OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.02.2019 - 2 WF 192/18
Fundstelle
openJur 2019, 40158
  • Rkr:

1. Die Staatskasse ist bei Kostenschuldnern, denen (ratenfreie) Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, wie jeder andere Gläubiger darauf verwiesen, die ausstehende Kostenschuld im Insolvenzverfahren anzumelden.

2. Wird über das Vermögen eines Beteiligten nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe das Insolvenzverfahren eröffnet, kommt die nachträgliche Anordnung einer Ratenzahlung gem. § 120 a ZPO nicht in Betracht.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschwege vom 6.6.2018 aufgehoben, so dass es vorerst bei den ratenfreien Verfahrenskostenhilfebewilligungen bleibt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat dem Antragsteller mit Beschluss vom 16.4.2015 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für seinen Antrag nach § 1598a Abs. 2 BGB unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Mit Beschluss vom 15.10.2015 hat der Senat dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug, und zwar ebenfalls ohne Ratenzahlungen und unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten, bewilligt.

Der Antragsteller ist Beamter im Ruhestand und verfügte im Bewilligungszeitraum über Nettobezüge von mtl. rund 1.950,00 €, von denen ihm jedoch wegen erheblicher Pfändungen von Unterhaltsansprüchen und in Hinblick auf die Rückführung einer Forderung der Bank1 von etwa 132.000,00 € lediglich ein Betrag von mtl. 850,00 € belassen wurde, so dass nach Abzug der Miete und des Freibetrags nach § 115 Abs. 1 Nr. 2a ZPO kein einzusetzendes Einkommen verblieb.

Mit Verfügung vom 1.3.2018 hat das Amtsgericht den Antragsteller im Überprüfungsverfahren nach § 76 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 120a Abs. 1 ZPO aufgefordert, Angaben zu seinen aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen. Der Antragsteller ist der Aufforderung nachgekommen und hat u. a. seine Bezügemitteilung für März 2018 vorgelegt, die Nettobezüge von 2.108,59 € sowie einen "Einbehalt Abtretung" von 655,34 € zu Gunsten der Insolvenzverwalterin A ausweist. Zugleich hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass inzwischen über sein Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Eschwege vom 7.8.2017 (Az.: .../17) das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Die Insolvenzverwalterin hat sich zu der Akte gemeldet und mitgeteilt, dass der Antragsteller keine Zahlungen erbringen könne, vielmehr die Kosten der Justizkasse als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumelden seien. Hierzu hat sie einen entsprechenden Vordruck nach § 174 InsO - Forderungsanmeldung - beigefügt.

Mit Beschluss vom 6.6.2018 hat das Amtsgericht in Abänderung der Ursprungsbeschlüsse vom 16.4.2015 und 15.10.2015 die Zahlung von Monatsraten à 238,00 € angeordnet, und hierzu die folgende Berechnung aufgestellt:

Nettobezüge

2.108,59 €

abzgl. Abführung an die Insolvenzverwalterin

655,34 €

abzgl. Grundfreibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a) ZPO

481,00 €

abzgl. Mietkosten

460,00 €

abzgl. Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag

34,76 €

einzusetzendes Einkommen

477,49 €

hiervon 50 %, abgerundet

238,00 €

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 7.6.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 13.6.2018 sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 15.6.2018 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Einzelrichter hat das Verfahren gemäß § 568 S. 2 Nr. 1 ZPO dem Senat zur Entscheidung in voller Besetzung übertragen.

Die Bezirksrevisorin verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Rechtsansicht, dass in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch keine Forderung gegenüber dem Antragsteller bestanden habe, weil ihm Verfahrenskostenhilfe ohne Raten bewilligt worden war. Eine Anmeldung der Forderungen der Justizkasse, von deren Zahlung der Antragsteller gemäß § 122 ZPO infolge der Nichtanordnung von Ratenzahlungen einstweilen befreit war, komme daher nicht in Betracht, weil die Justizkasse weder in Hinblick auf die Gerichtskosten noch bezüglich der auf sie übergegangenen Ansprüche auf Anwaltsvergütung Insolvenzgläubigerin nach § 38 InsO sei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie ist insbesondere binnen der Notfrist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§§ 127 Abs. 2 S. 3, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) eingelegt worden.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

In der Rechtsprechung ist umstritten, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beteiligten der nachträglichen Anordnung von Ratenzahlungen entgegensteht.

Zum Teil (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 3.1.2019, Az. 5 WF 133/18, zitiert nach Juris; OLG Frankfurt a. M., FuR 2019, 106; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5.1.2011, Az. 10 Ta 266/10; OLG Bamberg, FamRZ 2005, 1187) wird die Ansicht vertreten, dass eine solche Anordnung nicht in Betracht komme. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe lediglich eine Stundung der entstandenen Forderungen bewirke und durch eine nachträgliche Ratenzahlungsanordnung die Ansprüche der Justizkasse nicht erst begründet, sondern vielmehr lediglich die Stundung aufgehoben werde. Dies habe zur Folge, dass die Ansprüche der Justizkasse bereits zu dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hätten und die Staatskasse gemäß § 38 InsO Insolvenzgläubigerin geworden sei, weshalb sie ihre Forderungen gemäß § 87 InsO nur noch nach den Vorschriften der Insolvenzordnung verfolgen könne, sie also gemäß § 174 InsO bei dem Insolvenzverwalter anzumelden habe.

Nach anderer Ansicht (LAG Köln, ZInsO 2015, 2536 f.; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.2.2013, Az. 7 R 144/10, zitiert nach Juris; OLG Koblenz, FamRZ 2010, 1360; OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 436 f.) steht die zwischenzeitliche Insolvenzeröffnung einer nachträglichen Ratenzahlungsanordnung nicht entgegen, wenn und soweit dem Beteiligten unter Berücksichtigung der Pfändungsgrenzen (§§ 850 ff. ZPO) von seinem Arbeitseinkommen - hierzu zählen gemäß § 850 Abs. 2 ZPO auch Versorgungsbezüge - ein Betrag verbleibt, welcher gemäß § 36 Abs. 1 InsO vom Insolvenzverfahren nicht erfasst wird. In diesem Fall greife nämlich das Verfügungsverbot des § 80 Abs. 1 InsO nicht und dürfe der Insolvenzschuldner sein Einkommen zum Bestreiten der Prozesskosten einsetzen. Außerdem hätten andernfalls durch die unterschiedliche Berechnungsweise und die Differenz zwischen dem unpfändbaren Einkommen im Sinne des § 850c ZPO einerseits und dem anrechenbaren Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO andererseits Insolvenzschuldner gerade bei hohen Einkommen mit den entsprechend hohen Freibeträgen nach § 850c ZPO gegenüber anderen Schuldnern im Verfahrenskostenhilfeverfahren einen ungerechtfertigten Vorteil.

Der Senat schließt sich - insoweit seine bisherige Rechtsprechung (Beschluss vom 14.5.2018, Az. 2 WF 230/17) ausdrücklich aufgebend - der erstgenannten Auffassung an.

Insolvenzgläubiger ist gemäß § 38 InsO, wer im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat. Vorliegend sind sämtliche Forderungen der Justizkasse gegen den Antragsteller bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe führt nämlich "wie eine Stundung" dazu, dass die Ansprüche der Staatskasse zwar existent, in ihrer Durchsetzbarkeit jedoch gehemmt sind (vgl. BGH, NJW-RR 1997, 831; Musielak/Voit, ZPO, 15. Auflage 2018, § 122 Rdnr. 1 - in den Gesetzesmaterialien wird die Prozesskostenhilfe teilweise auch als "zinsloser Justizkredit" bezeichnet, vgl. BT-Drs. 17/11472, S. 30). Die vorliegende Abstammungssache ist im Jahr 2014 eingeleitet und mit Beschluss vom 25.11.2015 rechtskräftig beendet worden, so dass sämtliche Kosten - sowohl die Gerichtsgebühren als auch die auf die Justizkasse übergegangenen Anwaltsgebühren des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers - am 7.8.2017 bereits angefallen waren. Der Umstand, dass die Ratenzahlungsanordnung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangen ist, ändert hieran nichts, denn sie beseitigt nur die Stundung (bzw. führt zur Fälligkeit der "Justizkredit"-Forderung), wobei lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken ist, dass gemäß § 41 Abs. 1 InsO im Insolvenzverfahren auch noch nicht fällige Forderungen als fällig gelten, so dass der Gläubiger einer gestundeten Forderung diese in jedem Fall zur Tabelle anmelden muss, will er seine Rechte wahren.

Nach Ansicht des Senats kann auch die Justizkasse Forderungen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bestanden, nur im Insolvenzverfahren geltend machen. Das Gesetz sieht eine gesonderte Regelung hinsichtlich der Verfahrenskosten und evtl. damit zusammenhängender Anwaltskosten des Insolvenzschuldners lediglich insoweit vor, als es um die Kosten des Insolvenzverfahrens selbst geht (§§ 4a bis 4c InsO). Diese im Fall der Bedürftigkeit stets in vollem Umfang zu stundenden Verfahrenskosten - die Anordnung von Ratenzahlungen kommt nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2003, 3780 f.) auch bei teilweiser Leistungsfähigkeit nicht in Betracht, weil der Wortlaut des §4a InsO allein an das Vermögen des Schuldners anknüpft und im Gegensatz zu den Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe nicht zwischen Einmalzahlungen und Ratenzahlungen differenziert - sind später von der Wirkung der Restschuldbefreiung ausgenommen. Ansonsten sind die öffentlichen Kassen nur dann als Absonderungsberechtigte privilegiert, soweit Zölle und Steuern betroffen sind (vgl. § 51 Nr. 4 InsO).

Soweit die Gegenmeinung einen Zugriff der Justizkasse jedenfalls in Höhe von Raten, die aus dem nicht pfändbaren Einkommen gezahlt werden können, zulässt, ist zwar richtig, dass der Insolvenzschuldner nicht gehindert ist, über sein pfändungsfreies Einkommen zu verfügen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Insolvenzgläubiger auf dieses unpfändbare Einkommen zugreifen könnte. Vielmehr sind Vollstreckungshandlungen der Insolvenzgläubiger gemäß § 89 Abs. 1 InsO während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig. Der Insolvenzschuldner kann daher zwar aus seinem pfändungsfreien Einkommen Verfügungen treffen; das Vollstreckungsverbot besagt jedoch, dass solche Verfügungen nicht zwangsweise durchgesetzt werden können. Für eine von dem Gesetzgeber gewollte Privilegierung der Justizkasse, ihre Forderungen auch im laufenden Insolvenzverfahren durch hoheitliche Anordnungen durchsetzen zu können, ist auch in dem hier in Rede stehenden eingeschränktem Umfang im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen nichts ersichtlich. Vielmehr spricht die Regelung in § 4a InsO, wonach Ratenzahlungen noch nicht einmal hinsichtlich der gestundeten Kosten des Insolvenzverfahrens statthaft sind, dagegen. Gegen die Richtigkeit der Annahme, es sei zulässig, nachträgliche Ratenanordnungen im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen zu erlassen, streitet zudem die Hilfserwägung, dass in diesem Fall die Situation eintreten könnte, dass der Beteiligte die Raten gleichwohl nicht leistet und sich dann die Frage stellt, ob die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe nunmehr gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ganz aufzuheben ist. Konsequenterweise müsste eine solche Entscheidung unterbleiben, wenn die sodann sofort fällige Gesamtforderung die Pfändungsfreigrenzen übersteigt.

Es erscheint dem Senat indes nicht sachgerecht, einen Beteiligten im Ergebnis dann schlechter zu behandeln, wenn er einer Ratenzahlungsanordnung freiwillig Folge leistet, als wenn er sich ihr widersetzt. Auch die Argumentation dahingehend, dass es wegen der Differenz zwischen dem unpfändbaren Einkommen im Sinne des § 850c ZPO einerseits und dem anrechenbaren Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO andererseits zu Ungleichbehandlungen kommen könne, wenn man von Ratenzahlungsanordnungen absehe, überzeugt nicht, weil derjenige Beteiligte, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, in der Regel nicht unerheblichen Forderungen ausgesetzt ist. Ein "vergleichbarer" Beteiligter, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden ist, wird demgegenüber entweder keine Schulden in gleicher Größenordnung haben oder sie andernfalls als besondere Belastungen im Sinne des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ZPO in die Waagschale werfen können und auf diesem Wege ebenfalls in den Genuss weiterhin ratenfreier Verfahrenskostenhilfe gelangen.

Weil das Rechtsmittel des Antragstellers Erfolg hat, ergeht die Beschwerdeentscheidung gerichtsgebührenfrei - § 1 FamGKG in Verbindung mit Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren um die Verfahrenskostenhilfe werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und zudem angesichts der divergierenden obergerichtlichen Entscheidungen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.