VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2018 - 2 S 2096/18
Fundstelle
openJur 2019, 39802
  • Rkr:

1. Zum Begriff der öffentlichen Abwasseranlage.

2. Bestimmt eine kommunale Abwassersatzung, dass die zentrale Abwasserbeseitigung alle Abwasseranlagen mit dem Zweck umfasst, das im Gemeindegebiet angefallene Abwasser zu sammeln, den Abwasserbehandlungsanlagen zuzuleiten und zu reinigen, so genügt es, wenn die Abwasseranlage nur einem der genannten Zwecke dient.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Dezember 2017 - 2 K 5263/17 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einer Vorauszahlung auf Niederschlagswassergebühren durch die Beklagte.

Er ist hälftiger Miteigentümer des Grundstücks FlSt.-Nr. ... (K... Straße ...) auf der Gemarkung der Beklagten. Das auf diesem Grundstück anfallende Niederschlagswasser wird über eine vom Kläger - nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung Ende der 1960er-Jahre/Anfang der 1970er-Jahre - privat hergestellte Abwasserleitung in den in diesem Bereich verdolten S...-... Bach eingeleitet, welcher unstreitig nicht Teil der öffentlichen Abwasseranlage der Beklagten ist. Zwischen dem klägerischen Grundstück und der Einmündung in den S... Bach quert die Abwasserleitung das öffentliche Grundstück FlSt.-Nr. ..., auf dem sich eine öffentliche Verkehrsfläche befindet.

Die Beklagte übersandte dem Kläger unter dem 23.01.2017 ein mit dem Betreff "Information zu Ihren Vorauszahlungen" versehenes Schreiben, in dem die gegenwärtige Vorauszahlung für Niederschlagswassergebühren mit 85,04 EUR angegeben und um Überweisung des Betrags zu den genannten Fälligkeitsterminen gebeten wurde. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt das Schreiben nicht.

Hiergegen erhob der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 09.02.2017, bei der Beklagten eingegangen am 14.02.2017, Widerspruch und begründete diesen damit, dass das auf dem Grundstück anfallende Niederschlagswasser auf mit Bescheid aus dem Jahr 1983 erfolgte Anordnung der Beklagten hin in den S...-... Bach eingeleitet werde, wodurch das Niederschlagswasser entsorgt sei, so dass hierfür keine Zahlung verlangt werden könne.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2017 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 20.06.2016 festgestellt worden sei, dass das auf den versiegelten Flächen seines Grundstücks anfallende Niederschlagswasser über den Gehweg der K... Straße und somit über eine öffentliche Verkehrsfläche in den Bach entwässert werde. Da das klägerische Grundstück gemäß § 2 Abs. 2 AbwS an die öffentliche (zentrale) Abwasseranlage angeschlossen sei, zu der auch der Teil der Anschlussleitung gehöre, der im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verlaufe (Grundstücksausschuss), seien die versiegelten Flächen gemäß § 22 AbwS gebührenpflichtig. Die Gebührenerhebung habe mit der Anordnung aus dem Jahr 1983, wie das Niederschlagswasser zu entsorgen sei, nichts zu tun. Für die Erhebung der Gebühr sei allein maßgeblich, ob die Abwasseranlage benutzt werde oder nicht. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 31.03.2017 zugestellt.

Der Kläger hat am 24.04.2017 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, seine Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren sei rechtswidrig, weil er nicht an eine öffentliche Abwasseranlage angeschlossen sei. Das Oberflächenwasser laufe im Abstand von zwei Metern von der Grundstücksgrenze über einen Parkplatz und nicht über einen Gehweg in den verdolten S... Bach, bei dem es sich um einen Bach und nicht um eine Abwasseranlage handele.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zur Begründung bezog sie sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheids und führte ergänzend im Wesentlichen aus, dass die Gebühr nicht für die Einleitung des Niederschlagswassers in den S... Bach, sondern wegen der Nutzung der öffentlichen Abwasseranlage erhoben werde. Die vom Kläger privat hergestellte Abwasserleitung, die von der Grundstücksgrenze bis zur Einleitung in den Bach in der öffentlichen Verkehrsfläche "K... Straße" verlaufe, sei - bereits nach den früheren Abwassersatzungen der damals eigenständigen Gemeinde N... - als öffentliche Leitung gewidmet worden und als Teil der Hausanschlussleitung, der im Bereich der öffentlichen Verkehrsflächen verlaufe, wozu nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. b StrG neben Gehwegen auch Parkplätze gehörten, gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS Bestandteil der öffentlichen (zentralen) Abwasseranlage. Dass der Kläger bzw. sein Rechtsvorgänger die Abwasserleitung privat verlegt und unterhalten hätten, ändere an der Widmung nichts. Mit Blick auf § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB stünden auch Eigentumsrechte der Widmung nicht entgegen.

Mit Urteil vom 07.12.2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und das Schreiben der Beklagten vom 23.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 28.03.2017 aufgehoben. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Klage zulässig und insbesondere als Anfechtungsklage statthaft sei. Zwar habe es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 23.01.2017 zunächst um keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 LVwVfG, sondern um ein rechtlich unverbindliches Informationsschreiben gehandelt. Jedoch habe das zunächst formlose Schreiben durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28.03.2017 Verwaltungsaktsqualität erhalten, so dass der Kläger hiergegen im Wege der Anfechtungsklage vorgehen könne. Die Klage sei auch begründet. Das Schreiben der Beklagten vom 23.01.2017 über die Vorauszahlung von Niederschlagswassergebühren in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2017 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, weil der Gebührentatbestand der §§ 2, 13 KAG i.V.m. §§ 1, 29 Abs. 1, 22 ff. der Satzung des Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung i.d.F. vom 28.11.2016 (AbwS) nicht erfüllt sei. Voraussetzung für den gebührenauslösenden Benutzungstatbestand sei, dass Abwasser über eine Grundstückentwässerungsanlage in die öffentliche Abwasseranlage gelange, was weder bei der Einleitung des Niederschlagswassers in den S... Bach noch in Bezug auf die Inanspruchnahme der öffentlichen Leitung vom klägerischen Grundstück bis zum S... Bach der Fall sei. Bei dem S... Bach handele es sich schon mangels Widmung um keine öffentliche Entwässerungseinrichtung. Auch die unterirdische Leitung, durch die das Niederschlagswasser vom klägerischen Grundstück in den S... Bach geleitet werde, stelle keine öffentliche Abwasseranlage dar. Denn die zentrale Abwasserbeseitigung umfasse nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 AbwS alle Abwasseranlagen mit dem Zweck, das im Gemeindegebiet angefallene Abwasser zu sammeln, den Abwasserbehandlungsanlagen zuzuleiten und zu reinigen. Nach dem eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Wortlaut ("und") müssten die genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, was hier nicht der Fall sei, weil das gesammelte Abwasser keiner Abwasserbehandlungsanlage zugeleitet und das in den S... Bach eingeleitete Niederschlagswasser auch nicht gereinigt werde. Maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich bei der vom Kläger hergestellten Leitung um eine von der gebührenpflichtigen (zentralen) Abwasserbeseitigung umfasste Anlage handele, seien allein die Bestimmungen der AbwS der Beklagten. Diese sei befugt gewesen, in ihrer AbwS weitergehende Anforderungen an die Gebührenpflicht zu stellen, weswegen sich aus der Begriffsdefinition "Abwasserbeseitigung" in § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG nichts Gegenteiliges ergebe.

Gegen das ihr am 05.02.2018 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.12.2017 - 2 K 5263/17 - hat die Beklagte am 01.03.2018 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, den sie mit Schriftsatz vom 04.04.2018 begründete. Mit Beschluss vom 14.09.2018 hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, dass die Heranziehung des Klägers zu Vorauszahlungen von Niederschlagswassergebühren rechtmäßig erfolgt sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. Demgegenüber sei das Urteil des Verwaltungsgerichts unrichtig, da es die Benutzung einer öffentlichen Abwasseranlage der Beklagten durch den Kläger bei zu enger Auslegung des § 2 Abs. 2 AbwS unter Verkennung der anerkannten Regeln der Gesetzesauslegung zu Unrecht verneint habe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts müssten die in § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS genannten Voraussetzungen nicht kumulativ vorliegen, um die Eigenschaft einer öffentlichen Abwasseranlage zu begründen. Dies ergebe sich bereits aus der systematischen Gesamtschau der einschlägigen wasserrechtlichen Vorschriften. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass der Kläger sein Niederschlagswasser über eine öffentliche Rohrleitung in den S... Bach einleite. Beim Niederschlagswasser handele es sich um Abwasser (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. b AbwS). Die Abwasserbeseitigung obliege nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WG der Gemeinde; nach § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG sei davon insbesondere das Fortleiten und Einleiten von Abwasser umfasst. Dies könne auch im Satzungswege nicht geändert werden. Regele die Gemeinde durch Satzung, unter welchen Voraussetzungen Abwasser als angefallen gelte und in welcher Weise und Zusammensetzung es ihr zu überlassen sei, könne danach als angefallen geltendes Abwasser nur durch eine öffentliche (zentrale) Abwasseranlage gesammelt und in den Vorfluter abgeleitet werden. Damit sei klar, dass die öffentliche Rohrleitung Bestandteil der öffentlichen (zentralen) Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten sei, welche vom Kläger zur Ableitung des auf seinem Grundstück anfallenden Niederschlagswassers, benutzt werde. Bei der von ihm mithin zur Abwasserbeseitigung genutzten Leitung handele es sich um den Niederschlagswasserhausanschluss (§ 12 Abs. 6 AbwS), der Bestandteil des klägerischen Grundstücksanschlusses (§ 12 Abs. 1 AbwS) sei. Als der Teil der Hausanschlussleitung, der im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verlaufe, gehöre der in § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS so definierte Grundstücksanschluss zu den öffentlichen Abwasseranlagen. Nach der Definition des § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS spiele es für die Zugehörigkeit eines Grundstücksanschlusses zu den öffentlichen (zentralen) Abwasseranlagen keine Rolle, ob das in diesen eingeleitete Abwasser dort nur gesammelt oder auch den Abwasserbehandlungsanlagen zugeleitet und gereinigt werde. Der im Bereich einer öffentlichen Verkehrsfläche verlaufende Teil der Leitung sei folglich kraft Satzung als öffentliche Abwasseranlage gewidmet. Hieran ändere weder die Herstellung der Leitung durch den Kläger etwas noch stehe der Widmung ein fremdes Eigentumsrecht entgegen, denn indem der Kläger das Rohr mit dem unter der öffentlichen Verkehrsfläche verlaufenden Grund und Boden verbunden habe, habe sich das Eigentum daran gemäß § 93 BGB verbunden. Dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS nicht kumulativ vorliegen müssten, ergebe sich auch aus einer systematischen Gesamtschau mit den in § 2 Abs. 2 Satz 2 AbwS beispielhaft aufgezählten Anlagen, bei denen das angefallene Abwasser den Abwasserbehandlungsanlagen teilweise nicht zugeführt und jedenfalls nicht gereinigt werde. Auch nach Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS sei es nicht erforderlich, dass die dort genannten drei Kriterien für jeden Bestandteil der öffentlichen (zentralen) Abwasserbeseitigung kumulativ vorliegen. Diese Kriterien hätten in erster Linie Schmutzwasser- und Mischwasserleitungen im Blick, da das Schmutzwasser nicht nur gesammelt, sondern anschließend auch den Abwasserbehandlungsanlagen zugeleitet und gereinigt werden müsse. Dieses Erfordernis bestehe bei unbelastetem Niederschlagswasser nicht. Hierfür sei es ausreichend, wenn es an der Grundstücksgrenze gesammelt und durch im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verlaufende Leitungen in einen Vorfluter geleitet werde. Andernfalls würden diese Leitungen für die Sammlung von Niederschlagswasser auch nicht der Unterhaltungspflicht der Gemeinde unterliegen, denn die Unterhaltungspflicht der Gemeinde sei die Kehrseite der Gebührenpflicht des Eigentümers. Überdies sei die Vorstellung, dass die in § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS genannten Funktionen stets kumulativ vorliegen müssten, widersinnig. Keiner der Bestandteile der Abwasserbeseitigung der Beklagten erfülle zugleich alle drei Funktionsmerkmale; beispielsweise erfüllten die allerwenigsten Rohrleitungen, die zur öffentlichen (zentralen) Abwasserbeseitigung der Beklagten gehören, neben ihrer Zuleitungs- zugleich auch eine Reinigungsfunktion. Irrelevant sei auch, dass die Rohrleitung vom Grundstück des Klägers und der S...- Bach nicht in das Entwässerungsnetz der Beklagten integriert seien, denn es sei nicht erforderlich, dass die Schmutz-und Regenwasserkanalisation ein einheitliches und zusammenhängendes Entwässerungssystem bildeten. Schließlich ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte der auf einem Muster des Gemeindetags Baden-Württemberg beruhenden AbwS der Beklagten, dass eine Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen und damit ein Gebührentatbestand nicht nur dann vorliege, wenn das überlassene Niederschlagswasser auch einer Abwasserbehandlungsanlage zugeführt und gereinigt werde. Die in § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS genannte Zweckbestimmung gehe auf die inzwischen außer Kraft getretene Vorschrift des § 45b Abs. 2 Satz 3 WG 1976 zurück, die die zentralen Zwecke der Abwasserbeseitigung alternativ beschreibe. Dieser Zweck werde auch dann noch erfüllt, wenn angefallenes Abwasser in einen Grundstücksanschluss als Teil der öffentlichen Abwasseranlagen gelange und dort lediglich gesammelt werde, denn auch dadurch werde eine Beseitigungspflicht der Beklagten begründet und als Kehrseite hierzu eine Gebührenpflicht des Eigentümers für den Vorteil ausgelöst, von der Beseitigung des bei ihm angefallenen Abwassers entlastet zu werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.12.2017 - 2 K 5263/17 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung verteidigt er das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts. Weder der S... Bach, in den der Kläger sein Niederschlagswasser einleite, noch die dahin führende und zur Einleitung benutzte öffentliche Rohrleitung seien Teil der öffentlichen Abwasseranlage.

Die Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe lagen dem Senat bei der Entscheidung vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Schreiben der Beklagten vom 23.01.2017 in Gestalt deren Widerspruchsbescheids vom 28.03.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weswegen das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.12.2017 - 2 K 5263/17 - auf die Berufung der Beklagten hin zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen war.

Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 23.01.2017 zunächst um keinen Verwaltungsakt handelte, es den Charakter eines anfechtbaren Verwaltungsakts aber durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28.03.2017 erhalten hat. Denn eine Gestaltänderung i.S.d. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Widerspruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht (vgl. BVerwG, Urteile vom 12.01.1973 - VII C 3.71 -, juris, Rn. 19, vom 26.06.1987 - 8 C 21.86 -, juris, Rn. 9 f. und vom 23.08.2011 - 9 C 2.11 -, juris, Rn. 20).

Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht allerdings das Vorliegen eines gebührenbegründenden Benutzungstatbestands für die Heranziehung zur Vorauszahlung von Niederschlagswassergebühren verneint. Denn der Kläger benutzt die öffentlichen (zentralen) Abwasseranlagen der Beklagten, indem er das auf dem in seinem Miteigentum stehenden Grundstück FlSt.-Nr. ... (K...-Straße ...) anfallende Niederschlagswasser über eine privat hergestellte Abwasserleitung in den S... Bach eingeleitet. Hierfür hatte die Beklagte noch keinen Gebührenbescheid erlassen. Im Einzelnen:

1. Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Vorauszahlungen auf die Niederschlagswassergebühr gegenüber dem Kläger sind § 2 Abs. 1, §§ 13 - 15, § 17 des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.V.m. den § 1, §§ 22 - 24, § 25a, §§ 27 - 30 der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung i.d.F. vom 28.11.2016 (AbwS).

Gemäß § 22 AbwS erhebt die Beklagte für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen - nach Schmutz- und Niederschlagswasser getrennte (vgl. § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1 AbwS) - Abwassergebühren. Hierfür ist der jeweilige Grundstückseigentümer Gebührenschuldner; mehrere Gebührenschuldner sind Gesamtschuldner (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 AbwS). Bemessungsgrundlage für die Niederschlagswassergebühr sind bei der zentralen Abwasserbeseitigung die überbauten und befestigten (versiegelten) Flächen des an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstücks, von denen Niederschlagswasser unmittelbar oder mittelbar den öffentlichen Abwasseranlagen zugeführt wird (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 1 AbwS). Solange die Gebührenschuld noch nicht abgerechnet worden ist, sind vom Gebührenschuldner ab der erstmaligen Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlagen Vorauszahlungen zu leisten (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 AbwS).

2. Die Voraussetzungen der §§ 22, 23 Abs. 1, 25a, 29 Abs. 1 Satz 1 AbwS liegen vor.

Die Beklagte durfte vom Kläger die streitgegenständliche Vorauszahlung verlangen, denn die Beklagten war zur Erhebung der im Vorauszahlungsbescheid (Schreiben der Beklagten vom 23.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2017) festgesetzten Benutzungsgebühren befugt.

Bei dem Niederschlagswasser, das auf den versiegelten Flächen des im Miteigentum des Klägers stehenden Grundstücks FlSt.-Nr. ... (K... Straße ...) anfällt, handelt es sich um Abwasser i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 lit. b AbwS.

Der Kläger leitet das Niederschlagswasser durch eine Rohrleitung willentlich in die öffentliche Abwasseranlage der Beklagten ein, wodurch er diese benutzt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.02.2002 - 10 S 1379/00 -, juris, Rn. 91; Vetter, in: Christ/Oebbeke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 1. Aufl. 2016, D, Rn. 114) und das Abwasser mittels Einleitung in den S... Bach, einem öffentlichen Gewässer, das unstreitig nicht zu den Abwasseranlagen der Beklagten gehört (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 18.05.1989 - 2 S 2031/87 -, juris, Rn. 22 f.; Gössl, in: ders./Reif, KAG BW, Stand: Nov. 2015, § 17, Gz. 1.3.1 -), beseitigt wird.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Klägers handelt es sich bei der vom Kläger hergestellten Leitung um einen Bestandteil der öffentlichen (zentralen) Abwasseranlage der Beklagten. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass diese einen Grundstücksanschluss darstellt, der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS den öffentlichen (zentralen) Abwasseranlagen zugeordnet ist (dazu a). Nichts anderes ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS (dazu b).

a) Der Begriff des Grundstücksanschlusses wird unterschiedlich verstanden und ist auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz nicht näher definiert. Daher ist maßgeblich auf die einschlägige(n) Satzungsbestimmung(en) abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 03.12.2013 - 2 S 978/13 -, juris, Rn. 42), zu deren Erlass die gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WG zur Abwasserbeseitigung verpflichtete Beklagte gemäß § 42 Abs. 3 KAG ermächtigt war (vgl. hierzu Gössl, in: ders./Reif, KAG BW, Stand: Nov. 2015, § 42, Gz. 1.2 und Gz. 2.4; Faiss, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Stand: 69. EL Okt. 2014, § 42 KAG, Rn. 15). Mit dem Erlass einer den Grundstücksanschluss in den Einrichtungs- bzw. Anlagenbegriff des § 13 Abs. 1 KAG einbeziehenden Satzungsregelung wird der an der Grundstücksgrenze beginnende Teil der Anschlussleitung als Teil der öffentlichen Einrichtung gewidmet (vgl. Gössl, in: ders./Reif, KAG BW, Stand: Nov. 2015, § 42, Gz. 1.2), so dass es für die gemeindliche Befugnis zur Gebührenerhebung auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse nicht ankommt (vgl. Gössl, in: ders./Reif, KAG BW, Stand: Nov. 2015, § 42, Gz. 1.3 und Gz. 2.4). Davon geht auch § 22 AbwS aus, der die Gebührenpflicht an die Benutzung einer öffentlichen Abwasseranlage ohne Differenzierung nach den Eigentumsverhältnissen der Anlage anknüpft, bezüglich derer die Gemeinde gemäß § 12 Abs. 1 AbwS auch hinsichtlich der Grundstücksanschlüsse i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS die Unterhaltungslast trägt. Demgegenüber ist die Grundstücksentwässerung mittels Grundstücksentwässerungsanlagen, die nicht Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage sind (vgl. § 2 Abs. 4 AbwS), im privaten Raum verlaufen und gemäß § 17 Abs. 1 AbwS vom Grundstückseigentümer auf seine Kosten herzustellen und zu unterhalten sind, keiner Gebührenpflicht unterworfen (vgl. Senatsurteil vom 03.12.2013 - 2 S 978/13 -, juris, Rn. 42).

Vorliegend gehört der im Bereich der öffentlichen Verkehrsanlage verlaufende Teil der Rohrleitung kraft satzungsrechtlicher Regelung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS) als Hausanschlussleitung zur öffentlichen zentralen Abwasseranlage der Beklagten. Darauf, dass diese Leitung nicht mit dem übrigen (öffentlichen) Abwasserkanalnetz der Beklagten verbunden ist, sondern direkt in den S...-... Bach mündet, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend an. Denn nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KAG bilden technisch getrennte Anlagen - wie hier die genannte Rohrleitung einerseits und das übrige Abwasserkanalnetz andererseits - bereits dann eine einheitliche öffentliche Einrichtung, wenn sie der Erfüllung derselben Aufgabe dienen. Letzteres ist hier der Fall, weil sämtliche in § 2 Abs. 2 AbwS genannte Anlagen der zentralen Abwasserbeseitigung der Beklagten bei funktionaler Betrachtung von demselben Zweck der Abwasserbeseitigung auf dem Gebiet der Beklagten umfasst sind (vgl. Senatsurteil vom 07.10.2004 - 2 S 2906/02 -, juris, Rn. 38 zur Vorgängerregelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG; Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 57. EL Sept. 2017, § 6, Rn. 349c; Gössl, in: ders./Reif, KAG BW, Stand: Nov. 2015, § 17, Gz. 3.2). Satzungsrechtliche Regelungen i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 KAG, wonach technisch getrennte Anlagen ausnahmsweise auch rechtlich getrennt betrachtet werden müssten, enthält die Abwassersatzung der Beklagten nicht.

Dies hat zur Konsequenz, dass der Kläger bereits damit, dass er das Niederschlagswasser von seinem Grundstück über die Hausanschlussleitung in den S... Bach transportiert, ein Teilstück der öffentlichen zentralen Abwasseranlage der Beklagten in Anspruch nimmt und hierfür nach § 22 AbwS Abwassergebühren erhoben werden dürfen.

b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Klägers steht dem auch nicht die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS entgegen, wonach eine Anlage der zentralen Abwasserbeseitigung nur dann vorliegen könne, wenn sie kumulativ alle dort genannten Abwasserbeseitigungszwecke erfülle.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS umfasst die zentrale Abwasserbeseitigung alle Abwasseranlagen mit dem Zweck, das im Gemeindegebiet angefallene Abwasser zu sammeln, den Abwasserbehandlungsanlagen zuzuleiten und zu reinigen.

Zur zentralen Abwasserbeseitigung gehören sowohl die auf privatem Grund verlaufenden Grundstückentwässerungsanlagen als auch die öffentliche Abwasseranlage (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AbwS). Damit gilt die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS jedenfalls auch für die öffentliche Abwasseranlage, deren Benutzung nach § 22 AbwS die Gebührenpflicht auslöst.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS ist auslegungsbedürftig und -fähig. Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS ist nicht eindeutig. Zwar lässt sich die Norm mit dem Verwaltungsgericht ohne weiteres so verstehen, dass die dort genannten Zwecke der Abwasserbeseitigung (sammeln, zuleiten und reinigen) wegen ihrer "und"- Verknüpfung" kumulativ vorliegen müssen. Der Wortlaut lässt aber auch die Auslegung zu, dass die genannten Zwecke nur (kumulativ) aufgezählt werden, ohne gleichzeitig erfüllt sein zu müssen.

Ist der Wortlaut einer Vorschrift - wie hier - in dem Sinne nicht eindeutig, dass mehrere Interpretationen möglich sind, ist er also für ein voneinander abweichendes Verständnis offen, so ist eine Auslegung anhand der nach der Methodenlehre anerkannten Auslegungsmethoden vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.09.2004 - 6 C 29.03 -, juris, Rn. 45). Maßgebend für die Interpretation einer Norm ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers, zu dessen Feststellung nicht nur die Auslegung nach dem Wortlaut der Norm, sondern insbesondere auch die Auslegung aus dem Zusammenhang, aus dem die Vorschrift prägenden Regelungszweck sowie aus ihrer Entstehungsgeschichte dienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59 -, juris, Rn. 19 f.; BFH, Urteil vom 25.09.2013 - XI R 41/12 -, BFHE 243, 69, BStBl II 2014, 135, juris, Rn. 22 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.11.2015 - 3 L 315/13 -, juris, Rn. 10). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter der verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59 -, juris, Rn. 18).

Hier führen die systematische (dazu aa), die teleologische (dazu bb) und die entstehungsgeschichtliche (dazu cc) Auslegung dazu, dass eine Abwasseranlage i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS schon dann vorliegt, wenn sie nur einem der genannten Zwecke (sammeln, zuleiten, reinigen) dient.

aa) Bereits die Normsystematik des § 2 AbwS spricht gegen das vom Verwaltungsgericht angenommene Verständnis des Begriffs der Abwasseranlage. In § 2 Abs. 2 Satz 2 AbwS sind - wie das Wort "insbesondere" zeigt - Beispiele öffentlicher (zentraler) Abwasseranlagen genannt, die wiederum Teil der zentralen Abwasserbeseitigung sind (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 AbwS). Danach umfassen die öffentlichen (zentralen) Abwasseranlagen insbesondere die öffentlichen Kanäle, Anlagen zur Ableitung von Grund- und Drainagewasser, durch die die öffentlichen Abwasseranlagen entlastet werden, Regenrückhaltebecken, Regenüberlauf- und Regenklärbecken, Abwasserpumpwerke, Kläranlagen und Versickerungs- und Rückhalteanlagen für Niederschlagswasser (u.a. Mulden- und Rigolensysteme, Sickermulden/-teiche/-schächte), soweit sie nicht Teil der Grundstücksentwässerungsanlage sind, offene und geschlossene Gräben, soweit sie von der Stadt zur öffentlichen Abwasserbeseitigung benutzt werden sowie für die Abwasserbeseitigung hergestellte künstliche Gewässer gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 KAG. Aus dem beispielhaften Charakter des § 2 Abs. 2 Satz 2 AbwS folgt, dass es sich nicht um eine konstitutive Zuordnung der dort aufgezählten Anlagen zu den öffentlichen (zentralen) Abwasseranlagen handelt, sondern um eine der vereinfachten Rechtsanwendung dienende deklaratorische Klarstellung. Zu sehen ist jedoch, dass sich in der dort vorgenommenen Aufzählung Anlagen befinden, die nur einen oder zumindest nicht alle in § 2 Abs. 2 Abs. 1 AbwS genannten Abwasserbeseitigungszwecke erfüllen, ohne dass dieser Umstand dazu führte, dass es sich bei ihnen um keine öffentlichen (zentralen) Abwasseranlagen handelt. Dementsprechend hat der Senat etwa in einem Fall mit einer vergleichbaren Satzungsregelung zu den in § 2 Abs. 2 Satz 2 AbwS genannten Regenrückhaltebecken entschieden, dass diese in das System der Abwassereinrichtung integriert sind und einen Zweck der Abwasserbeseitigung - das Sammeln von im Gemeindegebiet anfallendem Abwasser, es den Abwasserbehandlungsanlagen zuzuleiten und es zu reinigen - zu erfüllen haben und erfüllen, nämlich durch die Sammlung von Abwasser. Lediglich nicht in das Abwasserbeseitigungssystem integrierte und keine der genannten Funktionen der Abwasserbeseitigungsanlagen erfüllende Anlagen - wie etwa Rückhaltebecken zum Hochwasserschutz - gehören nicht zu den öffentlichen Abwasseranlagen der Gemeinde (vgl. Senatsurteil vom 18.05.1989 - 2 S 2031/87 -, juris, Rn. 20 f., Hervorhebungen nicht im Original). Dementsprechend stellen auch die gemeindlichen Regenwasserkanalisationsanlagen, bei denen das in ihnen gesammelte Wasser dem natürlichen Vorfluter und damit dem natürlichen Wasserkreislauf endgültig übergeben wird, ohne dass vorher noch eine weitere Behandlung (Ableiten durch gemeindliche Sammelkanäle oder Reinigen in einem Klärwerk) erfolgt, Teile der Abwassereinrichtung dar (vgl. Senatsurteil vom 18.05.1989, a.a.O., Rn. 23; ebenso: Senatsurteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 -, juris, Rn. 38; Senatsbeschluss vom 20.09.2010 - 2 S 136/10 -, juris, Rn. 28 sowie NdsOVG, Beschluss vom 27.10.2008 - 9 LA 159/08 -, juris, Leitsatz).

bb) Auch Sinn und Zweck des § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS sprechen für ein Verständnis, wonach es für die Qualifizierung einer Anlage als Abwasseranlage ausreicht, wenn einer der dort genannten Abwasserbeseitigungszwecke erfüllt ist. Die mit der Erhebung einer Niederschlagswassergebühr abgegoltene Leistung, die von der Gemeinde gegenüber den Grundstückseigentümern erbracht wird, besteht in der Befreiung der angeschlossenen Grundstücke von dem auf ihnen angefallenen Oberflächenwasser (vgl. Gössl, in: ders./Reif, KAG BW, Stand: Nov. 2015, § 17, Gz. 3.2; Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 57. EL Sept. 2017, § 6, Rn. 348), also in der Entgegennahme und unschädlichen Entsorgung des Niederschlagswassers. In welcher Weise dies geschieht, entscheidet die beseitigungspflichtige Gemeinde (vgl. Faiss, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Stand: 69. EL Okt. 2014, § 17 KAG, Rn. 1). Wasserrechtlich unschädliches Niederschlagswasser darf sie auch unbehandelt in ein natürliches Gewässer verbringen. Schon mit dem Transport des Abwassers über ein Teilstück des öffentlichen Kanals wird von dem Gebührenschuldner eine gebührenpflichtige Leistung in Anspruch genommen, denn auch hierdurch nimmt er die von der Gemeinde angebotene Vorhalteleistungen der öffentlichen Abwasseranlagen und damit Teilleistungen der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung in Anspruch (vgl. Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 57. EL Sept. 2017, § 6, Rn. 349c). Auch bei gemeindlichen Regenwasserkanalisationsanlagen, bei denen das in ihnen gesammelte Wasser dem natürlichen Vorfluter und damit dem natürlichen Wasserkreislauf endgültig übergeben wird, ohne dass vorher noch eine weitere Behandlung erfolgt, fallen typischerweise (Unterhaltungs-)Kosten an, die auch in die Gebührenkalkulation eingestellt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 -, juris, Rn. 47; Faiss, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Stand: 69. EL Okt. 2014, § 17 KAG, Rn. 1). Die von der Gemeinde erbrachte Leistung ist für die Eigentümer aller an die Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstücke die gleiche, unabhängig davon, ob das Grundstück an einen Mischwasserkanal oder einen Niederschlagswasser- und einen (getrennten) Schmutzwasserkanal angeschlossen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28.11.2006 - 2 S 1800/05 - und vom 20.09.2010 - 2 S 136/10 -, juris, Rn. 29). Welchen Aufwand die Beseitigung des Oberflächenwassers im jeweiligen Einzelfall erfordert, spielt dabei keine Rolle, da weder das Äquivalenzprinzip noch der Gleichheitssatz verlangen, dass die Benutzungsgebühren nach der Höhe der durch die Benutzung des einzelnen Gebührenschuldners verursachten Kosten bemessen werden müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.1981 - 8 C 48.81 -, juris, Rn. 16 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 08.12.1986 - 8 B 74.86 -, juris, Rn. 4; Senatsbeschluss vom 20.09.2010 - 2 S 138/10 -, juris, Rn. 15; Gössl, in: ders./Reif, KAG BW, Stand: Nov. 2015, § 17, Gz. 3.2). Deshalb hängt die Bemessung der Niederschlagswassergebühr auch nicht davon ab, ob es zur Ableitung des auf dem jeweiligen Grundstück anfallenden Niederschlagswassers einer nur kurzen oder einer mehrere Kilometer langen Abwasserleitung bedarf. Darauf, welchen Weg das auf einem Grundstück anfallende Niederschlagswasser nach dessen Abnahme durch die Beklagte nimmt, insbesondere, ob es über Pumpen und das Klärwerk oder auf direktem Weg dem Vorfluter zugeführt wird, kommt es danach ebenfalls nicht an. (vgl. Senatsbeschluss vom 20.09.2010 - 2 S 136/10 -, juris, Rn. 29; OVG NRW, Beschluss vom 15.11.2007 - 9 A 281/05 -, juris, Rn. 2; NdsOVG, Beschluss vom 27.10.2008 - 9 LA 159/08 -, juris, Leitsatz; Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 57. EL Sept. 2017, § 6, Rn. 349c; Gössl, in: ders./Reif, KAG BW, Stand: Nov. 2015, § 17, Gz. 3.2; ebenso BayVGH, Beschluss vom 18.12.2006 - 23 ZB 06.2956 -, juris, Rn. 8 für einen Anschlussbeitrag).

cc) Auch entstehungsgeschichtliche Gründe sprechen gegen die Annahme eines Erfordernisses, dass von einer öffentlichen (zentralen) Abwasseranlage nur bei Vorliegen aller in § 2 Abs. 2 Satz 1 AbwS genannten Abwasserbeseitigungszwecke ausgegangen werden kann. Zu Recht hat die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Regelung dem Vorschlag des Musters einer Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung des Gemeindetags Baden-Württemberg entspricht, wie sie in BWGZ 2015, S. 238 - S. 256 veröffentlicht ist und immer wieder fortgeschrieben wird. Die in der genannten Mustersatzung vorgeschlagene Fassung des § 2 Abs. 2 geht zurück auf die in BWGZ 1978, S. 530 - S. 540 abgedruckte Mustersatzung des Gemeindetags Baden-Württemberg. In den hierzu veröffentlichten Erläuterungen (vgl. BWGZ 1978, S. 541) wird die damalige Neufassung u.a. mit der vom baden-württembergischen Landtag am 05.11.1975 beschlossenen Änderung des Wassergesetzes begründet, durch das die Abwasserbeseitigung zur Pflichtaufgabe der Gemeinden erklärt wurde (vgl. § 45b Abs. 2 Satz 1 WG 1976). In den dortigen Hinweisen zu § 2 der Mustersatzung wird hinsichtlich des Zwecks der öffentlichen Abwasseranlagen auf § 45b Abs. 2 Satz 3 WG 1976 verwiesen, wonach die Gemeinden das Abwasser insbesondere zu sammeln, den Abwasserbehandlungsanlagen zuzuleiten, zu reinigen und die hierfür erforderlichen Kanäle, Rückhaltebecken, Pumpwerke, Regenwasser- und Abwasserbehandlungsanlagen herzustellen, zu unterhalten und zu betreiben haben. Hieraus folgern die Erläuterungen, dass es sich bei den dort genannten Anlagen nur um Beispiele handele und dass es für eine öffentliche Abwasseranlage allein auf den Zweck der Anlage ankomme. Öffentliche Abwasseranlagen hätten - zusammenfassend ausgedrückt - den Zweck, das Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werde (vgl. BWGZ 1978, S. 545). Aus dem Umstand, dass eine unschädliche Abwasserbeseitigung gerade in Fällen nicht stark verschmutzten Niederschlagswassers ohne Reinigung erfolgen kann, und dass die Abwasserbeseitigungszwecke in § 45b Abs. 2 Satz 3 WG 1976 nur beispielhaft ("insbesondere") aufgezählt waren, folgt, dass der Satzungsgeber ein kumulatives Vorliegen der Abwasserbeseitigungszwecke nicht schaffen wollte. Dem entspricht es, dass die bereits in § 45b Abs. 2 Satz 3 WG 1976 genannten Anlagen alle Abwasserbeseitigungszwecke zugleich zumindest teilweise nicht erfüllen. Dies ist - nach oben Gesagtem - auch bei den § 2 Abs. 2 Satz 2 AbwS der Beklagten genannten Anlagen nicht der Fall.

Nach alledem hat der Kläger durch die Einleitung von auf dem Grundstück FlSt.-Nr. ... anfallendem Niederschlagswasser in die Leitung, die das öffentliche Grundstück FlSt.-Nr. ... vor der Verbringung in den S...- Bach quert, den Gebührentatbestand des § 22 AbwS erfüllt, so dass die Beklagte ihn zur Zahlung von Niederschlagswassergebühren heranziehen durfte.

c) § 116 WG i.V.m. § 7 Abs. 2 AbwAG steht dem nicht entgegen, denn gebührenfrei ist unter den dort genannten Voraussetzungen nur das Einleiten des Niederschlagswassers in ein Gewässer (vgl. § 1 Satz 1 AbwAG), wobei Einleiten in diesem Sinne nur das unmittelbare Verbringen des Abwassers in ein Gewässer ist (vgl. § 2 Abs. 2 HS 1 AbwAG). Das Einleiten von Abwasser in die gemeindliche Kanalisation stellt kein Einleiten in diesem Sinne dar, weil es nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar in ein dem Regelungsbereich des AbwAG unterfallendes Gewässer verbracht wird (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abwasserabgabengesetz: BT-Drs. 7/2272, S. 27 und S. 34 sowie Kotulla, AbwAG, 1. Aufl. 2005, § 2, Rn. 43 m.w.N.).

d) Der Gebührenpflicht steht auch eine etwaige - aus den Akten nicht ersichtliche - Anordnung aus dem Jahr 1983, wonach der Kläger das auf seinem Grundstück anfallende Niederschlagswasser in den S... Bach einzuleiten habe, nicht entgegen. Denn eine solche Anordnung beruhte ggf. auf § 45b Abs. 3 Satz 1 WG 1976 (heute: § 46 Abs. 4 Satz 1 WG), wonach die Gemeinden durch Satzung regeln, unter welchen Voraussetzungen Abwasser als angefallen gilt und in welcher Weise und Zusammensetzung ihnen das Abwasser zu überlassen ist, i.V.m. § 2 AbwS 1983 der Beklagten. Weitere Bedeutung kommt ihr hier nicht zu, weil es vorliegend um die Frage der Gebührenpflicht für eine Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage geht. Der Gebührenanspruch entsteht aber unabhängig von der Anordnung eines kommunalen Anschluss- und Benutzungszwangs mit der Verwirklichung des Gebührentatbestands (vgl. Preisner, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 56. EL März 2017, § 4, Rn. 50).

f) Die Beklagte durfte den Kläger als hälftigen Miteigentümer gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 AbwS als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen. Der Angabe seiner Ehefrau als weiterer Gesamtschuldnerin bedurfte es hierbei ebenso wenig wie einer Mitteilung der Gründe seiner Auswahl (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 57.91 -, juris, Rn. 17 und Rn. 22; Stelkens, in: ders./Bonk/ Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37, Rn. 30).

g) Gegen die Bemessung der Niederschlagswassergebühr und die Berechnung der Vorauszahlung hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Anlass zu diesbezüglichen Zweifeln bestehen auch nicht.

h) Die Gebührenfestsetzung ist schließlich auch nicht durch die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorsorglich erklärte Aufrechnung mit einer Forderung, die ihm gegen die Beklagte wegen der Herstellung der Rohrleitung Ende der 1960er-Jahre/Anfang der 1970er-Jahre zustehe, rechtswidrig geworden. Denn zum einen fehlt es bereits an einer wirksamen Aufrechnungserklärung im Sinne des § 388 Satz 1 BGB. Eine wirksame Aufrechnungserklärung liegt nur dann vor, wenn nicht nur die Forderung, gegen die aufgerechnet wird (Hauptforderung), sondern auch die Forderung, mit der aufgerechnet wird (Gegenforderung) hinreichend konkret bezeichnet sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.11.2004 - 2 U 168/03 -, juris, Rn. 30; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 388, Rn. 1). Dies ist hier nicht der Fall, weil aus den Angaben des Klägers nicht hinreichend klar hervorgeht, welche Kosten ihm aus welchem Grund in welcher Höhe entstanden sind und auf welche Rechtsgrundlage der Kläger seine Gegenforderung stützt. Damit fehlt es der Aufrechnungserklärung an der erforderlichen Bestimmtheit. Abgesehen davon steht einer etwaigen Aufrechnung § 215 BGB entgegen, wonach die Verjährung die Aufrechnung (nur dann) nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Ein etwaiger, Ende der 1960er-Jahre/Anfang der 1970er-Jahre entstandener Anspruch des Klägers wegen Herstellung der Abwasserleitung für die Beklagte war jedoch zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Vorauszahlungsanspruchs (vgl. § 30 Abs. 2 AbwS) bereits in jedem Fall unabhängig davon verjährt, auf welcher Rechtsgrundlage ein solcher Anspruch beruhte, denn selbst unter Zugrundelegung der längstmöglichen Verjährungsfrist von 30 Jahren (vgl. §§ 195, 198 BGB a.F.) standen sich die gegenseitigen Forderungen niemals zu unverjährter Zeit gegenüber.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Da der Kläger von der Beklagten mangels einer ihm günstigen Kostengrundentscheidung keine Kosten erstattet bekommt, bedurfte es keiner Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss vom 14. Dezember 2018

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG auf 85,04 EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.