ArbG Köln, Urteil vom 16.05.2019 - 8 Ca 8728/18
Fundstelle
openJur 2019, 33896
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 33.739,20 Euro.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit dem vorliegenden Verfahren eine höhere tarifliche Eingruppierung.

Der am ... geborene Kläger wurde im Jahr 1981 als Mitarbeiter der damaligen Gebühreneinzugszentrale der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (GEZ) eingestellt (Einstellungsbogen Anlage B6 zur Klageerwiderung). Bei der GEZ handelte es sich um eine nichtrechtsfähige gemeinsame Einrichtung der in der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten, des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) sowie des Deutschlandradios.

Aufgrund Gesetzesänderung (Umstellung des Gebührensystems auf ein Beitragssystem im öffentlichrechtlichen Rundfunk) wurde die vormalige GEZ zwischenzeitlich ersetzt durch den "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice". Dieser ist ebenfalls eine nichtrechtsfähige gemeinsame Einrichtung der diversen in der ARD zusammen geschlossenen Rundfunkanstalten, gemeinsam mit dem ZDF und dem Deutschlandradio. Gesetzliche Aufgabe des Beitragsservice ist der bundesweite Einzug der gesetzlichen Rundfunkbeiträge. Der Beitragsservice hat seinen Sitz in ...und u. a. einen eigenen "Geschäftsführer" und ein eigens Justitiariat.

Der Kläger, der über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, wurde ausweislich des Einstellungsbogens (Anlage B6) zunächst als "Operator-Gehilfe" eingestellt in der Abteilung "Systemprogrammierung und Rechenzentrum".

In den letzten Jahren bestand die Tätigkeit des Klägers u. a. darin, bei der Erstellung eines "Berechtigungs- und Rollen-Konzeptes" mitzuarbeiten. Hierbei fragte der Kläger z. B. bei den IT-Nutzern der Beklagten ab, welche Berechtigungen (z. B. in Form von Zugriffsmöglichkeiten auf bestimmte Software-Programme) und welche Hardware-Ausstattung (z. B. zweiter Monitor o. ä.) diese wünschen. Die entsprechenden Angaben wurden vom Kläger in einer Excel-Tabelle erfasst. Die Entscheidungsbefugnis, ob entsprechende Hardware angeschafft wurde etc., lag in Anbetracht der damit verbundenen Kosten nicht beim Kläger, sondern beim jeweiligen Vorgesetzten des betroffenen Mitarbeiters.

Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Haustarifverträge des Westdeutschen Rundfunks (WDR) Anwendung. Der insgesamt 133 Seiten umfassende und im Volltext klägerseitig zur Gerichtsakte gereichte (Bl. 234 ff. d. A.) Vergütungstarifvertrag WDR vom 23.12.1981 i. d. F. vom 01.12.2017 sieht insgesamt 15 Vergütungsgruppen vor, wobei - abweichend von der ansonsten im öffentlichen-Dienst üblichen Reihenfolge - nicht die höchste, sondern die mit der niedrigsten Nummerierung I bezeichnet Vergütungsgruppe die am höchsten vergütete Vergütungsgruppe ist und umgekehrt die höchstnummerierte Vergütungsgruppe XV die am niedrigsten vergütete Vergütungsgruppe ist.

Der Kläger ist in die Vergütungsgruppe VI eingruppiert. Aufgrund zwischenzeitlichen Erreichens der dortigen Endstufe (Stufe 9) erhält er eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 5.028,60 Euro (schriftsätzlicher Vortrag des Klägers persönlich, Bl. 328 d. A.).

Jedenfalls seit dem Jahr 2002 wurde der Kläger insofern als "gehobener Sachbearbeiter" beklagtenseitig angesehen. Der "gehobene Sachbearbeiter" ist nach der Vergütungstarifvertrag WDR in die Vergütungsgruppe VI eingruppiert.

Im Jahr 2016 äußerte der Beitragsservice gegenüber dem Kläger, dass man den Kläger nicht als "gehobenen Sachbearbeiter" ansehe, sondern als "Programmierassistenten". Der Programmierassistent ist allerdings ebenso wie der gehobene Sachbearbeiter nach dem Vergütungstarifvertrag WDR in die Vergütungsgruppe VI eingruppiert.

Dennoch weigerte sich der Kläger, die ihm vorgelegte geänderte Stellenbeschreibung zu unterzeichnen. Der Kläger hält die arbeitgeberseitig erstellten Stellenbeschreibungen für falsch und begehrt seit dem Jahr 2016 eine höhere Eingruppierung.

Insofern kam es in der Folgezeit zu mehreren Gesprächen zwischen dem Kläger und seinem unmittelbaren Vorgesetzen, dem Teamleiter (mehrfach wechselnd, teilweise Herr BX, später Herr HW) sowie dessen weiterem Vorgesetzten, dem Abteilungsleiter (Herr CM) sowie dessen weiterem Vorgesetzen, dem Geschäftsbereichsleiter IT (Herr Dr. KB).

Im Jahr 2017 kam es bei einem Gespräch des Klägers mit seinem Teamleiter Herr W zu einer negativen Äußerung des Teamleiters gegenüber dem Kläger. Infolgedessen war der Kläger über einen längeren Zeitraum langzeiterkrankt. Der Teamleiter erhielt eine Abmahnung wegen der Äußerung gegenüber dem Kläger.

Der Kläger hat am 20.12.2018 die vorliegende Klage erhoben, gegen den

"ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice, öffentlichrechtlicheGemeinschaftseinrichtung der in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der BRD Deutschland (ARD) zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, des ZDF und des Deutschlandradio zum Zwecke des Einzugs der Rundfunkbeiträge nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, vertreten durch den Geschäftsführer Dr. TX, Freimersdorfer Weg 6, 50829 Köln".

Mit der Klageerwiderung hat der Justitiar des Beitragsservice den Kläger auf die fehlende Rechtsfähigkeit des Beitragsservice und die hieraus resultierende Unzulässigkeit der Klage hingewiesen. Der Justitiar hat insofern darauf hingewiesen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit den Landesrundfunkanstalten der ARD, dem ZDF und dem Deutschlandradio besteht.

Der anwaltlich vertretene Kläger hat daraufhin, erstmals mit Schriftsatz vom 15.05.2019 - zwei Tage vor dem Kammertermin -, "klargestellt, dass sich die Klage gegen die ARD-Landesrundfunkanstalten, das Zweite Deutsche Fernsehen und das Deutschlandradio richtet".

Das Gericht hat den Kläger im Kammertermin darauf hingewiesen, dass die Klage auch mit dieser "Klarstellung" unzulässig bleibt, da der Beitragsservice nicht parteifähig ist und die Klage vielmehr gegen die - im einzelnen konkret zu bezeichnenden - einzelnen Rundfunkanstalten zu richten ist. Der Kläger war zur seitens des Gerichts angeregten Klagerücknahme gegenüber dem hiesigen "Beitragsservice" nicht bereit beantragte insofern ausdrücklich eine streitige Entscheidung.

Der Kläger ist der Ansicht, er sei zutreffend - rückwirkend seit 2016 - in die Entgeltgruppe III einzugruppieren. Er sei "Organisator" i. S. der tarifvertraglichen Vorschriften, da er organisiere. Das für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III eigentlich erforderliche Merkmal einer abgeschlossenen Hochschulausbildung sei vorliegend unbeachtlich, da die Beklagte auch andere Mitarbeiter ohne Hochschulausbildung in die Vergütungsgruppe III oder höher eingruppiere. Der Kläger behauptet, seit seiner Rückkehr aus der Langzeit-Erkrankung werde er lediglich noch mit geringerwertigen Tätigkeiten entsprechend der Vergütungsgruppe IX betraut.

Der Kläger beantragt,

1) den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 30.459,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (04.01.2019) zu zahlen,

2) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Tätigkeit des Klägers für die Beklagte nach Vergütungsgruppe III Vergütungstarifvertrages WDR zu vergüten.

Die Beklagtenseite beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unzulässig und für unbegründet. Der Kläger habe bereits die falsche Partei verklagt. Im übrigen sei der Kläger zutreffend in die Vergütungsgruppe VI eingruppiert. Die Anforderungen an eine substantiierte Eingruppierungsklage habe der Kläger vorliegend nicht erfüllt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere die Sitzungsprotokolle sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die vorliegende Klage war bereits unzulässig. Darüber hinaus wäre sie im übrigen auch unbegründet gewesen.

I.

Die Klage ist unzulässig.

1.)

Eine gegen den "Beitragsservice" gerichtete Klage ist bereits unzulässig, da der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice mangels eigener Rechtsfähigkeit kein geeigneter Klagegegner ist. Ihm fehlt die für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Parteifähigkeit.

Nach § 50 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG ist die Parteifähigkeit notwendige Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage. Nur wer hiernach parteifähig ist, kann Partei eines zivilrechtlichen Rechtsstreits sein.

Parteifähig ist jedoch nach § 50 Abs. 1 ZPO nur, wer rechtsfähig ist.

Da der beklagte Beitragsservice nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung gerade nicht rechtsfähig ist (ebenso wie seine Vorgängerin GEZ), ist er nicht nach § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig.

§ 50 Abs. 2 ZPO sieht eine Ausnahme lediglich vor für den nicht rechtsfähigen Verein, der trotz fehlender Rechtsfähigkeit klagen und verklagt werden kann.

Vorliegend findet § 50 Abs. 2 ZPO jedoch keine Anwendung, da es sich beim Beitragsservice nicht um einen nicht rechtsfähigen Verein handelt, sondern um eine nicht rechtsfähige öffentlichrechtliche Einrichtung. Ein Verein ist zwingend privatrechtlich und nicht öffentlichrechtlich organisiert.

2.)

Auch soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 14.05.2019 - und nochmals mündlich im Kammertermin - erklärt hat, er richte seine Klage "gegen die ARD-Landesrundfunkanstalten, das Zweite Deutsche Fernsehen und das Deutschlandradio", konnte dies nicht zur Zulässigkeit der Klage führen.

Denn eine ordnungsgemäße Klageerhebung setzt voraus, dass der Klagegegner möglichst genau bezeichnet wird. Hieran fehlt es vorliegend.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO setzt eine zulässige Klage voraus, dass die Parteien konkret bezeichnet werden. Konkret bezeichnet sind Parteien gemä? 130 Nr. 1 ZPO jedoch nur dann, wenn u. a. die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter namentlich bezeichnet werden und insbesondere eine ladungsfähige Anschrift angegeben wird (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 04.03.2011, V ZR 190/10, juris).

Die pauschale Erklärung des Klägers, man richte die Klage dann eben gegen "die Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio" erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Einen rechtsfähigen Klagegegner "die ARD-Landesrundfunkanstalten" gibt es ebenso wie den "Beitragsservice" nicht. Rechtsfähig ist nur die jeweils einzelne Rundfunkanstalt. Hier wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, konkret - unter Angabe von Anschrift und Vertretungsverhältnissen - anzugeben, gegen welche konkrete Rundfunkanstalt er seine Klage richten möchte. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, hier von Amts wegen zu ermitteln, gegen wen sinnvollerweise die Klage erhoben werden könnte. Denn allein der Kläger entscheidet, wen er verklagen möchte. Die Entscheidung, wer verklagt werden soll, kann dem Kläger nicht durch Gericht und / oder Gegenseite abgenommen werden.

Zutreffend wäre für Mitarbeiter des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice alleine eine Klage gegen die exakt zu bezeichnenden einzelnen Rundfunkanstalten als jeweilige Arbeitgeber (siehe z. B. LAG Köln, Urteil vom 04.03.2015, 11 Sa 751/14, juris, als Beispiel für eine arbeitsgerichtliche Klage von Mitarbeitern des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice). Dies hat der Kläger vorliegend nicht getan, so dass seine Klage unzulässig war.

Der Kläger wurde ausdrücklich im Kammertermin auf die Möglichkeit hingewiesen, die Klage gerichtskostenfrei zurückzunehmen und gegen die richtigen Arbeitgeber als Klagegegner eine neue Klage zu erheben. Diese Möglichkeit hat der Klage ausdrücklich abgelehnt und um eine streitige Entscheidung gebeten. Diese streitige Entscheidung konnte nach vorstehenden Ausführungen allein eine - kostenpflichtige - Abweisung der Klage als unzulässig darstellen.

II.

Auf die Frage der Begründetheit der Klage kam es vorliegend mithin nicht mehr entscheidungserheblich an, da die Klage bereits unzulässig ist.

Abgesehen von der auch fehlenden Passivlegitimation des "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice", der nicht Arbeitgeber des Klägers ist, war die Klage jedoch auch im übrigen unbegründet.

Aus dem - umfangreichen, jedoch im wesentlichen sich nicht konkret mit tariflichen Eingruppierungsmerkmalen auseinandersetzenden - schriftlichen Vorbringen des Klägers persönlich, auf das der anwaltliche Vertreter des Klägers Bezug nimmt, ergibt sich nicht, weshalb der Kläger unzutreffend in die Vergütungsgruppe VI eingruppiert sein sollte und vielmehr einen Anspruch auf eine - höhere - Vergütung nach der Vergütungsgruppe III haben sollte.

Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Eingruppierungsklage im öffentlichen Dienst ist regelmäßig, dass der klagende Arbeitnehmer konkret und substantiiert - unter Angabe konkreter Arbeitszeitanteile - darlegt, welche konkreten Tätigkeiten er ausübt und weshalb hierdurch konkrete tarifliche Eingruppierungsmerkmale erfüllt sein sollen.

Für die Darlegung der Arbeitszeitanteile kann sich der Arbeitnehmer regelmäßig auf eine bereits vorliegende Stellenbeschreibung stützen. Vorliegend stützt sich der Kläger jedoch gerade nicht auf eine Stellenbeschreibung, sondern er hält die arbeitgeberseitig vorgelegte Stellenbeschreibung für falsch. Mit dem bloßen Bestreitender Richtigkeit der arbeitgeberseitig vorgelegten Stellenbeschreibung kann der Kläger ersichtlich seiner Darlegungslast im Eingruppierungsprozess nicht genügen.

Insofern hat die Beklagtenseite zutreffend darauf hingewiesen, dass es schon im eigenen Interesse des Klägers sinnvoll erscheint, zunächst gemeinsam mit dem neuen Vorgesetzten eine neue Stellenbeschreibung zu erstellen, bevor ggf. das Höhergruppierungsbegehren klägerseitig mit einer neuen Klage gegen die richtigen Arbeitgeber weiter verfolgt wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 46Abs. 2 ArbGG. Hiernach hatte der Kläger als unterlegene Partei des Rechtsstreits die Kosten zu tragen.

Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert wurde auf den Drei-Jahres-Bezug der streitigen Entgeltdifferenz festgesetzt (§ 42 Abs. 1 Satz 1 GKG), bereits fällige Beträge (= Zahlungsantrag zu 1) wurden nicht hinzugerechnet (§ 42 Abs. 3 Satz 1, zweiter Halbsatz GKG, Sonderregelung für Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen).

Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3, Abs. 3 a ArbGG gesondert zuzulassen, waren nicht gegeben.