OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.11.2019 - 8 A 241/17
Fundstelle
openJur 2019, 34571
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 11 K 2290/15
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2016 ergangene und durch Beschluss vom 10. Januar 2017 berichtigte Urteil des Verwaltungsgerichts Minden wird zugelassen, soweit das Urteil den Ergänzungsbescheid des Beklagten vom 24. August 2015 betrifft.

Insoweit bleibt die Verteilung der Kosten des Antragsverfahrens der Entscheidung über die Berufung vorbehalten.

2. Im Übrigen wird der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des erfolglosen Teils des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten insoweit selbst.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I. Soweit die Klage sich gegen den Ergänzungsbescheid des Beklagten vom 24.August 2015 richtet, bestehen ernstliche Zweifel i. S.v. §124 Abs.2 Nr.1 VwGO an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Kläger fehle ein Rechtsschutzinteresse für die erhobene Klage, weil der Genehmigungsbescheid vom 9.August 2013 zum Zeitpunkt der Klageerhebung diesem gegenüber bereits bestandskräftig gewesen sei. Die Bestandskraft des ursprünglichen Genehmigungsbescheides beeinflusst den Lauf der Klagefrist gegen einen später erlassenen Ergänzungsbescheid nicht. Die Klage gegen den Ergänzungsbescheid vom 24.August 2015 hat der Kläger am 1.September 2015 innerhalb der einmonatigen Klagefrist erhoben. Auf diese hatte auch der Beklagte in seinem Schreiben vom 26.August 2015 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers hingewiesen, mit dem er den Ergänzungsbescheid einschließlich einer Rechtsbehelfsbelehrung übersandt hatte. Allerdings führt der Erlass eines Ergänzungsbescheides nicht dazu, dass sämtliche Genehmigungsfragen erneut zu prüfen sind. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung des Ergänzungsbescheides auf dessen Regelungen. Ob der vorliegende Ergänzungsbescheid rechtmäßig ist und das angegriffene Urteil insoweit im Ergebnis aus anderen Gründen richtig ist, ist nicht ohne weitere Sachaufklärung ersichtlich und deshalb in einem Berufungsverfahren näher zu prüfen.

II. Soweit das erstinstanzliche Urteil den Genehmigungsbescheid vom 9.August 2013 betrifft, hat der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg.

Die Berufung ist gemäß §124a Abs.4 Satz4 und Abs.5 Satz2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des §124 Abs.2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall. Die vom Kläger angeführten Zulassungsgründe gemäß §124 Abs.2 Nr.1, 2 und 5 VwGO liegen nicht vor.

1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§124 Abs.2 Nr.1 VwGO) zuzulassen.

a) Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Genehmigungsbescheid vom 9.August 2013 zu Recht abgewiesen, weil der angegriffene Genehmigungsbescheid bereits unanfechtbar war. Nach der vom Verwaltungsgericht zutreffend zugrundegelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein durch eine Baugenehmigung belasteter Nachbar, der sichere Kenntnis von der Genehmigungserteilung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Genehmigung amtlich bekannt gegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an läuft die Jahresfrist nach den Vorschriften der §§74 und 58 Abs.2 VwGO.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.Dezember 2015 - 8 B 1108/15-, juris Rn.25 ff., m.w.N.

Im vorliegenden Fall war die einjährige Widerspruchsfrist zum Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs am 6.August 2015 schon abgelaufen und der Bescheid dem Kläger gegenüber bestandskräftig geworden. Der Kläger hätte bereits imMärz 2014 Kenntnis davon haben können und müssen, dass Errichtung und Betrieb der in Rede stehenden Windenergieanlage immissionsschutzrechtlich genehmigt worden waren. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Ausschlaggebender Anlass für den Kläger, mit einer Genehmigung einer Windenergieanlage in der Nähe seines Wohnhauses im Ortsteil I. zu rechnen und sich danach zu erkundigen, war die Sitzung des Rates der Beigeladenen zu2. am 20.März 2014, an der der Kläger teilnahm. Die dort mitgeteilten Informationen verdichteten sich zusammen mit den bisherigen Kenntnissen des Klägers über Windenergieanlagen in L. zu einem objektiven Anhaltspunkt dafür, dass in der Nähe seines Wohnhauses bereits eine Windenergieanlage genehmigt worden sein könnte. Im Einzelnen:

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Kläger in I. in einer Art und Weise vernetzt ist, die ihn am üblichen Informationsaustausch teilhaben lässt. Ausgehend von den konkreten Lebensumständen des Klägers entspricht dies der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Kläger wohnt seit seiner Geburt auf dem elterlichen Hof im Ortsteil I. , der nach seiner Einschätzung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht etwa 70 bis 80Einwohner hat, und lebt dort zusammen mit seiner Mutter und seiner Lebensgefährtin. Da die Lokalzeitung, die die Mutter des Klägers abonniert hat, vorMärz 2014 wiederholt über die beabsichtigte Errichtung von zahlreichen Windenergieanlagen in L. berichtet hatte, es einen Filmbericht im WDR imMärz 2014 gab, in dem eine in der Nähe des Wohnhauses des Klägers genehmigte Windenergieanlage erwähnt wurde, und sich eine Bürgerinitiative wegen der Windenergieanlagen gebildet hatte, ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das Thema „Windenergie“ in L. einschließlich der damit verbundenen optischen und akustischen Auswirkungen für die Bewohner eine große Rolle spielte. Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, die Erteilung der in Rede stehenden Genehmigung müsse einer Vielzahl von Bewohnern im Ortsteil I. bekannt gewesen sein, so dass es jeder Lebenserfahrung widerspreche, dass der Kläger davon bisMärz 2014 nichts erfahren haben wolle, ist ohne Weiteres nachvollziehbar, auch wenn dies allein noch keinen Umstand darstellen mag, aufgrund dessen sich dem Kläger das Vorliegen einer Genehmigung hätte aufdrängen müssen. Der Kläger war jedoch nicht nur allgemein in den örtlichen Informationsaustausch zur Planung und Errichtung von Windenergieanlagen eingebunden. Vielmehr nahm er konkret im Abstand von zwei Tagen an zwei Veranstaltungen zum Thema „Windenergie“ in L. teil. Dies belegt zum einen sein besonderes Informationsinteresse und Engagement, zum anderen, dass ihm konkret Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Am 18.März 2014 besuchte der Kläger eine Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative „Wir das L. !“ in der Gaststätte „U. “ in I. . In dieser Veranstaltung wurden die Genehmigungsanträge für 59 Windenergieanlagen in L. angesprochen, wie sich aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Presseberichterstattung ergibt. Zwei Tage später fand die eben genannte und vom Kläger verfolgte Ratssitzung statt, die fast zweieinhalb Stunden dauerte. Ausweislich der Niederschrift nahm die geplante Änderung des Flächennutzungsplans betreffend Konzentrationszonen für Windenergieanlagen in der Sitzung breiten Raum ein. Thematisiert wurde unter anderem (Blatt9 der Niederschrift), dass dem Kreis M. Anträge für 59 Windenergieanlagen vorlägen, deren Entscheidung bisher zum Großteil zurückgestellt worden sei. Es folgte ein Hinweis auf die beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen anhängigen Verfahren. Weiter wurde erläutert, dass ohne einen Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans sämtliche Anträge für die Errichtung von Windenergieanlagen privilegiert seien und deren Errichtung dem Grunde nach nicht verhindert werden könne. Dass nicht alle, sondern (nur) ein Großteil der Genehmigungsanträge zurückgestellt worden war(en) und der Eindruck vermittelt wurde, dass man Windenergieanlagen wegen des noch fehlenden Aufstellungsbeschlusses nicht verhindern könne, legte es gerade vor dem Hintergrund anhängiger Gerichtsverfahren wegen Windenergieanlagen für jeden Zuhörer nahe, dass schon Genehmigungen erteilt worden sein könnten. Entscheidend für den vorliegenden Fall ist, worauf auch das Verwaltungsgericht maßgeblich abgestellt hat, der weitere Ablauf der Sitzung: Ein Ratsmitglied verdeutlichte die planungsrechtliche Bewertung der Bebauung im Hinblick auf Abstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung „am Beispiel der im Ortsteil I. zur Errichtung vorgesehenen Anlage“ (Blatt10 der Niederschrift). Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht entscheidend, wie dieser Satzisoliert betrachtet verstanden werden könnte, sondern welche Bedeutung ihm im Kontext der in der Ratssitzung thematisierten und sonstigen Umstände zukam. Der Kläger musste in seiner Eigenschaft als potentiell betroffener und interessierter Bürger, der bereits von der möglichen Errichtung von Windenergieanlagen in seiner Nähe wusste und deshalb thematisch besonders sensibilisiert war, diese Aussage als hinreichend deutliches Anzeichen dafür verstehen, dass eine Genehmigung für eine Anlage in I. vorliegen dürfte, weil die Errichtung der Anlage nicht (mehr) in Frage stehe. In einer solchen Situation, in der sich für ihn die Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Genehmigung dermaßen verdichtet hatten, durfte der Kläger als potentiell Betroffener nicht untätig bleiben; vielmehr musste er nach Treu und Glauben zur Wahrung seines eigenen (gefährdeten) Interesses die sich aufdrängende Erkenntnis, dass eine Genehmigung wahrscheinlich erteilt worden sein dürfte, zum Anlass nehmen, dies durch gezieltes Nachfragen bei der Behörde bestätigen oder dementieren zu lassen. Dies wäre dem Kläger auch ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen.

b) Die im Zulassungsverfahren dagegen vorgebrachten Einwände des Klägers greifen nicht durch.

aa) Entgegen der Ansicht des Klägers ist für die Berechnung der Widerspruchsfrist betreffend den Genehmigungsbescheid vom 9.August 2013 nur dieser und nicht der Ergänzungsbescheid vom 24.August 2015 maßgeblich. Dessen Erlass führte nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist gegen den Ausgangsbescheid erneut zu laufen begonnen hätte.

Weder hat sich der Genehmigungsbescheid vom 9.August 2013 durch den Abschluss des Vergleichs vom 25.Juni 2015 vor dem Verwaltungsgericht Minden in sonstiger Weise gemäß §43 Abs.2 Alt.5 VwVfG NRW erledigt noch enthält der Ergänzungsbescheid vom 24.August 2015 eine vollständige Neugenehmigung.

So bereits Senatsbeschluss vom 18.Dezember 2015 - 8 B 1108/15-, juris Rn.8, 20, in einem Eilverfahren des Klägers betreffend dieselben Bescheide.

In dem genannten gerichtlichen Vergleich haben sich die in jenen Verfahren Beteiligten auf näher bezeichnete Anpassungen, Änderungen oder Ersetzungen u.a. für die Genehmigung vom 9.August 2013 geeinigt und hat der Beklagte sich verpflichtet, einen entsprechenden Ergänzungsbescheid zu erlassen (§2 Abs.3 des Vergleichs). Allein der Umstand, dass die Genehmigung vom 9.August 2013 nach dem Willen der in jenem Verfahren Beteiligten nicht mehr in ihrer ursprünglichen Fassung ausgenutzt werden sollte – wie immer bei einer einvernehmlichen Änderung einer Genehmigung –, folgt nicht, dass sie keinerlei Gültigkeit mehr besitzen sollte. Von einer Erledigung oder vollständigen Ersetzung der ursprünglichen Genehmigung kann hier nicht ansatzweise die Rede sein. Dies ergibt sich auch aus dem Ergänzungsbescheid vom 24.August 2015, in dem es im zweiten Absatz des Tenors ausdrücklich heißt, der Genehmigungsbescheid vom 9.August 2013 gelte mit seinen Bedingungen, Auflagen und Hinweisen weiter, sofern nicht durch den Ergänzungsbescheid andere oder abweichende Feststellungen getroffen würden.

bb) Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe keine Aspekte benannt, „aufgrund derer sich dem Kläger das Vorliegen einer Genehmigung zugunsten der streitgegenständlichen Anlagen hätte aufdrängen müssen“. Entscheidend ist nicht, mit welchen Begriffen das Verwaltungsgericht die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls in seinen Urteilsgründen bezeichnet hat, sondern dass sie vorhanden waren: Der vom Kläger vermisste Aspekt ist aus den oben genannten Gründen der Hinweis in der Ratssitzung auf die Windenergieanlage im Ortsteil I. . Überdies liegt der Annahme der Verfristung im vorliegenden Fall eine Gesamtbetrachtung zugrunde. Die notwendige Anstoßwirkung ergab sich hier, wie ausgeführt, letztlich aus der Summe einzelner Umstände, wobei der Ratssitzung besonderes Gewicht zukommt.

Die Einwände des Klägers gegen die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Umstände führen nicht zum Erfolg. Die Berichterstattung über die geplanten Windenergieanlagen in Presse und Fernsehen im Frühjahr 2014 ist, wie oben dargestellt, ein ergänzender Gesichtspunkt in einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass der beschließende Senat in seinem Beschluss vom 18.Dezember 2015 - 8 B 1108/15-, juris Rn.31, in einem Eilverfahren mit Beteiligung des Klägers angenommen hatte, dass (allein) der Hinweis auf die örtlichen Zeitungen nicht genüge, um von einer Kenntnis des Klägers der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen auszugehen. Diese Einschätzung hat der Senat allerdings in seinem Beschluss vom 19.Oktober 2016 - 8 B 594/16-, juris Rn.22, in einem späteren Eilverfahren mit Beteiligung des Klägers nach genauerer Kenntnis aller weiteren relevanten Umstände und zusätzlichem Sachvortrag der Beigeladenen zu1. ausdrücklich revidiert. Dort hat der Senat ausgeführt, die im Frühjahr 2014 veröffentlichten Zeitungsartikel belegten die öffentlichkeitswirksame und emotionale Auseinandersetzung um Windenergieanlagen in L. , so dass dem Kläger auch aufgrund anderer, näher bezeichneter Umstände hätte klar sein müssen, dass in der Umgebung seines Wohnhauses Windenergieanlagen genehmigt worden seien.

In Bezug auf die Informationsveranstaltung im „U. “ am 18.März 2014 rügt der Kläger ohne Erfolg, allein die Beantragung von Genehmigungen für Windenergieanlagen stelle keinen Umstand dar, aufgrund dessen sich die Erteilung einer Genehmigung für eine Windenergieanlage hätte aufdrängen müssen. Dies trifft zwar zu. Das Verwaltungsgericht hat aber das Kennenmüssen des Klägers nicht aus dieser Informationsveranstaltung abgeleitet, sondern diese zutreffend als einen Aspekt in einer umfassenden Gesamtbetrachtung angeführt.

Das Vorbringen des Klägers zum Filmbericht des WDR vom 22.März 2014 steht der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht entgegen. Dieser Filmbericht,

der die Windkraftproblematik in I. betraf und eine in der Nähe des Wohnhauses des Klägers genehmigte Windenergieanlage erwähnte (so OVG NRW, Beschluss vom 19.Oktober 2016 - 8 B 594/16-, Beschlussabdruck, S.8, der Teil der ausweislich des angefochtenen Urteils beigezogenen Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Minden 11 L 59/16 ist),

stellt einen ergänzenden Gesichtspunkt im Rahmen der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls dar. Wie oben dargestellt, ist der Bericht insoweit relevant, als zumindest andere Bewohner von I. diesen Bericht gesehen haben werden und er auf diese Weise Thema des üblichen Informationsaustausches in I. geworden ist.

Wenn der Kläger vorträgt, die streitgegenständlichen Anlagen hätten sich außerhalb der dargestellten Konzentrationszonen für Windenergieanlagen des gültigen Flächennutzungsplanes befunden, so dass er sich habe „in Sicherheit wiegen“ dürfen, dass keine Genehmigung erteilt werden würde, räumt er damit der Sache nach ein, dass ihm schon damals die Standorte der Windenergieanlagen in groben Zügen bekannt waren. Dies widerspricht seinem Vorbringen, es sei nicht erkennbar, „aus welchen Umständen sich ergeben sollte, dass sich bestimmte Genehmigungen auf das Wohnumfeld des Klägers beziehen sollten“.

Das Verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der Kläger aus dem Umstand, dass ein Verfahren der Beigeladenen zu2. beim beschließenden Senat betreffend die in Rede stehende immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 9.August 2013 anhängig war, hätte schließen müssen, dass eine Genehmigung erteilt worden war. Es hat lediglich – wie bereits der Senat in seinem dem Kläger bekannten Beschluss vom 19.Oktober 2016 - 8 B 594/16-, juris Rn.24 – vermutet, dass der Kläger deswegen erst imAugust 2015 Widerspruch gegen die Genehmigung erhoben haben könnte, weil er zunächst den Ausgang des Rechtsstreits der Beigeladenen zu2. wegen dieser Genehmigung abwarten wollte. Das angefochtene Urteil ist allerdings nicht auf diese Vermutung gestützt.

Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht gemeint, er hätte sich hinsichtlich des Inhalts der Stellungnahme des Zeugen Hartig vom 18.Juni 2014 bei diesem erkundigen müssen, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat das angefochtene Urteil darauf gestützt, dass der Kläger bereits imMärz 2014 Kenntnis von der streitbefangenen Genehmigung hätte haben müssen. Auf die Umstände der späteren Unterschriftenaktion imJuni 2014 kommt es daher für die Annahme der Verwirkung des Widerspruchsrechts nicht mehr an.

Die Ausführungen des Klägers zu Treu und Glauben bei der Bewertung der Verwirkung von Klagerechten betreffen hypothetische Fallgestaltungen („wäre“, „hätte“ usw.), die das erstinstanzliche Urteil schon deswegen nicht durchgreifend in Frage stellen können.

2. Das Verfahren ist nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten gemäß §124 Abs.2 Nr.2 VwGO zuzulassen.

Ob die tatsächlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, ein Widerspruchsrecht als verwirkt anzusehen, hängt nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts von den Umständen des Einzelfalls ab. Dass diese hier besondere Schwierigkeiten begründen könnten, ist weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich. Wie die „Kenntnis der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Klagemöglichkeiten nach dem UmwRG“ die Klagefrist erneut in Gang setzen soll, ist weder näher dargelegt noch sonst ersichtlich.

Die Auswirkungen des gerichtlichen Vergleichs vom 25.Juni 2015 auf die Ausgangsgenehmigung begründen ebenfalls keine besonderen Schwierigkeiten. Wie oben ausgeführt, hat sich die Genehmigung vom 9.August 2013 dadurch nicht erledigt, sondern ändert der Ergänzungsbescheid vom 24.August 2015 diese nur in einigen Punkten ab. Die Widerspruchs?/Klagefrist für den Bescheid vom 9.August 2013 beginnt nach Erlass des Ergänzungsbescheides nicht erneut zu laufen.

Das Verfahren weist auch nicht deswegen besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf, weil der Senat in seinen Beschlüssen vom 18.Dezember 2015 ?8 B 1108/15 - und vom 19.Oktober 2016 - 8 B 594/16 - die Zulässigkeit der Klage unterschiedlich beurteilt hat. Diese Beschlüsse sind in Eilverfahren mit jeweils summarischer Prüfung aufgrund der zum jeweiligen Beschlusszeitpunkt bekannten Umstände des Einzelfalls ergangen. Im Zeitpunkt des ersten Beschlusses lagen dem Senat noch nicht alle relevanten Informationen vor.

3. Die Berufung ist schließlich nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem das erstinstanzliche Urteil beruhen kann (§124 Abs.2 Nr.5 VwGO).

a) Das Verwaltungsgericht hat nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Der Umstand, dass es entgegen der Ansicht des Klägers (zu Recht) nicht angenommen hat, dass die Genehmigung vom 9.August 2013 durch den Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom 25.Juni 2015 als in sonstiger Weise erledigt anzusehen sei, begründet keinen Gehörsverstoß. Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Urteilsabdruck, Seite8) belegen vielmehr, dass das Verwaltungsgericht die entgegenstehende Auffassung des Klägers ausdrücklich zur Kenntnis genommen hat.

b) Mit der pauschalen und nicht näher begründeten Rüge, das Verwaltungsgericht habe mit seiner „fehlerhaften Beweiswürdigung“ gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, den Überzeugungsgrundsatz und das Willkürverbot verstoßen, legt der Kläger keinen Verfahrensmangel i. S.v. §124 Abs.2 Nr.5 VwGO dar.

Die Kostenentscheidung folgt, soweit der Zulassungsantrag abgelehnt wurde, aus den §§154 Abs.2, 162 Abs.3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu1. sind erstattungsfähig, weil sie als notwendig Beigeladene hinreichenden Anlass hatte, sich in das Verfahren mittels anwaltlicher Unterstützung einzubringen. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu2. sind nicht erstattungsfähig. Sie hat im Zulassungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.