OLG Hamm, Urteil vom 11.09.2018 - 4 U 134/17
Fundstelle
openJur 2019, 34022
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 42 O 20/17
  • nachfolgend: Az. I ZR 193/18
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30.08.2017 verkündete Urteil der 42. Zivilkammer des Landgerichts Essen - Kammer für Handelssachen - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Zu den Mitgliedern des Klägers gehören unter anderem verschiedene Ärztekammern, Unternehmen der Heilmittelbranche sowie Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln.

Die Beklagte vertreibt sogenannte "Kinesiologie Tapes". Für diese warb sie im Jahre 2013 - damals firmierend unter der Bezeichnung N GmbH - teilweise mit Angaben, wonach diese Tapes zur Schmerzbehandlung geeignet seien. Die schmerzlindernde Wirkung ist allerdings - in diesem Verfahren unstreitig - nicht medizinisch gesichert nachweisbar. Nach einer entsprechenden Abmahnung des Klägers gab die Beklagte am 04.11.2013 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Dabei verpflichtete sie sich insbesondere dazu, für das Produkt "Kinesiologie Tapes", insbesondere für das Produkt "Gitter Tape" zukünftig nicht mehr mit Werbeaussagen wie "Kleben Sie den Schmerz einfach weg", "Schmerzlinderung", "Schmerzen können ohne Medikamente gelindert bis geheilt werden" und "Perfekt für Schmerz" zu werben. Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung verpflichtete sich die Beklagte, an den Kläger eine Vertragsstrafe von 1.000,00 € zu zahlen, wobei im Fall von drei und mehr Verstößen, die gleichzeitig festgestellt werden, die Vertragsstrafe dreifach verwirkt sein sollte. Dieses Unterlassungsversprechen nahm der Kläger mit Schreiben vom 19.11.2013 an.

Wegen einer Zuwiderhandlung gegen diese Unterlassungsverpflichtung mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 26.02.2014 ab und forderte sie zur Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 1.000,00 € sowie zur Abgabe eines Erhöhungsversprechens bezüglich der ausgelobten Vertragsstrafe auf.

Da die Beklagte dem nicht nachkam, machte der Kläger entsprechende Zahlungs- und Unterlassungsansprüche klageweise vor dem Landgericht Essen geltend (Az. 42 O 25/14). Einvernehmlich einigten sich die Parteien dann am 12.06.2014 dahin, dass eine reduzierte Vertragsstrafe gezahlt werden sollte und dass bezüglich zukünftiger Vertragsverletzungen eine Vertragsstrafe i.H.v. 1.500,00 € verwirkt sein sollte. Das gerichtliche Verfahren beendeten die Parteien einvernehmlich.

Die Beklagte bietet ihre Produkte auch über die Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine dem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert. Dadurch soll sichergestellt werden, dass für den angebotenen Artikel bei dessen Aufruf sämtliche Anbieter angezeigt werden. Für jedes Produkt wird - sobald dieses erstmals angeboten wird - eine Produktbeschreibung angelegt. Jeder weitere Anbieter des jeweiligen Artikels erhält die Möglichkeit, sich an dieses Angebot mit der entsprechenden Produktbeschreibung "anzuhängen".

Ferner besteht für Käufer die Möglichkeit, bei Amazon Produkte zu bewerten. Nach Übermittlung der Bewertung durch den Kunden stellt Amazon diese ohne nähere Prüfung unverzüglich ein und weist die Bewertung dem unter der entsprechenden ASIN (bzw. EAN) geführten Produkt zu. Dies hat zur Folge, dass zu dem Artikel mit der jeweiligen Produktbeschreibung alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem (unter Umständen von mehreren Anbietern dargebotenen) Produkt abgegebenen wurden.

Am 17.01.2017 bot die Beklagte über Amazon den Artikel "Kinesiologie Tapes" an. Zu diesem Angebot waren Kunden-Rezensionen abrufbar, die unter anderem folgende Hinweise enthielten: "Schmerzlinderndes Tape!", "This product ist perfect for pain...", "Schnell lässt der Schmerz nach", "Linderung der Schmerzen ist spürbar", "Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg", "Schmerzen lindern".

Mit Schreiben vom 26.01.2017 forderte der Kläger die Beklagte daraufhin zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 4.500,00 € und zur Abgabe eines erneuten Erhöhungsversprechens auf. Daraufhin setzte sich die Beklagte mit dem Amazon-Kundenservice in Verbindung und erkundigte sich, ob die Kundenrezensionen gelöscht werden könnten. Dies lehnte der Kundenservice bei Amazon unter Hinweis auf die entsprechenden internen Richtlinien ab. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger neben einem Unterlassungsanspruch und der begehrten Vertragsstrafe einen Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.141,90 € nach einem Gegenstandswert in Höhe von 30.000,00 € gegen die Beklagte geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte auf das Entfernen der beanstandeten Kundenbewertungen bei Amazon hinwirken müsse. Falls dies nicht möglich sei, dürfe die Beklagte ihr Produkt nicht über Amazon anbieten. Dadurch, dass die Beklagte die Kunden für sich sprechen lasse, mache sie sich die entsprechenden Angaben zu Eigen. Aufgrund des aufgezeigten Verstoßes stehe dem Kläger ein Unterlassungsanspruch auf gesetzlicher und vertraglicher Grundlage zu. Auch die Vertragsstrafe in Höhe von 4.500,00 € sei verwirkt.

Der Kläger hat beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für ein O Original Kinisiologie Tape mit der Angabe zu werben:

1."Schmerzlinderndes Tape!",

2."perfect for pain...",

3."Schnell lässt der Schmerz nach",

4."Linderung der Schmerzen ist spürbar",

5. "Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg",

6."Schmerzen lindern"

jeweils sofern dies geschieht, wie in Anl. K8 wiedergegeben;

II.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.500,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

III.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.141,90 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gerügt, dass der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt sei. Ferner hat sie behauptet, dass die werbenden Angaben zu Nr. I. 2-6 sich nicht auf das im Antrag genannte Produkte bezögen. Sie hat die Auffassung vertreten, für die beanstandeten Äußerungen insgesamt nicht verantwortlich zu sein. Dazu hat sie darauf verwiesen, dass sie keinen Einfluss auf die Bewertungen habe, die nur der Plattformbetreiber entfernen könne. In der Wahrnehmung der Nutzer stellten sich die Kunden-Bewertungen auch nicht als Werbemaßnahmen der Verkäufer dar. Vielmehr würden diese als Privatmeinung ohne wissenschaftlichen Anspruch verstanden werden. Damit sei auch die Vertragsstrafe nicht verwirkt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die beanstandeten Kunden-Rezensionen keine Werbung im Sinne der vertraglichen Unterlassungsverpflichtung darstellten. Auch ein Anspruch aus § 8 UWG komme nicht in Betracht. Die angesprochenen Verkehrskreise wüssten eindeutig zwischen der Werbung des Herstellers und den Kundenmeinungen zu differenzieren. Gerade beim Bezug zu Gesundheitsthemen wisse der Verbraucher die subjektive und mit den objektiven Gegebenheiten ggf. nicht kompatible Einschätzung anderer Verbraucher zutreffend einzuordnen.

Dagegen wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung. Er rügt, dass das Landgericht bei Beurteilung der Frage, ob gegen das Unterlassungsversprechen verstoßen worden sei, verkannt habe, dass insoweit auch kerngleiche Verstöße relevant seien.

Tatsächlich stellten die streitgegenständlichen Kundenbewertungen einen kerngleichen Verstoß dar, so dass eine normative Bewertung nach § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG entbehrlich sei. Das Landgericht habe den eigenen Tatbeitrag der Beklagten nicht bewertet. Die Beklagte habe sich eindeutig zumindest diejenigen Kundenbewertungen zu Eigen gemacht, die bereits zu dem Zeitpunkt vorhanden gewesen seien, als die Beklagte ihr Produkt bei Amazon eingestellt habe. In Bezug auf die später hinzugetretenen Kundenbewertungen habe die Beklagte die ihr obliegende Prüfungspflicht hinsichtlich selbstständig von Dritten an ihrem Angebot vorgenommener Veränderungen verletzt. Irreführende Kundenbewertungen hätte die Beklagte von der Verkaufsplattform Amazon entfernen lassen müssen. Wenn die Beklagte ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht nicht gerecht werden wolle, habe sie jedenfalls die Möglichkeit, ihr Produkt von der Handelsplattform Amazon zu entfernen. Es gebe eine Vielzahl anderweitiger Verkaufsmöglichkeiten - insbesondere auch über das Internet -, welche eine volle Kontrolle über die Produktwerbung ermöglichten. In nicht nachvollziehbarer Weise habe das Landgericht unterstellt, dass der Verbraucher trotz der Kundenbewertungen zutreffend davon ausgehe, dass das angebotene Produkt zu den ausgelobten Wirkungen nicht in der Lage sei. Gerade der Werbung mit der Empfehlung Dritter komme eine besondere Anreizwirkung zu. Der Verbraucher messe derartigen Kundenbewertungen eine weitaus größere Objektivität bei, als den Angaben des Werbenden selbst.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Essen vom 30.08.2017-2 in 40 O 20/17-zu verurteilen,

I.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für ein O Original Kinisiologie Tape mit der Angabe zu werben:

1."Schmerzlinderndes Tape!",

2."perfect for pain...",

3."Schnell lässt der Schmerz nach",

4."Linderung der Schmerzen ist spürbar",

5. "Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg",

6."Schmerzen lindern"

jeweils sofern dies geschieht, wie in Anl. K8 wiedergegeben;

II.

an den Kläger 4.500,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

III.

an den Kläger weitere 1.141,90 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit näheren rechtlichen Ausführungen das angefochtene Urteil und verweist insbesondere darauf, dass ihr die Kundenrezensionen als Werbung nicht zurechenbar seien.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens besteht kein Anlass zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung.

1.

Dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigten Kläger steht gegen die Beklagte kein gesetzlicher Unterlassungsanspruch - insbesondere nicht aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG zu.

a)

Nach § 8 Abs. 1 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Unzulässig sind nach § 3 Abs. 1 UWG unlautere geschäftliche Handlungen. Unlauter handelt nach § 3a UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung ist jedoch nicht feststellbar.

Die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Danach darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen geworben werden, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.

Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass der Tatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG nicht erfüllt ist. Die beanstandeten Kundenrezensionen sind Äußerungen Dritter im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG. Die in den Kundenbewertungen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben sind irreführend, weil die dort angepriesene gesundheitsfördernde Wirkung des Tapes - in diesem Verfahren unstreitig - wissenschaftlich nicht hinreichend nachgewiesen ist.

Allerdings stellen die Kundenrezensionen keine Werbung dar, die der Beklagten zugerechnet werden könnte.

aa)

Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung - beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring - erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH, Urteil vom 12.09.2013 - I ZR 208/12, GRUR 2013, 1259 - Empfehlungs-E-Mail). Die Kundenrezensionen zu Angeboten über die Online-Handelsplattform Amazon stellen jedoch keine Werbung für den bewerteten Artikel dar.

(1)

Zunächst haben die Kunden im Rahmen der Bewertungen selbst zweifellos keine Absatzförderungsabsicht. Insoweit ist zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits auch unstreitig, dass die beanstandeten Angaben nicht auf (mittelbare) Veranlassung der Beklagten Eingang in Kundenbewertungen gefunden haben.

(2)

Die Teilnahme an dem Bewertungssystem bei Amazon durch bloße Nutzung der Online-Handelsplattform Amazon stellt grundsätzlich keine Maßnahme des Unternehmens dar, der auch nur mittelbar eine absatzfördernde Wirkung zukommt (a.A. wohl Landgericht Mannheim, Urteil vom 23.01.2018-23 O 40 / 17 (juris Rz. 21)).Grundsätzlich ist die Absatzförderungsabsicht zu vermuten. Dies gilt aber nicht, wenn die Werbemaßnahme durch Dritte veranlasst wird (vgl. dazu i.E: Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 36. Auflage 2018 § 6 Rn. 64 ff). Es kann jedoch vorliegend nicht festgestellt werden, dass der Anbieter die Absicht hat, mit Kundenmeinungen, die er weder beeinflussen noch unterbinden kann, seinen Absatz zu fördern.

In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass das Zusammenspielen von Anzeigen der Anbieter mit der Bewertungsplattform auf der Internet- Handelsplattform Amazon darauf angelegt ist, Kundenrezensionen hervorzurufen. Auf den Inhalt der Rezensionen hat der Anbieter keinerlei Einfluss. Damit setzt sich der Anbieter einer ungefilterten Meinungsäußerung und Bewertung der Kunden aus.

Die Bewertungen sind einer ständigen Veränderung unterzogen, die der Anbieter nicht beeinflussen kann. Bedeutsam ist auch, dass sich diese Veränderung in kürzester Zeit vollziehen kann. Aus Sicht des Verbrauchers ist nicht etwa eine rein zahlenmäßige Gegenüberstellung von (eher) positiven und (eher) negativen Bewertungen maßgeblich dafür, ob die Kundenbewertungen geeignet sind, einen etwaigen Kaufentschluss zu stärken. Lebensnah ist, dass ggf. auch nur eine einzige - fundierte, äußert negative - Bewertung sämtliche positiven Bewertungen des Produkts in Frage stellen und gegenstandslos erscheinen lässt. In diesem Fall wirken sich die Bewertungen aber gerade nicht mehr förderlich auf den Absatz des angebotenen Produkts aus. Beim Einstellen des Angebots bei Amazon nimmt der jeweilige Anbieter in Kauf, dass die Bewertung sich ggf. auch unmittelbar danach - oder sogar zeitgleich - in dieser Form nachteilig verändern kann. Damit kann er selbst zum Zeitpunkt der Erstellung des Angebots nicht absehen, ob die aktuellen Kundenbewertungen in der Gesamtheit eher anpreisenden Charakter haben oder nicht. Folglich hat der Anbieter keinen Anlass zu der Annahme, dass bei Inanspruchnahme der Vermarktung eines Artikels über Amazon überwiegend positive Bewertungen der Kunden abgegeben werden (a.A. zu Kundenbewertungen auf der Website des Anbieters: OLG Köln, Urteil vom 24.05.2017 - 6 U 161/17 "Zauberwaschmittel", juris Rz. 54). Bewertungen können einzeln oder in der Gesamtheit durchaus auch negativ ausfallen und sind in diesem Fall ersichtlich nicht geeignet, den Absatz des Anbieters zu fördern.

Die Beurteilung der Frage, ob Kundenrezensionen bei Amazon Werbung des Anbieters darstellen, hat unabhängig davon zu erfolgen, welche Kundenbewertungen bei Einstellen des Angebotes bereits vorhanden waren. Entgegen der Auffassung des Klägers macht sich der Anbieter etwa beim Einstellen des Angebots vorhandene positive Bewertungen nicht als Werbung zu Eigen. Aufgrund der Angebotsstruktur bei Amazon hat das sogenannte "Anhängen" an das Angebot eines anderen Anbieters über die identische ASIN bzw. EAN zwar zur Folge, dass die Bewertungen auch für das Angebot des neuen Anbieters angezeigt werden. Selbst wenn aber bei Erstellen eines Angebots überwiegend oder ausschließlich positive Bewertungsbeiträge zu dem angebotenen Artikel vorhanden sind, kann der Anbieter aufgrund der mit dem Bewertungssystem einhergehenden enormen Flexibilität der Kundenmeinungen keinesfalls davon ausgehen, dass dieses Meinungsbild Bestand haben wird.

bb)

Selbst wenn (positive) Kundenrezensionen bei Amazon grundsätzlich Werbung im Sinne der dargelegten Definition darstellen würden, wäre diese Werbung nach Auffassung des Senats dem Anbieter aber nicht zuzurechnen (so im Ergebnis auch: LG Heilbronn, Urteil vom 11.07.2017 - 21 O 5/17 KfH ).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist in Bezug auf die Verwendung gesundheitsbezogener Äußerungen Dritter im Bereich der Werbung für Lebensmittel anerkannt, dass nicht erforderlich ist, dass sich der Werbende deren Aussageinhalt zu eigen macht. Es reicht vielmehr aus, dass solche zur Werbung geeigneten Äußerungen Dritter im Rahmen einer Werbung unmittelbar wiedergegeben oder zitiert werden oder dass bloß auf sie hingewiesen wird, wenn die Äußerungen in einer Weise mit der Werbung verbunden sind oder werden, dass aus der Sicht des Verbrauchers ernsthaft der Eindruck entstehen kann, das gerade beworbene Mittel könne die vom Dritten angesprochene Krankheit verhüten. Auch dann besteht nämlich die Gefahr, dass der Selbstmedikation Vorschub geleistet wird, was die entsprechenden Schutzvorschriften verhindern wollen (vgl. dazu: Senat, Urteil vom 10.02.2005 - 4 U 167/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.09.2010 - 6 U 135/09 und Urteil vom 27.03.2007 - 20 U 118/06 - jeweils für Äußerungen angerufener Zuschauer in einer Werbesendung). Maßgeblich ist bei der Zurechnung darauf abzustellen, ob im Rahmen einer reklamehaften Anpreisung der Produkte die (Werbe-)Aussagen von Dritten so einbezogen werden, dass bei den Verbrauchern der Eindruck entsteht, sie seien Teil der zu vermittelnden Werbeinformation (Senat a.a.O. Rn. 34).

Von den Kundenrezensionen sind alle Verbraucher angesprochen, die sich für ein über Amazon vertriebenes Produkt interessieren. Auch die Mitglieder des Senats gehören zu dem angesprochenen Verkehrskreis, so dass der Senat aus eigener Sachkunde das Verständnis des Verbrauchers beurteilen kann. Danach ist festzustellen, dass die Kunden-Rezensionen auf der Internet-Handelsplattform Amazon sich aus Sicht des angesprochenen Verkehrskreises als von der Produktbeschreibung und -werbung unabhängig darstellen. Dies folgt nicht allein aus der Tatsache, dass die Kunden-Rezensionen grafisch eindeutig vom jeweiligen Angebot abgesetzt sind. Von dem verständigen und durchschnittlich informierten Verbraucher - auf dessen Sichtweise es hier maßgeblich ankommt (stRspr; vgl. nur BGH, Urteil vom 30.06.2011 - I ZR 157/10 -, GRUR 2012, 184 Rn. 19 - Branchenbuch Berg; BGH, Urteil vom 08.03.2012 - I ZR 202/10 -, GRUR 2012, 1053 Rn. 19- Marktführer Sport, BGH, Urt. vom 05.02.2015 - 9 ZR 136/13, GRUR 2015, 906 - TIP der Woche) - kann erwartet werden, dass er jedenfalls in den Grundzügen mit dem System der Internet-Handelsplattform Amazon und dem Bewertungssystem vertraut ist, da es sich dabei um eine der führenden Internet-Handelsplattformen handelt. Das Bewertungssystem wird unabhängig von direkten Einflussmöglichkeiten der jeweiligen Händler geführt und durch Amazon auf Verstöße überwacht. Die Verbraucher, die sich des Angebots von Amazon bedienen, haben gerade deshalb ein Interesse an den Kundenbewertungen, weil diese eben nicht der Sphäre des Anbieters zugeordnet werden sollen. Auch wenn dabei nicht ausgeschlossen werden kann, dass Anbieter jedenfalls mittelbar - beispielsweise durch Abgabe eigener Bewertungen - auf dieses System Einfluss nehmen, ist dieses grundsätzlich in der Zielrichtung darauf ausgelegt, die Bewertung der Kunden den werbenden Angaben des Anbieters gegenüber zu stellen. Dabei sollen die freiwillig abgegebenen Bewertungen der Kunden (nach verifizierten Käufen) deren persönliche Einschätzung der Ware darstellen. Nach dem Konzept des Bewertungssystems sollen daher die Kundenbewertungen einer unabhängigen Verbraucherbefragung nahe kommen. Für den verständigen und durchschnittlich informierten Verbraucher entsteht damit gerade nicht der Eindruck, dass die Kunden-Rezensionen Teil des Angebots oder der Werbung für dieses sind.

cc)

Eine Verantwortlichkeit der Beklagten für irreführende Angaben in Kundenrezensionen kann auch nicht aus einem Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten im Sinne der in § 3 Abs. 2 UWG genannten unternehmerischen Sorgfalt begründet werden.

Es ist anerkannt, dass derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet ist, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Dies folgt aus dem Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen oder Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus drohenden Gefahren notwendig sind. Wer gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung (BGH, Urteil vom 12.07.2007 - I ZR 18/04 , GRUR 2007, 890-896 -Jugendgefährdende Medien bei eBay, BGH Urteil vom 03.03.2016 - I ZR 140/14,GRUR 2016, 936 - Angebotsmanipulation bei Amazon, Senat, Urteil. v. 10.02.2005 - 4 U 167/04, juris Rn. 36 OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.09.2010 - 6 U 135/09, juris Rn. 33; OLG Düsseldorf, Urteil. v. 27.03.2007 - 20 U 118/06, juris Rn. 25;.). Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht stellt sich daher als Folge einer Gefährdung von wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen von Marktteilnehmern dar. Da aus den vorgenannten Gründen die Äußerungen in Kundenrezensionen bei Amazon keine dem Anbieter zurechenbare Werbung darstellen, wird durch diese eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht auch nicht begründet (a.A. wohl Landgericht Mannheim, Urteil vom 23.01.2018-23 O 40 / 17, juris Rn. 21).

Damit kann offen bleiben, ob es der Beklagten überhaupt zumutbar wäre, die Kundenbewertungen zu ihren Angeboten regelmäßig dahin zu überprüfen, ob diese irreführende und unzulässige Angaben enthalten. Für die vorliegende Entscheidung kann mithin auch dahin stehen, ob von dem Anbieter auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verlangt werden kann, dass er mangels Einflussmöglichkeit auf die Kundenrezensionen sein Angebot von der Handelsplattform Amazon entfernt, wenn Kundenbewertungen irreführende Angaben enthalten.

b)

Auch ein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1, UWG besteht nicht. Voraussetzung wäre die Vornahme einer irreführenden geschäftlichen Handlung der Beklagten. Aus den dargelegten Gründen geht der verständige und durchschnittlich informierte Verbraucher - auf dessen Verständnis es maßgebend ankommt - nicht davon aus, dass die Angaben in den Kundenrezensionen bei Amazon dem Anbieter zuzurechnen sind. Eine der Beklagten zuzurechnende Irreführung ist daher nicht feststellbar.

2.

Das Landgericht hat auch den Klageantrag zu II. zu Recht zurückgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 4.500,00 € nicht zu. In Betracht kommt allein ein Anspruch aus der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung. Danach wäre die Vertragsstrafe jedoch nur verwirkt, wenn die Beklagte für die Kinesiologie Tapes mit den dort aufgeführten Aussagen Werbung gemacht hätte. Dies ist jedoch aufgrund der bereits dargelegten Erwägungen nicht der Fall.

3.

Damit besteht auch ein Anspruch auf Zahlung der mit dem Klageantrag zu III. geltend gemachten Abmahnkosten nach § 12 Abs. 2 UWG oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711ZPO. Der Senat hat die Revision gemäß § 542 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen.