AG Aachen, Urteil vom 18.01.2018 - 102 C 108/17
Fundstelle
openJur 2019, 37736
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 643,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.04.2017 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren der M in Höhe von 79,90 € freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Mit der Klage macht der Kläger restliche Schadensersatzansprüche im Hinblick auf unfallbedingte Reparaturkosten in einer Höhe von 643,39 € geltend, und zwar aufgrund eines Verkehrsunfalls am 01.04.2017 gegen 18:10 Uhr auf der B Straße in D-Stadt, an dem der Kläger als Fahrer, Halter und Eigentümer des Pkw Audi A3 mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX xxxx und der Versicherungsnehmer der Beklagten mit dem PKW Citroën mit dem amtlichen Kennzeichen XX-X xxxx beteiligt waren. Die alleinige Haftung des Unfallgegners ist zwischen den Parteien unstreitig.

Auf der Grundlage des von dem Kläger in Auftrag gegebenen schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen F vom 03.04.2017, das Netto- Reparaturkosten in Höhe von 3.075,58 € ausweist, zahlte die Beklagte vorgerichtlich einen Betrag in Höhe von 2.432,19 € an den Kläger. Mit der Klage macht dieser den Restbetrag in Höhe von 643,39 € betreffend die Beilackierungskosten und die UPE-Aufschläge geltend.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 643,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.04.2017 zu zahlen,

die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren der M in Höhe von 79,90 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Vorlage des Prüfberichts der A GmbH, Niederlassung D-Stadt, vom 08.04.2017 vertritt die Beklagte die Auffassung, dass lediglich Reparaturkosten in Höhe des bereits gezahlten Betrages im Rahmen der fiktiven Abrechnung als Schadensersatzanspruch begründet seien. Sie bestreitet, dass zur Behebung der unfallbedingten Schäden die Beilackierung der vorderen rechten Tür und der Leisten erforderlich sei und dass sämtliche Reparaturwerkstätten in der Wohnsitzregion des Klägers, seien sie markengebundenen oder markenungebunden, die durch den Sachverständigen F in Ansatz gebrachten UPE-Aufschläge berechnet würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 18.12.2017 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Sowohl in Bezug auf die Schadensposition Beilackierungskosten als auch in Bezug auf die Schadensposition UPE-Aufschläge sind die entsprechenden unfallbedingten Kosten auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung des Unfallschadens dann durch den Unfallgegner bzw. seine Versicherung zu erstatten, wenn dieser Kostenaufwand zur Beseitigung des unfallbedingten Schadens voraussichtlich erforderlich ist. Denn gemäß § 249 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre , und zwar auf Verlangen des Geschädigten bei Beschädigung einer Sache durch Zahlung des für die Herstellung erforderlichen Geldbetrages. Im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung ist gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nur die Erstattung der Umsatzsteuer ausgeschlossen.

In Bezug auf die von dem Kläger geltend gemachten Beilackierungskosten auf der Grundlage des von ihm vorgerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens fehlt es bereits an einem ausreichend substantiierten Bestreiten der Beklagten in Bezug auf die Erforderlichkeit dieser Kosten zur Beseitigung der unfallbedingten Schäden. Denn der Sachverständige F hat in seinem schriftlichen Gutachten zum "Umfang" ausdrücklich festgestellt, dass bei dem vorliegenden Farbton "Phantom Schwarz Perleffekt" die Einlackierung der Tür vorne rechts "zwingend erforderlich" ist. Demgegenüber beinhaltet der von der Beklagten vorgelegte Prüfbericht der A GmbH vom 08.04.2017 nur allgemeine Ausführungen in Bezug auf die Erforderlichkeit einer Beilackierung, ohne auf den konkreten Farbton des Fahrzeugherstellers Audi einzugehen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem von dem Kläger beauftragten Gutachter um einen von der IHK Mittlerer Niederrhein öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Kraftfahrzeugschäden und - bewertungen handelt. Diese Tatsache rechtfertigt die Annahme, dass dieser Sachverständige in besonderem Maße sachkundig ist und das Schadengutachten unabhängig von den Interessen seines Auftraggebers erstellt hat. Unabhängig von der Frage des substantiierten Bestreitens der Beklagten sieht das Gericht daher auch keine Veranlassung, im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Beilackierungskosten ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen (§ 287 Abs. 1 S. 2 ZPO). Im Übrigen beinhaltet jedes Sachverständigengutachten naturgemäß nur eine Prognose in Bezug auf die im Falle einer Reparatur anfallenden Reparaturkosten, die im Falle der tatsächlichen Durchführung der Reparatur sowohl niedriger als auch höher ausfallen können.

In Bezug auf die von dem Sachverständigen F in dem schriftlichen Gutachten in Ansatz gebrachten UPE- Aufschläge in Höhe von 15 % können die prozentualen Aufschläge auf Ersatzteilpreise auch bei der fiktiven Abrechnung verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind, weil sie in diesem Fall dem Aufwand zuzurechnen sind, der für die Behebung des Fahrzeugschadens im Sinne des § 249 Abs. 2 erforderlich ist (vergleiche OLG Frankfurt, Urteil vom 21.04.2016 - 7 U 34/15 - mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 06.03.2012 - I-1 U 108/11 - ; jeweils zitiert nach juris). Da der von dem Kläger beauftragte Gutachter öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist, geht das Gericht auch insoweit davon aus, dass dieser die für Audi-Originalersatzteile üblicherweise anfallenden UPE- Aufschläge berücksichtigt hat. Im Übrigen hat das Gericht auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung in § 287 Absatz 1 S. 2 ZPO keine Veranlassung, insoweit ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen. Denn nach dem mündlichen Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. Y in dem Rechtsstreit 102 C 31/16 Amtsgericht Aachen in der Sitzung am 16.10.2016 fallen UPE- Aufschläge grundsätzlich sowohl bei einer Reparatur in einer nicht herstellergebundenen Fachwerkstatt als auch bei einer Reparatur in einem herstellergebundenen Fachbetrieb an, weil diese UPE- Aufschläge auch bei dem Einkauf von Originalersatzteilen durch die jeweilige Werkstatt anfallen und daher an den Kunden weitergegeben werden. Konkrete Reparaturwerkstätten, in denen diese UPE-Aufschläge im Fall einer Reparatur des unfallgeschädigten PKW des Klägers nicht berechnet würden, hat die Beklagte nicht benannt, obwohl sie dazu als Haftpflichtversicherungsunternehmen - wie aus zahlreichen Schadensersatzprozessen bekannt - ohne weiteres in der Lage gewesen wäre.

Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß den §§ 286, 288 BGB.

Da dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte restliche Schadensersatzanspruch zusteht, ist die Klage auch in Bezug auf den Freistellungsanspruch betreffend die restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Da der Streitwert die Berufungssumme erreicht, ist eine Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht geboten. Im Übrigen ist im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung eine Zulassung der Berufung weder unter dem Gesichtspunkt der Klärung wichtiger Rechtsfragen noch unter dem Gesichtspunkt der Herstellung der Rechtseinheit geboten.

Der Streitwert wird auf 643,39 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 90, 52070 Aachen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Aachen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Aachen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.