Hessisches LAG, Urteil vom 29.01.2015 - 5 Sa 927/14
Fundstelle
openJur 2019, 36373
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15.05.2014 - 1 Ca 41/14 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche.

Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches sich mit der bankenunabhängigen Vermögensberatung von Kunden mit großen Familienvermögen befasst. Außer an ihrem Standort in A unterhält sie in B sowie C Büros und beschäftigt insgesamt ca. 60 Arbeitnehmer.

Der Beklagte war ab dem 01. September 2001 auf der Grundlage des am 29./30.3.2001 geschlossenen Arbeitsvertrages zunächst als Berater und später im Bereich Beteiligungsadministration und -selektion mit einem Bruttojahreseinkommen von zuletzt 210.000 Euro tätig. In den Jahren 2005 bis 2006 betreute er den Aufbau des Geschäftsbereichs der Klägerin in der D und unterstützte des Weiteren die Kooperation mit der E im Vertrieb. In der Zeit vom 19. Januar 2009 bis 26. Oktober 2009 war er Geschäftsführer der Klägerin und im Anschluss daran bis November 2010 bei einer Schwestergesellschaft in der D als Direktor beschäftigt.

Am 01.08.2012 unterzeichneten die Klägerin und der Kunde F ein Schriftstück, in dem unter anderem folgende Erklärungen abgegeben wurden:

"Zustimmungserklärung und Abtretungsvereinbarung

(...)

Präambel

(...)

Als eine Kundin der G im Verlauf des Jahres 2010 Rückfragen zu einer Überweisung gestellt hatte, welche von Herrn H veranlasst worden war, und eine Prüfung von Dokumentationen ergeben hatte, dass auch weitere Zahlungen unter Beteiligung des Herrn H offensichtlich rechtsgrundlos erfolgt waren, beauftragte G die Durchführung einer Sonderuntersuchung. Im Rahmen dieser wurden mehrere Fälle aufgedeckt, in denen Herr H Geldmittel entweder an sich oder an ihm nahestehende Personen überwiesen hat, ohne dass ein Rechtsgrund hierfür ersichtlich war. Der Mandant ist unmittelbar in vier Fällen betroffen. Den Mandanten stehen gegen Herrn H aus der Pflichtverletzung des zwischen der G und Herrn H vormals bestehenden Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Zahlung zu, und zwar wie folgt:

Datum (Schadensfall) Schaden (in €)   Zahlungsempfänger

(a) 29. September 2006 16.875,68   I

(b) 21. Februar 2007 5.454,54 (anteiliger Schaden aus Überweisung von "Treuhandkonto China Art") J

(c) 24. Mai 2007 23.800,00   K

(d) 2. April 2008 11.900,00   K

Schaden gesamt: 58.030,22   ?

- die Ansprüche lit. a bis d gemeinsam nachstehend "TH-Forderungen" genannt -

G beabsichtigt, die TH-Forderungen gegenüber Herrn H gerichtlich geltend zu machen. Zwar geht G dabei gegenwärtig davon aus, dass sie berechtigt ist, den entstandenen Schaden (die TH-Forderungen) nach den Grundsätzen der sogenannten Drittschadensliquidation im eigenen Namen gegen Herrn H geltend zu machen. Um die Angelegenheit freilich zweifelsfrei weiter voranzubringen, wird der Mandant mit der vorliegenden Vereinbarung (a) zu dem von G angestrebten Prozedere seine Zustimmung erteilen und (b) seine Schadensersatzansprüche gegen Herrn H an die G höchst vorsorglich abtreten.

Dieses vorausgeschickt vereinbaren die Parteien Folgendes:

§ 1

Zustimmungserklärung

Der Mandant stimmt hier mit der gerichtlichen Geltendmachung der ihn betreffenden Schadensersatzansprüche gegen Herrn H (die TH-Forderungen) durch die G zu.

§ 2

Abtretung

(1) Der Mandant tritt hiermit nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen die TH-Forderungen in Höhe von insgesamt 58.030,22 Euro an die G ab.

(2) ...

Wegen des weiteren Inhalts des Schriftstücks wird ergänzend auf die Kopie Blatt 20 bis 23 d. A. Bezug genommen. Mit ihrer am 18. August 2011 eingegangenen und am 25. August 2011 zugestellten Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils - Blatt 131 bis 136 d. A. - ergänzend Bezug genommen.

Mit dem am 15. Mai 2014 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main der Zahlungsklage in vollem Umfang stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 58.030,22 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - Folgendes ausgeführt: Die Klägerin könne nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation Schadensersatz verlangen, da der Beklagte zumindest grob fahrlässig die vertragliche Pflicht, die Vermögensinteressen der von ihm betreuten Kunden und auch der Klägerin zu wahren, verletzt habe. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils - Blatt 136 bis 140 d. A. - verwiesen. Gegen das am 10.06.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10.07.2014 Berufung eingelegt und diese mit dem beim Hessischen Landesarbeitsgericht am Montag, den 11.08.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung ist der Klägerin am 21.08.2014 zugestellt worden und die Berufungserwiderung - nach Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist bis 06.10.2014 auf rechtzeitigen Antrag hin - am 06.10.2014 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Beklagte verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er meint nach wie vor, dass er seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt habe und die Grundsätze der Drittschadensliquidation nicht einschlägig seien. Er habe - so die Behauptungen des Beklagten - weder die Kundin noch die Klägerin im Zusammenhang mit der Überweisung der Geldmittel getäuscht und er habe auch keine Unterschriften gefälscht. Im Übrigen bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen, dass die angesprochenen Überweisungen getätigt, Zahlungen geleistet und an den angegebenen Daten die Kontenbelastungen erfolgt seien.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15.05.2014 - 1 Ca 41/14 - die Klage kostenpflichtig abzuweisen

und hilfsweise

das Verfahren an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15.05.2014 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin wegen unerlaubter vorsätzlicher Handlung einen Betrag von 58.030,22 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2011 zu zahlen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte - so die Behauptungen der Klägerin - habe zu Lasten des Kunden durch verschiedenste Täuschungshandlungen Überweisungen an sich oder an ihm nahestehende Personen veranlasst, die von keinem Rechtsgrund getragen seien. Unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation - so die Rechtsansicht der Klägerin - sei sie berechtigt, die Zahlung der Schadensersatzbeträge an sich zu verlangen. Ferner stehe ihr ein Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht zu, da der Beklagte die an ihn herangetragenen Ansprüche dem Grunde nach zurückgewiesen habe. Der bislang bestehende Befreiungsanspruch nach § 257 BGB habe sich infolge der Ablehnung gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB in einen Schadensersatzanspruch umgewandelt, wobei eine vorherige Aufforderung und Fristsetzung aufgrund der Ablehnung des Beklagten gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie von ihren Kunden wegen der streitgegenständlichen Vorgänge direkt in Anspruch genommen worden sei und sie für Verfehlungen des Beklagten, dessen sie sich gegenüber ihren Kunden im Rahmen der ihr obliegenden Verpflichtung zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung bedient habe, gegebenenfalls gemäß § 278 BGB einstehen müsse. Außerdem seien Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht gegeben.

Im Übrigen werde - klageerweiternd - die Feststellung begehrt, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin den streitgegenständlichen Schadensersatzbetrag aus dem Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung schulde. Die in der Berufungsbeantwortungsschrift vorgenommene Klageerweiterung sei sachdienlich, weil hierdurch ein weiterer Rechtsstreit zwischen den Parteien vermieden werde. Das Feststellungsinteresse sei zu bejahen, da gemäß § 850 f Abs. 2 ZPO auf verfügbares Vermögen des Beklagten in einem größeren Umfang zugegriffen werden könne als dies bei einer Forderung der Fall wäre, die nicht ihren Ursprung in einer vorsätzlichen deliktischen Handlung habe. Überdies könne sichergestellt werden, dass eine Restschuldbefreiung des Beklagten an § 302 Nr. 1 InsO scheitern würde. Eine unerlaubte Handlung liege vor, da der Beklagte vorsätzlich die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt und den der Klägerin entstandenen Schaden vorsätzlich zugefügt habe.

Der Beklagte hat der Klageerweiterung nicht zugestimmt. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung am 18.12.2014 Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß §§ 64 Abs. 1, Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Der Schriftsatz des Beklagten zur Berufungsbegründung ist am letzten Tag der mit der Zustellung des Urteils am 10.06.2014 in Lauf gesetzten und zwei Monate betragenden Frist bei Gericht eingegangen. Fristende war gemäß § 222 Abs. 2 ZPO Montag, der 11.08.2014, da es sich hierbei um den nächsten Werktag handelt, der dem auf einen Sonntag fallenden Fristendes folgt.

B.

In der Sache hat die Berufung Erfolg. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist abzuändern, da der Klägerin im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Zahlungsanspruch nicht zusteht. Sie kann mangels Anspruchsgrundlage den geforderten Betrag weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht verlangen.

I.

Der Zahlungsantrag bedarf der Auslegung. Er ist dahingehend zu verstehen, dass er einen Hauptantrag enthält, der auf Ansprüche aus eigenem Recht gestützt wird und einen Hilfsantrag, mit dem Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend gemacht werden. Ansprüche aus eigenem und aus abgetretenem Recht sind nämlich verschiedene Streitgegenstände (vgl. BAG, 13.01.2003 - 5 AS 7/02 - Rn. 13, zitiert nach ). Aus dem Klagebegehren und der Begründung ergibt sich, dass es sich um eine eventuelle Klagehäufung handelt. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten eine Schadensersatzleistung, die sie in erster Linie auf Ansprüche aus eigenem Recht und im Eventualverhältnis dazu auf Ansprüche aus abgetretenem Recht stützt. Die Ansprüche wurden den Erläuterungen im Schriftstück vom 01.08.2011 zufolge "höchst vorsorglich abgetreten" "um die Angelegenheit zweifelsfrei weiter voran zu bringen".

II.

Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 266 StGB.

1.

Ein Anspruch auf Ersatz der Schäden, die dem Kunden F entstanden sein sollen, kommt nicht in Betracht. Die Grundsätze der Drittschadensliquidation finden entgegen der Rechtsansicht der Klägerin im Streitfall keine Anwendung. Sie kann grundsätzlich nur die Schäden ersetzt verlangen, die ihr rechtlich selbst zur Last fallen.

a) Die Liquidation des Drittschadens setzt eine Sachlage voraus, die bewirkt, dass das schädigende Verhalten des Verpflichteten einen Schaden nicht in der Person des Anspruchsberechtigten, sondern nur in der eines Dritten hervorrufen kann. Es darf nur ein Schaden entstanden sein, der, wenn der Anspruchsberechtigte auch Träger des geschützten Rechtsguts wäre, in dessen Person erwachsen wäre. Der Dritte tritt als Geschädigter statt des Anspruchsberechtigten auf. Es genügt zur Liquidation des Drittschadens mithin nicht, dass neben dem Anspruchsberechtigten auch ein Dritter einen Schaden erlitten hat (vgl. BGH, 10.07.1963 - VIII ZR 204/61 - Rn. 30, zitiert nach ; BGH, 21.05.1996 - XI ZR 199/95 - Rn. 23, zitiert nach ).

b) Danach bleibt es bei der Notwendigkeit eines eigenen Schadens der Klägerin.

aa) Es fehlt bereits an der erforderlichen typischen Schadensverlagerung. Die Klägerin hätte - soweit die sonstigen anspruchsbegründenden Voraussetzungen vorlägen - selbst einen Schaden erlitten, denn die Belastung mit einer Verbindlichkeit stellt bereits einen Schaden im Sinne des § 249 BGB dar (vgl. z. B. BGH, 11.06.1986 - VIII ZR 153/85 - Rn. 29, zitiert nach ). Die Forderung würde sich aus der Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Kunden F ergeben, da ihr aus dem Vertrag auf Vermögensanlageberatung und Vermögensverwaltung ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 278 BGB zustehen würde. Grundsätzlich muss sich die Klägerin ein etwaiges schuldhaftes Verhalten des Beklagten gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

bb) Auch sonst spricht die Interessenlage der Beteiligten gegen eine Drittschadensliquidation. Der Beklagte wird nicht von einer Ersatzpflicht befreit und es ist ferner kein Wertungsgesichtspunkt ersichtlich, warum es dem geschädigten Kunden unzumutbar sein soll, wenn er im Verhältnis zum Beklagten auf deliktische Schadensersatzansprüche verwiesen wird. Das damit verbundene Realisierungsrisiko muss er nicht eingehen, da er im Verhältnis zur solventen Klägerin einen vollwertigen vertraglichen Ersatzanspruch hat.

2.

Ein Schadensersatzanspruch, der auf Geldzahlung zum Ausgleich eines eigenen Schadens gerichtet ist, steht der Klägerin nicht zu.

a) Ein Schaden wegen der Belastung mit einer Verbindlichkeit ist nach § 249 Abs. 1 BGB im Wege der Naturalrestitution zu ersetzen, das heißt, der Geschädigte kann von dem Schädiger die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ein solcher Anspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte die ihn belastende Verbindlichkeit tilgt oder der Schuldner die Freistellung ernsthaft und endgültig ablehnt und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH, 26.02.1991 - XI ZR 331/89 - Rn. 9, zitiert nach ; BGH, 10.12.1992 - IX ZR 54/92 - Rn. 23, zitiert nach ). Das setzt allerdings voraus, dass der Anspruchsteller tatsächlich mit einer Verbindlichkeit beschwert ist, die Forderung also erfüllen muss (vgl. BGH; 11.06.1986 - VIII ZR 153/85 - Rn. 29, zitiert nach ; BGH, 10.12.1992 - IX ZR 54/92 - Rn. 23, zitiert nach ).

b) Nach diesen Maßstäben hat sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein etwaiger Freistellungsanspruch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

aa) Eine ernsthafte und endgültige Ablehnung der Schadensersatzforderung liegt vor, da sich der Beklagte während des Rechtsstreits beharrlich auf den Standpunkt gestellt hat, seine Haftung bestehe schon dem Grunde nach nicht (vgl. BGH, 02.04.1987 - IX ZR 68/86 - Rn. 17, zitiert nach ).

bb) Von einer Tilgung der Verbindlichkeit kann nicht ausgegangen werden. Die Erfüllung der Schadensersatzforderung des Kunden und die geltend gemachte Drittschadensliquidation schließen sich aus und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung keine konkreten Angaben zur Frage des finanziellen Ausgleichs der Forderung zu machen vermocht. Der neue Sachvortrag zur Erfüllung der Schadensersatzforderung im Schriftsatz vom 20.1.2015 kann gemäß § 296 a ZPO keine Berücksichtigung finden, da er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gebracht wurde.

cc) Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Klägerin gegen sie gerichtete Schadensersatzansprüche des Kunden F derzeit tatsächlich erfüllen muss. Vielmehr ergibt sich aus den Erklärungen und Absprachen im Schriftstück vom 27.07.2011 bzw. 01.08.2011, dass - nach der Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - eine Inanspruchnahme der Klägerin nicht feststeht (vgl. in diesem Zusammenhang: MK1Krüger, § 257 ZPO Rn 5; RGZ 78, 26 (34)). Indem der Kunde F etwaige Forderungen gegen den Beklagten an die Klägerin abgetreten und mit ihr abgesprochen hat, dass sie - die Klägerin - Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten gerichtlich geltend machen solle (vgl. § 1 des zitierten Schriftstücks), haben sie übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass Schadensersatzforderungen des Kunden F gegen die Klägerin derzeit nicht verfolgt werden, also nicht unmittelbar bevorstehen. Diese Sachlage ist im Laufe der mittlerweile verstrichenen Zeit unverändert geblieben und hat sich verfestigt. Solange die Klägerin auf diese Weise die Interessen des Kunden F wahrnimmt, hat sie ihrerseits kein berechtigtes Interesse daran (zu dem Kriterium: BGH, 10.12.1992 - IX ZR 54/92 - Rn. 23, zitiert nach ), von dem beklagten Arbeitnehmer bereits Zahlung an sich selbst zu verlangen. Um dem bestehenden Risiko einer Inanspruchnahme durch den Kunden adäquat Rechnung zu tragen, reicht es aus, wenn sie eine Klage auf Befreiung von der Verbindlichkeit oder eine Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht erhebt.

3.

Der Klägerin kann auch nicht ein Befreiungsanspruch zugesprochen werden, da sie dies nicht beantragt hat.

a) Nach § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht an die Parteianträge gebunden. Das Gericht darf nicht mehr (kein "Plus") und nichts anderes (kein "Aliud") zusprechen als beantragt, sondern nur ein Weniger ("Minus") (vgl. z. B. Zöllner1Vollkommer, ZPO, § 308 Rn. 2). Ein Zahlungsanspruch stellt kein "Mehr" im Verhältnis zu einem Befreiungsanspruch dar. Zahlung ist nicht mehr oder weniger, sondern "etwas anderes" (vgl. BGH; 19.06.1957 - IV ZR 214/56 - in: NJW 1957, 1514 [BGH 19.06.1957 - IV ZR 214/56] f). Der Befreiungsschuldner ist weder verpflichtet noch ohne Zustimmung des Befreiungsgläubigers berechtigt, an diesen zu zahlen (vgl. BGH, a. a. O.). Der Befreiungsantrag ist mithin nicht als ein "Weniger" in dem gestellten Zahlungsantrag enthalten.

b) In dem Antrag auf Verurteilung des Beklagten zu einer Leistung ist als Weniger auch nicht der Antrag auf Feststellung des Rechtsverhältnisses enthalten, welches die Voraussetzung für die begehrte Leistung bildet.

aa) Soweit eine Zahlungsklage als Feststellungsklage aufrechterhalten wird, verstößt dies zwar nicht gegen § 308 ZPO. Eine Feststellung ist im Vergleich zu einem Leistungsgebot ein Weniger. In dem weitergehenden Zahlungsantrag ist deshalb grundsätzlich sinngemäß ein Feststellungsantrag inbegriffen. Erweist sich die erhobene Leistungsklage als unbegründet, entspricht aber der Erlass eines Feststellungsurteils dem Interesse der klagenden Partei, so kann das Gericht dem in dem Leistungsbegehren enthaltenen Antrag auf Feststellung des Rechtsverhältnisses auch dann stattgeben, wenn der Antrag nicht ausdrücklich hilfsweise gestellt ist (vgl. BGH, 09.04.1992 - IX ZR 304/90 - Rn. 37, zitiert nach ).

bb) Das Klagebegehren der Klägerin wird im Streitfall durch ein Feststellungsurteil indessen nicht befriedigt. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, sich vor Nachteilen zu schützen, die aus einer Inanspruchnahme ihres Kunden resultieren. In einem solchen Fall ist grundsätzlich die Klage auf Befreiung von einer Ersatzpflicht der geeignete Weg. Ein Feststellungsurteil ist demgegenüber unzureichend.

III.

Der Hilfsantrag hat keinen Erfolg.

1.

Der Antrag ist auslegungsbedürftig. Soweit die Klägerin Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend macht, sind dem Schriftstück vom 01.08.2011 zufolge Forderungen gemeint, die dem "Mandanten" gegen "Herrn H aus der Pflichtverletzung des zwischen der G und Herrn H vormals bestehenden Arbeitsverhältnisses" zustehen. Diese Forderungen werden in der Präambel als "TH-Forderungen" bezeichnet und als solche ausdrücklich vom Wortlaut der §§ 1, 2 des Schriftstücks erfasst. Demgegenüber werden Forderungen der Mandanten gegen den Beklagten aus §§ 823 ff. BGB nicht angesprochen, da sie weder in der Präambel noch in den §§ 1, 2 des Schriftstücks erwähnt werden. Eine Auslegung entgegen dem Wortlaut ist im Entscheidungsfall nicht geboten, weil dies nach den Maßstäben der Rechtsordnung nicht vernünftig wäre und auch nicht der recht verstandenen Interessenlage der Klägerin entspräche (vgl. BGH, 07.12.2007 - V ZR 210/06 - Rn. 16, zitiert nach). Für diese Ansprüche wäre die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht gegeben. Schädigt der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis einen Dritten, ist für diesen Rechtsstreit gegen den Arbeitnehmer der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, nicht zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben (vgl. BAG, 07.07.2009 - 5 AZB 8/09 1). Eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG liegt nicht vor. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 3 ArbGG, da die Mandantin weder Rechtsnachfolger der klagenden Arbeitgeberin noch an deren Stelle zur Prozessführung befugt ist.

2.

Nach diesem Verständnis ist der Hilfsantrag zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.

a) Im Verfahren 5 Ta 31/12 ist nur die Frage für die Rechtswegzuständigkeit für die mit dem Hauptantrag verfolgten Ansprüche angefallen. Werden mehrere prozessuale Ansprüche als Haupt- und Hilfsanträge rechtshängig gemacht, bestimmt sich der Rechtsweg zunächst nach dem Hauptantrag (vgl. BGH, 05.03.1980 - IV ARZ 5/80 - Rn. 6, zitiert nach ). Wegen des Eventualverhältnisses darf auf den Hilfsantrag erst eingegangen werden, wenn eine abweisende Entscheidung über den Hauptantrag erfolgt ist (BGH, 05.03.1980 - IV ARZ 5/80 - Rn. 6, zitiert nach ).

b) Der Rechtsweg zur Entscheidung über den Hilfsantrag ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG i. V. m. § 3 ArbGG gegeben. § 3 gilt auch bei der Verfolgung von Ansprüchen aus Verträgen zu Gunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (vgl. BAG, 15.03.2000 - 5 AZB 70/99 1). Die Vorschrift will verhindern, dass über Inhalt und Umfang arbeitsrechtlicher Pflichten verschiedene Gerichtsbarkeiten entscheiden müssen. Durch die übereinstimmenden Zuständigkeiten einer einheitlichen Verfahrensordnung sollen übereinstimmende Ergebnisse gewährleistet werden (vgl. BAG a. a. O.). Nach diesem Zweck des § 3 ArbGG genügt es, wenn ein Dritter aus der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten Ansprüche herleitet.

3.

In der Sache ist der Hilfsantrag unbegründet. Die Abtretung gemäß § 398 BGB geht ins Leere, da dem Kunden F aus dem Vertragsverhältnis der Parteien keine Forderungen zustehen. Bei dem am 29.3.2001 bzw. 30.3.2001 geschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich weder um einen Vertrag zu Gunsten noch um einen Vertrag mit Schutzwirkung für den Kunden F.

a) Ein Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß § 328 BGB ist nicht anzunehmen. Dessen Reglungsgegenstand ist dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Willen der Vertragschließenden ein unbeteiligter Dritter aus dem Vertrag unmittelbar ein eigenes, selbständiges Forderungsrecht erwirkt (§ 328 Abs. 1 BGB). Anhaltspunkte, die in diese Richtung weisen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der im März 2001 geschlossene Anstellungsvertrag sieht keine Ansprüche der Kunden der Klägerin auf eine vereinbarte Leistung vor (vgl. BGH, 18.02.2014 - VI ZR 383/12 - Rn. 9, zitiert nach ).

b) Ein eigener vertraglicher Schadensersatzanspruch des Kunden F lässt sich aus dem Arbeitsvertrag ebenfalls nicht herleiten.

aa) Ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkung eines Vertrages setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrages und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragspartner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maße auch dem Dritten entgegengebracht wird. Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrages bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (vgl. zum Vorstehenden BGH, 18.02.2014 - VI ZR 383/12 - Rn. 9, zitiert nach ). Diese Anforderungen sind im Streitfall nicht erfüllt, denn es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Schutzbedürftigkeit.

(1) Damit die Haftung des Schuldners nicht unkalkulierbar ausgedehnt wird, sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen. An der Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis bestehen, weil der Dritte anderenfalls nicht ausreichend geschützt wäre. Eine Einbeziehung des Dritten ist deshalb regelmäßig zu verneinen, wenn ihm eigene vertragliche Ansprüche zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die er auf dem Weg über die Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen geschlossenen Vertrages durchsetzen will (vgl. BGH, 18.02.2014 - VI ZR 383/12 - Rn. 11, zitiert nach ).

(2) Danach ist der Kunde F nicht schutzbedürftig. Denn ihm steht gegen die Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus dem Vertrag auf Vermögensanlageberatung und auf Vermögensverwaltung zu, durch den ihr Schadensersatzinteresse in vollem Umfang abgedeckt wird. Zudem haftet ihr aus diesem Vertragsverhältnis die - im Verhältnis zum Beklagten - wesentlich zahlungskräftigere Schuldnerin.

C.

Die Anschlussberufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

Im Streitfall hat die Klägerin eine Anschlussberufung eingelegt, obwohl sie dies in ihrer Berufungserwiderungsschrift nicht gemäß § 524 Abs. 3 i. V. m. § 519 Abs. 2 ZPO ausdrücklich erklärt hat. Ein Anschlussrechtsmittel braucht nicht als solches bezeichnet zu sein. Wenn der Berufungsbeklagte vorträgt, dass er seine Klage erweitert, und dieses Ziel nur im Wege der Anschlussberufung erreicht werden kann, ist dies als Anschlussberufung auszulegen, weil bei der Auslegung von Prozesserklärungen davon ausgegangen werden muss, dass die Partei das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer rechtverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, 07.12.2007 - V ZR 210/06 - Rn. 16, zitiert nach ). Eine derartige Konstellation ist im Streitfall gegeben. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren ihre Klage erweitert und begehrt neben der Zahlung zusätzlich die Feststellung, dass die Forderung auch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung begründet ist. Hierbei handelt es sich um eine qualitative Antragsänderung zur Klage, die nur im Rahmen einer Anschlussberufung vorgenommen werden kann.

II.

Die Anschlussberufung ist zulässig, da sie innerhalb der Anschlussberufungsfrist gemäß § 524 Abs. 2 ZPO eingelegt und nach § 524 Abs. 3 in der Anschlussschrift begründet wurde. Mit ihr kann eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils auch dann erreicht werden, wenn keine Beschwer der Partei vorliegt.

III.

In der Sache ist die Anschlussberufung unbegründet, da die Feststellungsklage bereits unzulässig ist.

1.

Die Klageerweiterung genügt den Anforderungen des § 533 ZPO. Zwar hat der Beklagte nicht eingewilligt. Eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO liegt aber nicht vor, da der Privilegierungstatbestand des § 264 Nr. 2 ZPO eingreift. Die Klägerin hat ihre Klage ohne Änderung des Klagegrundes erweitert, da lediglich derselbe Lebenssachverhalt, der der Zahlungsklage zugrunde liegt, rechtlich abweichend qualifiziert werden soll. Unabhängig davon ist die Erweiterung auch sachdienlich und kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Verhandlung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen sind.

2.

Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt indessen nicht vor. Auf die Vorbereitung eines Antrags nach § 850 f. Abs. 2 ZPO kann sich die Klägerin nicht berufen. Einen Zahlungstitel, aus dem sie die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betreiben kann, kann die Klägerin nicht vorweisen. Auch der Hinweis auf § 302 Nr. 1 InsO verfängt nicht, da der Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. auf Restschuldbefreiung bislang nicht gestellt hat.

D.

In Anbetracht des Vorbringens der Klägerin im Schriftsatz vom 20.1.2015 ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO nicht geboten. Ein zwingender Grund im Sinne des Absatzes 2 der zitierten Vorschrift liegt nicht vor. Aus dem Sachvortrag ergibt sich nicht, dass der Gesichtspunkt der Erfüllung der Forderung des Kunden aufgrund eines nicht prozessordnungsmäßigen Verhaltens der Berufungskammer nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist. Im Übrigen führt die nach § 156 Abs. 1 ZPO zu treffende Ermessensentscheidung ebenfalls nicht zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung. Aufgrund des nachträglichen, nicht nachgelassenen Schriftsatzes hat die Klägerin bereits keine unvollständige Tatsachenfeststellung aufgezeigt. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie die Zahlung - für die sie selbst allein verantwortlich ist -bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgenommen hat. Erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstandene Einwendungen geltend machen zu können, ist nicht Sinn und Zweck des § 156 Abs. 1 ZPO.

E.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen, da sie in vollem Umfang unterlegen ist.

F.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.