Hessischer VGH, Beschluss vom 22.05.2018 - 6 A 2146/16.Z
Fundstelle
openJur 2019, 35863
  • Rkr:

Dass ein Unternehmen unter der Geltung des EEG 2012 nicht auf die Daten eines vorangegangenen Unternehmens zurückgreifen kann, um in den Genuss der besonderen Ausgleichregelung zu kommen, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (Hess. VGH, Urteil vom 23. März 2017 - 6 A 414/17 - REE 2017, 80).

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juli 2016 - 5 K 3701/15.F - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsantragsverfahren auf 70.817,76 € festgesetzt.

Gründe

I.Der Kläger wendet sich als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A.-fabrik AG gegen die Versagung der besonderen Ausgleichsregelung für das Begrenzungsjahr 2014.

Die am 30. Mai 2012 durch notarielle Urkunde errichtete A.-fabrik AG nahm zum 1. Juni 2012 ihren Geschäftsbetrieb auf. Am 1. Juli 2013 beantragte sie bei der Beklagten die Begrenzung der EEG-Umlage und reichte zum Nachweis der Voraussetzungen die auf das Geschäftsjahr 2011 der A.-fabrik A. & Sohn GmbH & Co. KG in Insolvenz bezogenen Antragsunterlagen ein. Mit Bescheid vom 26. März 2014 lehnte das Bundesamt diesen Antrag ab, da in dem für die A.-fabrik AG maßgeblichen letzten Geschäftsjahr mangels erforderlichen Mindeststrombezugs die Anspruchsvoraussetzungen des § 41 Abs. 1 EEG 2012 nicht erfüllt seien. Den unter dem 7. April 2014 erhobenen Widerspruch wies das Bundesamt mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2015 zurück. Mit Urteil vom 12. Juli 2016 hat das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage der A.-fabrik AG abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass in dem für den Anspruch maßgeblichen letzten Geschäftsjahr die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt seien.

Das Urteil wurde der A.-fabrik AG am 19. Juli 2016 zugestellt. Gegen das Urteil richtet sich der von der A.-fabrik AG am 21. Juli 2016 gestellte und am 8. September 2016 begründete Antrag auf Zulassung der Berufung.

Nach der Mitteilung, dass mit Beschluss vom 1. April 2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A.-fabrik AG eröffnet worden ist, wurde nach entsprechender Anhörung der Beteiligten mit Beschluss des Senats vom 15. Mai 2017 festgestellt, dass das Berufungszulassungsverfahren gemäß § 240 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO unterbrochen ist. Auf den Schriftsatz des Insolvenzverwalters über das Vermögen der A.-fabrik AG vom 26. September 2017 wurde das Verfahren durch den Insolvenzverwalter wiederaufgenommen.

II.Der Antrag ist zulässig (§ 124a Abs. 4 VwGO). Der zunächst gemäß § 240 S. 2 ZPOunterbrochene Rechtsstreit ist durch den Insolvenzverwalter wirksam gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO aufgenommen worden.

In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg. Die mit Schriftsatz vom 8. September 2016 geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 und vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, 3642) dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne lassen sich den Ausführungen in der Zulassungsantragsbegründung vom 8. September 2016 und dem nach Fristablauf eingegangenen Schriftsatz vom 19. Dezember 2016 nicht entnehmen.

Die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit werden damit begründet, dass das Verwaltungsgericht bei dem maßgeblichen Stromverbrauch von mindestens 1 Gigawattstunde zu Unrecht das "Rumpfgeschäftsjahr" der Klägerin als maßgeblich angesehen habe. Die Möglichkeit auf das Geschäftsjahr 2011 der A.-fabrik A. & Sohn GmbH & Co. KG in Insolvenz zurückzugreifen, um die Anspruchsvoraussetzungen zu belegen, sei abgelehnt worden. Da die A.-fabrik AG aber nur auf ein "Rumpfgeschäftsjahr" zurückgreifen könne, um die Anspruchsvoraussetzungen der besonderen Ausgleichsregelung zu erfüllen, sei auf das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr der A.-fabrik A. & Sohn GmbH & Co. KG in Insolvenz abzustellen. Die A.-fabrik AG habe im Wege eines "asset deals" das Vermögen der A.-fabrik A. & Sohn GmbH & Co. KG in Insolvenz zum Großteil übernommen und sei daher berechtigt, zur Begründung der Anspruchsvoraussetzungen auf das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr des vorangegangenen Unternehmens abzustellen. Seit der Einführung des § 41 Abs. 2a EEG könne es auf ein Rumpfgeschäftsjahr außerhalb dieser Norm nicht mehr ankommen.

Diese Ausführungen können indes keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung begründen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zu Recht zugrunde gelegt, dass die A.-fabrik AG die Anspruchsvoraussetzungen des § 41 EEG 2012 in ihrem letzten Geschäftsjahr nicht erfüllt und auf die Daten der A.-fabrik A. & Sohn GmbH & Co. KG in Insolvenz nicht zurückgreifen kann, um die Anspruchsvoraussetzungen zu belegen. Dabei kommt es auf die in der Zulassungsantragsschrift problematisierte Frage, ob Rumpfgeschäftsjahre zur Begründung der Anspruchsvoraussetzungen generell in den Blick genommen werden können, nicht an. Die Schlussfolgerung der Zulassungsantragsschrift, dass bei einem Unternehmen, für das nur ein "Rumpfgeschäftsjahr" existiere, auf die Daten eines vorangegangenen Unternehmens zurückzugreifen sei, findet im Gesetz keine Grundlage.

Dass das Verwaltungsgericht die maßgeblichen Daten der antragstellenden A.-fabrik AG zugrunde gelegt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden und deckt sich mit der Rechtsprechung des Senats. Nach der Rechtsprechung des Senats und des Bundesverwaltungsgerichts sind die gesetzlichen Vorgaben der besonderen Ausgleichsregelung restriktiv auszulegen (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2016 - 8 C 3/15 -, NVwZ 2016, 1010 [1012]; Hess. VGH, Urteil vom 14. Oktober 2009 - 6 A 1002/08 -, ZUR 2010, 146 [148] [BGH 09.12.2009 - VIII ZR 35/09]; BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011- 8 C 52/09 -, NVwZ 2011, 1069 - 1072). Jede Begrenzung der EEG-Umlage geht zu Lasten der übrigen Stromverbraucher. Mit dem Gebot, die Begrenzung auch an den "Interessen der Gesamtheit der Stromverbraucher" auszurichten, gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass es sich bei der besonderen Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen um eine Ausnahmebestimmung handelt, die eng auszulegen ist (BVerwG, Urteil vom 22. Juli 2015 - 8 C 8/14 -, NVwZ 2016, 248 [250]). Eine nicht im Gesetz vorgesehene Privilegierung kommt angesichts des Eingriffscharakters für die nichtbevorzugten Endverbraucher nicht in Betracht. Dem Gesetzgeber ist es vorbehalten, die Voraussetzungen der Förderung konkret zu regeln (Hess. VGH, Urteil vom 23. März 2017 - 6 A 414/15 -, REE 2017, 80 - 87). Denn jede Art der richterlichen Rechtsfortbildung - sowohl eine Analogie als auch eine teleologische Extension - setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 5 C 18/12 -, NJW 2013, 2457, [2458]). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2004 - 6 C 30/03 -, BVerwGE 122, 130 [133]; BVerfG, Beschluss vom 9. März 1995 - 2 BvR 1437/93 u.a. -, NStZ 1995, 399 [400]). Die Beurteilung, ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist daran zu messen, inwieweit die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 C 71/10 - und vom 18. Mai 2006 - 3 C 29/05 -, juris). Nur bei einer angestrebten umfassenden Regelung des entsprechenden Regelungskomplexes kann von einer Lücke ausgegangen werden. Dabei ist eine Regelung nur dann unvollständig, wenn sie keine Regelung für solche Fälle enthält, die nach der ihr zugrunde liegenden Regelungsabsicht einer Regelung bedürfen (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 373).

Dies zugrunde gelegt, hat der 6. Senat mit Urteil vom 23. März 2017 (6 A 414/15 -, a.a.0.) entschieden, dass unter der Geltung des EEG 2012 auch ein umgewandeltes Unternehmen nicht auf die Daten des vorangegangenen Unternehmens zurückgreifen kann, um in den Genuss der besonderen Ausgleichsregelung der §§ 40 ff. EEG 2012 zu kommen. Selbst wenn daher der in der Zulassungsantragsschrift vertretenen Ansicht zu folgen wäre, dass ein Rückgriff auf ein Rumpfgeschäftsjahr nicht möglich ist, käme die A.-fabrik AG gleichwohl nicht in den Genuss der besonderen Ausgleichsregelung, da sie nicht auf die Daten der A.-fabrik A. & Sohn GmbH & Co. KG in Insolvenz zurückgreifen kann. Die Möglichkeit, auf Daten eines vorangegangenen Unternehmens zurückzugreifen, wird erst durch die Regelung der §§ 67 ff. EEG 2014 eröffnet. Diese Vorschriften können aber für die Beurteilung der Rechtslage unter der Geltung des EEG 2012 nicht herangezogen werden. Für die Antragstellung sind die geltenden Anspruchsvoraussetzungen der jeweiligen Fassung des EEG maßgebend.

Der in der Zulassungsantragsbegründung vertretenen Auffassung, wegen der fehlenden Ausführungen zur hilfsweise geltend gemachten Härtefallregelung seien ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidungen begründet, ist nicht zu folgen. Auch unter Härtefallgesichtspunkten ist eine andere Beurteilung der Antragsvoraussetzungen nicht geboten. Außer den in den Übergangsvorschriften normierten "Härtefällen" kommt Härtefallgesichtspunkten im Bereich der besonderen Ausgleichsregelung nach dem EEG grundsätzlich keine Bedeutung zu. Da die Gewährung der besonderen Ausgleichsregelung zu Lasten Dritter erfolgt und somit einen Eingriff darstellt, kann eine Gewährung nur in Betracht kommen, sofern die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Auch Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte erfordern keine andere Sichtweise.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf eine in den Merkblättern der Beklagten enthaltene Privilegierung für umgewandelte Unternehmen berufen. Die Ausführungen in den Merkblättern enthalten die Rechtsansicht der Beklagten, auf die es für die gerichtliche Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften nicht ankommt.

Daher kann angesichts der eindeutigen Gesetzeslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung eine Zulassung der Berufung auch unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten nicht in Betracht kommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Bei der Streitwertfestsetzung gemäß § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 3 GKG orientiert sich der Senat an der von den Beteiligten nicht angegriffenen Festsetzungen im erstinstanzlichen Verfahren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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