AG Frankfurt am Main, Schlussurteil vom 11.06.2015 - 31 C 4294/14 (39)
Fundstelle
openJur 2019, 36302
  • Rkr:

Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 28.10.2014 (XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14), wonach die kenntnisabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB für Rückforderungsansprüche wegen unwirksam formularmäßig vereinbarter Bearbeitungsentgelte wegen Unzumutbarkeit der Klageerhebung erst mit dem Schluss des Jahres 2011 zu laufen begann, sind auf die Rückforderung von sog. Wertermittlungsentgelten oder Schätzkosten nicht übertragbar.

Tenor

Die Klage wird, soweit über sie noch nicht durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 16.02.2015 entschieden worden ist, abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger schlossen mit der beklagten Bank im Jahre 2005 einen Verbraucherdarlehensvertrag ab, der u.a. die Zahlung einer Gebühr für "Wertermittlung / Prüfung / Beleihung / Ersatzsicherheit" in Höhe von 400,00 € vorsah. Ein im Jahre 2012 abgeschlossener Verbraucherdarlehensvertrag sah ein Entgelt für "Ersatzsicherheit / Sicherheitenbearbeitung" von 150,00 € vor. Die Parteien schlossen im Jahre 2012 einen weiteren Verbraucherdarlehensvertrag ab, wobei sie die hierfür gestellte Sicherheit durch eine Änderungsvereinbarung vom 15.04.2013 (Anlage K 4, Bl. 16f. d.A.) austauschten. In der Änderungsvereinbarung war ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 1.200,00 € festgeschrieben. Die Kläger ließen die Beklagte erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 11.11.2014 zur Rückzahlung der vorgenannten und von ihnen gezahlten Entgelte auffordern. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 19.11.2014 (Anlage K 6, Bl. 21f. d.A.) eine Rückzahlung ab, wobei sie sich u.a. auf Verjährung hinsichtlich der im Jahre 2005 vereinnahmten Gebühr berief.

Die Rückforderungsklage ist am 04.12.2014 eingegangen. Die Beklagte hat den Anspruch auf Rückzahlung des im Jahre 2012 geleisteten Entgelts in Höhe von 150,00 € nebst Zinsen anerkannt, woraufhin am 16.02.2015 ein Teil-Anerkenntnisurteil (Bl. 35f. d.A.) ergangen ist. Streitgegenständlich sind jetzt noch die in den Jahren 2005 und 2013 geleisteten Entgelte über 400,00 € und 1.200,00 € sowie die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Die Kläger vertreten unter Berufung auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 28.10.2014 (XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14) die Auffassung, der Anspruch auf Rückzahlung des im Jahre 2005 geleisteten Entgelts sei nicht verjährt. Das im Jahre 2013 geleistete Entgelt habe die Beklagte zu Unrecht vereinnahmt, weil sie für die Pfandfreigabe keine Vergütung verlange könne.

Die Kläger beantragen zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Mitgläubiger 1.600,00 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 309,40 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wiederholt hinsichtlich des Entgeltes aus dem Jahre 2005 die Einrede der Verjährung. Zur Rückzahlung der Gebühr aus dem Jahre 2013 sei sie nicht verpflichtet, weil es sich bei der Pfandfreigabe um eine freiwillige und damit vergütungsfähige Zusatzleistung gehandelt habe.

Gründe

Die Klage ist, soweit über sie noch nicht durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 16.02.2015 entschieden worden ist, unbegründet.

Die Rückzahlung des Entgelts in Höhe von 1.200,00 € können die Kläger nicht verlangen. Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB liegen nicht vor. Die Beklagte hat das Entgelt nicht ohne Rechtsgrund erlangt. Die Vereinbarung über das Bearbeitungsentgelt ist nicht unwirksam, insbesondere nicht nach § 307 BGB. Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich bei dem Entgelt nicht um eine Gebühr für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten der Beklagten (wie z.B. die Erteilung einer Löschungsbewilligung bei Wegfall des Sicherungszweckes), sondern um eine Pfandfreigabe im Rahmen eines Sicherheitentausches. Hierauf sind die klägerseits zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 07.05.1991 (XI ZR 244/90) und des OLG Köln vom 28.02.2011 (13 U 95/00) nicht übertragbar. Tritt der Kunde mit dem Wunsch an die kreditgebende Bank heran, die bestellte Sicherheit gegen Stellung einer Ersatzsicherheit freizugeben, weil er über den Gegenstand anderweitig verfügen will, so muss sich die Bank darauf grundsätzlich nicht einlassen und kann deshalb für die Zustimmung zum Austausch der Sicherheiten [was eine Freigabe des bisherigen Pfandgegenstandes beinhaltet] in den Grenzen des § 138 BGB ein nicht kontrollfähiges Entgelt verlangen (Nobbe, in: WM 2008, 185, 192). Einen Verstoß gegen § 138 BGB machen die Kläger nicht geltend; ein solcher ist auch nicht ersichtlich.

Die Rückzahlung des im Jahre 2005 geleisteten Entgeltes in Höhe von 400,00 € kann die Beklagte gemäß § 214 Abs. 1 BGB verweigern. Der klägerische Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB ist gemäß den §§ 194, 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 28.10.2014 (XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14), wonach die kenntnisabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB für Rückforderungsansprüche wegen unwirksam formularmäßig vereinbarter Bearbeitungsentgelte wegen Unzumutbarkeit der Klageerhebung erst mit dem Schluss des Jahres 2011 zu laufen begann, sind auf die Rückforderung von sog. Wertermittlungsentgelten oder Schätzkosten nicht übertragbar. Der Bundesgerichtshof hat seine Auffassung damit begründet, dass der Zumutbarkeit der Klageerhebung seine ältere Rechtsprechung entgegen gestanden habe, die Bearbeitungsentgelte in "banküblicher Höhe" von zuletzt bis zu 2% gebilligt hätte (BGH, Urteile vom 29.06.1979 - III ZR 156/77, NJW 1979, 2089, 2090, vom 02.07.1981 - III ZR 17/80, WM 1981, 838, 839, vom 01.06.1989 - III ZR 219/87, WM 1989, 1011, 1014 und vom 29.05.1990 - XI ZR 231/89, BGHZ 111, 287, 293; vgl. auch BGH, Urteile vom 21.02.1985 - III ZR 207/83, WM 1985, 686, 687, vom 05.05.1992 - XI ZR 242/91, WM 1992, 1355, 1359 und vom 14.09.2004 - XI ZR 11/04, WM 2004, 2306, 2308). Im Jahre 2010 habe nur ein veröffentlichtes Urteil (OLG Bamberg, Urteil vom 04.08.2010 - 3 U 78/10, z. n. ) vorgelegen, das die Bearbeitungsentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam erklärt habe. Demgegenüber habe das OLG Celle (Beschluss vom 02.02.2010 - 3 W 109/09, z. n. ) formularmäßige Bearbeitungsentgelte unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch für wirksam erachtet.

Zunächst waren Gegenstand der oben genannten älteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofes mit Ausnahme der Entscheidung vom 01.06.1989 (III ZR 219/87) nicht Wertermittlungsgebühren oder Schätzkosten, sondern sonstige Bearbeitungsentgelte (z.B. für die Bearbeitung des Kreditantrages). In den Gründen der Entscheidung vom 02.07.1981 (III ZR 17/80) werden zwar Wertschätzkosten erwähnt; die dortigen Kläger forderten jedoch lediglich das Disagio und nicht die Wertschätzkosten zurück, so dass diese nicht streitgegenständlich waren. In der Entscheidung vom 01.06.1989 (III ZR 219/87) ging es um individual- und nicht um formularvertraglich vereinbarte Wertschätzkosten. Die formularvertragliche Vereinbarung von Gebühren für eine Wertermittlung erachtete bereits das OLG Düsseldorf im Jahre 2009 (Urteil vom 05.11.2009 - I-6 U 17/09) mit ausführlicher Begründung und in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 01.06.1989 (III ZR 219/87) sowie den Entscheidungen des OLG München vom 26.08.1999 (19 U 2173/99) und des OLG Naumburg vom 09.10.2003 (2 U 13/03) für unwirksam. Hinzu kommt, dass in der vom Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 28.10.2014 zitierten und für die Unzumutbarkeit der Klageerhebung angeführten Entscheidung des OLG Celle (dort Rn. 12) unter Hinweis auf die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 21.10.1997 (XI ZR 5/97, z. n. ) und vom 18.04.2002 (III ZR 199/01, z. n. ) ausgeführt wird, dass eine "sonderentgeltfähige" Haupt- oder Nebenleistung für den Kunden dann nicht vorliege, wenn Gegenstand der Vergütungsregelung eine Tätigkeit sei, die nur im eigenen Interesse des Verwenders liege, und deshalb das OLG Düsseldorf (Urteil vom 05.11.2009 - I-6 U 17/09) unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sog. Schätz- und Besichtigungsgebühren für unzulässig gehalten habe (dass eine kreditgebende Bank die ihr angebotenen Sicherheiten grundsätzlich nur im eigenen Interesse prüft, hat der Bundesgerichtshof bereits in den achtziger und neunziger Jahren entschieden (BGH, Urteil vom 08.03.1982 - II ZR 60/81, Rn. 18; BGH, Urteil vom 07.04.1992 - XI ZR 200/91, Rn. 11)). Das OLG Celle führt dann weiter aus, dass dies bei dem Entgelt für die Bearbeitung des Kreditantrages nicht so sei, weil es sich (anders als bei der Bewertung der Sicherheiten) zugleich um eine Dienstleistung für den Kunden handele.

Nach alledem ist festzuhalten, dass es hinsichtlich der Zulässigkeit sog. Wertermittlungsgebühren keine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und im Jahre 2009 auch keine aktuellen gegensätzlichen oberlandesgerichtlichen Entscheidungen gab. Vielmehr sprachen die Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des OLG Celle sowie die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 21.10.1997 - XI ZR 5/97 und vom 18.04.2002 - III ZR 199/01 (beide Entscheidungen des Bundesgerichtshofes betrafen Gebühren für Tätigkeiten, die nur im eigenen Interesse des Verwenders liegen) gegen die Zulässigkeit derartiger Gebühren. Die Erhebung einer Klage auf Rückforderung der Wertermittlungsgebühr war den Klägern daher nicht erst im Jahre 2011, sondern bereits vorher zumutbar.

Ein Anspruch auf Erstattung der (anteiligen) vorgerichtlichen Kosten gemäß den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB ist bereits deshalb zu verneinen, weil sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung des klägerischen Bevollmächtigten nicht in Verzug befand.

Weitere Zinsen können die Kläger ebenfalls nicht verlangen (§§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB). Der Anspruch auf Rückzahlung der 1.200,00 € besteht nicht. Der Anspruch auf Erstattung der 400,00 € ist nicht durchsetzbar; mit dem Hauptanspruch verjährt der Anspruch auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen (§ 217 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog. Das Unterliegen der Beklagten ist lediglich geringfügig.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2, 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.750,00 € festgesetzt.

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