FG Münster, Urteil vom 10.10.2019 - 5 K 2662/16 U
Fundstelle
openJur 2019, 34502
  • Rkr:
Tenor

Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 02.12.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 und des Änderungsbescheides vom 29.05.2019 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer 2010 um 363,35 € gemindert und auf 12.368,30 € festgesetzt wird.

Der Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 02.12.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer 2011 um 276,65 € gemindert und auf 12.685,85 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 72% und der Beklagte zu 28%.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um die Frage, ob Beförderungsleistungen des Klägers und der G GmbH als dem Unternehmen des Klägers eingegliederte Organgesellschaft anteilig als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln sind.

Der Kläger betrieb in den Jahren 2003 bis 2009 ein Gewerbe für Krankentransporte und für Beförderungsleistungen für Menschen mit Behinderung sowie für ältere und kranke Personen. Im Dezember 2009 gründete er zusammen mit Herrn K N, seinem Sohn, die G GmbH (G GmbH), welche ab 2010 das Gewerbe weiter ausübte. Der Kläger verpachtete ab diesem Zeitpunkt seinen Betrieb einschließlich eines betrieblich genutzten Grundstücks an die G GmbH. Im Zeitpunkt der Gründung waren der Kläger zu 60% und Herr K N zu 40% an der G GmbH beteiligt. Beide Gesellschafter waren zum Geschäftsführer bestellt. Zum 31.05.2012 übertrug der Kläger seine Anteile auf seine Ehefrau und beendete seine Tätigkeit als Geschäftsführer. Die Ehefrau des Klägers hielt die Anteile an der G GmbH bis zum 18.06.2014 und übertrug diese dann auf Herrn K N, welcher seit diesem Zeitpunkt alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der G GmbH ist.

Die G GmbH war unstreitig ab ihrer Gründung bis zum 31.05.2012 als Organgesellschaft in einen umsatzsteuerlichen Organkreis mit dem Kläger als Organträger eingebunden. Die Organschaft endete mit Übertragung der Geschäftsanteile des Klägers auf seine Ehefrau.

Der Kläger sowie die G GmbH besaßen jeweils eine Genehmigung nach § 49 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zur Durchführung von Krankenfahrten (vgl. Bl. 477 f. der Gerichtsakte). Beide rechneten ihre erbrachten Transportleistungen teilweise direkt gegenüber gesetzlichen Krankenkassen und Berufsgenossenschaften ab. Hierfür war erforderlich, dass die Krankenbeförderung ärztlich verordnet worden war. Bei den so abgerechneten Beförderungsleistungen handelte es sich um Krankenfahrten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Sozialgesetzbuches (SGB) V und im Sinne der Krankentransport-Richtlinie (Richtlinie über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 SGB V). Die Krankenkassen erstatteten unterschiedliche Kilometersätze. Grundlage dieser Abrechnungen waren Verträge mit den Verbänden der Krankenkassen über die Durchführung von Krankenfahrten (vgl. exemplarisch Bl. 312 ff. und Bl. 477 ff. der Gerichtsakte). Nur wenn eine Krankenkasse die Erstattung der Kosten ablehnte, erhielt die beförderte Person selbst eine Rechnung. Daneben führte der Kläger sowie die G GmbH hauptsächlich Beförderungsleistungen, insbesondere von Menschen mit einer Behinderung, aufgrund von Vereinbarungen mit verschiedenen Einrichtungen und Verbänden, z.B. des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Arbeitsämtern und verschiedenen Krankenhäusern, durch. Auf die ausführliche Darstellung des Klägers im Schreiben vom 13.09.2019 (Bl. 460 der Gerichtsakte) sowie die Aufstellung über die Verteilung der erzielten Einnahmen auf die verschiedenen Kostenträger für die Jahre 2009 bis 2011 (Bl. 561 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Für die Jahre 2009 und 2012 reichte der Kläger Umsatzsteuerjahreserklärungen beim Beklagten ein. Die eingereichten Steuererklärungen standen als Steueranmeldungen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Die danach festgesetzten Umsatzsteuern betrugen 766,41 € (2009) und ./. 12.469,28 € (2012). Für die Jahre 2010 und 2011, für die der Kläger keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben hatte, erfolgten zunächst keine Umsatzsteuerfestsetzungen. Der Vorbehalt der Nachprüfung für den Umsatzsteuerbescheid 2009 wurde ohne eine Änderung der festgesetzten Umsatzsteuer mit Bescheid vom 16.06.2011 aufgehoben.

Mit Beginn am 04.11.2014 führte das Finanzamt B im Auftrag des Beklagten bei dem Kläger für die Jahre 2009 bis 2012 und bei der G GmbH für die Jahre 2010 bis 2014 eine Betriebsprüfung durch. Die beiden Prüferinnen kamen dabei u.a. zu folgenden Feststellungen:

In den Streitjahren seien teilweise zu Unrecht Umsätze als nach § 4 Nr. 17 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfrei behandelt worden. Denn es seien teilweise Fahrdienste mit Fahrzeugen erbracht worden, die nicht für die Beförderung von kranken und verletzten Personen besonders eingerichtet gewesen seien. So seien ältere Menschen zur Tagespflege oder Personen zum Krankenhaus befördert worden, die während der Fahrt auf den in den verwendeten Fahrzeugen serienmäßig eingebauten Sitzen Platz genommen hätten. Allein der Umstand, dass bei diesen Fahrzeugen eine seitlich ausfahrbare Trittstufe angebracht gewesen sei, qualifiziere diese nicht als besonders eingerichtet im Sinne des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG. Daher seien Beförderungsleistungen, die in den Jahren 2010 bis 2012 mit vier serienmäßig ausgestatteten Fahrzeugen (Automarke, Automarke, Automarke und Automarke) durchgeführt worden seien, grundsätzlich als steuerpflichtig zu behandeln, da diese zu keinem Zeitpunkt besonders eingerichtet gewesen seien. Daneben hätte das Fahrdienstunternehmen des Klägers bzw. der G GmbH über fünf Kombifahrzeuge verfügt, die nicht als Krankenfahrzeuge von der Kraftfahrzeugsteuer (Kfz-Steuer) befreit worden seien. Bei diesen habe die Möglichkeit bestanden, sie für die Fahrten jeweils besonders einzurichten oder ohne eine solche Einrichtung die Fahrten durchzuführen. Die übrigen vom Kläger bzw. von der G GmbH verwendeten Fahrzeuge seien für die Beförderung von kranken und verletzten Menschen besonders eingerichtet gewesen, denn es handele sich um zur Krankenbeförderung i.S. des § 3 Nr. 5 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) zugelassene Fahrzeuge, die von der Kfz-Steuer befreit gewesen seien.

Wegen dieser Unterschiede bei den Fahrzeugen hätte für jede einzelne Beförderungsleistung dokumentiert werden müssen, mit welchem Fahrzeug diese ausgeführt worden sei. Denn nur soweit die Beförderung mit einem Fahrzeug in einem besonders eingerichteten Zustand ausgeführt worden sei, sei diese Leistung gem. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Im Fall der Verwendung eines Fahrzeuges im serienmäßigen Zustand sei die damit bewirkte Beförderungsleistung steuerpflichtig. Da eine solche Dokumentation nicht vorliege, sei die Aufteilung nachträglich im Schätzungswege vorzunehmen. Ferner sei auf die danach steuerpflichtigen Umsätze grundsätzlich der Regelsteuersatz (19%) anzuwenden, denn der Kläger und die G GmbH seien nicht im Besitz einer Genehmigung für den Verkehr mit Taxen, sondern nur für den Verkehr mit Mietwagen gewesen. Eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (7%) nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG scheide daher aus. Etwas anderes gelte nur, soweit die Fahrten auf der Grundlage von Sondervereinbarungen erfolgt seien, welche der Kläger bzw. die G GmbH als Mietwagenunternehmer mit Großkunden (insb. Krankenkassen) geschlossen hätten und welche diese Großkunden auch mit Taxiunternehmen abschließen würden. Vor diesem Hintergrund hätten die mangels Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG grundsätzlich steuerpflichtigen Umsätze wiederum unterteilt werden müssen zwischen solchen, die der Anwendung des Regelsteuersatzes unterlägen, und solchen, die dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Eine solche Trennung sei jedoch nicht erfolgt, so dass die gebotene Aufteilung im Wege einer Schätzung zu erfolgen habe.

Die Prüferinnen gingen bei ihren Schätzungen wie folgt vor: Sie unterschieden für die Jahre 2010 bis 2012 zunächst nach Fahrzeugen. Die mit den Pkw ausgeführten Beförderungsleistungen seien grundsätzlich steuerpflichtig. Die Umsätze, die mit den nicht von der Kfz-Steuer befreiten Kombifahrzeugen ausgeführt worden seien, seien zu 50% als steuerpflichtig zu behandeln. Die mit den übrigen und als Fahrzeuge zur Krankenbeförderung von der Kfz-Steuer befreiten Fahrzeugen bewirkten Umsätze seien, wie von dem Kläger auch im Rahmen der Prüfung beantragt worden sei, zu 90% als steuerfrei und zu 10% als steuerpflichtig anzusehen. Auf die danach insgesamt steuerpflichtigen (Netto-)Umsätze sei wiederum in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers im Umfang von 15% der Regelsteuersatz und im Umfang von 85% der ermäßigte Steuersatz anzuwenden.

Die steuerpflichtigen Umsätze für die Jahre 2009 bis 2012, die sich danach ergäben, ermittelten die Prüferinnen wie folgt: Nach ihren Berechnungen betrage für die Jahre 2010 bis 2012 die jährliche Gesamtfahrleistung der für Beförderungsleistungen verwendeten Fahrzeuge 975.137 km (2010), 1.139.112 km (2011) und 1.425.864 km (2012). Die nach ihrer Auffassung steuerpflichtige Fahrleistung der serienmäßig ausgestatten Pkw sowie der nicht von der Kfz-Steuer befreiten Kombifahrzeuge betrage 217.335 km (2010), 175.633 km (2011) und 182.288 km (2012). Ferner setzten sie den jeweiligen Jahresumsatz aus der Beförderungstätigkeit ins Verhältnis zu der von ihnen, den Prüferinnen, ermittelten jährlichen Gesamtfahrleistung für die Jahre 2010 bis 2012, woraus sich ein rechnerischer Umsatz für jeden gefahrenen Kilometer ergab (2010: 1,00 €; 2011: 1,07 €; 2012: 1,03 €). In der Multiplikation dieses Kilometerumsatzes mit der aus ihrer Sicht als steuerpflichtig zu behandelnden Fahrleistung der Pkw und der nicht von der Kfz-Steuer befreiten Kombifahrzeuge ergab sich danach ein steuerpflichtiger (Brutto-)Umsatz (2010: 217.124,44 €; 2011: 187.879,96 €; 2012: 188.216,70 €). Hinsichtlich der Differenz zwischen dem Gesamtumsatz und diesen steuerpflichtigen Umsätzen sahen die Prüferinnen wiederum 10% als steuerpflichtigen (Brutto-)Umsatz an, der mit den von der Kfz-Steuer befreiten Fahrzeugen bewirkt worden sei (2010: 75.706,81 €; 2011: 103.066,61 €; 2012: 128.402,17 €). Danach seien vom Gesamtumsatz 2010 (brutto) insgesamt 292.831,24 € (30,06%), vom Gesamtumsatz 2011 (brutto) insgesamt 290.9465,58 € (23,88%) und vom Gesamtumsatz 2012 (brutto) insgesamt 316.618,87 € (21,51%) als steuerpflichtige Umsätze zu behandeln (vgl. Anlage 1 zum Betriebsprüfungsbericht, Bl. 87 der Betriebsprüfungsakte). Für das Jahr 2009 sei davon ausgehend der steuerpflichtige Anteil am Gesamtumsatz (brutto) pauschal mit 25% (222.119,34 €) anzusetzen.

Ausgehend von diesen insgesamt steuerpflichtigen Beförderungsumsätzen seien dann jeweils 15% dem Regelsteuersatz zu unterwerfen und 85% dem ermäßigten Steuersatz. Danach ergäben sich für den Kläger unter Berücksichtigung der zum 31.05.2012 endenden Organschaft folgende, wegen der erbrachten Beförderungsleistungen zum Regelsteuersatz zu versteuernde Umsätze (netto): 2009: 27.998,24 €; 2010: 36.911,50 €; 2011: 36.673,94 €; 2012 (bis zum 31.05.): 16.629 €. Dem ermäßigten Steuersatz unterlägen hingegen folgende Umsätze (netto): 2009: 176.449,94 €; 2010: 232.622,95 €; 2011: 231.125,79 €; 2012 (bis zum 31.05.): 104.799,86 €. Entsprechend der steuerpflichtigen Umsätze sei auch ein anteiliger Vorsteuerabzug zu berücksichtigen, in 2009 i.H.v. 8.705,67 €, in 2010 i.H.v. 11.933,06 €, in 2011 i.H.v. 10.544,37 € und in 2012 (bis zum 31.05.) i.H.v. 5.999,74 €.

Der Kläger und die G GmbH hätten zudem in den Streitjahren jedes Jahr Umsätze aus der Beförderung von Essenscontainern und Medikamenten i.H.v. jeweils zwischen 12.000 € und 15.000 € erzielt. Der Betrag sei jedoch mit dem geschätzten Anteil an steuerpflichtigen Umsätzen abgegolten. Es seien ferner unternehmerische Fahrzeuge und Telefone für private Zwecke verwendet worden. Dementsprechend habe der Kläger eine unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern (vgl. Tz. 2.4 und 2.5 des Betriebsprüfungsberichts, Bl. 78 und 97 der Betriebsprüfungsakte). Darüber hinaus habe der Kläger in 2009 und 2010 steuerpflichtige Umsätze aus der Veräußerung von betrieblichem Anlagevermögen erzielt (vgl. Tz. 2.6 des Betriebsprüfungsberichts, Bl. 79 der Betriebsprüfungsakte). Schließlich sei die Herkunft der Mittel für betriebliche Einlagen ungeklärt, sodass diese als umsatzsteuerpflichtige (Brutto-)Entgelte zu behandeln seien (2009: 40.160,33 €; 2010: 49.039,67 €; 2011: 4.450 €).

Wegen der weiteren Einzelheiten der Prüfungsfeststellungen wird sowohl auf den Betriebsprüfungsbericht hinsichtlich des Klägers (Bl. 70 der Betriebsprüfungsakte) als auch hinsichtlich der G GmbH (Bl. 69 der Betriebsprüfungsakte der G GmbH), jeweils vom 30.10.2015, Bezug genommen.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferinnen und setzte die Umsatzsteuer 2009 mit einem nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 23.11.2015 auf 17.753,47 € fest. Die Umsatzsteuer 2010 bis 2011 setzte der Beklagte jeweils mit Bescheid vom 02.12.2015 erstmalig auf 20.561,55 € (2010) und auf 13.673,10 € (2011) fest. Die Umsatzsteuer 2012 setzte der Beklagte mit einem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 23.11.2015 auf ./. 11.836,02 € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit diesem Bescheid aufgehoben.

Gegen diese Steuerfestsetzungen legte der Kläger jeweils am 21.12.2015 Einsprüche ein. Nach seiner Auffassung seien alle seine Umsätze bzw. die Umsätze der G GmbH nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG als steuerfrei zu behandeln. Alle verwendeten Fahrzeuge seien besonders eingerichtet gewesen. Denn sie hätten zumindest über eine für die Beförderung von kranken und verletzten Personen eingebaute Trittstufe verfügt. Es seien ausschließlich kranke Personen befördert worden. Ferner sei die Schätzung des Beklagten nicht nachvollziehbar. Schließlich sei die Herkunft der Mittel für die betrieblichen Einlagen nicht ungeklärt.

Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Soweit Beförderungsleistungen mittels serienmäßig ausgestatteter Fahrzeuge erbracht worden seien, fehle es bereits an einem besonders eingerichteten Fahrzeug. Die verwendeten Kombifahrzeuge ließen sich mittels jeweiliger Umrüstung sowohl als für Krankenfahrten besonders eingerichtete Fahrzeuge als auch als serienmäßig ausgestattete Fahrzeuge verwenden. Mit den Fahrzeugen hätten auch gesunde Personen, z.B. Begleitpersonen, befördert werden können. Insoweit sei die Beförderungsleistung ebenfalls nicht steuerfrei nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG. Er, der Beklagte, sei zur Schätzung befugt gewesen, da weder der Kläger noch die G GmbH Aufzeichnungen darüber geführt hätten, für welche Beförderungsleistungen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorgelegen hätten und für welche nicht. Die Herkunft der Mittel der betrieblichen Einlagen sei weiterhin ungeklärt und daher zutreffend als unversteuerte Einnahmen behandelt worden.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 22.08.2016 Klage erhoben.

Mit Änderungsbescheiden vom 29.05.2019 hat der Beklagte die Umsatzsteuer 2009 auf 11.341,35 €, die Umsatzsteuer 2010 auf 12.731,65 € und die Umsatzsteuer 2011 auf 12.962,50 € gemindert. Damit half der Beklagte dem klägerischen Begehren hinsichtlich der bisher als umsatzsteuerpflichtige Bruttoeinnahmen behandelten betrieblichen Einlagen ab (vgl. Bl. 288, 291 und 353 der Gerichtsakte).

Der Kläger trägt vor, dass er weiterhin der Auffassung sei, dass hinsichtlich sämtlicher Beförderungsleistungen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG vorlägen. So sei auch eine Trittstufe ausreichend, um von einem besonders eingerichteten Fahrzeug auszugehen. Alle beförderten Personen seien wegen deren im Verhältnis vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichenden Körper- und Geisteszustandes krank gewesen. Nach § 49 PBefG habe er bzw. die G GmbH nur kranke Menschen, nicht aber gesunde Personen befördern dürfen. Die Krankentransporte anderer Dienstleister, wie z.B. des Anbieters E, würden als umsatzsteuerfrei behandelt. Ferner könne er, der Kläger, sich auf die unmittelbare Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) berufen. Bei den Leistungen, nämlich dem Transport von kranken Personen, handele es sich um eng mit der Sozialfürsorge verbundene Leistungen. Er, der Kläger, sowie die G GmbH gehörten auch in persönlicher Hinsicht zu dem Kreis der durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL begünstigten Unternehmer. Denn die Leistungen seien entweder direkt von Sozialleistungsträgern oder von sozial Leistungsberechtigten bezahlt worden. Der Anwendungsbereich dieser Steuerbefreiung werde auch nicht durch die Regelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL eingeschränkt. Die Behandlung der Beförderungsleistungen als steuerfrei folge zudem aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer. Wenn die im Rahmen der Krankenbeförderung erzielten Umsätze von Einrichtungen des öffentlichen Rechts nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG und unabhängig von der Beschaffenheit des verwendeten Fahrzeugs steuerfrei seien, müsse dies auch für ihn, den Kläger, sowie für die G GmbH als private Anbieter gelten.

Es seien nur im geringfügigen Umfang anlässlich der jeweils durchgeführten Krankentransporte Essens- und Medikamentenlieferungen durchgeführt worden. Diese seien wie die von den Prüferinnen festgestellten unentgeltlichen Wertabgaben ebenfalls steuerfrei.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 23.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 und des Änderungsbescheides vom 29.05.2019 aufzuheben,

die Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011 vom 02.12.2015, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 und der Änderungsbescheide vom 29.05.2019, jeweils auf 0 Euro festzusetzen und

den Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 23.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 aufzuheben,

hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass mangels geführter Aufzeichnungen zwischen drei Fallgruppen an Fahrten zu unterscheiden sei: 1. Fahrten mit Fahrzeugen, die besonders für den Transport kranker Personen eingerichtet seien; 2. Fahrten, die mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw ohne jegliche Sonderausstattung durchgeführt worden seien; 3. Fahrten, die mit umrüstbaren Kombifahrzeugen durchgeführt worden seien. Entgegen der Auffassung des Klägers reiche eine Trittstufe nicht aus, damit ein Fahrzeug besonders eingerichtet i.S.d. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG sei. Hinsichtlich der Fahrten, die mit den Fahrzeugen, die für den Transport kranker Personen besonders eingerichtet gewesen seien, sei im Wege der Schätzung mangels geführter Aufzeichnungen im Umfang von 90% davon auszugehen, dass die beförderten Personen auf die Beförderung in einem solchen Fahrzeug angewiesen gewesen seien. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass mit diesen Fahrzeugen auch Personen befördert worden seien, für deren Beförderung kein besonders eingerichtetes Fahrzeug notwendig gewesen wäre. Die entsprechenden Umsätze seien insoweit nicht als steuerfrei zu behandeln. Die Notwendigkeit sei auch leicht mittels einer entsprechenden ärztlichen Verordnung für den Transport nachweisbar. Ferner sei nicht auszuschließen, dass mit den besonders eingerichteten Fahrzeugen Essens- und Medikamententransporte durchgeführt worden seien. Die Beförderungsleistungen seien auch nicht nach § 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei. Denn die Beförderung sei keine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung. So werde die Beförderung von kranken und verletzten Personen ausdrücklich in Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL geregelt. Nur im Fall einer mit der Beförderung gleichzeitig einhergehenden medizinischfachlichen Betreuung falle diese in den Anwendungsbereich des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Der Kläger und die G GmbH hätten jedoch im Rahmen der Beförderung keine medizinischen Betreuungsleistungen erbracht. Soweit der Anwendungsbereich des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL jedoch eröffnet sei, stünde der Steuerbefreiung Art. 134 Buchst. b MwStSystRL entgegen. Denn der Kläger und die G GmbH stünden mit den unter Verwendung nicht besonders eingerichteter Fahrzeuge erbrachten Beförderungen im Wettbewerb mit anderen gewerblichen Unternehmern. Die Beförderung betreffe auch nicht den Kernbereich des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL.

Auf Hinweis des Berichterstatters hat der Beklagte die Berechnungen der Prüferinnen korrigiert. Die berichtigte Berechnung würde zu einer Minderung der Umsatzsteuer 2010 und 2011 sowie zu einer geringen Erhöhung der Umsatzsteuer 2012 führen. Der Anteil der steuerpflichtigen Umsätze (brutto) beträgt danach für 2010 29,03% (bisher 30,06%), für 2011 23,30% (bisher 23,88%) und für 2012 20,69% (bisher 21,51%). Die bisher festgesetzte Umsatzsteuer würde sich danach wie folgt ändern (vgl. Bl. 380 der Gerichtsakte und Bl. 92 der Betriebsprüfungsakte für 2010 und 2011, Bl. 376 der Gerichtsakte und Bl. 96 der Betriebsprüfungsakte für 2012): Umsatzsteuer 2010: ./. 363,35 € (10.332,04 € ./. 9.968,69 €), Umsatzsteuer 2011: ./. 276,65 € (11.441,15 € ./. 11.164,50 €) und Umsatzsteuer: 2012 + 4,59 € (./. 205,97 ./. (./.) 201,38 €). Für die Umsatzsteuer 2009 würden sich keine Änderungen ergeben. Insoweit hält der Beklagte an seiner Schätzung des Anteils an steuerpflichtigen Umsätzen i.H.v. 25% der erklärten Gesamtumsätze fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Beklagten vom 28.05.2019 Bezug genommen (Bl. 366 ff. der Gerichtsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte zum Verfahren 5 K 2664/16 sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Die Sache ist am 12.04.2018 vor der damaligen Berichterstatterin erörtert und am 10.10.2019 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf die Protokolle wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat nur in geringem Umfang Erfolg.

Die Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011, jeweils vom 02.12.2015 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 sowie des Änderungsbescheides vom 29.05.2019, sind im tenorierten Umfang rechtswidrig und verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO). Denn die (ursprüngliche) Schätzung des Beklagten hinsichtlich der steuerpflichtigen Beförderungsleistungen ist insoweit zu beanstanden. Der Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 23.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 ist zwar rechtswidrig, verletzt den Kläger aber nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn die Schätzung des Beklagten hinsichtlich des steuerpflichtigen Umsatzes ist im geringen Umfang unzutreffend, dies wirkt sich jedoch zu Gunsten des Klägers aus. Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 23.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 und des Änderungsbescheides vom 29.05.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Insoweit ist die Schätzung des Beklagten hinsichtlich des steuerpflichtigen Umsatzes nicht zu beanstanden.

Die in den Streitjahren vom Kläger bzw. von der G GmbH ausgeführten Umsätze sind unter Anwendung des nationalen Rechts nur teilweise steuerfrei (hierzu I.). Die danach steuerpflichtigen Umsätze sind auch nicht bei unmittelbarer Anwendung der Bestimmungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie als steuerfrei zu behandeln (hierzu II. bis V.).

I. Die vom Kläger in den Streitjahren ausgeübten Beförderungsumsätze sind nur teilweise steuerfrei nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG.

1. Nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG ist die Beförderung von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind, steuerfrei.

Die Vorschrift beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. p der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL- (bis zum 31.12.2006 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. p der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG -Richtlinie 77/388/EWG-), wonach von ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen durchgeführte Beförderungen von kranken und verletzten Personen in dafür besonders eingerichteten Fahrzeugen steuerfrei sind.

Nach der Entstehungsgeschichte sollte mit der Einführung dieser Vorschrift das private Krankentransportgewerbe von der Umsatzsteuer freigestellt werden, um hierdurch eine Gleichstellung mit der öffentlichen Hand, den Krankenhäusern und den Wohlfahrtsverbänden zu erreichen, die mit ihren Krankenbeförderungen bereits steuerfrei gestellt waren (vgl. Begründung zum Entwurf eines UStG 1979, BT-Drucks 8/1779, S. 34, 35; BFH, Urteil vom 18.01.1995, XI R 71/93, BStBl II 1995, 559).

§ 4 Nr. 17 Buchst. b UStG verlangt in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL nur, dass es sich bei den sonstigen Leistungen um Tätigkeiten handelt, die ihrer Art nach die Beförderung von kranken und verletzten Personen mit besonders eingerichteten Fahrzeugen zum Gegenstand haben (BFH, Urteil vom 18.01.1995, XI R 71/93, BStBl II 1995, 559).

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG müssen für jeden einzelnen Umsatz vorliegen. Die Regelung bezieht sich auf die konkrete Beförderungsleistung. Denn befreit wird danach die (jeweilige) Beförderung von kranken und verletzten Personen in einem hierfür besonders eingerichteten Fahrzeug. Die Feststellungslast trägt der Steuerpflichtige. Dieser kann den Nachweis, dass Gegenstand eines ausgeführten Umsatzes die Beförderung einer kranken oder verletzten Person mit einem hierfür besonders eingerichteten Fahrzeug war, z.B. mittels entsprechender Aufzeichnungen in einem Fahrtenbuch erbringen.

2. Die Umsätze des Klägers und der G GmbH hatten jeweils die Beförderung von kranken Personen im Sinne des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG zum Gegenstand.

a) Eine Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieser regelwidrige Zustand von Dauer oder vorübergehender Natur ist (vgl. BFH, Urteil vom 12.08.2004, V R 45/03, BStBl II 2005, 314, Rn. 27 mit Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 08.03.1990, 3 RK 24/89, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1990, 2952, sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.12.1986, IVa ZR 78/85, NJW 1987, 703).

Eine körperliche oder geistige Behinderung, beispielsweise eine Querschnittslähmung, die dazu führt, dass sich der Betroffene lediglich mit Hilfe eines Rollstuhls fortbewegen kann, stellt einen regelwidrigen Zustand im Sinne dieser Definition dar. Ob dieser von Dauer oder nur vorübergehend ist, ist unerheblich; denn nach dem Zweck der Vorschrift soll die Beförderung kranker und verletzter Personen mit hierzu erforderlicher Sonderausrüstung der Fahrzeuge teilweise von der Umsatzsteuer entlastet werden (BFH, Urteil vom 12.08.2004, V R 45/03, BStBl II 2005, 314).

b) Der Senat geht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze davon aus, dass die von dem Kläger und der G GmbH beförderten Personen krank oder verletzt i.S.d. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG waren. Dafür spricht, dass sowohl der Kläger als auch die G GmbH nur eine Genehmigung für die Durchführung von Krankentransporten nach § 49 PBefG besaßen (Bl. 477 f. der Gerichtsakte). Entgegenstehende Anhaltspunkte sind bei den Betriebsprüfungen nicht festgestellt worden und hat der Beklagte im finanzgerichtlichen Verfahren auch nicht vorgetragen.

3. Der Senat konnte jedoch nicht feststellen, dass jede von dem Kläger bzw. von der G GmbH in den Streitjahren ausgeführte Beförderung einer kranken Person in einem Fahrzeug erfolgte, das für den Transport dieser Person besonders eingerichtet gewesen war im Sinne des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 12.08.2004, V R 45/03, BStBl II 2005, 314, Rn. 32) ist ein Fahrzeug i.S.d. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG für die Beförderung von kranken und verletzten Personen besonders eingerichtet, wenn es durch die vorhandenen Einrichtungen die typischen Merkmale eines Krankenfahrzeugs aufweist, z.B. Liegen oder Spezialsitze. Zu den Krankenfahrzeugen gehören danach nur solche Fahrzeuge, die nach ihrer gesamten Bauart und Ausstattung speziell für die Beförderung verletzter und kranker Personen bestimmt sind. Bei Fahrzeugen, die nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkannt sind (§ 4 Abs. 6 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG)), ist stets davon auszugehen, dass sie für die Beförderung von kranken und verletzten Personen besonders eingerichtet sind (vgl. auch Abschn. 4.17.2 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteueranwendungserlasses - UStAE). Beförderungen mit serienmäßigen PKW, die (lediglich) mit blauem Rundumlicht und Einsatzhorn (sog. Martinshorn) ausgerüstet sind, fallen nicht unter § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG (BFH, Urteil vom 16.11.1989, V R 9/85, BStBl II 1990, 255).

b) Hinsichtlich der in den Streitjahren zur Erbringung der Beförderungsleistungen verwendeten serienmäßig ausgestatteten Pkw geht der Senat davon aus, dass diese nicht besonders für die Beförderung von kranken oder verletzten Personen eingerichtet waren.

Die in den Streitjahren vorhandene serienmäßige Ausstattung der Fahrzeuge spricht dagegen, dass es sich dabei um solche Fahrzeuge handelte, die speziell für die Beförderung verletzter und kranker Personen bestimmt waren. Im Fall einer serienmäßigen Ausstattung fehlt es an den typischen Merkmalen eines Krankenfahrzeuges. Soweit Fahrzeuge zusätzlich zur serienmäßigen Ausstattung über eine von dem Kläger bzw. der G GmbH angebrachte Trittleiter verfügten, handelt es sich dabei nicht um ein typisches Merkmal eines Krankenfahrzeuges. Eine solche Einstiegshilfe dient typischerweise der Erleichterung, einen vorhandenen Höhenunterschied zwischen der Ebene des Fahrzeugbodens und dem Erdboden zu überwinden (so z.B. in der Regel bereits integriert bei Bussen des öffentlichen Nahverkehrs, Lkws, Wohnmobilen oder auch sog. Sport Utility Vehicles). Diese Erleichterung richtet sich jedoch nicht typischerweise speziell an kranke Personen, sondern ebenso an gesunde Menschen, sei es aus Gründen des bloßen Komforts oder z.B. aufgrund ihrer Körpergröße (insbesondere Kinder) oder aus Gründen mangelnder körperlicher Fitness (ältere Menschen). Für diese stellt eine Trittleiter eine Erleichterung, nicht aber eine Voraussetzung zur Nutzung des Fahrzeugs dar. Ein typisches Merkmal wäre hingegen z.B. eine am Fahrzeug angebrachte Rampe, mit deren Hilfe speziell Menschen, die auf einen Rollstuhl oder andere technische Unterstützungsmaßnahmen zur selbständigen Fortbewegung angewiesen sind, die Nutzung des Fahrzeugs überhaupt erst ermöglicht wird.

Die Pkw wären darüber hinaus auch dann nicht als ein besonders eingerichtetes Fahrzeug i. S. v. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG zu qualifizieren, wenn die angebrachte Trittleiter als ein typisches Merkmal eines Krankenfahrzeuges anzusehen wäre. Denn das Vorhandensein allein eines für ein Krankenfahrzeug typischen Merkmals qualifiziert ein Fahrzeug nicht zu einem Krankenfahrzeug im Sinne des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG. Vielmehr wäre zusätzlich erforderlich, dass bereits aufgrund dieses Merkmals das Fahrzeug nach seiner gesamten Bauart und Ausstattung speziell für die Beförderung verletzter und kranker Personen bestimmt ist. Dies ist bei einer Trittleiter nicht der Fall. Denn diese lässt die Bauart des Fahrzeugs selbst unverändert. Die damit verbundene und nach Auffassung des Senates als gering einzustufende Änderung des Erscheinungsbildes führt auch nicht dazu, dass dieses Fahrzeug hierdurch nur für den Transport kranker und verletzter Personen bestimmt ist.

c) Hinsichtlich der Kombifahrzeuge, die nicht von der Kfz-Steuer befreit waren und welche in den Streitjahren zur Erbringung der Beförderungsleistungen verwendet wurden, hat der Senat nicht feststellen können, dass diese bei jedem ausgeführten Umsatz besonders für die Beförderung von kranken oder verletzten Personen eingerichtet waren.

Diese Fahrzeuge verfügten grundsätzlich über eine serienmäßige Ausstattung ohne besondere Merkmale, die für ein Krankenfahrzeug typisch sind. Allerdings war es möglich, dass diese Fahrzeuge nach Bedarf dahingehend umgerüstet wurden, dass sie besonders für die Beförderung von kranken und verletzten Personen eingerichtet waren. So konnten die vorhandenen Sitze ausgebaut werden, um die sich daraus ergebende Freifläche im Fahrzeug zum Transport von z.B. Rollstuhlfahrern zu nutzen. Über die Möglichkeit einer besonderen Einrichtung im Wege der Umrüstung der Kombifahrzeuge besteht zwischen den Beteiligten auch Einigkeit.

Der Senat konnte jedoch mangels entsprechender Aufzeichnungen des Klägers bzw. der G GmbH oder anderer zur Verfügung stehender Möglichkeiten nicht feststellen, mit welcher Einrichtung die jeweiligen Krankentransporte mit diesen Fahrzeugen im Einzelnen durchgeführt wurden.

d) Hinsichtlich der Kombifahrzeuge, die als Krankenkraftwagen von der Kfz-Steuer befreit waren, konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen, dass diese bei jeder damit ausgeführten Beförderungsleistung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG erfüllten.

aa) Bei Fahrzeugen, die nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkannt sind, ist zwar stets davon auszugehen, dass solche Fahrzeuge für die Beförderung von kranken und verletzten Personen besonders eingerichtet sind (vgl. BFH, Urteil vom 12.08.2004, V R 45/03, BStBl II 2005, 314; ebenso Abschn. 4.17.2 Abs. 1 Satz 3 UStAE).

Der Senat sieht jedoch darüber hinaus auch die tatsächliche Verwendung oder Nutzung der vorhandenen besonderen Einrichtung eines Fahrzeuges als Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG an. Dafür sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf solche Fahrzeuge, die für die Beförderung kranker und verletzter Personen besonders eingerichtet sind, liefe ins Leere, wenn die Beförderung ohne Verwendung oder Nutzung dieser Einrichtungen erfolgen würde. In diesem Fall würde es sich nicht mehr um eine Leistung handeln, die der Art nach die Beförderung von kranken und verletzten Personen mit besonders eingerichteten Fahrzeugen zum Gegenstand hat (BFH, Urteil vom 18.01.1995, XI R 71/93, BStBl II 1995, 559). Vielmehr wäre eine solche Leistung der Art nach vergleichbar mit der Beförderung einer kranken oder verletzten Person in einem nicht besonders eingerichteten Fahrzeug, die aber vom Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG ausgeschlossen sein soll.

Für diese Auslegung des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG spricht zudem, dass sie im Fall von Sammelfahrten zu sachgerechten Ergebnissen führt. Während die Beförderung einer Person im Rollstuhl unter Verwendung oder Nutzung der hierfür vorgesehenen besonderen Einrichtung des Fahrzeugs als steuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG zu behandeln ist, ist die gleichzeitige Beförderung einer oder mehrerer kranker Personen auf ebenfalls im Fahrzeug vorhandenen serienmäßig eingebauten Sitzen als steuerpflichtig zu behandeln.

Die Unternehmer tragen insoweit die Feststellungslast. Sie sind angehalten, die Tatsachen, die die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG ermöglichen, zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang ist es dem betroffenen Unternehmer zumutbar, zu dokumentieren, ob eine Person unter Verwendung oder Nutzung der besonderen Einrichtung befördert wird oder nicht. Aus Sicht des Senates führt die Auslegung nicht zu hohen administrativen Anforderungen für die betroffenen Unternehmer.

Die Auslegung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH, nach der die Steuerbefreiungsvorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. jeweils m.w.N. EuGH, Urteil vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, UR 2016, 711; BFH, Urteil vom 22.06.2016, V R 46/15, BFH/NV 2016, 1530).

Entgegen der Auffassung des Beklagten setzt die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG nicht darüber hinaus voraus, dass die beförderte Person auf die verwendete oder genutzte besondere Einrichtung auch angewiesen ist. Eine solche Bedürftigkeitskontrolle, die grundsätzlich medizinisches Fachwissen voraussetzen dürfte, kann von einem Beförderungsunternehmer nicht geleistet werden. Zwar könnte ein entsprechender Nachweis mithilfe einer ärztlichen Verordnung geführt werden, jedoch erfolgen, wie z.B. im Fall des Klägers bzw. der G GmbH, nur ein Teil der Beförderungsleistungen auf Grundlage einer ärztlichen Verordnung. In allen anderen Fällen wäre es dann allein an dem Unternehmer, darzulegen und ggf. zu beweisen, warum eine Beförderung im Rollstuhl oder ein Liegendtransport (medizinisch) notwendig war.

bb) Es ist im Streitfall nicht feststellbar, ob in jedem Einzelfall die Beförderung der kranken Person unter Verwendung oder Nutzung der besonderen Einrichtung dieser Fahrzeuge erfolgte. So könnten beförderte Personen auch auf einem in dem Fahrzeug vorhandenen serienmäßig eingebauten Sitzplatz befördert worden sein. Die beförderte Person hätte auch auf dem Beifahrersitz Platz nehmen können. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch anhand eines von ihm gebrachten Beispiels einer von ihm beförderten Dame bestätigen können. Im Fall von Sammelfahrten ist es auch möglich, dass z.B. ein Rollstuhlfahrer unter Nutzung der besonderen Einrichtung in Gestalt einer Rampe sowie Vorrichtungen zur Befestigung des Rollstuhls befördert wurde, während weitere Personen auf den ebenfalls vorhandenen Sitzplätzen befördert wurden.

4. Hinsichtlich der Schätzung des Beklagten bestehen keine Bedenken.

Ist ein Steuerpflichtiger seinen Verpflichtungen gemäß § 162 Abs. 2 AO nicht nachgekommen und sind deshalb die Besteuerungsgrundlagen von der Finanzbehörde geschätzt worden, ist das Finanzgericht gehalten, von seiner eigenen Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO Gebrauch zu machen (BFH, Urteil vom 18.05.1999, I R 102/98, BFH/NV 1999, 1492). Das Finanzgericht kann seine Verpflichtung zur eigenen Schätzung dadurch erfüllen, dass es die Schätzung der Finanzbehörde prüft und als eigene übernimmt und sich dann darauf beschränkt, substantiierten Einwendungen gegen die Schätzung des Finanzamtes nachzugehen (vgl. BFH, Urteil vom 06.06.2012, I R 99/10, BStBl II 2013, 196).

Der Senat schließt sich der im gerichtlichen Verfahren korrigierten Schätzung des Beklagten an und macht sich diese zu Eigen. Es bestehen insoweit keine substantiierten Einwendungen. Solche wurden vom Kläger auch nicht vorgetragen.

a) Der Beklagte war dem Grunde nach berechtigt, die steuerpflichtigen und nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG steuerfreien Beförderungsleistungen im Schätzungswege zu ermitteln. Die dabei gewählte Vorgehensweise sieht der Senat als sachgerecht an.

aa) Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO ist die Finanzbehörde zur Schätzung befugt, wenn sie die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann.

bb) Danach war der Beklagte zur Schätzung befugt, denn weder der Kläger noch die G GmbH haben die nach § 22 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG vorgeschrieben Aufzeichnungen geführt. Nach diesen Bestimmungen ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus diesen Aufzeichnungen muss ersichtlich sein, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen.

Der Kläger und die G GmbH haben sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Umsätze ausgeführt. Wie unter I. 3. ausgeführt, sind die Beförderungsleistungen des Klägers und der G GmbH nur teilweise steuerfrei, denn die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG lagen teilweise nicht vor.

Weder der Kläger noch die G GmbH verfügen über Aufzeichnungen, aus denen sich ergibt, welche Personen mit welchem Fahrzeug befördert wurden und wie das jeweilige Fahrzeug dabei eingerichtet war. Die Beteiligten sind sich auch darüber einig, dass nachträglich entsprechende Feststellungen nicht mehr getroffen werden können (vgl. Stellungnahme des Klägers vom 08.06.2018, Bl. 281 der Gerichtsakte; Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2019).

cc) Die von den Prüferinnen gewählte Vorgehensweise, anhand der Fahrleistung der unterschiedlich eingerichteten Fahrzeuge den steuerpflichtigen Anteil der Beförderungsumsätze zu ermitteln, ist von der Schätzungsbefugnis des Beklagten gedeckt.

Dies gilt zum einen für die Jahre 2010 bis 2012. Die von den Prüferinnen vorgenommene Aufteilung anhand der ermittelten gefahrenen Kilometer der für Beförderungen verwendeten Fahrzeuge stellt ein sachgerechtes Kriterium dar. Die insoweit vom Kläger erstmalig in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken, dass die Anwendung eines einheitlichen Umsatzes für jeden gefahrenen Kilometer für alle verwendeten Fahrzeuge zu für ihn nachteiligen Verzerrungen führen kann, sind zwar nachvollziehbar. Ob und inwieweit es tatsächlich zu einer solchen Verzerrung gekommen ist, hat der Senat nicht feststellen können. Hierzu hat der Kläger auch nicht weiter vorgetragen. Die damit verbleibenden Unwägbarkeiten sieht der Senat von seiner bzw. der Schätzungsbefugnis des Beklagten als gedeckt hat. Ferner beurteilt der Senat den geschätzten durchschnittlichen Umsatz von 1,00 € bis 1,07 € pro gefahrenen Kilometer als gering und sieht die verbleibenden Unwägbarkeiten auch damit als abgegolten an. Die Unterteilung der Fahrzeuge entsprechend ihrer Einrichtung bzw. der Möglichkeit ihrer Einrichtung ist mit Blick auf die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG ebenfalls ein sachgerechtes Kriterium.

Der Senat sieht zum anderen aber auch die Schätzung des Anteils an steuerpflichtigen Umsätzen für 2009 als von der Schätzungsbefugnis gedeckt an. Denn hierfür orientierten sich die Prüferinnen sowie der Beklagte an den Ergebnissen, welche sich aus den Ermittlungen für die Jahre 2010 bis 2012 ergaben. Dabei liegt der geschätzte Anteil von 25% unterhalb des für 2010 ermittelten Anteils an steuerpflichtigen Umsätzen (29,03% bzw. 30,06%). Zudem konnte im Rahmen der durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 2006 bis 2007 aufgrund von Aufzeichnungen des Klägers ein steuerpflichtiger Anteil am Gesamtumsatz von rund 22% ermittelt werden (vgl. Prüfungsbericht vom 19.08.2008, Bl. 6 der Betriebsprüfungsakte). Der Kläger, dem grundsätzlich die Erstellung entsprechender Aufzeichnungen obliegt und der für die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG die Feststellungslast trägt, hat weder hinsichtlich der für die Jahre 2010 bis 2012 noch hinsichtlich des für 2009 geschätzten Anteils der steuerpflichtigen Umsätze sachlich nachprüfbare Einwendungen vorgebracht.

b) Die Höhe der für die Streitjahre vom Beklagten ermittelten und berücksichtigten steuerpflichtigen Umsätze liegt nach Auffassung des Senates grundsätzlich innerhalb des zulässigen Schätzungsrahmens. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zur Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils hinsichtlich der verwendeten Fahrzeuge drei Fallgruppen gebildet und für jede Fallgruppe einen unterschiedlichen Anteil an steuerpflichtigen Umsätzen geschätzt hat. Nur soweit den Prüferinnen im Rahmen ihrer Berechnungen für die Jahre 2010 bis 2012 ein Fehler unterlaufen ist, folgt der Senat nicht der ursprünglichen Schätzung der Prüferinnen, sondern der im gerichtlichen Verfahren mit Schreiben vom 28.05.2019 eingereichten berichtigten Schätzung des Beklagten.

aa) Der Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise die auf die serienmäßig ausgestatten Pkw entfallenden Umsätze in vollem Umfang als steuerpflichtig behandelt. Denn diese Fahrzeuge waren nicht i.S.d. § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG besonders für die Beförderung von kranken und verletzten Personen eingerichtet.

bb) Der Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise die auf die serienmäßig ausgestatteten Kombifahrzeuge entfallenden Umsätze zu je 50% als steuerpflichtig und als steuerfrei behandelt. Auf der einen Seite erfüllten die mit diesen Fahrzeugen ausgeführten Beförderungsleistungen nicht die Voraussetzungen eines besonders eingerichteten Fahrzeuges, soweit die Beförderungen im Zustand der serienmäßigen Ausstattung ausgeführt wurden. Auf der anderen Seite bestand die Möglichkeit, diese Fahrzeuge dahingehend umzubauen, dass sie für den Transport von kranken oder verletzten Personen besonders eingerichtet waren. Mangels entsprechender Aufzeichnungen über den Zustand des Fahrzeuges im Zeitpunkt der Ausübung der jeweiligen Beförderungsleistungen durfte der Beklagte davon ausgehen, dass in jedem zweiten Fall das Fahrzeug für die Beförderung einer kranken oder verletzten Person besonders eingerichtet war.

cc) Der Senat stimmt mit der Behandlung von 10% der Umsätze, die (wiederum) geschätzt mit den von der Kfz-Steuer befreiten Kombifahrzeugen bewirkt wurden, als steuerpflichtig und nicht als nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG steuerfrei, im Ergebnis überein. Zwar ist in den Fällen, in denen Fahrzeuge nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkannt sind, stets davon auszugehen, dass sie für die Beförderung von kranken und verletzten Personen besonders eingerichtet sind (vgl. BFH, Urteil vom 12.08.2004, V R 45/03, BStBl II 2005, 314, Rn. 32; ebenso Abschn. 4.17.2 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Es konnten jedoch keine Feststellungen darüber getroffen werden, ob und inwieweit im Fall der Beförderung einer kranken oder verletzten Person in einem solchen Fahrzeug diese unter Verwendung oder Nutzung der für die Beförderung dieser Personen besonderen Einrichtung erfolgte. Diesen Umstand sieht der Senat jedoch als Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG an (oben unter I. 3. d). Die Schätzung der Umsätze, die danach nicht von der Umsatzsteuer befreit sind, mit einem vergleichsweise geringem Umfang von 10% trägt dem Umstand Rechnung, dass es nahe liegt, dass die Fahrzeuge wegen ihrer besonderen Einrichtung zumindest überwiegend für die Beförderung von kranken und verletzten Personen unter Verwendung dieser Einrichtung genutzt wurden.

dd) Der Senat stimmt mit dem Beklagten darin überein, dass den Prüferinnen bei der Ermittlung der Höhe des steuerpflichtigen Anteils des mit den Fahrzeugen, die von der Kfz-Steuer befreit waren, ausgeübten Umsätze ein Fehler unterlaufen ist. Denn in der hierfür berücksichtigen Fahrleistung war die Fahrleistung, welche bereits auf die steuerfreien Umsätze der nicht von der Kfz-Steuer befreiten Kombifahrzeugen entfällt, erneut und damit doppelt berücksichtigt worden (vgl. Anlage 1 zum Betriebsprüfungsbericht, Bl. 87 der Betriebsprüfungsakte; Hinweis des Berichterstatters, Bl. 102 der Gerichtsakte). Dieser Fehler wurde vom Beklagten mit Schreiben vom 28.05.2019 selbst korrigiert. Der Senat folgt der sich daraus ergebenden Schätzung. Diese führt für die Jahre 2010 und 2011 zu einer Minderung der festgesetzten Umsatzsteuer i.H.v. 363,35 € (2010) und 276,65 € (2011). Die Korrektur führt für die Umsatzsteuer 2012 hingegen zu einer Erhöhung der festzusetzenden Steuer i.H.v. 4,59 €.

c) Die vom Beklagten im Schätzungswege vorgenommene Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG auf einen Teil der steuerpflichtigen Umsätze begegnet keinen Bedenken.

aa) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG unterliegt die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent, wenn die Beförderung innerhalb einer Gemeinde erfolgt oder wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt. Umsätze aus dem Verkehr mit Mietwagen unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz. Dies gilt auch dann, wenn zusätzlich ein Fahrer gestellt wird. Diese unterschiedliche Behandlung ist mit den unionsrechtlichen Vorgaben grundsätzlich vereinbar (vgl. BFH, Urteil vom 02.07.2014, XI R 39/10, BStBl. II 2013, 296; EuGH, Urteil vom 27.02.2014, C-454/12, Pro Med Logistik, BStBl II 2015, 437).

Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den Verkehr mit Mietwagen mit Fahrergestellung kommt jedoch dann in Betracht, wenn die mit dem Mietwagen durchgeführten Krankentransporte auf Grundlage und im Rahmen einer Sondervereinbarung, z.B. mit einer Krankenkasse, erbracht werden, die ebenfalls für Taxiunternehmer gelten (BFH, Urteil vom 02.07.2014, XI R 39/10, BStBl. II 2013, 296, mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 27.02.2014, C-454/12, Pro Med Logistik, BStBl II 2015, 437, Rz. 63 f.).

bb) Nach den vorgenannten sowie den unter I. 4. a) aa) und bb) genannten Grundsätzen bestehen hinsichtlich der für den Kläger sehr wohlwollenden Schätzung des Beklagten, wonach 85% der steuerpflichtigen Umsätze dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind, keine Bedenken.

Der Kläger und die G GmbH haben ihre Beförderungsleistungen zumindest teilweise auf Grundlage und im Rahmen einer Sondervereinbarung, z.B. mit einer Krankenkasse, ausgeführt, die ebenfalls für Taxiunternehmer gelten. Allerdings haben beide insoweit ebenfalls keine Aufzeichnungen geführt, so dass der dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Anteil an den steuerpflichtigen Umsätzen im Schätzungswege zu ermitteln ist.

Soweit der Beklagte insoweit von einem Anteil von 85% ausgeht, liegt diese Annahme innerhalb des als zulässig anzusehenden Schätzungsrahmens.

II. Die nach I. steuerpflichtigen Beförderungsleistungen sind auch nicht steuerfrei nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL.

1. Der Kläger kann sich grundsätzlich auf eine unmittelbare Anwendung der Richtlinienvorschrift berufen. Diese ihn begünstigende Regelung ist unbedingt und hinreichend genau mit der Folge, dass sie unmittelbar Wirkung entfaltet und der Kläger sich auf sie berufen kann (EuGH, Urteil vom 10.09.2002, C-141/00, Kügler, UR 2002, 513; BFH, Urteil vom 01.12.2010, XI R 46/08, BFHE 232, 232).

Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ist lediglich dadurch "umgesetzt" worden, dass das UStG die bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG vorhandenen, teilweise bereits im UStG 1951 enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände im Wesentlichen unverändert weitergeführt hat (BFH, Urteil vom 29.07.2015, XI R 35/13, BStBl II 2016, 797 m.w.N.).

2. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.

Danach findet diese Bestimmung auf Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen Anwendung, die zum einen von "Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" erbracht werden, und die zum anderen "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden" sind (EuGH, Urteil vom 21.01.2016, C-335/14, Les Jardins de Jouvence, UR 2016, 391).

Es obliegt den nationalen Gerichten, sowohl anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist, als auch zu bestimmen, ob eine Leistung als eine eng mit der der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistung angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 15.11.2012, C-174/11, Zimmermann, UR 2013, 35; BFH, Urteil vom 19.03.2013, XI R 47/07, BFH/NV 2013, 1204).

Nach Art. 134 Buchst. a und b MwStSystRL sind Dienstleistungen von der Steuerbefreiung u.a. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen, wenn sie für die Umsätze, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind oder wenn sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden. Diese Bestimmung ist jedoch nicht geeignet, den Kernbereich einer sich aus Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL ergebenden Steuerfreiheit einzuschränken (vgl. BFH, Urteil vom 24.09.2014, V R 19/11, BStBl II 2016, 781, Rn. 40).

3. Danach könnte der Kläger zwar mit einem Teil der nicht nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG steuerbefreiten Beförderungsleistungen in den Anwendungsbereich nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen. Die Anwendung der Befreiungsregelung auf die Beförderungsleistungen des Klägers bzw. der G GmbH ist jedoch nach Art. 134 Buchst. b MwStSystRL ausgeschlossen.

a) Für eine Behandlung des Klägers als eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter spricht, dass die Kosten seiner Leistungen bzw. der Leistungen der G GmbH zum großen Teil durch Krankenkassen und anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 15.11.2012, C-174/11, Zimmermann, UR 2013, 35; Urteil vom 10.09.2002, C-141/00, Kügler, UR 2002, 513; BFH, Urteil vom 17.07.2019, V R 27/17, juris). Soweit es sich bei den Beförderungsleistungen um Krankenfahrten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des SGB V handelt, spricht die im Sozialrecht verankerten Regelungen für diese Leistungen für deren Behandlung als eine jeweils eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistung (vgl. BFH, Urteil vom 07.12.2016, XI R 5/15, BFHE 256, 550). Soweit der Kläger bzw. die G GmbH Menschen mit einer Behinderung befördert hat, könnte eine mit der Behinderung einhergehende Bedürftigkeit im sozialen Sinne dafür sprechen, dass diese Beförderungen als eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbundene Leistungen anzusehen sind (vgl. BFH, Urteil vom 17.07.2019, V R 27/17, Rz. 18, juris).

b) Es bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob und inwieweit die nicht nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG steuerbefreiten Beförderungsleistungen in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen könnten. Denn für die nach nationalem Recht steuerpflichtigen Beförderungsleistungen des Klägers bzw. der G GmbH ist die Anwendung der unionsrechtlichen Steuerbefreiung nach Art. 134 Buchst. b MwStSystRL ausgeschlossen.

aa) Die Beförderungsleistungen dienen allein dem Zweck, dem Kläger bzw. der G GmbH Einnahmen zu verschaffen. Es handelt sich insoweit um den jeweiligen alleinigen Unternehmensgegenstand.

bb) Die Beförderungsleistungen stehen zudem in einem unmittelbaren Wettbewerb mit Umsätzen gewerblicher Unternehmer, die mit ihren Leistungen der Mehrwertsteuer unterliegen. Auch Taxiunternehmer und Betreiber eines Mietwagenunternehmens unterliegen mit ihren Beförderungsleistungen von kranken oder verletzten Personen der Umsatzsteuerpflicht, soweit sie diese nicht mit besonders für die Beförderung dieser Personen eingerichteten Fahrzeugen ausüben.

Es ist kein den Wettbewerb ausschließender Umstand darin zu sehen, dass die dem Kläger bzw. der G GmbH von den Krankenkassen und anderen Kostenträgern erstatteten Fahrpreise geringer sind als solche, die üblicherweise eine beförderte Person an Mietwagen- oder Taxiunternehmer zahlt. Soweit kranke Personen die Beförderungsleistungen des Klägers bzw. der G GmbH aus Gründen nutzen, die keinen Anspruch auf Kostenerstattung begründen, kann auch der Kläger bzw. die G GmbH höhere Fahrpreise, z.B. wie die eines Mietwagen- oder Taxiunternehmens, verlangen. Wenden hingegen z.B. Taxiunternehmen mit Verbänden der Krankenkassen getroffene Spezialvereinbarungen an, die auch auf den Kläger bzw. die G GmbH als Mietwagenunternehmer angewendet werden (mit der Folge, dass der ermäßigte Steuersatz Anwendung findet), erhalten alle die gleiche Fahrtkostenerstattung. Eine einseitige Steuerbefreiung des Klägers bzw. der G GmbH würde dann die mit ihm konkurrierenden Unternehmen benachteiligen.

Soweit der Kläger einen Nachteil darin sieht, dass er nur eine Konzession für die Beförderung kranker Personen besitzt, andere Mietwagen- und Taxiunternehmer hingegen die im Vergleich zu den üblichen Tarifen geringeren Pauschalen für die Beförderung kranker Personen durch den Transport nicht kranker Personen ausgleichen könnten, ist zu berücksichtigen, dass das vom Kläger bzw. von der G GmbH gewählte und ausgeübte Geschäftsmodell ermöglicht, durch eine regelmäßige Auslastung und der Durchführung von Sammelfahrten die Fahrten auch in Ansehung der auf eine einzelne beförderte Person entfallende geringere Pauschale, wirtschaftlicher als die Beförderung einer einzelnen Person mit einer höheren Vergütung zu gestalten.

cc) Bei der Beförderung von kranken und verletzten Personen in nicht dafür besonders eingerichteten Fahrzeugen handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Leistung, die im Kernbereich der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL liegt.

(1) Der Zweck der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL besteht darin, dass durch diese Bestimmung nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden, sondern nur diejenigen, die darin einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind. Diese Befreiung zielt dadurch, dass sie für bestimmte im sozialen Sektor erbrachte Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine günstigere Mehrwertsteuerbehandlung gewährt, darauf ab, die Kosten dieser Leistungen zu senken und dadurch diese Leistungen dem Einzelnen, der sie in Anspruch nehmen könnte, zugänglicher zu machen (EuGH, Urteil vom 21.01.2016, C-335/14, Les Jardins de Jouvence, UR 2016, 391, m.w.N.).

Die Leistungen können nur dann gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreit sein, wenn sie eng mit einer der in diesen Bestimmungen aufgeführten Tätigkeiten verbunden sind. Die befreite Dienstleistung muss sich demnach einer Tätigkeit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit zuordnen lassen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.02.2006, C-415/04, Kinderopvang Enschede, UR 2006, 470).

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bereits in einer Vielzahl von Fällen mit der Frage, welche Leistungen eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind, beschäftigt (vgl. zur folgenden Auflistung FG Köln, Urteil vom 17.05.2017, 9 K 3140/14, EFG 2017, 1556). Zu den eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen gehören danach insbesondere Leistungen der ambulanten Pflege (EuGH, Urteil vom 15.11.2012, C-174/11, Zimmermann, UR 2013, 35), namentlich die hauswirtschaftliche Versorgung (EuGH, Urteil vom 10.09.2002, C-141/00, Kügler, UR 2002, 513; BFH, Urteil vom 18.01.2005, V R 99/01, BFH/NV 2005, 1392), das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung (BFH, Urteil vom 22.04.2004, V R 1/98, BStBl II 2004, 849), die Gestellung einer Haushaltshilfe (vgl. BFH, Urteil vom 30.07.2008, XI R 61/07, BStBl II 2009, 68), Leistungen der Kinderbetreuung (vgl. EuGH, Urteil vom 09.02.2006, C-415/04, Kinderopvang Enschede, UR 2006, 470), Legasthenie-Behandlungen im Rahmen der Eingliederungshilfe (BFH, Urteile vom 18.08.2005, V R 71/03, BStBl II 2006, 143; vom 01.02.2007, V R 34/05, BFH/NV 2007, 1201), Betreuungsleistungen (BFH, Urteile vom 17.02.2009, XI R 67/06, BStBl II 2013, 967; vom 25.04.2013, V R 7/11, BStBl II 2013, 976; vom 16.10.2013, XI R 19/11, BFH/NV 2014, 190) oder die Tätigkeit eines nach § 158 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellten Verfahrensbeistandes (BFH, Urteil vom 17.07.2019, V R 27/10, juris). Die entgeltliche Gestellung von Personal hingegen ist keine mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit eng verbundene Dienstleistung (vgl. BFH, Beschluss vom 22.07.2015, V R 20/12, UR 2015, 877; Urteil vom 14.01.2016, V R 56/14, BFH/NV 2016, 792, jeweils m.w.N.). Es spielt insoweit weder eine Rolle, dass die betreffenden Arbeitnehmer Pflegekräfte sind, noch, dass diese anerkannten Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 12.03.2015, C-594/13, "go fair" Zeitarbeit, UR 2015, 351). Ebenfalls steuerpflichtig sind allgemeine Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen (vgl. BFH-Urteil vom 23.07.2009, V R 93/07, BStBl II 2015, 735). Ebenso handelt es sich bei einem Menüservice nicht um eine nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL begünstigte Leistung (BFH, Urteil vom 01.12.2010, XI R 46/08, BFHE 232, 232). Die Vermittlung von Personen für entsprechende Leistungen, z.B. Tageseltern oder Zivildienstleistende, können hingegen die erforderliche Nähe zum sozialen Bereich aufweisen, um als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung steuerfrei zu sein, wenn sich die Vermittlungsleistung nicht auf eine bloße Nachweistätigkeit beschränkt, sondern aufgrund weitergehender Prüfungstätigkeiten hinsichtlich der Geeignetheit und Qualifikation der vermittelten Personen eine besondere Qualität der Betreuungsleistung gewährleistet bzw. erst ermöglicht wird (EuGH, Urteil vom 09.02.2006, C-415/04, Kinderopvang Enschede, UR 2006, 470; BFH, Urteil vom 23.07.2009, V R 93/07, BStBl II 2015, 735).

(2) In Ansehung dieser Entscheidungen und mit Blick auf die vom Kläger und der G GmbH ausgeübten Tätigkeit beurteilt der Senat die bloße Beförderung kranker Personen nicht als eine Leistung, die dem Kernbereich der Befreiungsregelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zuzurechnen ist. Denn der Kläger und die G GmbH beschränken sich auf die Beförderung dieser Personen, ohne dass ihre Tätigkeit darüber hinausgehende Elemente, z.B. der Pflege, Betreuung oder Fürsorge beinhaltet. Sie üben keine über die Beförderung hinausgehende Tätigkeit aus, die dem Sozialbereich zuzuordnen ist. Die Beförderung selbst gehört zumindest nicht zum Kernbereich der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit. Dafür spricht auch, dass der Richtliniengeber für Beförderungsleistungen mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL eine eigenständige Regelung getroffen hat.

c) Aus den vorgenannten Gründen kann der Senat auch dahinstehen lassen, ob Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nicht außerdem durch die speziellere Regelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL verdrängt wird.

III. Die Umsätze des Klägers bzw. der G GmbH sind auch nicht in unmittelbarer Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL steuerfrei, denn diese Richtlinienvorschrift hat engere Voraussetzungen als die nationale Regelung des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG. Während die nationale Regelung im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich keine Einschränkung enthält, ist der Anwendungsbereich nach der unionsrechtlichen Regelung auf "ordnungsgemäß anerkannte Einrichtungen" beschränkt. Darüber hinaus fordern sowohl Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSyStRL als auch § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG übereinstimmend, dass die Beförderung von kranken und verletzten Personen in dafür besonders eingerichteten Fahrzeugen erfolgt.

IV. Die Steuerfreiheit der nach Anwendung des nationalen Rechts steuerpflichtig zu behandelnden Beförderungsumsätze folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem sog. Neutralitätsprinzip.

Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich um einen Auslegungsgrundsatz (EuGH, Urteil vom 19.07.2012, C-44/11, Deutsche Bank, Rz. 45; Urteil vom 13.03.2014, C-204/13, Malburg, Rz. 43), der zum einen zur Entfaltung seiner Wirkung der Umsetzung durch den unionsrechtlichen Gesetzgeber bedarf und zum anderen in seiner Wirkung auf den Umfang der erfolgten Umsetzung beschränkt ist (EuGH, Urteil vom 29.10.2009, C-174/08, NCC Construction Danmark, Rz. 42). Daher kann das Neutralitätsprinzip durch Regelungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie beschränkt werden (EuGH, a.a.O., Rz. 43).

Die nach Anwendung des nationalen Rechts als steuerpflichtig zu behandelnden Umsätze sind nicht nach den Bestimmungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, insbesondere nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g und p, steuerfrei. Wegen der beschränkenden Wirkung des Richtlinienrechts lässt sich schon aus diesem Grund eine Steuerfreiheit aller Umsätze des Klägers nicht aus dem Neutralitätsprinzip herleiten.

Für die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL erfüllt sind bzw. die Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 134 Buchst. b MwStSystRL ausgeschlossen ist, ist es dementsprechend auch unerheblich, ob die Beförderungsleistungen eines Dienstes, der einem Wohlfahrtsverband angeschlossen ist, von der Finanzverwaltung nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei belassen werden (vgl. zu den Leistungen eines Mahlzeitdienstes BFH, Urteil vom 01.12.2010, XI R 46/08, BFH/NV 2011, 712).

V. Die Verwendung von Fahrzeugen und Telefonen, die dem Unternehmen zugeordnet sind, für private Zwecke stellt keine eng mit der sozialen Sicherheit und der Sozialfürsorge verbundene Tätigkeiten nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL dar. Insoweit fehlt es an einem Bezug zum Sozialbereich, der eine solche Begünstigung begründen könnte. Selbst wenn die Beförderungsleistungen des Klägers bzw. der G GmbH Leistungen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL wären, so würde die damit verbundene Begünstigungswirkung nicht auf den privaten Endverbrauch durch den Unternehmer für die Zwecke, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Steuerbefreiungsregelung liegen, ausstrahlen.

Die Frage, ob die Beförderung von Essen und Medikamenten eine Leistung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL darstellt, bedarf keiner Entscheidung. Denn der Beklagte hat die hieraus erzielten Umsätze nicht der Besteuerung unterworfen. Eine entsprechende Änderung der festgesetzten Umsatzsteuer zugunsten des Klägers scheidet damit von vornherein aus.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Bei der Kostenquote ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte dem Klagebegehren im Hinblick auf die "ungeklärten Einlagen" abgeholfen hat. Insoweit sind dem Kläger nicht die Kosten nach § 137 Satz 1 und 2 FGO aufzuerlegen. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz oder teilweise auch dann auferlegt werden, wenn er obsiegt hat, die Entscheidung aber auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. § 137 S. 1 FGO betrifft einen Anwendungsfall des § 137 S. 2 FGO und knüpft an die auch im Steuerprozess bestehende Mitwirkungspflicht der Beteiligten an (Ratschow, in: Gräber, FGO, § 137 Rn. 7).

Der Senat kann kein schuldhaftes Verhalten des Klägers feststellen. Er ist seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen. Die damit verbundenen Anforderungen erfüllte der Kläger zumindest mit seiner Einspruchsbegründung vom 09.02.2016 und, nach Aufforderung durch den Beklagten, mit einer weiteren Stellungnahme vom 14.06.2016, jeweils unter Beifügung einer Vielzahl an Unterlagen. Dass der Beklagte in seiner anschließenden Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 die Ausführungen des Klägers als nicht schlüssig und die vorgelegten Unterlagen als nicht geeignet gewürdigt hat, sieht der Senat nicht in einer dem Kläger vorwerfbaren Verletzung seiner Mitwirkungspflichten begründet.

Die Quote errechnet sich wie folgt:

Streitiger Betrag

UnterliegenKläger

Unterliegen Beklagter

USt 2009

17.753,47 €

12.107,76 €

5.645,71 €

USt 2010

20.561,55 €

12.368,30 €

8.193,25 €

USt 2011

13.673,10 €

12.685,85 €

987,25 €

USt 2012

633,26 €

633,26 €

0,00 €

Gesamt

52.621,38 €

37.795,17 €

14.826,21 €

Quote

100%

72%

28%

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

VII. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es liegt keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe vor. Die Rechtssache hat in Ansehung der Besonderheiten des vorliegenden Falles und der im Wesentlichen geschätzten Besteuerungsgrundlagen keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der erkennende Senat ist weder von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen noch steht seine Entscheidung im Widerspruch zu den Entscheidungen anderer Finanzgerichte.

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