AG Offenbach am Main, Urteil vom 17.08.2015 - 38 C 150/15
Fundstelle
openJur 2019, 36769
  • Rkr:
Tenor

1)

Die Klage wird abgewiesen.

2)

Die Kosten des Rechtsstreites haben die Kläger zu tragen.

3)

a)

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

b)

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Kläger verlangen von den Beklagten Unterlassung und Schadensersatz.

Am XXX baten die Beklagten den Vater der Kläger darauf hinzuwirken, dass die Kläger im Bereich der PKH-Stellplätze der bewohnten Wohnungseigentumsanlage nicht mehr mit dem Fahrrad fahren sollten. Zuvor war an dem PKW der Beklagten zu 1) ein Schaden festgestellt worden, der darauf hindeutet, dass er von spielenden bzw. Rad fahrenden Kindern stammen könnte. Gleichwohl stellten die Beklagten fest, dass die Kläger dort weiter mit ihren Rädern fuhren. Die Beklagten fertigten daraufhin drei Lichtbilder der an dem genannten Ort radfahrenden Kläger an und übermittelten dieselben per Mail an die Hausverwaltung, Mitglieder des Beirates der WEG sowie direkte Nachbarn. Die Beklagten wollten damit erreichen, dass ein Verbot des Ballspielens und Radfahrens auf den Gemeinschaftsflächen auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung gesetzt werden sollte, was auch geschehen ist.

Die Kläger meinen, die Beklagten hätten die Lichtbilder nicht anfertigen dürfen. Sie behaupten im Wesentlichen, sie hätten ohne weiteres das Recht, sich an der fraglichen Stelle aufzuhalten und dort zu spielen.

Die Kläger beantragen,

1)

die Beklagten unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu verurteilen, es zu unterlassen, Bilder der Kläger ohne ihr vorheriges Einverständnis aufzunehmen und zu verbreiten.

2)

die Beklagten zu verurteilen, an die Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. September 2014 zu zahlen.

3)

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von jeweils 492,54 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2014 zu zahlen.

4)

die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von jeweils 492,54 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. März 2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, ein weiterer Wohnungseigentümer würde seinen Stellplatz aus Angst vor Beschädigungen durch spielende und Fahrrad fahrende Kinder bereits nicht mehr nutzen. Der Vater der Kläger habe diese angewiesen, nicht mehr in dem fraglichen Bereich Rad zu fahren.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die Lichtbilder Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die Anfertigung der fraglichen Lichtbilder in der hier vorliegenden Konstellation war aufgrund des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Dieser Rechtfertigungsgrund ist zwar nur vereinzelt (z. B. § 193 StGB) gesetzlich geregelt, aber in der Rechtsprechung auch darüber hinaus als allgemeiner Rechtfertigungsgrund anerkannt. Anders als durch Lichtbilder lässt sich die hier zu dokumentierende Tatsache nicht zuverlässig und eindeutig dokumentieren. Ein Zeugenbeweis ist der unsicherste Beweis überhaupt. Das Erinnerungsvermögen geht verloren, außerdem muss einem Zeugen erst einmal geglaubt werden, wenn andere Personen, insbesondere die Betroffenen, den Sachverhalt bestreiten bzw. anders darstellen. Demgegenüber lässt sich nicht einwenden, dass die Kläger das Spielen vor Ort an sich (nunmehr!) nicht bestreiten wollen. Möglicherweise wäre dies anders gewesen, wenn die Lichtbilder nicht vorhanden gewesen wären, jedenfalls lag ein Bestreiten nahe und ist in derartigen Fallkonstellationen weit verbreitet. Die Lichtbilder wurden offensichtlich nur angefertigt, um den von den Beklagten begehrten Beschluss auf die Tagesordnung der WEG zu bringen. Dies ist ein legitimes Anliegen. Es setzt aber den Nachweis voraus, dass dafür überhaupt ein Bedürfnis besteht. Hierfür muss im Zweifel nachgewiesen werden, dass Kinder tatsächlich dort spielen. Irgendwelche Nachteile sind den Klägern durch die Aufnahmen nicht ansatzweise entstanden. Die Aufnahmen sind vollständig trivial. Die Kläger sind auf den Aufnahmen kaum zu erkennen. Irgendein besonderer Zweck - mit Ausnahme des geschilderten - ist dadurch nicht verfolgt worden. Die Kläger sind durch die Lichtbilder nicht irgendwie in ihrer Intimsphäre getroffen worden. Die Bilder sind nur einem beschränkten Adressatenkreis mitgeteilt worden, der daran interessiert sein könnte. Jeder dieser Personen hätte die Kläger selbst sehen können. Unter diesen Umständen kann die Anfertigung der Lichtbilder als durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt angesehen werden. Damit besteht weder ein Unterlassungs-, noch ein Schadensersatzanspruch.

Schadensersatz können die Kläger im Übrigen weiterhin schon deswegen nicht verlangen, weil es an einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger fehlt. Die Lichtbildaufnahme spielender Kinder stellt nämlich noch keinen Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht dar, wenn sie als Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche benötigt wird (KG NJW 1980, 894). Insoweit hat das KG ausgeführt: "Die Lichtbildaufnahme eines spielenden Kindes stellt auch dann keinen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte dar, wenn sie als Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche erfolgt. Zwar kann eine Aufnahme einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bedeuten, als ein Rahmenrecht bedarf das Persönlichkeitsrecht aber einer näheren Abgrenzung und Bestimmung. Im Gegensatz zu den anderen in § 823 I BGB aufgeführten Rechten und Rechtsgütern, deren Verletzung Anzeichen für deren Rechtswidrigkeit ist, liegt eine tatbestandsmäßige Persönlichkeitsverletzung nur dann vor, wenn die Rechtswidrigkeit besonders festgestellt ist. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfaßt einen so weiten Bereich, daß seine Geltung im Zivilrecht nur dann zulässig sein kann, wenn sein Anwendungsbereich durch die Notwendigkeit der im Einzelfall festgestellten Rechtswidrigkeit begrenzt wird. Indem die Rechtswidrigkeit von der Art und Weise sowie vom Ziel und Zweck des Eingriffs abhängig gemacht wird, wird Raum für eine Interessenabwägung geschaffen. Erst diese Interessenabwägung zwischen den Parteien ergibt, ob eine bürgerlichrechtliche Folgen hervorrufende Verletzung allgemeinen Persönlichkeitsrechtes vorliegt. Als Abgrenzungsmerkmale dienen hier das Gewicht des Eingriffs sowie der Zweck der Aufnahme. Grundsätzlich berührt eine Aufnahme das allgemeine Persönlichkeitsrecht, weil sie dem Fotografen eine Verfügungsmöglichkeit über das Bild des Betroffenen verschafft. Das Gewicht des Eingriffes ist in dem vorliegenden Fall aber gering. Durch die Aufnahme beim Spiel in der Öffentlichkeit wird weder in die Intim- noch in die Privatsphäre des Kl. eingegriffen. Vielmehr liegt beim Aufnehmen in der Öffentlichkeit nur ein Eingriff in die Individualsphäre, das heißt in den äußersten Kreis der vom Persönlichkeitsrecht umfaßten Rechte, vor, wie sie bei unzähligen erlaubten Aufnahmen von Reisenden, Urlaubern, Natur- und Landschaftsliebhabern und "Hobby"-Fotografen vorkommt. Demgegenüber ist es erlaubt, sich ein Beweismittel für einen späteren Prozeß zu verschaffen. Daher muß auch das Fotografieren zu diesem Zweck zulässig sein, solange nicht der Kernbereich des Persönlichkeitsrechtes berührt wird. Da eine Fotografie im Gegensatz zu einer Zeugenaussage einen wesentlich offensichtlicheren Beweis darstellen kann, kann derjenige, der einen Beweis braucht, auch nicht auf die Möglichkeit anderer Beweismittel, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht berühren würden, verwiesen werden." Diesen Ausführungen tritt das Gericht bei und macht sie sich zu eigen.

Ein Unterlassungsanspruch scheitert unter den Besonderheiten des hier zu beurteilenden Falles im Übrigen zusätzlich noch daran, dass hier eine Wiederholungsgefahr nicht besteht. Zwar ist grundsätzlich der Auffassung der Kläger zuzustimmen, dass die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr indiziert. Hier verhält es sich aber so, dass der Beschluss zwischenzeitlich auf die Tagesordnung gesetzt worden ist, womit sich die Angelegenheit erledigt hat. Da es unter Umständen möglich ist, in zulässiger Weise von den Klägern Lichtbildern anzufertigen, besteht ein derart weitgehender Unterlassungsanspruch ohnehin nicht.

Die Kosten des Rechtsstreites waren den Klägern aufzuerlegen, da sie im Prozess unterlegen waren (§ 91 I 1 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung konnte nicht zugelassen werden, weil keine der Voraussetzungen des § 511 IV 1 ZPO vorliegt. Ob eine Berufung unabhängig davon zulässig wäre, müsste gegebenenfalls das Berufungsgericht in eigener Verantwortung prüfen.

Diese Entscheidung kann daher unter Umständen mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht in Darmstadt, Mathildenplatz 13 und 15, 64283 Darmstadt. Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 Euro übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

Der Streitwert beträgt 5.000,-- Euro (§ 3 ZPO).

Diese Entscheidung bezüglich des Streitwertes kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig geworden ist oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird. Sie ist einzulegen bei dem Amtsgericht Offenbach am Main, Kaiserstraße 16 - 18, 63065 Offenbach am Main. Wird der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Festsetzung bei dem Gericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zu diesem Beschluss zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des genannten Gerichts eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem genannten Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

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