VG Darmstadt, Beschluss vom 02.06.2016 - 3 L 1195/16.DA
Fundstelle
openJur 2019, 34763
  • Rkr:

Die Bewertung des Kinderfestes in Neu-Isenburg als eine "beträchtlichen Besucherstrom auslösende Veranstaltung" ist angesichts der Einschränkungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 11.11.2015 -8 CN 2.14- hinsichtlich der Ausnahme einer Ladenöffnung an Sonntagen gemacht hat, allein nicht ausreichend, um eine Ladenöffnung zu rechtfertigen. Eine Öffnung von Verkaufsstellen auch mit eingeschränktem Warenangebot an einem Sonntag ist nur dann ausnahmsweise hinnehmbar, wenn sie von geringer prägender Wirkung für den öffentlichen Charakter des Tages ist und ausgeschlossen werden kann, dass die Ladenöffnung den öffentlichen Charakter des Tages maßgeblich prägt.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 02.06.2016 gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 31.05.2016 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 02.06.2016 gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin nach dem Hessischen Ladenöffnungsgesetz vom 31.05.2016 wiederherzustellen,

ist zulässig und begründet.

Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO begründet, wenn eine seitens des Gerichts vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs oder seiner Anfechtungsklage das von der Behörde geltend gemachte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Ob dies der Fall ist, richtet sich primär danach, welche Erfolgsaussichten der Widerspruch beziehungsweise die Anfechtungsklage aufweisen. Erweist sich der Verwaltungsakt als rechtmäßig und eilbedürftig, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes. Ist der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das private Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beziehungsweise der Klage.

Zwar ist die Kammer der Auffassung, dass gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin im Lichte des Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 VwGO keine Bedenken bestehen. Unter Zugrundelegung des Vortrages der Beteiligten und der beigezogenen Behördenakte der Antragsgegnerin im Verfahren 3 L 1167/16.DA gelangt die Kammer im Rahmen der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung jedoch zu der Einschätzung, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung materiell rechtswidrig ist, weil sich der Grundverwaltungsakt die Allgemeinverfügung vom 31.05.2016 - als offensichtlich rechtswidrig darstellt. Das Kinderfest in Neu-Isenburg am Sonntag, dem 05.06.2016, stellt keinen hinreichenden Anlass für die Festsetzung einer Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen dar.

Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Allgemeinverfügung ist § 6 Abs. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes (HLöG). Danach sind die Gemeinden aus Anlass von Märkten, Messen, örtlichen Festen oder ähnlichen Veranstaltungen berechtigt, abweichend von dem in § 3 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes geregelten Ladenschluss an Sonn- und Feiertagen die Öffnung von Verkaufsstellen an bis zu vier Sonn- und Feiertagen im Jahr freizugeben.

Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. jüngst BVerwG, Urt. v. 11.11.2015 - 8 CN 2.14 -, juris; Hess. VGH, Beschl. v. 05.04.2016 - 8 B 751/16 -; Beschluss vom 04.04.2016 - 8 B 1249/16 -) einschließlich der der erkennenden Kammer (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 13.06.2013 - 3 K 472/13.DA -, LKRZ 2013, 434; Beschl. v. 23.04.2015 - 3 L 541/15.DA -; Beschluss vom 18.04.2016 - 3 L 540/16.DA -), werden an das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "aus Anlass vonI" erhöhte Anforderungen gestellt. Mit den oben genannten Regelungen, die nur in begrenzter Zahl und auch nicht aus beliebigem Anlass Ausnahmen von dem in § 3 Abs. 2 Nr. 1 HLöG enthaltenen grundsätzlichen Gebot zulässt, Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten, ist der Gesetzgeber seinem objektivrechtlichen Schutzauftrag für die Sonn- und Feiertage aus Art. 140 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) sowie Art. 31 Satz 2 und 3, 53 Hessische Verfassung (HV) nachgekommen. Dieser verpflichtet ihn, Sonn- und Feiertage erkennbar als Tage der Arbeitsruhe zur Regel zu erheben und Ausnahmen nur bei einem dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrund zuzulassen; ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen (BVerfG, Urt. v. 01.12.2009 - 1 BvR 2857/07 u. 1 BvR 2858/07 -, BVerfGE 125, 39; BVerwG, Urt. v. 11.11.2015, a.a.O.; Hess. VGH, Urt. v. 15.05.2014 - 8 A 2205/13 -, LKRZ 2014, 369). Eine auf Sachgründe von lediglich eingeschränktem Gewicht gestützte sonntägliche Öffnung von Verkaufsstellen mit uneingeschränktem Warenangebot ist nur dann ausnahmsweise hinnehmbar, wenn sie von geringer prägender Wirkung für den öffentlichen Charakter des Tages ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 01.12.2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 -, BVerfGE 125, 39; BVerwG, Urt. v. 11.11.2016, a.a.O.). Die Veranstaltung muss deshalb die "Hauptsache" sein und die Sonntagsöffnung lediglich der "Nebeneffekt". Dementsprechend darf die Veranstaltung nicht nur deshalb durchgeführt werden, um formell die rechtlichen Voraussetzungen für die eigentlich bezweckte Ladenöffnung am Sonntag zu schaffen. Die frühere Rechtsprechung erkannte daher einen Anlass gebenden Grund für die Offenhaltung von Verkaufsstellen nur bei solchen Veranstaltungen an, die - auch ohne Offenhalten von Verkaufsstellen - für sich genommen interessant genug waren, um einen "beträchtlichen Besucherstrom" anzuziehen (vgl. nur Hess. VGH, Urt. v. 15.05.2014, a.a.O.; Beschl. v. 05.04.2016, a.a.O.; vgl. jetzt BVerwG, Urt. v. 11.11.2015, a.a.O.).

Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch in seinem Urteil vom 11.11.2015 - 8 CN 2.14 - (a.a.O.) entschieden, dass diese Rechtsprechung dem oben dargelegten Regel-Ausnahme-Gebot noch nicht genügend Rechnung trägt, wenn sie nur verlangt, dass der Markt für sich genommen einen starken Besucherstrom auslöst. Es müsse auch ausgeschlossen sein, dass daneben die Ladenöffnung den öffentlichen Charakter des Tages maßgeblich prägt.

Als weitergehende verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG ist daher die Tatbestandsvoraussetzung "aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen" mit Blick auf das Erfordernis einer allenfalls geringen prägenden Wirkung der Ladenöffnung so zu verstehen, dass die öffentliche Wirkung der traditionell auch an Sonn- und Feiertagen stattfindenden Märkte, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehen muss. Die Ladenöff- nung entfaltet dann eine geringe prägende Wirkung, wenn sie nach den gesamten Umständen als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheint (BVerwG, Urt. v. 11.11.2016, a.a.O., juris Rdnr. 24).

Dies kann nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die bisherige Rechtsprechungspraxis der erkennenden Kammer entspricht (s. nur Beschl. v. 05.03.2015 - 3 L 242/15.DA - und v. 23.04.2015, a.a.O.), in der Regel nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird. Nur dann bleibt ihr Bezug zum Marktgeschehen insoweit erkennbar. Je größer die Ausstrahlungswirkung des Marktes wegen seines Umfangs oder seiner besonderen Attraktivität sei, so der Senat, desto weiter reiche der räumliche Bereich, in dem die Verkaufsstellenöffnung noch in Verbindung zum Marktgeschehen gebracht werde. Bei auf bestimmte Handelszweige beschränkten Märkten könne der erforderliche Bezug auch thematisch dadurch hergestellt werden, dass die Ladenöffnung nur für dieselben Handelszweige zugelassen werde. Darüber hinaus bleibe die werktägliche Prägung der Ladenöffnung nur dann im Hintergrund, wenn nach einer Prognose der Besucherstrom, den der Markt für sich genommen auslösen würde, die Zahl der Besucher übersteige, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Zur Abschätzung der jeweiligen Besucherströme könne beispielsweise auf Befragungen zurückgegriffen werden (BVerwG, Urt. v. 11.11.2015, a.a.O., juris, Rdnr. 25). Die Prognose ist von der Genehmigungsbehörde selbst vorzunehmen (BVerwG, a.a.O., Rdnr. 36).

Wie die erkennende Kammer auch schon in dem Beschluss vom 23.04.2015 unter Berufung auf das Urteil des Bay. Verwaltungsgerichtshofs vom 31.03.2011 (22 BV 10.2367 -, juris) ausgeführt hat, erfordert also die Feststellung, dass eine Veranstaltung ein entsprechendes Besucheraufkommen aus sich heraus generiert, um eine Ausnahme von der allgemeinen Sonn- und Feiertagsruhe zu rechtfertigen, eine begründete realistische Prognose der Antragsgegnerin, die sich auf das äußere Erscheinungsbild und das objektive Gewicht eines Marktes, einer Messe oder einer entsprechenden Veranstaltung stützt. Realistisch ist eine solche Prognose in der Regel dann, wenn entsprechend dokumentierte Erfahrungswerte aus der Vergangenheit herangezogen werden, die die Annahme stützen, dass auch im konkreten Fall von einem hohen Besucherzustrom auszugehen ist, der sich unabhängig von einer möglichen Öffnung der Ladengeschäfte entwickelt (vgl. Bay. VGH, a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben gelangt die Kammer zu der Einschätzung, dass das von der Antragsgegnerin als Anlass für die Sonntagsöffnung am 05.06.2016 genannte Kinderfest eine Durchbrechung bzw. Einschränkung der verfassungsrechtlich durch Art. 140 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) geschützten Sonntagsruhe nicht zu rechtfertigen vermag. Eine überwiegend prägende Wirkung des Festes lässt sich auch unter Berücksichtigung der in der Allgemeinverfügung vom 31.05.2016 erfolgten räumlichen und sachlichen Beschränkung der Freigabe nicht feststellen. Insbesondere wird die von der Antragsgegnerin angestellte Prognose zum Besucherstrom den zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

Die Veranstalter des Kinderfestes, der Einzelhandelsverband der Innenstadt IG City e.V. und der Betreiber des Isenburg-Centers, die Firma ECE, haben aus Anlass des Kindertages am 01.06.2016 sowohl in der Fußgängerzone als auch im Isenburg-Center ein Kinderprogramm geplant. In der Innenstadt treten Clowns und ein Zirkus auf und es werden weitere Aktivitäten wie Kinderschminken, Malwettbewerb, THW-Auto und anderes angeboten. Offenbar soll auch ein mobiler Streichelzoo vor Ort sein. Im Isenburg-Zentrum wird ein Parcours mit Bullriding, einer Seifenblasenwerk- statt, einer "riesigen" Carrerabahn, Basteln und Kinderschminken angeboten sowie zwei Hüpfburgen aufgestellt. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin hat der Betreiber des Isenburg-Centers sämtliche Kindergärten und Grundschulen in Neu-Isenburg und Umgebung angeschrieben und die Kinder zu dem Kinderfest eingeladen. Dennoch kann nach dem Vortrag und den vorliegenden Unterlagen nicht angenommen werden, dass das Kinderfest auch ohne Öffnung der Verkaufsstellen eine ausreichende Attraktivität aufweist, um einen beträchtlichen Besucherstrom auszulösen und den hauptsächlichen Grund für den Aufenthalt der Besucher darzustellen.

Im Gegensatz zur ersten Allgemeinverfügung vom 11.05.2016 hat die Antragsgegnerin zwar für die hier verfahrensgegenständliche Freigabeentscheidung vom 31.05.2016 eine Prognose bezüglich der Besucherzahlen getroffen. Dabei hat sie zwar auf Angaben der Veranstalter des Kinderfestes zurückgegriffen, aber auch eigene Erwägung angestellt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin reicht es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch aus, dass sie diese im Rahmen der beiden Eilverfahren nachgeschoben hat, zumal die Frage der zu erwartenden Besucherzahl nach dem Vortrag der Antragsgegnerin Gegenstand einer Besprechung im Rathaus am 30.05.2016, also vor Erlass der verfahrensgegenständlichen Verfügung, war. Diese Prognose ist für die erkennende Kammer aber weder nachvollziehbar noch realistisch.

Ausweislich ihrer Email vom 01.06.2016 prognostiziert die IG City e.V. bei schönem Wetter 3000 Besucher für das Kinderfest in der Bahnhofstraße. Die Betreiberfirma des Isenburg-Zentrums schätzt nach ihrer Email vom gleichen Tag, dass 6000 Kinder das dortige Kinderfest besuchen und 4000 Besucher zum Shoppen kommen werden. Auf welchen Erhebungen oder Feststellungen diese Prognosen beruhen, wird hingegen nicht mitgeteilt. Dies ist nicht ausreichend, um von einer verlässlichen Prognose ausgehen zu können. Insbesondere die prognostizierte Anzahl von 4000 Besuchern, die das Isenburg-Zentrum allein wegen des verkaufsoffenen Sonntags aufsuchen werden, ist in Anbetracht der im Internet angegeben Anzahl von 18.200 Personen pro Tag auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Öffnungszeiten am Sonntag ohne nähere Darlegung der hierfür maßgeblichen Erhebungen nicht nachvollziehbar.

Soweit die Antragsgegnerin eigene Erwägungen anstellt, geht sie von der Anzahl der Kinder in der Stadt Neu-Isenburg aus, die sie mit ungefähr 6000 angibt. Dies mag zwar ein sachlicher Ansatzpunkt sein. Nicht ersichtlich ist indes, wie die Antragsgegnerin zu der Annahme kommt, die Hälfte dieser Kinder könnte diese Veranstaltung aufsuchen. Irgendwelche Erhebungen oder Befragungen liegen auch hierzu nicht vor. Deswegen ist auch die von der Antragsgegnerin aufgrund eigener Erwägungen geschätzte Zahl von 9000 Personen, die das Kinderfest besuchen werden, nicht nachvollziehbar. Des Weiteren legt die Antragsgegnerin ihrer Einschätzung, dass mit einer hohen Besucherzahl zu rechnen sei, ihre Erfahrungen aus einem vergleichbaren Kinderfest im Jahr 2011 zugrunde. Dokumentierte Erfahrungswerte aus der Vergangenheit sind zwar grundsätzlich geeignet, die Annahme zu stützen, dass von einer bestimmten Besucherzahl ausgegangen werden kann. Die Antragsgegnerin hat insoweit jedoch nur Fotos vorgelegt, auf denen zwar eine Menge fröhlicher Kinder zu sehen sind. Wo und in welchem Zusammenhang das Fest stattgefunden hat oder konkrete Zahlen hierzu werden hingegen nicht vorgetragen. Dieser pauschale Vortrag ist nicht geeignet, eine verlässliche Prognose zur Besucherzahl des Kinderfestes am 05.06.2016 zu stützen. Auch soweit die Antragsgegnerin angibt, aus Erfahrungen mit anderen verkaufsoffenen Sonntagen sei mit etwa 2000 Kunden in der Innenstadt zu rechnen, werden diese Angaben nicht mit konkreten Daten untermauert.

Anhand der unzureichenden Prognose lässt sich daher nicht erkennen, dass das geplante Kinderfest am 05.06.2016 ohne die Sonntagsöffnung mehr Besucher anziehen würde als die alleinige Sonntagsöffnung. Eine prägende Wirkung der Veranstaltung für den öffentlichen Charakter des Tages, die die Ladenöffnung lediglich als Nebensache erscheinen lässt, kann daher nicht festgestellt werden.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Antragsgegnerin die Ladenöffnung auf die Bahnhofstraße, Frankfurter Straße und Hermesstraße räumlich begrenzt hat. Diese räumliche Beschränkung ist jedoch nicht ausreichend, um dem Kinderfest eine prägende Wirkung zu vermitteln. Während das Kinderfest nur in der Fußgängerzone und im Isenburg-Zentrum stattfindet, umfasst der räumliche Bereich der Freigabeverfügung die gesamte Bahnhofstraße und Frankfurter Straße. Bei Letzterer handelt es sich um eine Hauptverkehrsstraße, die zwischen der Fußgängerzone und dem Isenburg-Zentrum eine trennende Wirkung entfaltet. Die dort stattfindenden Kinderveranstaltungen sind daher ebenfalls getrennt zu betrachten. Eine Ausstrahlungswirkung des Festes kann daher allenfalls für die Fußgängerzone und das Isenburg-Zentrum angenommen werden. Aber selbst dort überschreitet die Verkaufsfläche die Fläche des Kinderfestes bei weitem. Das Isenburg-Zentrum hat ausweislich des Internetauftritts eine Fläche von 44000 m2. Hiervon nimmt der dort geplante Kinderparcours nur einen kleinen Teil ein. Auch die Fußgängerzone macht gegenüber der gesamten Bahnhofstraße und Frankfurter Straße nur einen geringen Teil aus. Hier liegen zwar keine konkreten Zahlen vor. Dennoch kann aufgrund der räumlichen Verhältnisse festgestellt werden, dass die Ladenöffnung nicht als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung angesehen werden kann.

Auch die sachliche Beschränkung auf Verkaufsstellen mit kinderund familienbezogenem Sortiment führt nicht zu dem erforderlichen Bezug der Ladenöffnung zur Anlassveranstaltung und mithin nicht dazu, dass der Ladenöffnung die wesentliche Prägung des öffentlichen Charakters dieses Sonntags genommen wird. Die Antragstellerin trägt in diesem Zusammenhang zu Recht vor, dass die Regelung zu unbestimmt ist. Es ist nicht erkennbar, ob unter "Verkaufsstellen mit kinder- und familienbezogenem Sortiment" alle Verkaufsstellen gemeint sind, die ein solches Sortiment im Angebot haben, ob dann nur einzelne Abteilungen mit diesem Sortiment öffnen dürfen oder ob das Hauptsortiment gemeint ist. Außerdem ist die Formulierung so weit gefasst, dass letztendlich ein Bezug zu allen Waren hergestellt werden kann. Eine taugliche thematische Beschränkung auf bestimmte Handelszweige liegt damit nicht vor.

Im Übrigen drängt sich auch der Kammer der Eindruck auf, dass es den Veranstaltern und der Antragsgegnerin schwerpunktmäßig um die Sonntagsöffnung der Läden geht und das Kinderfest lediglich die Voraussetzungen hierfür schaffen soll. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nach dem Vortrag der Antragsgegnerin das Kinderfest auch stattfinden soll, wenn das Gericht dem vorliegenden Eilantrag stattgibt, eine Verkaufsöffnung mithin nicht stattfindet. Insbesondere aus der Email der IG City e.V. vom 26.04.2016 an die stellvertretende Fachbereichsleiterin der Antragsgegnerin, Frau Marburger, (Anlage A4, Bl. 22 der Gerichtsakte) ergibt sich jedoch, dass das Kinderfest ohne die beantragte Ladenöffnung von den Veranstaltern nicht geplant worden wäre. Andernfalls hätte man das Kinderprogramm auch ohne die Genehmigung der Ladenöffnung buchen können. Auch aus der Presseinformation der Antragsgegnerin vom 18.05.2016 (Anlage A5, Bl. 23 der Gerichtsakte) ergibt sich, dass die Geschäfte in Neu-Isenburg einladen und ein entspannter Einkaufsbummel ermöglicht werden soll. Der Antragstellerin ist auch zuzugeben, dass sich dem Artikel der Onlineausgabe der Offenbach Post vom 28.05.2016 (Anlage A7, Bl. 26 der Gerichtsakte) durchaus entnehmen lässt, dass die Wirtschaftsförderung des Einzelhandels in Neu-Isenburg im Vordergrund steht. Nach Auffassung der erkennenden Kammer ergibt sich auch aus der räumlichen Aufteilung des Kinderfestes auf die beiden Einkaufszentren der Innenstadt, die Fußgängerzone und das Isenburg-Zentrum, dass letztendlich durch das Kinderprogramm das Einkaufen am Sonntag attraktiver gemacht werden soll. Denn ginge es hauptsächlich um das Kinderfest, dürfte seine Durchführung zentriert an einem Platz außerhalb der kommerziellen Bereiche der Stadt den Kinderinteressen eher gerecht werden. Außerdem lässt sich der Behördenakte, entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin, nicht entnehmen, dass das Kinderfest als Spezialmarkt gemäß § 68 GewO festgesetzt wurde. Insoweit liegt nicht einmal ein Antrag der Veranstalter vor. Die zuständige Handwerkskammer als auch die IHK Offenbach am Main wurden zwar bezüglich der Festsetzung eines Spezialmarktes angehört, Letztere teilte dann aber lediglich mit, dass gegen die Durchführung eines verkaufsoffenen Sonntags keine Bedenken bestünden (Bl. 9 bis 12 und 15 der Behördenakte). Selbst die stellvertretende Fachbereichsleiterin Marburger hat in ihrer Email vom 13.05.2016 an die Sachbearbeiterin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Antragsgegnerin (Bl. 23 der Behördenakte) darauf bestanden, dass es sich nicht um einen Spezialmarkt handele, sondern um ein "buntes Kinderfest".

Nach alledem ist die erkennende Kammer nicht davon überzeugt, dass es sich bei dem Kinderfest um eine von der Ladenöffnung unabhängige Veranstaltung handelt, der eine prägende Wirkung zukommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Die Kammer hat den vollen Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG in Ansatz gebracht, weil durch die Entscheidung im Eilverfahren die Hauptsache vorweggenommen wird.

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