LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.02.2017 - 2-29 T 23/17
Fundstelle
openJur 2019, 36035
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass die Freiheitsentziehung des Betroffenen vom 05.11.2016 bis zum Erlass des Haftbeschlusses vom 08.11.2016 rechtswidrig war. Im Übrigen wird der Feststellungsantrag zurückgewiesen.

Dem Betroffenen wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt ... bewilligt

Von den Kosten des Verfahrens hat der Beschwerdeführer 3/4 und die Bundesrepublik Deutschland 1/4 zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf € 5.000 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Betroffene wurde am 17.10.2016 im Transitbereich des Flughafen Frankfurts von der ... festgestellt, ohne im Besitz der erforderlichen Grenzübertrittspapiere zu sein.

Der von dem Betroffenen am 20.10.2016 gestellte Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.10.2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

Der Antrag des Betroffenen auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 18a Abs. 4 AsylVfG wurde durch Beschluss des VG Frankfurt am Main vom 04.11.2016 abgelehnt. Der Beschluss des VG Frankfurt ging am 08.11.2016 bei der antragstellenden Behörde ein.

Auf den Antrag vom 08.11.2016 wurde gegen den Betroffenen mit Beschluss des Amtsgerichts vom 08.11.2016 Haft bis einschließlich 20.12.2016 angeordnet.

Mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 28.11.2016 beantragte der Betroffene festzustellen, dass die Freiheitsentziehung in der Zeit vom 24.10.2016, hilfsweise vom 04.11.2016 bis zum Erlass des Haftbeschlusses rechtswidrig war.

Mit Beschluss vom 07.12.2016 wies das Amtsgericht den Feststellungsantrag zurück.

Hiergegen hat der Betroffene mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 05.01.2017 Beschwerde eingelegt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 62, 63 Abs. 1FamFG zulässig und teilweise begründet.

Die Freiheitsentziehung des Betroffenen in der Zeit vom 24.11.2016 bis zum 05.11.2016 war rechtmäßig, die weitergehende Freiheitsentziehung vom 06.11.2016 bis zum 08.11.2016 dagegen rechtswidrig.

Für die Unterbringung des Betroffenen im Transitbereich des Flughafens war auch nach erfolgter Einreiseverweigerung zunächst keine richterliche Haftanordnung erforderlich.

Nach der Entscheidung des BGH vom 12. Oktober 2016 (Az.: V ZB 28/15 -, Rn. 5 - juris) stellt der Transitaufenthalt wegen der Möglichkeit, auf dem Luftweg abzureisen, keine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 1 EMRK dar. Erst nach einer gewissen Dauer und wegen der damit verbundenen Eingriffsintensität stellt der BGH den Transitaufenthalt einer Freiheitsentziehung gleich und fordert die Einhaltung des in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebotes. Hieraus folgt jedoch nicht, dass es für den Transitaufenthalt bereits grundsätzlich oder zumindest nach erfolgter Einreiseverweigerung einer richterlichen Haftanordnung bedurft hätte. Der BGH hat im Beschluss vom 12. Oktober 2016 (a.a.O) vielmehr klargestellt, dass bei einer den Aufenthalt des Ausländers auf den Transitbereich des Flughafens beschränkende Anordnung nach § 15 Abs. 6 AufenthG lediglich bereits das Beschleunigungsgebot beachtet werden muss. Der den über 30 Tage hinausgehenden Transitaufenthalt des Ausländers anordnende Haftrichter hat dieses von Amts wegen zu prüfen. Dies ändert jedoch nichts hinsichtlich der Frage, ob eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 5 Abs. 1 EMRK vorliegt und ob es einer richterlichen Haftanordnung bedurft hätte.

Anders liegt der Fall hier bezüglich des Zeitpunktes, nachdem das Asylverfahren mit Beschluss des VG Frankfurt vom 08.11.2016 bereits rechtskräftig abgeschlossen war.

Nach der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 03.03.2016 (Az.: 20 W 9/15 - zuvor 20 W 480/08) stellt die Unterbringung des Betroffenen im Transitbereich des Flughafens zumindest nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens gemäß § 18a AsylVfG eine Freiheitsentziehung dar, die einer richterlichen Anordnung bedarf. Dieser Ansicht hat sich auch die Kammer angeschlossen, sodass hier demnach ab dem 04.11.2016 unverzüglich eine richterliche Entscheidung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG hätte herbeigeführt werden müssen.

"Unverzüglich" ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG Beschluss vom 04.09.2009 - 2 BvR 2520/07). Nicht vermeidbar sind zum Beispiel Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind (vgl. BVerfGE 103, Seite 142 [BVerfG 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00]; 105, 239 [BVerfG 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00]Beschl. v. 4.9.2009, 2 BvR 2520/07,- juris).

Es kommt vorliegend auch nicht darauf an, wann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts der antragstellenden Behörde tatsächlich zugegangen ist und ob insoweit ein verzögerte Weiterleitung durch das Verwaltungsgericht oder eine fehlerhafte Bearbeitung bei der Behörde vorlag. Maßgeblich ist lediglich, ob sachliche Gründe dafür vorliegen, dass eine richterliche Entscheidung erst vier Tage später erging. Solche liegen lediglich im Hinblick auf den Tag des 04.11.2016 vor, da selbst für die Stellung eines vorläufigen Antrages gemäß § 427 FamFG umfangreiche Ermittlungen erforderlich sind und die Ergebnisse in einem ausführlichen Antrag dargestellt werden müssen. Zur Anfertigung eines solchen Antrages wäre auch bei unverzüglicher Weiterleitung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an die Behörde jedenfalls die Zeit bis zum Folgetag am 05.11.2016 erforderlich gewesen. Zu berücksichtigen waren hierbei zunächst auch die notwendigen Bearbeitungsschritte zwischen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, der Ausfertigung durch die Geschäftsstelle und der anschließenden Versendung an die antragstellende Behörde. Sodann musste der aktuelle Sachstand ermittelt, zusammengetragen und ein Antrag an das Gericht verfasst werden.

Auch unter Berücksichtigung, dass der 05.11.2016 ein Samstag war, hätte jedoch spätestens noch an diesem Tag ein Antrag beim amtsgerichtlichen Bereitschaftsdienst gestellt werden müssen. Die ohne richterliche Anordnung vollzogene Freiheitsentziehung ab dem 05.11.2016 bis zum 08.11.2016 war somit rechtswidrig.

Demzufolge war auch dem Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 76 I, 78 II, III FamFG i.V.m. § 114 ZPO insgesamt stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81, 84 FamFG. Der Beschwerdeführer hat 3/4 der Kosten zu tragen, da der Feststellungsantrag lediglich bezüglich 4 von 16 beantragten Tagen begründet war.

Die Entscheidung über den Beschwerdewert folgt aus §§ 61, 36 Abs. 3 GNotKG.

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