ArbG Minden, Urteil vom 30.01.2013 - 3 Ca 960/12
Fundstelle
openJur 2019, 37768
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 nicht zum 31.07.2012, sondern mit dem 08.08.2012 geendet hat.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für April 2012 an die Klägerin 1.633,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Mai 2012 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Juni 2012 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Juli 2912 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für die Zeit vom 01.08. bis 08.08.2012 an die Klägerin 903,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5.

Der Streitwert wird auf 38.383,33 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier arbeitgeberseitiger ordentlicher Kündigungen sowie über Annahmeverzugslohnansprüche.

Die 1966 geborene ledige Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 20.09.2010 auf Grundlage eines vom gleichen Tage datierenden Arbeitsvertrages als Technische Zeichnerin/Konstrukteurin zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 3.500,00 € bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.09.2011 wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Abschriften Blatt 6 bis 9 der Akte Bezug genommen.

Zwischen den Parteien ist bereits ein Kündigungsschutzverfahren mit dem Aktenzeichen 1 Ca 1352/11 anhängig gewesen, in dem die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Minden durch Urteil vom 17.04.2012 die Unwirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 27.09.2011 festgestellt hat und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits verurteilt hat.

In dem Berufungsverfahren vor dem LAG Hamm mit dem Aktenzeichen 2 Sa 920/12 ist durch Urteil vom 28.11.2012 die Feststellung der Unwirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 27.09.2011 bestätigt worden.

Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin ist nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Minden vom 17.04.2012 trotz von ihr eingeleiteter Zwangsvollstreckung seitens der Beklagten verweigert worden.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch ordentliche Kündigung vom 10.07.2012, der Klägerin am 11.07.2012 zugegangen, zum 31.07.2012 hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt gekündigt.

Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit der am 26.07.2012 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin vorsorglich erneut mit zwei vom 29.11.2012 datierenden Kündigungsschreiben zum 31.12.2012, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt gekündigt, wobei diese Kündigungsschreiben ihr am 30.11.2012, bzw. am 01.12.2012 zugegangen sind.

Gegen diese beiden Kündigungen vom 29.11.2012 wendet sich die Klägerin mit der am 07.12.2012 eingegangenen Klageerweiterung ihres Prozessbevollmächtigten, datierend vom 05.12.2012.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Kündigungsschreiben vom 10.07.2012 und 29.11.2012 wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Abschriften Blatt 9 sowie 100 und 101 der Akte Bezug genommen.

Bei der Beklagten sind zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 10.07.2012 die Arbeitnehmer C, C1, E, I, I1, P, T, X, T1 und die Klägerin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Für den zwischenzeitlich ausgeschiedenen Arbeitnehmer C ist seit dem 01.11.2012 als weiterer Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden W bei der Beklagten beschäftigt.

Der Mitarbeiter I2 hat sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch Kündigung vom 26.04.2012 (Blatt 29 der Akte) zum 31.05.2012 beendet.

Zwischen der Mitarbeiterin X1und der Beklagten ist unter dem 20.Juni 2012 eine Vereinbarung (Blatt 147 der Akte) geschlossen worden, durch die ihr geringfügiges Beschäftigungsverhältnis zum 30.06.2012 endete. Mit der Durchführung der Reinigungsarbeiten bei der Beklagten ist nunmehr die Firma T2 beauftragt, bei der Frau X1 tätig ist und Reinigungsarbeiten bei der Beklagten erledigt.Zwischen der Beklagten und den Mitarbeitern L und T3 sind unter dem 31.05.2012 Aufhebungsvereinbarungen (Blatt 120 bis 123 der Akte) abgeschlossen worden, durch die eine Beendigung der bestehenden Arbeitsverhältnisse zum 31.05.2012 unter Klarstellung einer zukünftigen Weiterbeschäftigung bei der Firma M GmbH festgelegt worden ist.

Die Beklagte hat die Arbeitsverhältnisse mit den Mitarbeitern S2 und Herrn N durch Vereinbarungen vom 28.06.2012 (Blatt 124 bis 127 der Akte) zum gleichen Tage aufgehoben und diese gemäß Gesellschafterbeschluss vom 28.06.2012 zu Geschäftsführern der Beklagten bestellt, jeweils unter Abschluss eines Dienstvertrages.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Kündigungsschutzgesetz im Hinblick auf die Beschäftigung von mehr als 10 Arbeitnehmern bei der Beklagten im Sinne des § 23 KSchG anwendbar sei, so dass das Arbeitsverhältnis mangels Vorliegen ausreichender Gründe durch die Kündigungen der Beklagten nicht aufgelöst worden sei.

Bei der Zahl der regelmäßig Beschäftigten seien sowohl die zwischenzeitlich zu Geschäftsführern bestellten S2 und N zu berücksichtigen, wie auch trotz seiner Eigenkündigung zum 31.05.2012 der Zeuge I2. Dieser sei kein selbständiger Marketingberater und EDV/Internet-Spezialist sondern weiterhin für die Beklagte tätig. Dies ergebe sich bereits aus dem Internetauftritt seiner Firma B, der mangels Angabe einer Telefonnummer nicht werbewirksam gestaltet sei und seiner Namensangabe bei einer Stellenanzeige der Beklagten vom 31.07.2012.

Die Reinigungskraft X1 sei auch über den 01.07.2012 als Arbeitnehmerin dem Betrieb der Beklagten zuzurechnen, da sie weiterhin Reinigungsarbeiten in den Räumlichkeiten der Beklagten ausübt.

Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ergebe sich jedenfalls im Hinblick auf das Vorliegen einer einheitlichen Betriebes mit der Firma M GmbH, deren regelmäßig mehr als 10 Beschäftigte bei der Frage der Mitarbeiterzahl zu berücksichtigen seien.

Für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes spreche, dass Geschäftsführer beider Unternehmen Herr M ist, die M GmbH ausschließlich für die Beklagte tätig sei, wobei auch die ausgeführten Arbeiten systematisch auf den Vorarbeiten und Planungen der Beklagten aufbauen. Die von der Beklagten gefertigten Konstruktionspläne würden unmittelbar an die M GmbH mit konkreten Vorgaben bezüglich der Fertigungen und des Einsatzes der zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet.

Für einen gemeinsamen Betrieb spreche, dass am Sitz der M GmbH kein Büro für notwendige Verwaltungsaufgaben vorhanden sei, sondern diese vielmehr am Firmensitz der Beklagten erledigt werden.

Zu berücksichtigen sei auch ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz im Hinblick auf die Mitarbeiter L, T3 und den bei der Beklagten angestellten, aber ständig für die M GmbH als Schweißaufsicht tätigen Arbeitnehmer C1. Weiterhin habe im Falle der Abwesenheit des Geschäftsführers M der früher bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigte Mitarbeiter S2 diesen hinsichtlich anfallender Aufgaben bei der M GmbH vertreten. Er sei auch der Ansprechpartner bei Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitsmeldungen für Arbeitnehmer der M GmbH gewesen.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass bei der Kündigung vom 10.07.2012 die gemäß § 14 des Arbeitsvertrages der Parteien maßgebliche Kündigungsfrist von mindestens vier Wochen nicht eingehalten worden sei, so dass als frühestmöglicher Kündigungstermin allenfalls der 15.08.2012 in Betracht komme.

Die geltend gemachten Vergütungsansprüche seien aus Annahmeverzugsgesichtspunkten bezogen auf den Zeitraum, in dem die Beklagte aufgrund des vollstreckbaren Weiterbeschäftigungsanspruchs zur tatsächlichen Beschäftigung der Klägerin verpflichtet gewesen sei, dieser Beschäftigungspflicht jedoch nicht nachgekommen ist, berechtigt. Durch diese unterlassene tatsächliche Beschäftigung sei der Klägerin ein Schaden entstanden, der sich in Höhe der Vergütung ergebe, die die Beklagte bei der tatsächlichen Beschäftigung an die Klägerin zu zahlen gehabt hätte.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 nicht aufgelöst worden ist;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die zwei Kündigungen der Beklagten vom 29.11.2012 nicht aufgelöst worden ist;

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 20.09.2010 als technische Zeichnerin/Konstrukteurin tatsächlich weiterzu beschäftigen;

die Beklagte zu verurteilen, als Arbeitsvergütung für April 2012 an die Klägerin 1.633,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2012 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, als Arbeitsvergütung für Mai 2012 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 zu zahlen;

die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Juni 2012 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2012 zu zahlen;

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Juli 2912 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2012 zu zahlen;

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für die Zeit vom 01.08. bis 15.08.2012 an die Klägerin 1.750,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bereits durch die Kündigung vom 10.07.2012 sein Ende gefunden habe.Aufgrund des Ausscheidens der ursprünglich bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer I2 durch Eigenkündigung zum 31.05.2012, L und T3 durch Aufhebungsvereinbarung zum 31.05.2012, S2 und N durch Aufhebungsvereinbarung zum 28.06.2012 sowie X1 durch Aufhebungsvereinbarung zum 30.06.2012 seien weder zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen vom 10.07.2012 noch der Kündigungen vom 29.11.2012 bei der Beklagten in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Die befristet für den Zeitraum vom 12.11.2012 bis zum 11.11.2013 eingestellte Arbeitnehmerin I4 sei als Schwangerschaftsvertretung für die Mitarbeiterin I nach § 21 Abs. 7 BEEG nicht als zusätzliche Arbeitnehmerin der Beklagten im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes zu berücksichtigen.

Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ergebe sich auch nicht im Hinblick auf einen einheitlichen Betrieb mit der M GmbH.

Die Beklagte habe mit der M GmbH weder eine gemeinsame Betriebsstätte noch setze sie mit dieser aufgrund der völlig unterschiedlichen Arbeitsbereiche gemeinsame Arbeitsmittel ein.

Arbeitgeberübergreifender Personalaustausch zwischen den beiden Unternehmen finde jedenfalls ab dem maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegenüber der Klägerin am 10.07.2012 ebensowenig statt wie eine gemeinsame Diensteinsatz- oder Urlaubsplanung, bzw. eine arbeitgeberübergreifende Vertretung während Urlaubs- und Krankheitszeiten.

Die Vorgaben an die Firma M GmbH hinsichtlich der Fertigung und Ablieferung von den Bestellungen unter Beachtung der Konstruktionszeichnungen und Montagepläne der Beklagten würden den üblichen Vorgaben gegenüber Lieferanten entsprechen. Die Kooperation zwischen der Beklagten und der Firma M GmbH werde mit Serviceverträgen abgerechnet, wobei dieses auch hinsichtlich des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer C1 als verantwortlichen Schweißbeauftragten erfolge.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zustehe, da sie es böswillig unterlassen habe, anderweitiges Einkommen zu erzielen. Hierfür spreche, dass die Klägerin auf Arbeitslosengeld verzichtet habe. Sie habe sich nicht auf eine neue Arbeitsstelle beworben, und müsse obwohl sie arbeitsuchend gemeldet ist von der Bundesagentur für Arbeit aufgrund des Verzichtes auf Arbeitslosengeld keine Konsequenzen befürchten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber nur teilweise begründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 nicht zum 31.07. 2012 sondern zum 08.08.2012 beendet worden.

Die Kündigung vom 10.07.2012 ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Die Vorschriften über den allgemeinen Kündigungsschutz finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da der betriebliche Geltungsbereich des KSchG nicht eröffnet ist.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG finden die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung für Betriebe, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitsnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten tätig werden.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes trägt die Klägerin (vergl. BAG vom 26.06.2008, in DB 2008 S. 2311 ff.).

Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 10.07.2012 beschäftigte die Beklagte in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dabei handelte es sich um die Arbeitnehmer C, C3, E, I, I1, P, T, X, T5 und C.

Die Arbeitsverhältnisse mit den früheren Arbeitnehmern L2, T4, X1, S2 und N sind durch Aufhebungsvereinbarungen zum 31.05.2012, 28.06.2012 bzw. 30.06.2012 ebenso beendet worden, wie das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer I2 durch dessen Eigenkündigung zum 31.05.2012. Hinsichtlich einer Neubegründung dieses Arbeitsverhältnisses nach der Beendigung zum 31.05.2012 ist der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger mangels Beweisantritt jedenfalls beweisfällig geblieben.

Die für den Zeitraum vom 12.11.2012 befristet bis zum 11.11.2013 als Schwangerschaftsvertretung für die Arbeitnehmerin I eingestellte Arbeitnehmerin I4 hat, auch wenn sie nicht die identischen Tätigkeiten wie die Arbeitnehmerin I ausführt, im Hinblick auf die Anwendung findende Regelung des § 21 Abs. 7 BEEG unberücksichtigt zu bleiben.

Auch aus den von der Klägerin vorgetragenen, der Beklagten zuzurechnende Stellenausschreibungen sowie Angaben im Internet im Hinblick auf eine Beschäftigtenzahl von 20 Arbeitnehmern ergibt sich noch keine Anwendbarkeit des KSchG. Maßgeblich ist und bleibt die tatsächliche Anzahl der bei der Beklagten unter Berücksichtigung des Zeitpunkts des Ausspruchs der Kündigung vom 10.07.2012 in der Regel Beschäftigten im Sinne des § 23 Abs. 1. S. 2 Kündigungsschutzgesetz, die aber nicht die Grenze von 10 Arbeitnehmern überschreitet.

Das Kündigungsschutzgesetz ist auch nicht deshalb anwendbar, weil die Beklagte mit der Firma M GmbH einen gemeinsamen Betrieb bildet und deshalb die in den beiden Betrieben Beschäftigten bei der Ermittlung der nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG maßgebenden Arbeitnehmerzahl zusammenzurechnen sind.

Nach gefestigter Rechtssprechung des BAG ist das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes dann anzunehmen, wenn mehrere Unternehmen aufgrund einer Vereinbarung im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einer einheitlichen Leistungsmacht identische oder auch verschiedene arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgen. Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Nicht erforderlich ist, dass die beteiligten Unternehmen eine Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit ausdrücklich geschlossen haben, sondern es reicht aus wenn sich eine solche konkludent aus den näheren Umständen ergibt. Hiervon ist auszugehen, wenn der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Hingegen ist es nicht ausreichend wenn die Unternehmen lediglich unternehmerisch zusammen arbeiten. Vielmehr muss die Vereinbarung auf eine einheitliche Leitung für die Aufgaben gerichtet sein, die vollzogen werden müssen um die in der organisatorischen Einheit zu verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke erfüllen zu können (vergl. KR-Bader 10. Auflage § 23 KSchG Rnr. 48 ff. mit zahlreichen Nachweisen).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes liegt beim Arbeitnehmer, wobei nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast an seine Darlegungslast keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Es reicht in der Regel aus, wenn der Arbeitnehmer die äußeren Umstände darlegt, die für die Annahme sprechen, dass sich mehrere Unternehmen rechtlich über die Führung eines gemeinsamen Betriebes geeinigt haben und entsprechend dieser Einigung arbeitstechnische Zwecke innerhalb einer organisatorischen Einheit unter einem einheitlichen Leitungsapparat fortgesetzt verfolgen. Dazu gehören z.B. die gemeinsame Nutzung der technischen und immateriellen Betriebsmitteln, die gemeinsame räumliche Unterbringung, die personelle, technische und organisatorische Verknüpfung der Arbeitsabläufe, das Vorhandensein einer unternehmensübergreifenden Leitungsstruktur zur Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke, insbesondere zur Wahrnehmung der sich aus dem Direktionsrecht des Arbeitsgebers ergebenen Weisungsbefugnis. Hat der Arbeitnehmer schlüssig derartige Umstände vorgetragen, hat der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO hierauf im Einzelnen zu erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Betriebes sprechen (BAG-Urteil vom 07.11.1996, Az.: 2 AZR 648/95, BAG-Urteil vom 18.10.2006 in EzA § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung Nr. 151).

Nach Überzeugung der Kammer ist nicht festzustellen, dass die Beklagte mit der M GmbH zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 10.07.2012 einen gemeinsamen Betrieb bildet.

Die Klägerin hat zwar vergangenheitsbezogen eine Vielzahl von Einzelpunkten für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes vorgetragen und teilweise auch unter Beweis gestellt.

Für die Entscheidung der Kammer ist jedoch von ausschlaggebender Bedeutung, die von der Beklagten vorgetragene, Mitte des Jahres 2012 vollzogene vollständige Trennung der Betriebe der Beklagten und der Firma M GmbH die insbesondere zu einer Beendigung des betriebsübergreifenden Personaleinsatzes der Mitarbeiter L2 und T3 zum 31.05.2012 geführt hat. Auch die Personenidentität in der Unternehmensleitung beider Betriebe ist durch die Bestellung der Herren S2 und N zu Geschäftsführern der Beklagten ebenfalls von Ausspruch der Kündigung Ende Juli 2012 beendet wurde.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der weiter fortgeführten Tätigkeit des Arbeitnehmers der Beklagten C1 für die M M GmbH als Schweißbeauftragter. Unabhängig davon, ob durch diese Tätigkeit gegen die einschlägige DIN-Vorschrift verstoßen wird ist der Einsatz des Schweißtechnikers C ersichtlich nur als zur Erreichung eines arbeitstechnischen Betriebszwecks bei der M GmbH zu bewerten und erfolgte von den Betriebszwecken der Beklagten unabhängig, da sie als nichthandwerklicher Betrieb keine Schweißarbeiten ausführt. Der Arbeitnehmer der Beklagten C1 ist lediglich Inhaber des notwendigen DIN-Zertifikates, so dass sich die Personalgestellung auf eine unternehmerische Zusammenarbeit beschränkt.

Ein ausreichender Vortrag der Klägerin zum Fortbestehen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einer einheitlichen Leistungsmacht mit einem arbeitsübergreifenden Personaleinsatz über die Mitte des Jahres 2012 hinaus ist trotz ausdrücklicher diesbezüglicher Hinweise insbesondere auch in den schriftsätzlichen Stellungnahmen des Beklagtenvertreters nicht erfolgt.

Der Vortrag der Klägerin beschränkt sich vielmehr weitaus überwiegend auf den Zeitraum vor Ausspruch der Kündigung vom 10.07.2011 und dabei vor allem auf Zeiträume, die teilweise erheblich vor dem Zeitpunkt der nach Vortrag der Beklagten vorgenommenen Trennung der Betriebe der Beklagten und der M GmbH liegen

Die unternehmerische Zusammenarbeit und eine wirtschaftliche Verflechtung, die in bestimmten Bereichen nicht nur mit der Firma M GmbH sondern auch mit anderen Lieferanten besteht, begründet noch keinen gemeinsamen Betrieb zwischen der Beklagten und der Firma M GmbH.

Die Rechtsprechung fordert eine einheitliche Leitung zur Führung eines gemeinsamen Betriebs in Bezug auf den gemeinsamen Einsatz materieller und immaterieller Betriebsmittel und eine einheitliche Leitung im Bezug auf wesentliche Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich. Damit ist vor allem die Ausübung der Arbeitgeberfunktion im Hinblick auf den gemeinsamen Personaleinsatz gemeint, der jedoch zumindest ab Mitte des Jahres 2012 im Hinblick auf die Beendigung des betriebsübergreifenden Personaleinsatzes nicht mehr besteht. Es findet insoweit bis auf den auch vom zeitlichen Umfang beschränkten Einzelfall der Tätigkeit des Arbeitsnehmers C3 als verantwortlicher Schweißbeauftragter unter Berücksichtigung der maßgeblichen DIN-Vorschriften gerade kein Einsatz von Arbeitnehmern der Beklagten je nach Arbeitsauftrag oder Arbeitskräftebedarf bei der Firma M GmbH statt.

Dass die Beklagte die Konstruktionspläne unmittelbar an die M GmbH schickt, belegt nach Überzeugung der Kammer nicht das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes. Das unmittelbare, zur Verfügung stellen der geplanten Raumsysteme ist üblich für die Herstellung ebendieser und bietet die Grundlage zu deren Produktion. Die Beklagte bedient sich somit der Tätigkeiten, welche die M GmbH gegenüber Dritten anbietet. Auch sonstige Produktionsunternehmen müssen zur Fertigung die Pläne unmittelbar zur Verfügung gestellt werden. Ob die M GmbH zudem nur für die Beklagte tätig ist, ist unschädlich. Es liegt im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit wenn ein Betrieb nur für einen Auftraggeber tätig wird. Der Beklagte kann sowohl der M GmbH als auch anderen Unternehmen vorschreiben in welcher Art und Weise sie die Konstruktionen zu fertigen haben und bis zu welchem Zeitpunkt diese herzustellen sind. Sie übt hiermit gegenüber Arbeitnehmern der M GmbH jedoch keinerlei weitergehenden Weisungsrechte aus. Dass sie darüber den konkreten Einsatz bestimmter Mitarbeiter der M GmbH plant und somit in deren Organisation eingreift ist von ihr weder ausreichend konkret dargelegt, noch unter Beweis gestellt worden.

Demgegenüber sind die gemeinsame Nutzung einer Telefonanlage - vor allem da die direkte Erreichbarkeit der M GmbH über eine Durchwahl gewährleistet ist - und das Fehlen von Büroräumlichkeiten am Standort I5-Straße für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes ebensowenig ausreichend wie eine hierauf gegebenenfalls hinweisende Außendarstellung der Beklagten beim Internetauftritt. Vor allem der Argumentation der Klägerin, dass ein einheitlicher Betrieb der Beklagten und der M GmbH sich bereits aus der Außendarstellung ergebe, steht entgegen, dass die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich sind, die das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes jedoch nicht rechtfertigen.

Aufgrund der Nichteröffnung des betrieblichen Geltungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes hat die Klägerin somit keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 2 KSchG, so dass es für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung vom 10.07.2012 auch nicht mehr darauf ankam, ob Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingt haben.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 10.07.2012 jedoch nicht zum 31.07.2012 sondern erst zum 08.08.2012 beendet worden.

In § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20.09.2010 ist festgelegt, dass soweit die Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 BGB vorliegen, das Arbeitsverhältnis von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden kann

Die Vorgaben der Ziffer 2 des § 622 Abs. 5 S. 1 BGB sind erfüllt, da die Beklagte in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt und eine Kündigungsfrist von vier Wochen eingehalten ist.

Mit Zugang der Kündigung bei der Klägerin am 11.07.2012 endet das Arbeitsverhältnis der Parteien daher mit Ablauf des 08.08.2012.

Hinsichtlich der ordentlichen Kündigungen vom 29.11.2012 ist die Klage unbegründet weil das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits durch die zeitlich frühere Kündigung vom 10.07.2012 beendet worden ist.

Der Antrag auf Weiterbeschäftigung ist ebenfalls im Hinblick auf die Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung vom 11.07.2012 abzuweisen.

II.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten nach den §§ 293 ff., 615 BGB Anspruch auf Zahlung der eingeklagten Arbeitsvergütung aus Annahmeverzugsgesichtspunkten für den Zeitraum April 2012 bis zum 08.08.2012.

Hinsichtlich der weiterhin geltend gemachten Vergütungsanspruche wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte befand sich nach Ende der Kündigungsfrist der mit Schreiben vom 27.09.2011 gegenüber der Klägerin ausgesprochenen unwirksamen Kündigung in Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung der Klägerin gem. §§ 615 S. 1, 293 ff. BGB.

Gemäß §§ 615 S. 1, 611 BGB hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der begehrten Vergütung für die Dauer des Annahmeverzuges der Beklagten für den nach Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit eingeklagten Zeitraum, beginnend ab 17.04.2012 bis zur festgestellten Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 08.08.2012.

Für die Höhe der Vergütungsansprüche gilt das Lohnausfallprinzip, sodass die Beklagte die Vergütung weiter zu zahlen hat, die die Klägerin bei Weiterarbeit erzielt hätte. Die Klägerin hat ein monatliches Festgehalt von 3.500 EUR, welches ihr als Annahmeverzugsanspruch jeweils für die Monate Mai bis Juli 2012 zusteht, sowie für die Monate April 2012 und August 2012 jeweils der entsprechende zeitanteilige Betrag.

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht gem. § 615 S. 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift muss ein Arbeitnehmer bei Annahmeverzug sich den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Ein anrechenbarer anderweitiger Verdienst liegt bei der Klägerin nicht vor. Es sind insbesondere mangels Beantragung keine Leistungen seitens der Bundesagentur für Arbeit zu berücksichtigen.

Dem Annahmeverzugsanspruch der Klägerin steht auch nicht ein böswilliges Unterlassen eines anderweitigen Erwerbs im Sinne des § 615 S. 2 BGB entgegen.

Das Unterlassen des Bezuges von Arbeitslosengeld kann zwar als Indiz für ein böswilliges Unterlassen angesehen werden. Zu berücksichtigen sind jedoch im vorliegenden Fall die besonderen Umstände. Die Klägerin hat sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet und lediglich darauf verzichtet Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus ist die Klägerin auch nicht untätig gewesen sondern hat sich intensiv gegenüber der Beklagten um die Durchsetzung des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs aus dem Verfahren 1 Ca 1352/11 bemüht, wobei eine solche Weiterbeschäftigung seitens der Beklagten mehrfach abgelehnt worden ist.

Nach Überzeugung der Kammer kann daher nicht von einem böswilligen Unterlassen im Sinne des § 615 S. 2 BGB ausgegangen werden, sodass die Beklagte zur Zahlung der der Höhe nach zwischen der Parteien unstreitigen eingeklagten Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum vom 17.04.2012 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 08.08.2012 zu verurteilen war.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 ff. BGB.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG i. v. m. § 92 Abs. 1 ZPO. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG. Dabei sind gemäß § 42 Abs. 3 GKG für den Antrag zu 1 ein Vierteljahreseinkommen der Klägerin, für den Klageantrag zu 2 und 3 jeweils zwei weitere Bruttomonatsgehälter der Klägerin sowie für die Anträge zu 4 bis 8, die jeweils eingeklagten Zahlungsbeträge angesetzt worden.