LG Limburg, Beschluss vom 09.04.2018 - 1 Qs 21/18; 1 Qs 38/18; 1 Qs 39/18
Fundstelle
openJur 2019, 35666
  • Rkr:

1. Gefahr in Verzug für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung liegt vor, wenn Polizeibeamten in nicht vorhersehbarer Weise mit einer neuen Verdachtssituation konfrontiert werden und die Beweismittelvernichtung bereits begonnen hat.

2.

Demgegenüber ist die Annahme von Gefahr in Verzug für die Anordnung einer Blutentnahme nicht gerechtfertigt, wenn der 10-minütige Versuch, einen Ermittlungsrichter zu erreichen, erst mehrere Stunden nach der Festnahme erfolgt.

3.

Die Beschlagnahme des Briefes eines Untersuchungsgefangen, der sich aus mehreren Einzelabschnitten unterschiedlicher Adressierung zusammensetzt, ist auf denjenigen Abschnitt zu beschränken, der die beanstandete Textstelle enthält. Erfolgt die Beschlagnahme allein wegen der potentiellen Beweisbedeutung einer Textstelle für das Strafverfahren, bedarf es lediglich des Einbehaltes einer Fotokopie. §§ 81 a Abs. 2, 94, 102, 105 Abs.1, Satz 1 StPO

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Limburg a. d. Lahn vom 14.02.2018 wird aufgehoben, soweit dort die Anordnung der Blutentnahme bei dem Beschuldigten am 16.01.2018 gemäß § 81 a StPO als rechtmäßig bestätigt wird. Insoweit wird festgestellt, dass die Blutentnahme bei dem Beschuldigten am 16.01.2018 rechtswidrig war.

Der Beschluss des Amtsgerichts Limburg a. d. Lahn vom 12.02.2018 in Verbindung mit dem Beschluss über die Nichtabhilfe der Beschwerde vom 15.03.2018 wird aufgehoben.

Die Beschlagnahme einer Fotokopie (Vor- und Rückseite) des mit "Hey Schatz!" bezeichneten Briefes sowie der Fotokopie der Vor- und Rückseite des Briefumschlags werden angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird um 30% ermäßigt. In diesem Umfange werden die notwendigen Auslagen des Beschuldigten für das Beschwerdeverfahren der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Nach dem bisherigen Verlauf des Ermittlungsverfahrens stellt sich folgender, für das vorliegende Beschwerdeverfahren maßgeblicher Geschehensablauf dar:

Am 16.01.2018 gegen 11.20 Uhr suchten POK ... und zwei weitere Polizeibeamte die Wohnanschrift des Beschuldigten auf. Hintergrund war eine Ordnungswidrigkeit in anderer Sache. Als sich die Beamten auf das Wohnhaus zu bewegten, wurden aus einem Fenster im Dachgeschoss zwei Tüten in den Garten geworfen. Da nach deren Durchsicht die Beamten Amphetamin und Marihuana zu erkennen glaubten, forderte POK ... über Funk Verstärkung an. Noch vor einem Läuten traten der Beschuldigte und zwei männliche Personen aus dem Wohnhaus heraus. POK ... eröffnete ihnen die vorläufige Festnahme unter Hinweis auf die aufgefundenen Drogen und ordnete die sofortige Durchsuchung des Hauses wegen Gefahr in Verzug an. In der Folgezeit kamen aus dem Haus nacheinander zwei weitere männliche Personen und eine weibliche Person hinzu. Gleichzeitig trafen um 11.40 Uhr und 11.45 Uhr weitere Beamte als unterstützende Streife am Einsatzort ein. Der Beschuldigte und seine männlichen Begleiter wurden unter Gegenwehr gefesselt und in den Streifenwagen verbracht. Nachdem um 11.50 Uhr sämtliche angeforderte Unterstützung eingetroffen war, wurde der Beschuldigte zur Abklärung der Wohnverhältnisse in den 1. Stock des Wohnhauses geführt, in dem sich noch eine männliche Person befand. Im Zuge dessen kam es unter anderem zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und einem Beamten. Die Durchsuchung endete gegen 12.45 Uhr. Der Beschuldigte war während der gesamten Zeit anwesend.

Der Beschuldigte wurde im Anschuss auf die Polizeidienststelle ... verbracht und in der Zeit von 14.30 Uhr bis 14.40 Uhr vernommen. Um 15.40 Uhr wurde die Staatsanwaltschaft Limburg zwecks Vorführung des Beschuldigten und Anordnung einer Blutentnahme im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte kontaktiert. Die zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft teilte der Polizeidienststelle um 16.20 Uhr mit, sie werde eine Anordnung der Blutentnahme bei dem zuständigen Ermittlungsrichter beantragen. Um 16.30 Uhr ordnete sie selbst die sodann von einem Arzt durchgeführte Blutentnahme an, nachdem sie den Ermittlungsrichter nicht erreicht hatte.

Das Amtsgericht Limburg a. d. Lahn hat mit angefochtenem Beschluss vom 14.02.2018 die Anordnungen der Durchsuchung und der Blutentnahme vom 16.01.2018 als rechtmäßig bestätigt, § 98 Abs. 2 StPO analog.

Mit ebenfalls angefochtenem Beschluss vom 12.02.2018 hat das Amtsgericht einen Brief, den der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft an seine Mutter adressierte, beanstandet und auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit der Begründung beschlagnahmt, er könne als Beweismittel für das Verfahren von Bedeutung sein. Der Beschuldigte erwähnte in dem Brief, er betrachte jetzt, wo er zum Ausnüchtern "gezwungen" werde, die Lage klarer. Diese Äußerung spreche für einen Drogenkonsum des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt, was angesichts seiner nicht geregelten Arbeitstätigkeit ein Motiv für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ergebe.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten. Wegen der Anordnungen von Durchsuchung und Blutentnahme rügt er jeweils die Missachtung des gesetzlichen Richtervorbehalts, hilfsweise die Missachtung derjenigen bindenden verfassungsgerichtlichen Vorgaben, welche im Falle der Annahme von Gefahr in Verzug an deren Dokumentation zu stellen seien. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum im Rahmen der Durchsuchung am 16.01.2018 in der Zeit von 11.20 Uhr bis 11.50 Uhr nicht einmal der Versuch unternommen worden sei, den zuständigen Ermittlungsrichter zu erreichen. Gleiches gelte für die Zeit zwischen der Festnahme des Beschuldigten bis zur Anordnung der Blutentenahme um 16.30 Uhr. Die Durchsuchungsanordnung lasse ferner die erforderliche Konkretisierung vermissen. Wegen der Briefbeschlagnahme führt der Beschuldigte aus, die beanstandete Formulierung sei in ihrem Kontext als "Ernüchterung" im metaphorischen Sinne zu verstehen und ein harmloses persönliches Bekenntnis gegenüber seiner Lebensgefährtin.

II.

Die Beschwerden sind nach § 304 Abs. 1 StPO statthaft und im Übrigen zulässig.

Dass die Durchsuchung und die Blutentnahme bereits vollzogen sind, bleibt unerheblich, weil das Rechtsschutzinteresse des Beschuldigten infolge der mit diesen Maßnahmen einhergehenden Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtsbereiche auch die Feststellung einer etwaigen Rechtswidrigkeit erfasst (vgl. nur Schmitt in Meyer-Goßner/ders., StPO, 59. Aufl., Rz. 31, § 81 a StPO und Rz. 15, § 105 StPO, jew. m. w. N.).

Die Beschwerden haben in der Sache teilweise Erfolg.

1.

Die Anordnung der Durchsuchung durch POK ... am 16.01.2018 ist rechtmäßig. Die hierfür notwendigen materiellen und formellen Voraussetzungen nach §§ 102, 105 StPO lagen vor. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung zu Recht bestätigt.

Zum Zeitpunkt der Anordnung bestand gegenüber dem Beschuldigten aufgrund des beobachteten Wurfs von 2 Tüten aus dem Fenster des Wohnhauses jedenfalls der Anfangsverdacht, Betäubungsmittel in nicht geringer Menge zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs zu besitzen. Die angeordnete Durchsuchung des Wohnhauses war geeignet, zur weiteren Klärung des Sachverhalts beizutragen, und sie war im Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts insgesamt verhältnismäßig. Ein milderes Mittel zur Erzielung des der Durchsuchung gleichkommenden Zwecks, nämlich der Sicherstellung der in den Räumlichkeiten aufgrund des Tatverdachts vermuteten betäubungsmittelrelevanten Gegenstände, stand den Beamten vor Ort nicht zur Verfügung.

In formeller Hinsicht wird die Durchsuchungsanordnung den Anforderungen des § 105 Abs. 1 StPO gerecht. Ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt liegt nicht vor, weil POK ... zutreffend von Gefahr im Verzug ausging und daher zur Anordnung der Durchsuchung berechtigt war.

Gefahr im Verzug liegt vor, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00; BVerfGE 103, 142, 154; BGH, Urteil vom 10.07.2014 - 3 StR 140/14; NStZ-RR 2014, 318, 319 jeweils m.w.N.). Für die Frage, ob die Ermittlungsbehörden eine richterliche Entscheidung rechtzeitig erreichen können, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten die Durchsuchung für erforderlich hielten (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2007 - 5 StR 546/06 -, BGHSt 51, 285, 288 f.). Vorliegend ist dies der Zeitpunkt, nachdem die Polizeibeamten mit dem Inhalt der aus dem Fenster geworfenen Päckchen konfrontiert wurden und sich der Sachverhalt für sie von einer Ordnungswidrigkeit wegen unangemeldeter Kraftfahrzeuge in nicht vorhersehbarer Weise zu einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz wandelte (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.2018 - 2 StR 180/17 -). Dabei durfte der Wurf der Tüten aus dem Fenster bereits als Beginn der Beweismittelvernichtung gewertet werden. Hinzu kam, dass der Beschuldigte und weitere Verdächtige unmittelbar darauf das Haus verließen, ohne dass die Beamten dies veranlasst und damit selbst die Umstände drohender Beweismittelvernichtung herbeigeführt hätten. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Ausgangslage grundlegend von derjenigen in OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2016 (Az. III-3 RVs 46/16; NStZ 2017, 177 [BGH 28.07.2016 - 3 StR 25/16]), in welcher die Polizeibeamten durch Klopfen auf sich aufmerksam machten und erst deshalb Gefahr in Verzug annahmen.

Der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung steht nicht entgegen, dass mit deren Vollzug erst um 11.50 Uhr begonnen und bis dahin keine Kontaktversuche zu dem zuständigen Ermittlungsrichter unternommen wurden. Im Zeitpunkt der Anordnung selbst, unmittelbar nach dem Auftreten des Beschuldigten vor der Haustür, bestand für POK ... die Notwendigkeit sofortigen Handelns. Allein der Umstand, dass zuvor noch Verstärkung zur Eigensicherung angefordert werden konnte, lässt den engen zeitlichen Zusammenhang der Geschehnisse nicht entfallen. In der Zeit nach der Durchsuchungsanordnung bis zu deren Durchführung ab 11.50 Uhr herrschte aufgrund der Vielzahl der im Haus befindlichen und sukzessive hinaustretenden Personen eine unübersichtliche Lage, die es zunächst unter Kontrolle zu bringen galt. Auch nach der vorläufigen Festnahme von einigen der in dem Wohnhaus sich aufhaltenden Personen befand sich mindestens noch eine weitere Person im Haus, sodass auch weiterhin und ohne Zäsur von Gefahr in Verzug im Hinblick auf die Sicherung von Beweismitteln auszugehen war.

Die mündliche Durchsuchungsanordnung, in Eilfällen wie hier zulässig (vgl. Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, § 105 Rn. 3), erfolgte den vorliegenden Umständen gemäß hinreichend konkretisiert. Abgesehen von der Evidenz der Maßnahme ergibt sich aus dem Bericht von POK ... vom 16.01.2018, dass er dem Beschuldigten und seinen Begleitern die der vorläufigen Festnahme und der Durchsuchungsanordnung zugrundeliegenden Tatsachen erläuterte. Zweifel über die zu suchenden und ggf. zu beschlagnehmenden Gegenstände, jedenfalls der Gattung nach (vgl. BeckOK/Hegmann, StPO, 29. Ed. Stand 01.01.2018, § 105 Rn. 14), ergaben sich vor diesem Hintergrund nicht.

Die noch am 16.01.2018 erstellten Einsatzberichte der beteiligten Polizeibeamten genügen den Anforderungen der im Anschluss an die Annahme von Gefahr in Verzug gebotenen Dokumentationspflichten. Aus den Berichten werden nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Grundlagen der Entscheidung über die Durchsuchungsanordnung (vgl. BVerfG Beschluss vom 16.06.2015 - 2 BvR 2718/10, 2 BvR 1849/11, 2 BvR 2308/11, NJW 2015, 2787) ersichtlich. Sie enthalten eine nachvollziehbare Schilderung der Situation vor Ort, der wesentlichen Geschehensabläufe in ihrem zeitlichen Zusammenhang und der sich daraus ergebenden Eilbedürftigkeit.

2.

Demgegenüber verstößt die Anordnung der Blutentnahme durch die Staatsanwaltschaft am Nachmittag des 16.01.2018 gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO. Die Annahme von Gefahr in Verzug in dieser Situation, gleichbedeutend mit der gesetzlichen Formulierung gem. § 81a Abs. 2 S. 1 StPO, die eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung voraussetzt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts war insoweit aufzuheben und es war festzustellen, dass die Blutentnahme rechtswidrig erfolgt ist.

Der Beschuldigte wurde um 12.45 Uhr auf die Polizeistation verbracht und bis 14.40 Uhr vernommen. Erst um 15.45 Uhr wurde der Kontakt zur Staatsanwaltschaft gesucht. Diese unternahm zwar den Versuch, eine richterliche Anordnung zu der Blutentnahme zu erhalten. Daher ist die vorliegende Fallgestaltung nicht etwa schon mit einer willkürlichen Umgehung des Richtervorbehalts zu vergleichen, wie sie dem von dem Verteidiger zitierten Beschluss des OLG Hamm vom 12.03.2009 (Az. 3 Ss 31/09) zugrunde lag. Allerdings waren der Ermittlungsbehörde diejenigen Umstände, auf die sie die Vorwürfe gegen den Beschuldigten stützen und die die Blutentnahme rechtfertigen sollten, spätestens seit der Vernehmung des Beschuldigten bekannt. Wenn dennoch mit der Kontaktaufnahme zur Staatsanwaltschaft weiter zugewartet und sodann nur für einen Zeitraum von 10 Minuten versucht wurde, den Ermittlungsrichter zu erreichen, ist die Annahme von Gefahr in Verzug nicht mehr gerechtfertigt. Denn bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für Gefahr in Verzug vorliegen, steht es nicht im Belieben der Strafverfolgungsbehörden, wann sie eine Antragstellung in Erwägung ziehen. Sie dürfen nicht so lange mit dem Antrag an den Ermittlungsrichter warten, bis eine Eilbedürftigkeit tatsächlich eingetreten ist (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2303 m.w.N.; BGH Urteil vom 18.04.2007 - 5 StR 546/06). Dass der richterliche Eildienst ermittelt und sodann der Versuch unternommen worden ist, diesen zu erreichen, weil der Ermittlungsrichter nicht erreichbar war, kann dem Ermittlungsverfahren nicht entnommen werden.

3.

Die uneingeschränkte Beschlagnahme des Briefes des Beschuldigten gem. § 94 StPO ist rechtswidrig. Der insoweit angefochtene Beschluss war aufzuheben und zugleich gem. § 309 Abs. 2 StPO die Beschlagnahme der Fotokopie des an die Lebensgefährtin des Beschuldigten gerichteten Briefes, überschrieben mit "Hey Schatz!", mit Vor- und Rückseite sowie des Briefumschlags mit Vor- und Rückseite anzuordnen.

Die Beschlagnahme war bereits nicht gerechtfertigt, soweit von ihr zunächst diejenigen Seiten des Briefes, die nicht von der beanstandeten Formulierung über die "Ausnüchterung" betroffen sind, erfasst sind, weil diesen Briefteilen keine Beweisbedeutung für das Strafverfahren zukommt.

Das insgesamt an die Mutter des Beschuldigten adressierte Schreiben besteht aus vier Seiten, jeweils auf Vor- und Rückseite beschrieben, wobei es sich um eine Zusammensetzung aus mehreren Einzelbriefen handelt. Die Seiten sind abschnittsweise gerichtet an die Mutter, die Lebensgefährtin ("Hey Schatz!"), und sechs weitere namentlich benannte Personen. Die beanstandete Formulierung ist in dem Abschnitt an die Lebensgefährtin des Beschuldigten enthalten, der inhaltlich für sich steht und - beschränkt auf Vor- und Rückseite des zweiten Bogens - auch räumlich von den anderen Briefteilen abtrennbar ist. Eine Beschlagnahme jener weiteren isoliert zu betrachtenden Briefteile ist daher schon im Ansatz nicht gerechtfertigt. Eine ausreichende Identifizierung des Beschuldigten als Absender des Briefes kann über die Fotokopie des Briefumschlags mit Vor- und Rückseite erreicht werden, wonach der Beschuldigte als "Abs:..." erscheint.

Aber auch die Beschlagnahme des an die Lebensgefährtin gerichteten Briefes ist in ihrer konkreten Form - nämlich der Beschlagnahme des Originals - unverhältnismäßig, weil nicht erforderlich.

Mag die Verteidigung in der Beschwerderechtfertigung auf die metaphorische Bedeutung der "Ausnüchterung" hinweisen, so zwingt diese Wertung die Kammer nicht etwa zu einer gleichgelagerten Schlussfolgerung. Naheliegender gibt diese Formulierung, "zum ausnüchtern "gezwungen" zu sein, berechtigten Anlass zu der Annahme, der Beschuldigte sei während seiner Inhaftierung gehindert, Drogen zu konsumieren. Dies ist angesichts der bei der Durchsuchung des Wohnhauses sichergestellten Betäubungsmittel nicht von der Hand zu weisen. Der Zweck der Beweismittelsicherung kann indessen vorliegend auch durch Einbehalt der Briefseite in Kopie erreicht werden. Sonstige Gründe, warum eine Weitergabe dieser Textzeile per se bedenklich wäre, sind nicht ersichtlich. Die Aussage, der Beschuldigte befinde sich in Ausnüchterung, ist nach keiner erkennbaren Deutungsvariante dazu geeignet, die Untersuchungshaft zu gefährden oder das Strafverfahren zu beeinträchtigen. Die Beweiseignung einer Briefkopie steht außer Frage, zumal diese auf richterliche Veranlassung hin durch eine Kopie des Originals beschlagnahmt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO.

Die Kammer hat infolge des Teilerfolgs die gerichtliche Gebühr für das Beschwerdeverfahren angemessen um 30% ermäßigt und in diesem Umfang die notwendigen Auslagen des Beschuldigten für das Beschwerdeverfahren der Staatskasse auferlegt.

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