AG Alsfeld, Beschluss vom 31.01.2018 - 3 T 37/18
Fundstelle
openJur 2019, 35595
  • Rkr:

Bei kurzzeitiger Unterbrechung der Betreuung (hier Zwischenzeitraum von ca. 2 Wochen zwischen Auslaufen der Eilbetreuung und Anordnung der endgültigen Betreuung) beginnt der 3-Monats-Zeitraum des § 9 S. 1 VBVG mit der Neuanordnung der Betreuung von Neuem zu laufen. Für die Berechnung der Dauer der Betreuung im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 VBVG ist die vorangegangene Betreuungszeit jedoch (taggenau) zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Betreuers wird der Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 19.12.2017 dahingehend abgeändert, dass die dem Betreuer für seine Tätigkeit in der Zeit vom 29.07.2017 bis 28.10.2017 aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung festgesetzt wird auf 664,40 €. Im Übrigen wird die Beschwerde des Betreuers zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 19.12.2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Auf Anregung der Schwester des Betroffenen richtete das Amtsgericht durch Beschluss vom 11.01.2017 (Bl. 41 f. d. BA 782 XVII SCH 2526/16 AG Kassel) im Wege der einstweiligen Anordnung eine vorläufige Betreuung für den Betroffenen ein und bestellte den eingangs genannten Berufsbetreuer. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses, der am 12.01.2017 zur Geschäftsstelle gelangte, wurde angeordnet. Zugleich wurde die vorläufige Bestellung des Betreuers befristet bis zum 11.07.2017.

Die Einrichtung der Betreuung im vorliegenden Hauptsacheverfahren erfolgte sodann mit Beschluss vom 25.07.2017 (Bl. 3 f. d.A.), der dem erneut berufsmäßig eingesetzten Betreuer durch Empfangsbekenntnis am 28.07.2017 förmlich bekannt gemacht wurde.

Für seine Tätigkeit im Rahmen der vorläufigen Betreuung erhielt der Betreuer auf seinen Antrag vom 25.07.2017 (Bl. 124 d. BA) eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.645,60 Euro aus der Staatskasse, wobei der Vergütungszeitraum auf die Zeit vom 13.01.2017 bis zum 11.07.2017 bestimmt wurde (Beschlüsse des Amtsgerichts vom 18.09.2017, Bl. 140 d. BA, und vom 10.11.2017, Bl. 156 d. BA).

Mit Antrag vom 27.10.2017 (Bl. 18 f. d.A.) hat der Betreuer die Gewährung einer Vergütung aus der Staatskasse für seine Tätigkeit vom 29.07.2017 bis zum 29.10.2017 in Höhe von 668,80 Euro beantragt. Dabei hat der Betreuer die Auffassung vertreten, es sei nunmehr zunächst die Vergütung für den im Rahmen der Vergütungsabrechnung betreffend die vorläufige Betreuung nicht mehr abzurechnenden letzten Tag des 2. Quartals sowie daran anschließend die Vergütung für das 3. Quartal abzurechnen.

Demgegenüber hat der Bezirksrevisor die Auffassung vertreten, das 3. vergütungsrechtliche Quartal i.S.v. § 5 VBVG sei vom 13.07.2017 bis zum 12.10.2017 zu bemessen, wobei dem Betreuer für den Zeitraum der nicht angeordneten Betreuung keine Vergütung zustehe, was dieser auch nicht beantragt habe. Allerdings sei ab dem 13.10.2017 die Vergütungsberechnung nach Maßgabe des 4. Quartals vorzunehmen.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 19.12.2017 (Bl. 28 d.A.) bestimmt, dass dem Betreuer für den Zeitraum 29.07.2017 bis 28.10.2017 eine Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 660,00 Euro zu erstatten sei. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Vergütung müsse in einem laufenden Betreuungsverfahren immer für einen Zeitraum von 3 Monaten beantragt werden, so dass eine Festsetzung für den Zeitraum 29.07.2017 bis zum 28.10.2017 erfolgen müsse, eine Festsetzung bis zum 29.10.2017 indes ausscheide. Aufgrund der vorangegangenen vorläufigen Betreuung sei an diese anknüpfend vorliegend vom 3. Vergütungsquartal auszugehen. Die betreuungslose Zeit sei bei der Berechnung der Vergütung zu berücksichtigen, da § 5 VBVG von "Monaten der Betreuung" spreche.

Das Amtsgericht hat die Beschwerde ausdrücklich zugelassen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Bezirksrevisor mit seinem Rechtsmittel vom 08.01.2018 (Bl. 30 d.A.). Er führt zur Begründung an, ausgehend von den durch die erstmalige Einrichtung einer Betreuung bestimmten Vergütungsquartalen hätte eine Festsetzung der Vergütung nur für den Zeitraum 29.07.2017 bis zum 12.10.2017 erfolgen dürfen. Der Zeitraum 13.10.2017 bis 28.10.2017 gehöre vielmehr zum nächsten Abrechnungszeitraum, der vom 13.10.2017 bis zum 12.01.2018 laufe.

Auch der Betreuer wendet sich gegen die Vergütungsfestsetzung. Mit seinem Rechtsmittel vom 11.01.2018 (Bl. 31 d.A.) wendet er ein, das Amtsgericht sei unzutreffend vom Beginn des 3. Vergütungsquartals bereits am 29.07.2017 ausgegangen. Vielmehr sei eine taggenaue Berechnung im Anschluss an das Ende der vorläufigen Betreuung vorzunehmen.

Das Amtsgericht hat beiden Rechtsmitteln nicht abgeholfen und die Verfahrensakte der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gemäß §§ 292 I, 168, 58 I FamFG statthaften Beschwerden gegen die Festsetzung der Vergütung des Betreuers wahren Form und Frist der §§ 63, 64 FamFG und sind auch im Übrigen zulässig. Das Nichterreichen des Beschwerdewertes von 600,01 € gemäß § 61 I FamFG steht der Zulässigkeit der Rechtsmittel aufgrund der ausdrücklich erfolgten Zulassung der Beschwerde nicht entgegen, § 61 II FamFG.

Das Land Hessen, vertreten durch die Staatskasse beim dem Landgericht Kassel, als Schuldner des Vergütungsanspruchs sowie Gläubiger eines etwaigen Regressanspruches ist am Festsetzungsverfahren beteiligt und gemäß § 304 FamFG beschwerdebefugt. Die Staatskasse wird gemäß Abschnitt IV Nr. 12 a) aa) der Geschäftsordnung für Bezirksrevisorinnen und Bezirksrevisoren (BezRevGo) vom 29.07.2010 (JMBl. S. 203) von diesen vertreten.

In der Sache konnte das Rechtsmittel der Staatskasse keinen Erfolg haben; das Rechtsmittel des Betreuers hatte teilweise Erfolg.

Hat das Betreuungsgericht wie hier festgestellt, dass der berufene Betreuer nach Maßgabe von §§ 1908i I, 1836 I BGB, 1 I VBVG berufsmäßig tätig wird, hat es ihm auf Antrag eine Vergütung zu bewilligen, § 1 II 1 VBVG i.V.m. §§ 292 I, 168 FamFG. Schuldner der Vergütung des Berufsbetreuers ist grundsätzlich der Betreute (Palandt/götz, BGB, 76. Aufl., Anh. zu § 1836, § 1 VBVG Rn. 14). Sie ist allerdings nach § 1 II 2 VBVG aus der Staatskasse zu zahlen, wenn der Betreute wie vorliegend mittellos ist.

Die Höhe der dem Betreuer zustehenden Pauschalvergütung bestimmt sich nach §§ 1908i, 1836 I BGB i.V.m. §§ 4, 5 VBVG und ist abhängig von der Dauer der Betreuung, der Zuordnung der Betreuung zu einer der in § 5 VBVG genannten Betreuungsgruppen sowie der Qualifikation des Betreuers. Die vom Amtsgericht vorgenommene Einstufung der Qualifikation des Betreuers in den höchsten Stundensatzes von 44,00 € gemäß § 4 I 2 Ziff. 2 VBVG steht nicht im Streit. Die Einstufung beruht offensichtlich auf der dem Berufsbetreuer aufgrund seiner Ausbildung auch in anderen Betreuungsverfahren gewährten Vergütung. Auch die Zuordnung zur Betreuungsgruppe des nicht im Heim lebenden mittellosen Betreuten gemäß § 5 II 2 VBVG ist zutreffend und nicht im Streit. Danach beträgt der zugrundezulegende Stundenansatz in den ersten drei Monaten der Betreuung 7 Stunden, im vierten bis sechsten Monat 5,5 Stunden, im siebten bis zwölften Monat 5 Stunden und danach 3,5 Stunden monatlich.

Die vorgenannten Grundsätze sind beachtet worden, was auch nicht im Streit steht. Auch im Übrigen erweist sich der angefochtene Beschluss weitgehend als zutreffend. Das Amtsgericht hat den vorliegend maßgeblichen Vergütungszeitraum zutreffend bestimmt. Bei der Ermittlung der Dauer der Betreuung im Rahmen der Berechnung der Vergütung im abzurechnenden Vergütungszeitraum ist dem Amtsgericht jedoch ein Fehler unterlaufen, der eine geringfügige Korrektur des Festsetzungsbeschlusses erforderlich machte.

Im Einzelnen:

Die Vergütung kann nach dem Ende der Führung der Betreuung oder bei laufender Betreuung nach dem Ablauf von jeweils drei Monaten für diesen Zeitraum geltend gemacht werden (§ 9 S. 1 VBVG). Der Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Betreuungsgericht geltend gemacht wird (§ 2 VBVG). Die Berechnung der Monate im Sinne des § 5 II VBVG bestimmt sich nach § 5 IV VBVG i.V.m. §§ 187 I, 188 II BGB. Ändern sich vergütungsrelevante Umstände, ist der Stundenansatz zeitanteilig nach Tagen zu berechnen. Die sich so ergebenden Stundenansätze sind auf volle Zehntel aufzurunden.

Eine Vergütung steht dem Betreuer danach ab dem auf den Tag des Wirksamwerdens des Bestellungsbeschlusses folgenden Tag zu. Vorliegend ist insoweit auf das Wirksamwerden des die aktuelle Betreuung anordnenden Beschlusses vom 25.07.2017 abzustellen. Dieser wurde dem Betreuer am 28.07.2017 förmlich bekannt gemacht, so dass ihm eine Vergütung ab dem 29.07.2017 zusteht. Die Vergütungsmonate sind mithin jeweils vom 29. eines Monats bis zum 28. des Folgemonats zu bemessen. Das vorliegend maßgebliche Abrechnungsquartal im Sinne des § 9 S. 1 VBVG ist damit der Zeitraum vom 29.07.2017 bis einschließlich 28.10.2017.

Der Auffassung des Bezirksrevisors, wonach für die Berechnung der Vergütung von einer seit dem 12.01.2017 andauernden durchgehenden Betreuung (mit einer Reduzierung der Vergütung auf 0 € für den Zeitraum ohne Anordnung einer Betreuung) auszugehen sei, kann ebenso wenig gefolgt werden wie der Auffassung des Betreuers, dass zunächst der nicht verbrauchte letzte Tag des 2. Quartals der vorläufigen Betreuung in Ansatz zu bringen und anschließend 3 vollständige Monate abzurechnen seien.

Die Frage der Berechnung des Vergütungszeitraums bei kurzzeitig unterbrochener Betreuung ist höchstrichterlich bislang - soweit ersichtlich - zwar noch nicht ausdrücklich entschieden worden. Allerdings hat der Bundesgerichtshof wiederholt betont, dass die von Gesetzes wegen vorgeschriebenen Abrechnungszeiträume strikt einzuhalten sind (vgl. BGH, Beschluss v. 06.07.2016, Az. XII ZB 493/14, Rz. 12, juris). Auch nach einem Betreuerwechsel ist die Frage des maßgeblichen Abrechnungszeitraumes für jeden Betreuer nach Maßgabe der jeweiligen Bestellungsbeschlüsse gesondert zu beurteilen (BGH, Beschluss v. 25.05.2011, Az. XII ZB 440/10, Rz. 12 f., juris).

Dies muss letztendlich auch für die Fallgestaltungen gelten, in denen die Betreuung durch Zeitablauf einer vorläufigen Betreuung oder zwischenzeitliche kurzzeitige Aufhebung der Betreuung unterbrochen war. Hierfür spricht, dass die Vergütung für den gesamten Zeitraum der beendeten vorläufigen Betreuung - wie dies vorliegend auch geschehen ist - mit Beendigung der vorläufigen Betreuung fällig ist und abgerechnet werden kann, ohne dass der Ablauf von Quartalen abgewartet werden muss (BGH, Beschluss vom 25.05.2011, Az. XII ZB 440/10, Rz. 12, juris). Mit Neueinrichtung der Betreuung entsteht sodann ein neuer Vergütungsanspruch. Dieser kann wiederum erst nach Ablauf des 3-Monatszeitraums des § 9 S. 1 VBVG geltend gemacht werden. Dies mag in Fällen wie dem vorliegenden, in denen zwischen der Beendigung und der Neueinrichtung der Betreuung nur wenige Tage oder Wochen liegen, auf den ersten Blick gekünstelt oder gar unbillig erscheinen. Bei genauerer Betrachtung korrespondiert die vorgenannte Lösung indes mit der rechtlichen Einordnung von Entstehen und Fälligkeit des Vergütungsanspruchs. Zudem wird hierdurch eine einheitliche Handhabung aller Fälle der Beendigung und Neueinrichtung einer Betreuung gewährleistet, ohne dass es auf die Dauer der Unterbrechung ankommt.

Damit ist das Amtsgericht zutreffend von dem Vergütungsquartal 29.07.2017 bis 28.10.2017 ausgegangen.

Für die Berechnung der Dauer der Betreuung im Rahmen der Bestimmung des anzusetzenden Stundenansatzes im Sinne von § 5 I, II VBVG ist allerdings der Zeitpunkt der erstmaligen Betreuerbestellung maßgebend. Zutreffend gehen alle Verfahrensbeteiligten davon aus, dass die nunmehr im Hauptsacheverfahren eingerichtete Betreuung keine Neubetreuung i.S.d. Vergütungsrechts ist, die eine Vergütung für das 1. Quartal einer eingerichteten Betreuung rechtfertigen würde. Hierfür ist der Zwischenzeitraum zu kurz. Erst wenn die zeitliche Vakanz in der Zusammenschau mit den übrigen Umständen insgesamt dazu führt, dass nicht mehr von einer Fortführung einer in der Vergangenheit bestehenden Betreuung, sondern vielmehr von einer Neubestellung eines Betreuers ausgegangen werden muss, kann die Vergütungsberechnung des § 5 VBVG von vorn zu laufen beginnen (vgl. BGH, Beschluss vom 09.05.2012, Az. XII ZB 481/11, Rz. 22, juris; OLG Karlsruhe, BtPrax 2007, 183; OLG Zweibrücken BtPrax 2006, 115; OLG München BtPrax 2006, 182).

Allerdings ist dem Betreuer darin Recht zu geben, dass die Vergütung ab dem 29.07.2017 - was die Berechnung im Sinne des § 5 I, II VBVG anbelangt - nahtlos an die Vergütung für die Tätigkeit im Rahmen der vorläufigen Betreuung anknüpfen muss. Dabei muss in Kauf genommen werden, dass die Abrechnungsperiode des § 9 S. 1 VBVG nicht zwingend mit den Vergütungsmonaten im Sinne § 5 I, II VBVG übereinstimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.05.2011, Az. II ZB 440/10, Rz. 13 f., juris). Dies führt vorliegend dazu, dass der Betreuer den höheren Stundenansatz für das 2. Quartal noch für einen Tag verlangen kann. Weshalb das Amtsgericht vom Beginn des 3. Quartals schon am 29.07.2017 ausgegangen ist, erschließt sich nicht. Die vorläufige Betreuung war nämlich einen Tag vor dem Ende des 2. Vergütungsquartals beendet. Für das verfahrensgegenständliche Vergütungsquartal 29.07.2017 bis 28.10.2017 kann der Betreuer mithin für den 29.07.2017 anteilig 1/31 von 5,5 Stunden (0,1774193 Stunden), für den Zeitraum 30.07.2017 bis 28.08.2017 anteilig 30/31 von 5,0 Stunden (4,838709 Stunden) und für den Zeitraum 29.08.2017 bis 28.10.2017 2 x 5,0 Stunden beanspruchen (zu den Grundsätzen der taggenauen Berechnung vgl. Beschluss der Kammer vom 20.09.2017, Az. 3 T 335/17, juris). Dies ergibt unter Beachtung der Rundungsvorschrift gem. § 5 IV 3 VBVG insgesamt 15,1 zu vergütende Stunden und bei einem Stundensatz von 44,00 € eine Vergütung von 664,40 €.

Entsprechend musste das Rechtsmittel des Betreuers teilweise Erfolg haben. Das Rechtsmittel der Staatskasse war zurückzuweisen.

Es wurde davon abgesehen, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, §§ 84 FamFG, 25 II GNotKG.

Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde durch die Kammer gegen den Beschluss ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist, § 70 FamFG.

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