BGH, Beschluss vom 23.10.2019 - 4 StR 538/18
Fundstelle
openJur 2019, 34152
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 8. Mai 2018 aufgehoben a) hinsichtlich der Einzelstrafen für die Taten zum Nachteil der Nebenklägerin B. und der Gesamtstrafe mit den jeweils zugehörigen Feststellungen sowie b) im Ausspruch über das Berufsverbot und die Einziehung; die Einziehungsanordnung entfällt.

2. Im Umfang der Aufhebung des Straf- und Maßregelausspruchs wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, ihm für die Dauer von drei Jahren untersagt, als Arzt, auch als Notarzt, tätig zu sein, und die Einziehung eines Speichermediums sowie eines Laptops mit eingebauter Festplatte vorbehalten. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit zahlreichen Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Einzelstrafen für die beiden Taten der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin B. sowie die Gesamtstrafe haben keinen Bestand.

Das Landgericht hat bei der Prüfung minder schwerer Fälle nach § 224 Abs. 1 StGB jeweils auf das Ausmaß der für die Nebenklägerin begründeten Gefahren abgestellt und zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass sich die Nebenklägerin nach Einschätzung der toxikologischen Sachverständigen bei beiden Taten nicht nur abstrakt, sondern sogar konkret in Lebensgefahr befunden habe. Diese Erwägung steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung, wonach die Sachverständige dargelegt habe, dass die Vergabe von Propofol im häuslichen Umfeld aufgrund der potentiell tödlichen Nebenwirkungen des Medikaments und der Nichtbeachtung der erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen eine abstrakt lebensgefährdende Handlung darstelle. Auch der Sachverhaltsschilderung des angefochtenen Urteils lässt sich nicht entnehmen, dass die Nebenklägerin aufgrund der Betäubungen in eine konkret lebensbedrohliche Lage geriet.

Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass sich die widersprüchliche Erwägung der Strafkammer bei der Strafrahmenwahl zu Ungunsten des Angeklagten ausgewirkt hat. Die Aufhebung der beiden Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren Freiheitsstrafe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

2. Die Anordnung des Berufsverbots hält einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand.

a) Allerdings hat die Strafkammer die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 70 Abs.1 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Der für einen Missbrauch des Berufs erforderliche berufstypische Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - 1 StR 362/16, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 9; Urteil vom 11. März 2015 - 2 StR 423/14, NStZ-RR 2016, 110, 111; Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 182/07, StV 2008, 80) ist bei den Taten zum Nachteil der Nebenklägerin B. gegeben, weil der Angeklagte zur Begehung der Taten ein ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit zugängliches Narkosemittel verwendete und er das ihm in seiner Eigenschaft als behandelnder Arzt entgegengebrachte Vertrauen ausnutzte, um die Nebenklägerin zur Hinnahme der nicht lege artis durchgeführten Betäubungen zu veranlassen.

b) Die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil lassen aber weder erkennen, dass sich die Strafkammer des ihr durch die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB auf der Rechtsfolgenseite eingeräumten Ermessens bewusst gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2007 - 1 StR 164/07, wistra 2008, 58, 60 mwN; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 70 Rn. 11; Bockemühl in: MK-StGB, 3. Aufl., § 70 Rn. 25), noch auf welche Weise sie von ihrer tatrichterlichen Entscheidungsbefugnis Gebrauch gemacht hat. Erwägungen zu den Gründen, die für eine Ausübung des Ermessens leitend gewesen sind, enthalten die Urteilsgründe nicht.

Über den Maßregelausspruch ist daher in tatrichterlicher Verantwortung erneut zu entscheiden. Die von der unzureichenden Begründung der Entscheidung nicht berührten tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben.

3. Schließlich begegnet die Einziehungsentscheidung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Gemäß § 74 Abs. 1 StGB können als Tatmittel Gegenstände eingezogen werden, die zur Begehung oder Vorbereitung der Anknüpfungstat verwendet wurden oder nach der Planung des Täters hierzu bestimmt waren. Erfasst werden alle Gegenstände, deren Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens gefördert hat oder nach den Intensionen des Täters fördern sollte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2004 - 2 StR 372/04, StV 2005, 210; vom 9. Juli 2002 - 3 StR 165/02, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Tatmittel 7; vom 7. Mai 1997 - 1 StR 217/97, NStZ-RR 1997, 318, 319). Die nur gelegentliche Benutzung eines Gegenstandes im Zusammenhang mit der Tat reicht dagegen nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 - 3 StR 165/02, aaO). Die Einziehung im subjektiven Verfahren setzt schließlich voraus, dass die Anküpfungstat, die durch die Verwendung des Tatmittels gefördert wurde oder gefördert werden sollte, Gegenstand der Anklage und vom Tatrichter festgestellt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 1997 - 1 StR 217/97, aaO; vom 19. Juli 1996 - 2 StR 256/96, BGHR StGB § 74 Abs. 1 Tatmittel 6; vom 7. Februar 2017 - 3 StR 557/16, NStZ-RR 2017, 220; vom 19. Februar 2019 - 3 StR 210/18 Rn. 2).

Danach kommt auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine Einziehung sowohl des Speichermediums als auch des Laptops nicht in Betracht. Hinsichtlich des Speichermediums scheidet eine Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB aus, weil die als gefährliche Körperverletzungen zum Nachteil der Nebenklägerin B. abgeurteilten Betäubungen durch die nachfolgende Fertigung von Lichtbildern und Videos von der bewusstlosen Nebenklägerin weder objektiv gefördert wurden noch nach den Vorstellungen des Angeklagten gefördert werden sollten, es sich bei dem Speichermedium mithin nicht um ein Tatmittel der gefährlichen Körperverletzungen handelte. Eine Einziehung des Laptops mit Festplatte scheidet aus, da dieser Gegenstand nach den Feststellungen der Strafkammer in keinem Zusammenhang mit den abgeurteilten Taten steht.

Der Senat entscheidet in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst und lässt die - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommende - Einziehungsanordnung entfallen.

Sost-Scheible Bender Quentin Feilcke Bartel