpflichtigen ganz allgemein unter normalen Umständen die Steuer nicht mehr aufbringen könnten. Die Stadtverordnetenversammlung habe bei ihrer Entscheidung den Finanzbedarf der Stadt bedenken und zur Belastung der Adressaten in ein Verhältnis bringen müssen. Die Haushaltslage der Beklagten sei besorgniserregend und die finanzielle Leistungsfähigkeit erheblich gefährdet, weshalb die Stadt sich über einen Konsolidierungsvertrag mit dem Land Hessen unter einen Schutzschirm begeben habe, der jährliche Einsparungen zwingend erfordere. Diese Einschätzung teile auch das Regierungspräsidium Darmstadt in seiner Genehmigung des Haushaltsplanes 2013. Die Stadtverordnetenversammlung habe die vorgenommene Hebesatzerhöhung für die Handlungsfähigkeit der Stadt für unbedingt erforderlich gehalten, auch unter Abwägung mit den höheren Belastungen der Steuerschuldner.

Der Kläger hat am 28. November 2013 Klage erhoben und begehrt die Aufhebung des Grundsteuerbescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids, soweit darin die Grundsteuer um das Doppelte, d. h. um 336,40 EUR, erhöht worden ist. Zur Begründung wird ausgeführt, zwar habe Hessen von der Möglichkeit der Festlegung von Höchstbeträgen für Hebesätze keinen Gebrauch gemacht. Dennoch sei es nach dem Bericht des Finanzausschusses des Bundestages wünschenswert, dass die Länder bei Ausfüllung des Hebesatzes auf eine stärkere Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse im Bundesgebiete achten sollten. Die Erhöhung des Hebesatzes auf einen Spitzensatz von 800 v.H. führe hingegen zu eklatanten Unterschieden innerhalb des Bundesgebietes. In keinem weiteren Bundesland seien derartige Erhöhungen vorgenommen worden. Der durchschnittliche Hebesatz liege in Hessen bei 357 v.H., weshalb der Hebesatz von 800 v.H. sittenwidrig sei.

Darüber hinaus dürfe der Steuer keine erdrosselnde Wirkung zukommen. Zwar sei diese vorliegend wegen der überschaubaren absoluten Höhe der Grundsteuer nicht anzunehmen. Es gelte aber auch das Übermaßverbot, das die Beklagte nicht beachtet habe. Die Geldleistungspflichtigen würden übermäßig belastet. Es komme insoweit nicht auf die Gesamtheit der Steuerpflichtigen, sondern auf den Durchschnitt der Bürger einer Gemeinde an. Es werde bestritten, dass die grundlegenden Vermögensverhältnisse des Durchschnitts der Bürger nicht beeinträchtigt werden. In der Akte befinde sich keine Feststellung der in der Gemeinde bestehenden Vermögensverhältnisse. Folglich habe auch keine entsprechende Abwägung erfolgen können. Bereits die Zahl von 1.600 eingereichten Widersprüchen verdeutliche, dass die Mehrheit der Bürger an ihrer vermögensrechtlichen Belastungsgrenze angekommen sei. Es müsse zur Vermögenssituation der Bürger/Einwohner ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, da diese von der Klägerseite nicht beurteilt werden könne. Zudem werde die Privatnützigkeit des Eigentums gefährdet bzw. aufgehoben.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 GG sei beeinträchtigt, da die Grundsteuer ausschließlich Grundstückseigentümer belaste. Zwar könne diese auf den Mieter umgelegt werden, doch führe eine Erhöhung der Nebenkosten zu einer nicht zu unterschätzenden Folgeproblematik. So seien in Rüsselsheim in einer überdurchschnittlich hohen Zahl sozialschwache Mieter anzutreffen. Diese bezögen meist Leistungen von den Arbeitsagenturen nach Regelsätzen, die jedoch keinesfalls an eine einhundertprozentige Steigerung der Grundsteuerbeträge angepasst werden könnten.

Die Maßnahme müsse sich zudem zumindest auch erfolgversprechend positiv auf die Finanzsituation der Beklagten auswirken, was bestritten werde, da eine derartige Erhöhung auch zu einer Abwanderung der Bürger führen könne.

Zudem sei die Anhebung des Hebesatzes um das Doppelte willkürlich, die Beklagte habe ihren Ermessensspielraum überschritten. Das Gebot der Subsidiarität der Steuern gegenüber den speziellen Entgelten sei verletzt worden. Die Ertragsmöglichkeiten seien bislang nicht ausgeschöpft worden. Der Kläger könne sich entgegen der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs auch auf § 93 Abs. 2 HGO berufen, dies habe das Verwaltungsgericht Gießen auch so beurteilt. Würde man der Norm keine drittschützende Wirkung zusprechen, so werde § 10 HGO missachtet. Danach sei auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen, was zu einer subjektiv-rechtlichen Anreicherung des § 93 HGO führe. Die Beklagte habe nicht dargelegt, inwieweit sie anderweitige Ertragsmöglichkeiten heranziehe. Eine Straßenbeitragssatzung sei wohl noch nicht in Kraft. Dies stehe jedoch in Widerspruch zu den Weisungen des Hessischen Ministers.

Darüber hinaus gebiete die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, dass der Kreis die Gemeinden mit einem Mindestmaß an Finanzmitteln auszustatten habe, so dass diese nicht nur ihre Pflichtaufgaben wahrnehmen könnten. Insofern sei es Sache des Kreises, entsprechende Umlagen zu erheben, nicht jedoch der Beklagten.

Die Höhe des Hebesatzes verstoße aufgrund der gravierenden regionalen Verwerfungen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Selbst wenn sich die Beklagte unter den kommunalen Schutzschirm begeben habe, müsse sie sich das vorangegangene Verhalten, welches zu der besorgniserregenden Finanzsituation geführt habe, zurechnen lassen. Es könne für das Versagen der Politik keine Abwälzung auf den Bürger vorgenommen werden. Darüber hinaus habe der Schutzschirm zur Folge, dass der Beklagten kein Ermessensspielraum für ihre Entscheidungen mehr zustehe, weshalb die Stadtverordnetenversammlung über die Haushaltssatzung nicht habe frei entscheiden können.

Der Kläger beantragt,

den Abgabenbescheid der Beklagten vom 7. Mai 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2013 aufzuheben, soweit darin die Grundsteuer mit einem Betrag von mehr als 336,40 EUR festgesetzt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, mit dem die Erhöhung des Hebesatzes der Grundstücke rückwirkend ab dem 1. Januar 2013 in Kraft getreten sei, sei zulässig. Der Hebesatz weise keinen Erdrosselungscharakter auf und verstoße daher nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die Beklagte habe das ihr insoweit zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung habe die Gemeinde einen weiten Ermessensspielraum. Die Normsetzung werde lediglich durch allgemeine Grundsätze des Steuerrechts und in bestimmtem Umfang durch haushaltsrechtliche Grundsätze begrenzt. So dürfe eine Steuer keine erdrosselnde Wirkung haben. Eine solche komme der Grundsteuerbelastung vorliegend nicht zu. Auch wenn die Steuerbeträge im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt worden seien, stünden sie im Verhältnis zum zu besteuernden Eigentumsgegenstand noch in keiner einen Erdrosselungscharakter aufweisenden Relation und überschritten nicht die Schwelle zu einer Vernichtung der Steuerquelle selbst. Vielmehr würden die anfallenden Steuern regelmäßig aus den Grundstückserträgen erwirtschaftet werden können. Dies gelte sowohl im Fall der vermieteten Objekte als auch bei selbstgenutzten Grundstücken, da insofern wirtschaftlich gesehen die ersparten Aufwendungen für Wohnkosten als Ertrag anzusetzen seien. Die Höhe des Hebesatzes sei auch nicht evident willkürlich. Die erhobene Grundsteuer diene der Einnahmeerzielung, d. h. Fiskalzwecken, und sei daher sachlich gerechtfertigt. Die Beklagte habe bei der Festsetzung des Hebesatzes die maßgeblichen Belange abgewogen. Aufgrund der aktuellen Haushaltssituation, die die Stadt unter einen Schutzschirm genötigt habe, sei die Erhöhung des Hebesatzes zur Erhaltung der kommunalen Handlungsfähigkeit und der Verbesserung der Ertragssituation mehrheitlich als dringend erforderlich angesehen worden. Sie diene angesichts der angespannten Haushaltslage der Beklagten auch nicht der Kapitalbildung. Außerdem werde ausdrücklich auf die vom Kläger vorgelegte Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte und Handhabung der kommunalen Finanzaufsicht über Landkreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Städte und Gemeinden hingewiesen, aus der hervorgehe, dass bei Kommunen mit anhaltend defizitärer Haushaltslage, wozu die Beklagte unzweifelhaft zähle, die Steuerhebesätze deutlich über dem Landesdurchschnitt liegen müssten, was vorliegend der Fall sei. § 93 Abs. 2 HGO komme keine drittschützende Wirkung zu, den Gemeinden stehe ein weiter kommunalpolitischer Entscheidungsspielraum zu.

Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie die Behördenakten der Beklagten (2 Heftstreifen) Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Gründe

Die Anfechtungsklage ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat, soweit er dies beantragt hat, keinen Anspruch auf Aufhebung des Abgabenbescheides der Beklagten vom 7. Mai 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013, da der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und keine Rechte des Klägers verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Erhebung der Grundsteuer B ist § 5 Nr. 1 Buchst. b) der Haushaltssatzung der Stadt Rüsselsheim für das Haushaltsjahr 2013 vom 14. März 2013 - Haushaltssatzung - i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und § 25 Abs. 1 GrStG.

Gemäß § 25 Abs. 1 GrStG bestimmt die Gemeinde, mit welchem Hundertsatz des Steuermessbetrags bzw. des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz). Dieser Hebesatz ist für ein oder mehrere Kalenderjahre festzusetzen, § 25 Abs. 2 GrStG, wobei der Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung zum Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen ist, § 25 Abs. 3 Satz 1 GrStG.

In formeller Hinsicht sind Rechtsfehler hinsichtlich der von der Stadtverordnetenversammlung am 14. März 2013 gemäß § 94 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) beschlossenen und am 27. April 2013 in den Tageszeitungen "Main Spitze" und "Rüsselsheimer Echo" bekannt gemachten Haushaltssatzung weder vorgetragen noch sonst für die Kammer ersichtlich.

Auch materiell-rechtlich begegnet die im Wege der sog. Inzidentprüfung erfolgte Überprüfung der Rechtmäßigkeit des von der Beklagten in der Haushaltssatzung festgesetzten und angewendeten Hebesatzes keinen Bedenken. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Satzungsrechts der Beklagten unterliegt aufgrund des den Gemeinden nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. §§ 25 f. GrStG verliehenen Hebesatzrechts lediglich einer eingeschränkten (verwaltungs-)gerichtlichen Kontrolle dahingehend, ob die gesetzlichen Grenzen des Hebesatzrechts sowie das verfassungsrechtliche Willkürverbot eingehalten bzw. beachtet sind. Hierbei darf weder das Gericht noch der jeweilige Steuerpflichtige seine eigenen für richtig oder sachgerecht gehaltenen Bewertungen hinsichtlich der Hebesatzfestsetzung an die Stelle des hierzu ermächtigten kommunalen Satzungsgebers stellen (vgl. hierzu: Hess. VGH, Beschl. v. 5. August 2014, - 5 B 1100/14 -, KStZ 2014, 218 m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Beklagte durch die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 400 v.H. auf 800 v.H. für das Jahr 2013 ihre vom Gesetzgeber gezogenen gesetzlichen Grenzen nicht überschritten.

Eine gesetzliche Höchstgrenze für die Grundsteuer gibt es nicht; der hessische Landesgesetzgeber hat von der ihm in § 26 GrStG insoweit eingeräumten Ermächtigung bis dato keinen Gebrauch gemacht.

Ob die Beklagte mit der Erhöhung der Grundsteuer B gegen die Vorschrift des § 93 Abs. 2 HGO verstoßen hat, ist vorliegend nicht zu prüfen. Danach haben die Gemeinden zwar die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen grundsätzlich zunächst aus den Entgelten für ihre Leistungen und (erst) im Übrigen aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen. Diese Vorschrift vermittelt allerdings dem einzelnen Bürger kein subjektivöffentliches Recht auf Einhalt dieses Grundsatzes; sie ist nicht drittschützend (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 5. August 2014, - 5 B 1100/14 - a.a.O., und Beschl. v. 5. August 2014 - 5 A 884/14.Z -, ESVGH 65, 128, m.w.N.; VG Frankfurt am Main, Urt. v. 6. März 2014 - 6 K 1230/13.F -, juris). Sie beinhaltet vielmehr die gegenüber der Allgemeinheit bestehende Verpflichtung der Gemeinden, bei der Erhebung kommunaler Steuern die Rangfolge der Deckungsmittel zu beachten (Bayer. VGH, Beschl. v. 10. Februar 2007 - 4 ZB 06.2567 -, NVwZ-RR 2008, 53 und vom 20. Oktober 2011 - 4 ZB 11.1187 -, juris; VG Frankfurt am Main, Urt. v. 6. März 2014 - 6 K 1230/13.F -, a.a.O.; Lang, NVwZ 2015, 695). In die der einzelnen Gemeinde im Rahmen ihrer Finanzautonomie überlassenen eigenverantwortlichen Entscheidung, inwieweit sie von dem ihr vorgegebenen rechtlichen Rahmen von den Einnahmequellen Gebrauch macht, würde eingegriffen, wenn dem einzelnen Gemeindebürger das Recht eingeräumt würde, seine subjektiven Vorstellungen einzuklagen. Die Überwachung der Einhaltung der Haushaltsgrundsätze ist nicht Sache der Gemeindebürger, sondern allenfalls der kommunalen Aufsichtsbehörde.

Darüber hinaus würde eine Auslegung des § 93 Abs. 2 HGO dahingehend, dass die Erhebung der Grundsteuer bzw. eines bestimmten Hebesatzes erst dann zulässig sei, wenn die zur Haushaltsdeckung erforderlichen Einnahmen nicht durch Gebühren und Beiträge erzielt werden können, gegen Bundesrecht verstoßen. Die Grundsteuer unterliegt als Realsteuer der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG. Der Bund hat von seiner Gesetzgebungskompetenz durch die Regelungen im Grundsteuergesetz Gebrauch gemacht und den Ländern in § 26 GrStG lediglich vorbehalten, zu regeln, in welchem Verhältnis die Hebesätze für die Grundsteuer A und B und für die Gewerbesteuer zueinander stehen müssen sowie welche Höchstsätze nicht überschritten werden dürfen. Diese abschließende bundesrechtliche Ermächtigung schließt es aus, § 93 Abs. 2 HGO dahingehend zu verstehen, dass darin eine wie auch immer geartete Begrenzung des Rechts der Gemeinde zur Erhebung der Grundsteuer bzw. zur Festsetzung der Hebesätze abzuleiten wäre (vgl. BVerwG, Urt. vom 11. Juni 1993 - 8 C 32.90 -, NVwZ 1994, 176 zur Gewerbesteuer; Hess. VGH, Beschl. v. 5. August 2014 - 5 B 1100/14 und 5 A 884/14.Z -, a.a.O.; VG Frankfurt am Main, Urt. v. 6. März 2014 - 6 K 1230/13.F -, a.a.O.).

Auch aus einer "verfassungskonformen Auslegung" der Rechtsvorschrift des § 25 GrStG lässt sich keine Höchstgrenze des Hebesatzes ableiten. Einer solchen Auslegung steht bereits die den Ländern in § 26 GrStG übertragene Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Festsetzung von Höchstsätzen entgegen.

Soweit eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Beklagten aus Art. 28 Abs. 2 GG i.V.m. § 2 HGO gerügt wird, als sich die Beklagte aufgrund des Abschlusses des Konsolidierungsvertrages ihrer Entscheidungsfreiheit begeben habe und ihr kein Ermessenspielraum für ihre Entscheidungen mehr zustehe, mit der Folge, dass kein wirksamer Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten über die Haushaltssatzung vorliege, ist dies schon unzutreffend. Zwar ist die Beklagte aufgrund des Vertrages verpflichtet, Maßnahmen zur Erreichung des Haushaltsausgleichs zu ergreifen. Die Entscheidung, wann welche Maßnahmen ergriffen werden, trifft sie hingegen nach dem ihr im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung zustehenden Ermessen.

Zudem kann sich der Kläger auch nicht auf eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Beklagten berufen, da das Recht auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG lediglich den Gemeinden eine Rechtssubjektgarantie mit beschränkt individueller Wirkung gewährt (vgl. Sachs, GG, Art. 28, Rn. 41). Die Regelung vermittelt hingegen nicht ein vom einzelnen Bürger einklagbares Recht.

Die Erhöhung des Hebesatzes durch die Beklagte auf 800 v.H. verstößt auch nicht gegen das aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgende rechtsstaatliche Gebot sozialer Steuerpolitik. Der Sozialstaatsgrundsatz als solcher vermittelt zwar keine Grundlage subjektiver Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat (vgl. Sachs, a.a.O., Art. 20, Rn. 50; Grzeszick in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Stand: Dez. 2014, Art. 20, VIII, Rn. 19, m.w.N.). Es entfaltet jedoch entsprechende Wirkungen in Zusammenwirken mit anderen rechtlichen Regelungen (Sachs, Art. 20, a.a.O.). Nach § 10 Satz 2 HGO ist von der Gemeinde auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen. Dies bedeutet, dass Geldleistungspflichten die betroffenen Steuerzahler nicht übermäßig belasten und ihre Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigen dürfen, sog. Erdrosselungsverbot (vgl. Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, 11. Auflage 2014, § 25 Rn. 4; BVerfG, Beschl. v. 18. Januar 2006 - 2 BvR 2194/99 -, NJW 2006, 1191; Hess. VGH, Beschl. v. 5. August 2014, - 5 B 1100/14 -, a.a.O.). Eine erdrosselnde Wirkung einer Steuer ist erst dann anzunehmen, wenn nicht nur ein einzelner Steuerpflichtiger, sondern die Steuerpflichtigen ganz allgemein unter normalen Umständen die Steuer nicht mehr aufbringen können (vgl. Troll/Eisele, a.a.O., § 25 Rn. 4; Hess. VGH, Beschl. v. 5. August 2014, - 5 B 1100/14 -, a.a.O.).

Entgegen der von der Klägerseite geäußerten Vermutung sind für das Gericht keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die steuerpflichtigen Bürger der Beklagten, nämlich die Grundbesitzer, allgemein durch die erfolgte Steuererhöhung auch nur annähernd an der Grenze ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angelangt sind bzw. diese überschritten ist. Diesbezüglich fehlt es bereits an der hinreichenden Substantiierung bezogen auf die rechtlich relevante Vergleichsgruppe aller Grundsteuerpflichtigen. Allein die Verdoppelung des Hebesatzes der Grundsteuer B von 400 v.H. auf 800 v.H. ist noch kein Beleg dafür, dass die Höhe der Grundsteuer eine existenzgefährdende Überbelastung zur Folge hat. Auch die Anzahl der ca. 1.600 bei der Beklagten eingelegten Widersprüche ist hierfür nicht geeignet, da die Anzahl der Widersprüche nichts über die Motivation der jeweiligen Widerspruchsführer aussagt. Gegen eine existenzgefährdende Überbelastung im Allgemeinen spricht zudem die von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. September 2015 vorgelegte Auflistung der rückständigen Forderungen bzgl. der Grundsteuer B für den Zeitraum Dezember 2012 bis 14. September 2015. Danach bestanden nur sehr geringfügige Außenstände in einem Bereich von 1 bis 2 % des gesamten Grundsteueraufkommens. Des Weiteren ist nach Auskunft der Beklagten bei dieser bislang kein einziger Antrag auf Erlass der Grundsteuer gestellt worden. Die vom Kläger angeregte weitere Sachverhaltsaufklärung in Form der Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich der wirtschaftlichen Belastung der Grundsteuerpflichtigen im Bereich der Beklagten erschien daher nicht geboten.

Soweit darüber hinaus (in gleichgelagerten Verfahren) behauptet wird, die Grundsteuer liege regelmäßig über dem, was mit einem Hausgrundstück an Jahresmiete erzielt werden könne bzw. was ein Eigennutzer an Miete einspare, fehlt es an insoweit hinreichend konkretem Sachvortrag. Aus diesen (anderen) Verfahren ist dem Gericht bisher kein einziger Fall bekannt, wo die Gefahr einer wirtschaftlichen Entwertung des Eigentums durch die streitgegenständliche Grundsteuerhöhung substantiiert dargelegt wird. Hier hat der Kläger 672,80 EUR jährlich an Grundsteuer zu zahlen, was einer monatlichen Belastung von ca. 56,00 EUR entspricht. Schließlich steht die Höhe der Grundsteuer in Relation zum Ertragswert des Grundeigentums, von dem der zu zahlende Betrag als weiterem Parameter abhängt.

Sollte im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die beschlossene Erhöhung der Grundsteuer tatsächlich unzumutbar sein, besteht die Möglichkeit, dieser Belastung mit Anträgen auf Steuerstundung oder Steuererlass entgegenzutreten, um eventuell vorhandene ungerechtfertigte Härten abzumildern.

Die Erhöhung des Hebesatzes auf 800 v.H. ist auch nicht willkürlich. Hiervon ist nur dann auszugehen, wenn eine Steuererhöhung evident unsachlich wäre, d. h. wenn die durch die Steuererhöhung erzielten Mehreinnahmen nicht zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben erforderlich wären, sondern etwa der Kapitalbildung der Gemeinde dienten (vgl. Hess. VGH; Beschl. v. 5. August 2014, - 5 B 1100/14 -, a.a.O.).

Nach der bei der Beklagten bestehenden erheblichen defizitären Haushaltslage werden die durch die Steuererhöhung erzielten Mehreinnahmen zur Erfüllung ihrer gemeindlichen Aufgabe dringend benötigt, was auch aus dem Genehmigungsbescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt betreffend die Haushaltssatzung und den Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 deutlich wird. Hieran ändert auch nichts die Tatsache, dass die Beklagte mit dem Land Hessen gemäß dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung am 12. Februar 2013 einen Konsolidierungsvertrag entsprechend den Vorschriften des Schutzschirmgesetzes geschlossen hat. Die danach vom Land Hessen an die Beklagte gewährten Entschuldungshilfen beseitigen allerdings nicht deren defizitäre Haushaltslage. Soweit die Klägerseite bestreitet, dass sich die Erhöhung der Grundsteuer überhaupt positiv auf die Finanzsituation der Beklagten auswirken werde, entbehrt dies jeglicher Grundlage. Die befürchtete Abwanderung einzelner Bürger ist unerheblich, da für die zu besteuernden Grundstücke immer ein grundsteuerpflichtiger Eigentümer vorhanden sein wird.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Argumentation, durch die erfolgte Erhöhung der Grundsteuer würden nicht sämtliche Bürger der Stadt Rüsselheim belastet, sondern lediglich die Grundstückseigentümer, greift nicht durch. Der sachliche Grund für eine Ungleichbehandlung liegt gerade darin, dass sie über Grundeigentum verfügen.

Ebenso führt die für das Jahr 2013 unterbliebene Erhöhung der Grundsteuer A nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes. Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 GrStG sind getrennte Hebesätze für die in einer Gemeinde liegenden Betriebe der Land- und Forstwirtschaft; und für die in einer Gemeinde liegenden Grundstücke festzusetzen. Lediglich innerhalb dieser beiden Gruppen müssen die Hebesätze einheitlich sein. Die Differenzierung der Hebesätze ist sachlich darin begründet, dass die Grundsteuer A in erster Linie die Produktionsmittel der Land- und Forstwirtschaft belastet und daher einen wesentlich anderen Charakter als die Grundsteuer B hat (vgl. Troll/Eisele, a.a.O., § 25 Rn. 8). Das Verhältnis der Höhe der Hebesätze zu denen anderer Kommunen, sei es hessen- oder bundesweit, ist ebenfalls irrelevant. Der Unterschied ist bereits durch die jeweilige gemeindliche Zuständigkeit zur Hebesatzbestimmung bedingt.

Wenn darüber hinaus geltend gemacht wird, die Steuerzahler seien nicht schuld an der - von der Klägerseite behaupteten - Misswirtschaft der Beklagten, weshalb diese auch nicht in Form der Steuererhöhung in Haftung genommen werden dürften, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Wie bereits dargelegt, obliegt es weder dem Gericht noch dem Steuerzahler, die Fehlerhaftigkeit der Ausübung des kommunalen Satzungsermessens zu rügen, noch deren Ansichten einer für richtig oder sachgerecht gehaltenen Ausgabenpolitik an die Stelle des hierzu berufenen kommunalen Satzungsgebers zu setzen. Unabhängig davon, dass im Rahmen der Steuerhebung die Frage des Verschuldens völlig unerheblich ist, werden hierbei (kommunal-)politische Aspekte angesprochen, die nicht Gegenstand dieser gerichtlichen Entscheidung sein können und dürfen.

Schließlich verstößt die in § 25 Abs. 3 Satz 1 GrStG geregelte Möglichkeit, den Hebesatz bzw. dessen Änderung bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen auch nicht gegen das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot. Denn aufgrund der gesetzlichen Regelung ist ein Vertrauen darauf, dass sich der Hebesatz der Grundsteuer nicht mehr erhöhen wird, bereits von vornherein ausgeschlossen.

Die Erhöhung der Grundsteuer verstößt aus den vorgenannten Gründen auch weder gegen Treu und Glauben, noch ist sie sittenwidrig.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als Unterlegener die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, abzuweisen.

Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 167 VwGO.