LAG Hamm, Urteil vom 04.12.2013 - 4 Sa 474/13
Fundstelle
openJur 2019, 33754
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 30.01.2013 - 3 Ca 960/12 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 erst zum 15.08.2012 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 846,77 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten verbleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Kündigungen, über Zahlungsansprüche sowie über die Beschäftigung der Klägerin.

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 20.09.2010 als technische Zeichnerin und Konstrukteurin bei der Beklagten gegen ein Monatsgehalt von 3.500,00 € beschäftigt. Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 20.09.2010, in dem es unter anderem heißt:

" . . .

§ 14

Ordentliche Kündigung

(1) Soweit die Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 BGB vorliegen, kann das Arbeitsverhältnis von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von 4 Wochen gekündigt werden.

. . . "

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird auf Aktenblatt 6 bis 8 Bezug genommen.

Die Beklagte konstruiert und vertreibt Hallenbüros, Trennwände, Lagerbühnen und ähnliche Raumsysteme. Die Fertigung der von ihr vertriebenen Systeme erfolgt zu einem maßgeblichen Teil von der ebenfalls in N ansässigen Firma M GmbH (M), deren alleiniger Geschäftsführer der Mitgeschäftsführer der Beklagten I M ist. Es sind dort 8 Arbeitnehmer beschäftigt. Deren Produktionsstätte liegt ca. 6,5 km von den Räumlichkeiten der Beklagten entfernt. Diese unterhält dort ein eigenes Lager. Die Beklagte übernimmt die Warenbestellungen für die M und stellt ihr die Konstruktionszeichnungen für die von ihr in Auftrag gegebenen Systeme zur Verfügung. Der Schweißbeauftragte der M ist ein Mitarbeiter der Beklagten, C. Bis zum 31.05.2012 waren auch die Mitarbeiter L und U Arbeitnehmer der Beklagten, obwohl sie ausschließlich bei der M arbeiteten. Auf ihrer Homepage wirbt die Beklagte mit eigener Herstellung und Fertigung von Trennwandsystemen, Stahlbaubühnen und Sonderteilen, obwohl sie tatsächlich keine eigene Produktion unterhält. Für die Beklagte und die M gibt es einen gemeinsamen Telefonhauptanschluss mit getrennten Nebenstellen.

Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung wurden am 28.06.2012 diebisherigen Mitarbeiter der Beklagten N und T zu Mitgeschäftsführern bestellt. Dies wurde im Handelsregister am 17.08.2012 eingetragen. Zum 01.07.2012 hat die Beklagte die bei ihr verrichteten Reinigungsarbeiten fremdvergeben an eine Firma T1 Gebäudereinigung. Die bisher von ihr dafür beschäftigte Reinigungskraft, Frau X, verrichtet auch weiterhin in deren Gebäude die anfallenden Reinigungsarbeiten.

Die Beklagte hatte der Klägerin bereits mit Schreiben vom 27.09.2011 zum 31.10.2011 gekündigt. Das Arbeitsgericht Minden (1 Ca 1352/11) stellte durch Urteil vom 17.04.2012 fest, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat und verurteilte die Beklagte zur Weiterbeschäftigung. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wurde vom Landesarbeitsgericht Hamm (2 Sa 920/12) durch Urteil vom 28.11.2012 rechtskräftig zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 10.07.2012, der Klägerin zugegangen am 11.07.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin erneut und zwar zum 31.07.2012. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beschäftigte die Beklagte ohne ihre Mitgeschäftsführer T und N aber mit der Klägerin noch wenigstens zehn Mitarbeiter - alle in Vollzeit -, nämlich C1, C, E, D I1, D1 I1, P, T3, X1 und T4. Der Mitarbeiter C1, der ebenfalls tatsächlich bei der M eingesetzt wurde, ist nach Angeben der Beklagten zum 30.09.2012 aus Altersgründen ausgeschieden. Zum 01.11.2012 stellte sie den Mitarbeiter W neu ein. Die Mitarbeiterin D I1 ging ab Herbst 2012 in Mutterschutz und nachfolgend in Elternzeit. Eingestellt wurde Frau I3 befristet vom 12.11.2012 bis zum 11.11.2013.

Mit zwei getrennten Schreiben jeweils vom 09.11.2012, der Klägerin zugegangen am 30.11. bzw. 01.12.2012 kündigte die Beklagte ihr vorsorglich noch einmal, nunmehr zum 31.12.2012.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigungen seien sozial ungerechtfertigt, jene zum 31.07.2012 sei darüber hinaus auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte die maßgebliche Kündigungsfrist nicht eingehalten habe. Diese beschäftige mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG. Bereits nach Ihrer Eigendarstellung auf der Homepage beschäftige sie eine Mannschaft von 20 Mitarbeitern. Deren Ausführungen belegten anschaulich den Versuch, mit zahlreichen personellen Maßnahmen die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zu unterlaufen. Jedenfalls bestehe Arbeitskräftebedarf für über zehn Vollzeitarbeitnehmer. Bestritten werde, dass der Mitarbeiter I4 nach dem 31.05.2012 nicht mehr Arbeitnehmer der Beklagten sei. In einer Stellenanzeige vom 31.07.2012 werde er ausdrücklich als Ansprechpartner für die Beklagte bezeichnet. Außerdem sei er Domain-Inhaber und Administrator für die Internetadresse "C1raumsysteme.de". Es sei davon auszugehen, dass er weiterhin als abhängiger Arbeitnehmer für die Beklagte administrative und Vertriebs-Aufgaben erledige. Bestritten werde, dass er daneben für weitere Unternehmen selbständig tätig sei. Sie habe vielmehr Anlass zu der Annahme, dass er als Scheinselbständiger beschäftigt werde. Auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Mitarbeiterin X werde bestritten. Der Vertrag mit Gebäudereinigungsfirma T1 sei erst am 24.07.2012 unterzeichnet worden, solle aber bereits ab dem 01.07.2012 in Kraft getreten sein. Bestritten werde, dass der Mitarbeiter C1 zum 30.09.2012 ausgeschieden sei. Jedenfalls sei die Einstellung eines Qualitätsmanagers kein Ersatz für einen ausgeschiedenen Konstruktionsmechaniker, sodass sich hier eine zusätzliche Stelle dokumentiere. Soweit die Beklagte vortrage, dass die Mitarbeiterin I3 als Schwangerschaftsvertretung für die Mitarbeiterin I1 eingestellt worden sei, stehe dies im Widerspruch zu ihrem Sachvortrag in dem vorausgegangenen Kündigungsschutzverfahren, in dem die Beklagte geltend gemacht habe, dass Frau I1 im Wesentlichen mit Sekretariats- und Schreibarbeiten beschäftigt werde. Per Stellenausschreibung gesucht worden sei eine Vertriebsmitarbeiterin im Innendienst. Eine solche könne nicht als Schwangerschaftsvertretung für eine Schreibkraft angesehen werden. Dies dokumentiere jedenfalls, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Zugangs der ersten Kündigung über einen freien Arbeitsplatz verfügt habe. Sie müsse bereits vor Juli 2012 Kenntnis von der Schwangerschaft der Mitarbeiterin I1 gehabt haben.

Außerdem unterhalte die Beklagte mit der M einen gemeinsamen Betrieb. Die M arbeite ausschließlich für die Beklagte. Sie verfüge über keine eigenständige betriebliche Organisation, sondern sei organisatorisch eingebunden in jene der Beklagten. Sie habe kein eigenes Büro und auch keine eigenständige Firmentelefonnummer. Die Beklagte steuere die betriebliche Fertigung der M. An der Fertigungshalle der M sei in vierfacher Größe auch ein Firmenschild der Beklagten angebracht. Die kompletten Kundenaufträge der Beklagten würden bei der M fertig kommissioniert und von dort mit allen für die Montage benötigten Teilen mit einer Spedition zum Kunden geliefert. Bestritten werde, dass das von der Beklagten für die M eingekaufte Material an diese weiterberechnet werde.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 nicht aufgelöst worden ist;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die zwei Kündigungen der Beklagten vom 29.11.2012 nicht aufgelöst worden ist;

die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 20.09.2010 als technische Zeichnerin/Konstrukteurin tatsächlich weiter zu beschäftigen;

die Beklagte zu verurteilen, als Arbeitsvergütung für April 2012 an sie 1.633,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2012 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, als Arbeitsvergütung für Mai 2012 an sie 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 zu zahlen;

die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Juni 2012 an sie 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2012 zu zahlen;

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Juli 2912 an sie 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2012 zu zahlen;

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für die Zeit vom 01.08. bis 15.08.2012 an sie 1.750,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie beschäftige - bezogen auf den Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigungen - regelmäßig nicht mehr als zehn Mitarbeiter. Wie viele Mitarbeiter bei ihr in der Vergangenheit beschäftigt gewesen seien, spiele aufgrund der vorgenommenen Umstrukturierungen keine Rolle. Entscheidend sei, welche Planungen es für die Zukunft gebe. Ihr Internetauftritt sei der Selbstdarstellung und der Werbung geschuldet. Die Berufung der früheren Mitarbeiter T und N zu Geschäftsführern stehe im Zusammenhang mit einer seit langem geplanten Umstrukturierung wegen der beabsichtigten Weiterführung des Unternehmens nach Ausscheiden des bisherigen Geschäftsführers. Ihr früherer Mitarbeiter I4 habe sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.04.2012 (Aktenblatt 29) zum 31.05.2012 selbst gekündigt. Er sei als Marketingberater und EDV-Internetspezialist seit 2009 Inhaber einer Fa. B und seinerzeit eingestellt worden, um ihren Online-Shop einzurichten, ihre Internetpräsenz zu optimieren und die erforderlichen Schnittstellen zu den von ihr genutzten Programmen herzustellen. Nachdem diese Aufgabe erledigt gewesen sei, habe er gekündigt, um sich zukünftig wieder in vollem seiner Einzelfirma zu widmen. Dem stehe der Umstand, dass er noch als Domain-Inhaber und Administrator für ihre Internetseite registriert sei, nicht entgegen. Das bei der Bundesagentur für Arbeit geschaltete Stellenangebot vom 31.07.2012 habe ihn nur deshalb noch als Ansprechpartner benannt, weil er seinerzeit ein Konto für sie bei der Bundesagentur angelegt und sich dort als Ansprechpartner eingetragen gehabt habe. Derzeit laufe zwar ein ihm erteilter Projektauftrag. Daneben sei Herr I4 aber für diverse andere Unternehmen tätig. Das Arbeitsverhältnis mit der Reinigungskraft X im Umfang von 15 Stunden monatlich sei zum 30.06.2012 aufgrund eines Aufhebungsvertrags vom 20.06.2012 (Aktenblatt 147) beendet worden. Für ihren zum 30.09.2012 aus Altersgründen ausgeschiedenen Mitarbeiter C1 sei zum 01.11.2012 Herr W in das Unternehmen eingetreten mit der Aufgabe, zukünftig die Qualitätssicherung zu erledigen. Die Mitarbeiterin I3 sei als Schwangerschaftsvertretung befristet für Frau D I1 für die Dauer von zwölf Monaten als Vertriebsmitarbeiterin eingestellt worden. Frau I1 habe ihr Ende Juli 2012 ihre Schwangerschaft angezeigt.

Einen Gemeinschaftsbetrieb mit der M gebe es nicht. Es existiere schon keine gemeinsame Betriebsstätte. Auch würden keine gemeinsamen Betriebsmittel genutzt. Ein arbeitgeberübergreifender Personalaustausch finde nicht statt. Die Mitarbeiter C1, L und U seien der M dauerhaft im Rahmen einer Personalgestellung überlassen gewesen. Bei der M handele es sich um einen Metallbaubetrieb, der handwerklich geprägt sei und über Räumlichkeiten und Maschinen zur Metallverarbeitung verfüge, während sie selbst Vertriebsmitarbeiter, Konstrukteure, technische Angestellte und Sekretärinnen beschäftige. Als Lieferant fungierten für sie neben der M auch diverse weitere Unternehmen. Eingriffe in die Betriebsabläufe der M fänden nicht statt. Es gebe lediglich eine Kooperation in Form von Serviceverträgen, die entsprechend abgerechnet würden. Deshalb stelle sie auch den verantwortlichen Schweißbeauftragten. Sämtliche Entscheidungen in der M treffe deren Geschäftsführer I M. Dabei sei Herr M entweder im Betrieb der M oder er werde von seinem privaten Büro in C4 tätig.

Das Arbeitsgericht Minden hat durch am 30.01.2013 verkündetes Urteil vom 16.01.2013 wie folgt entschieden:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 nicht zum 31.07.2012, sondern mit dem 08.08.2012 geendet hat.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für April 2012 an die Klägerin 1.633,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Mai 2012 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Juni 2012 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für Juli 2912 an die Klägerin 3.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2012 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, als Arbeitsvergütung für die Zeit vom 01.08. bis 08.08.2012 an die Klägerin 903,23 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5.

Der Streitwert wird auf 38.383,33 € festgesetzt.

Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 zwar nicht zum 31.07.2012, aber zum 08.08.2012 beendet worden. Die Vorschriften über den allgemeinen Kündigungsschutz fänden keine Anwendung, da der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nicht eröffnet sei. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 10.07.2012 habe die Beklagte in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Die Arbeitsverhältnisse mit den Arbeitnehmern L, U, X, T und N seien durch Aufhebungsvereinbarung ebenso beendet worden, wie das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer I4 durch dessen Eigenkündigung zum 31.05.2012. Hinsichtlich der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit diesem sei die Klägerin beweisfällig geblieben. Die befristet als Schwangerschaftsvertretung eingestellte Arbeitnehmerin I3 bleibe nach § 21 Abs. 7 BEEG unberücksichtigt. Das Kündigungsschutzgesetz sei auch nicht deshalb anwendbar, weil die Beklagte mit der M einen Gemeinschaftsbetrieb bilde. Die Klägerin habe zwar vergangenheitsbezogen eine Vielzahl von Einzelpunkten für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes vorgetragen und teilweise auch unter Beweis gestellt. Von ausschlaggebender Bedeutung sei jedoch die von der Beklagten vorgetragene, Mitte des Jahres 2012 vollzogene vollständige Trennung der Betriebe der Beklagten und der M, was insbesondere zu einer Beendigung der betriebsübergreifenden Personaleinsätze der Mitarbeiter L und U zum 31.05.2012 geführt habe. Eine andere Bewertung ergebe sich nicht aus der fortgeführten Tätigkeit des Arbeitnehmers C als Schweißbeauftragter für die M. Der Einsatz des Schweißtechnikers C erfolge unabhängig von den Betriebszwecken der Beklagten. Ein ausreichender Vortrag der Klägerin zum Fortbestehen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einer einheitlichen Leitungsmacht mit übergreifendem Personaleinsatz nach der Jahresmitte 2012 sei nicht erfolgt. Eine unternehmerische Zusammenarbeit begründe noch keinen gemeinsamen Betrieb. Ob die M nur für die Beklagte tätig sei, sei unschädlich, denn es liege im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, ob ein Unternehmen nur für einen Auftraggeber tätig werde. Jedenfalls übe die Beklagte gegenüber den Arbeitnehmern der M keinerlei Weisungsrechte aus. Ein Eingriff in deren Organisation sei weder dargelegt, noch unter Beweis gestellt. Die gemeinsame Nutzung einer Telefonanlage und das Fehlen von Büroräumlichkeiten seien für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes ebenso wenig ausreichend, wie eine hierauf hinweisende Außendarstellung im Internet. Da die Klägerin somit keinen allgemeinen Kündigungsschutz genieße, komme es für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung nicht darauf an, ob Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vorlägen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei jedoch erst zum 08.08.2012 beendet worden. In § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrages hätten die Parteien festgelegt, dass das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden könne, sofern die Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 BGB vorlägen, was hier der Fall sei. Vom Zugang der Kündigung bei der Klägerin am 11.07.2012 an gerechnet, habe das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 08.08.2012 geendet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Aktenblatt 154 bis 166 verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.03.2013 zugestellte Urteil mit am 15.04.2013, einem Montag, eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.06.2013 mit am 13.06.2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin trägt vor, die Kündigung zum 31.07.2012 sei bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte die maßgebliche Kündigungsfrist nicht eingehalten habe. Entgegen deren Behauptung finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 10.07.2012 seien bei der Beklagten neben den von ihr genannten zehn Mitarbeitern die Herren T, N, I4 und Frau X beschäftigt worden. Bezogen auf die Kündigung vom 10.07.2012 seien die vormaligen Mitarbeiter N und T noch als Arbeitnehmer anzusehen, weil deren Eintragung als Geschäftsführer ins Handelsregister erst später erfolgt sei. Fehlerhaft sei das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Mitarbeiterin X das Arbeitsverhältnis zur Beklagten wirksam beendet habe. Die entsprechende Behauptung sei von ihr stets bestritten und von der Beklagten nicht bewiesen worden. Das von dieser in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vorgelegte Telefax über einen Aufhebungsvertrag sei als Beweis nicht geeignet. Auch die Bewertung des Gerichts, dass sie hinsichtlich der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer I4 beweisfällig geblieben sei, sei unzutreffend. Sie habe sämtliche ihr bekannten Tatsachen und Fakten vorgetragen, die eine abhängige Beschäftigung des Arbeitnehmers I4 indizierten und habe hierfür Beweis angetreten durch Befragung des Zeugen I4 bzw. Vorlage von Urkunden. Der Zeuge I4 sei weiterhin Inhaber und Administrator mehrerer Internetadressen der Beklagten. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit ihrer Argumentation auseinandergesetzt, warum die Arbeitnehmerin I3 gerade nicht als Schwangerschaftsvertretung für die Arbeitnehmerin I1 angesehen werden könne. Die Privilegierung nach dem BEEG werde ohne Begründung anerkannt, obwohl die Unterschiede der Arbeitsaufgaben der beiden Arbeitnehmerinnen vom Gericht ausdrücklich erwähnt würden. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht einen gemeinsamen Betrieb mit der M verneint. Es habe außer Acht gelassen, dass aufgrund fehlender Möglichkeit eigener Kenntnisnahme von den Betriebsabläufen sie keine aktuellen Angaben machen könne, ohne gegen die prozessuale Wahrheitspflicht zu verstoßen. Allein die vorgetragenen personellen Veränderungen könnten bei dem Umfang der organisatorischen Verzahnungen nicht dazu führen, die Annahme eines gemeinsamen Betriebes zu entkräften. Im Rahmen der gestuften Darlegungs- und Beweislast hätte die Beklagte über eventuelle sonstige Änderungen Auskunft erteilen müssen. Nach den einschlägigen DIN-Vorschriften sei eine Präsenz des Schweißbeauftragten bei der betrieblichen Tätigkeit, also im Betrieb der M, erforderlich. Dies gehe über eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit deutlich hinaus. Dadurch sei eine weitere Personalgestellung dargelegt. Fehlerhaft gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass die M ihre Tätigkeit auch gegenüber Dritten anbiete und die Beklagte nicht in deren Organisation eingreife. Letzteres habe sie durch den Einkauf der bei der M verwendeten Materialien durch die Beklagte konkret dargelegt. Jedenfalls hätte das Arbeitsverhältnis frühestens mit Ablauf des 15.08.2012 beendet werden können. Die in § 14 Abs. 1 des vom Arbeitgeber vorformuliert gestellten Arbeitsvertrages vereinbarte Kündigungsfrist sei völlig unklar, intransparent und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Auch hinsichtlich der weiteren Kündigungen der Beklagten sei von einer Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auszugehen, da es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten über gegebenenfalls erfolgte Änderungen bei der Verzahnung der beiden Unternehmen fehle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 30.1.2013, Az.: 3 Ca 960/12, abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.7.2012 nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die zwei Kündigungen der Beklagten vom 29.11.2012 nicht aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluß dieses Rechtsstreits zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 20.9.2010 als technische Zeichnerin/Konstrukteurin tatsächlich weiter zu beschäftigen;

4. die Beklagte zu verurteilen, als Arbeitsvergütung für die Zeit vom 9.8. bis 15.8.2012 an sie 846,77 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, entgegen der Auffassung der Klägerin komme es für die Frage, ob die Herren T und N als Arbeitnehmer oder als Geschäftsführer anzusehen seien, auf den Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister nicht an. Die Klägerin habe auch mit der Berufungsbegründung nicht vorgetragen, woraus sich ergebe, dass Herr I4 nach der unstreitig erfolgten Kündigung bei ihr als Arbeitnehmer weiter beschäftigt werde. Soweit sie behaupte, es läge Scheinselbständigkeit vor, fehle dazu jeglicher Vortrag. Die Klägerin trage für die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht einmal Anhaltspunkte vor. Die Tatsache, dass Herr I4 mit seinem Unternehmen Aufträge von ihr angenommen habe, begründe keine Arbeitnehmereigenschaft. Das ehemals mit Frau X bestehende Arbeitsverhältnis sei bereits zum 30.06.2012 beendet worden. Im Zusammenhang mit der vorgenommenen Umstrukturierung seien die Kosten für die Reinigung der Büroräume überprüft und es sei entschieden worden, die Arbeiten künftig fremd zu vergeben. Die Firma T1 habe zum 01.07.2012 die Reinigungsarbeiten übernommen. Sie habe erreichen können, dass Frau X dort weiterbeschäftigt werde. Auch nach Ausspruch der Kündigung vom 10.07.2013 habe sich die Anzahl der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter nicht verändert. Nachdem Herr C1 ausgeschieden sei, sei Herr W als Qualitätsmanager eingestellt worden. Für die in Mutterschutz befindliche Frau D I1 sei Frau I3 befristet eingestellt worden. Ihr Unternehmen sei auf Dauer auf eine Personalstärke von maximal zehn Mitarbeitern angelegt. Es liege auch kein gemeinsamer Betrieb mit der M vor. Im Rahmen der Umstrukturierung zum Zwecke der Umsetzung der schrittweisen Unternehmensnachfolge sei eine vollständige Trennung ihres Betriebs mit jenem der M erfolgt. Diese sei ein Unternehmen von Herrn I M, welches produzierend tätig sei, und darüber hinaus weitere Unternehmenszwecke verfolge, die mit ihrer Tätigkeit nichts zu tun hätten. Dass Herr C als Inhaber eines Zertifikats die Einhaltung der DIN-Vorschriften bei der M kontrolliere, sei eine Leistung, die von ihr für die M erbracht und im Rahmen eines Servicevertrages abgerechnet werde. Herr C sei bei ihr zu 100 % als Konstrukteur im Stahlbau beschäftigt. Entsprechend der DIN-Vorschriften würden nur stichprobenhaft Kontrollen durchgeführt. Die Nutzung einer gemeinschaftlichen Telefonanlage sei ohne Bedeutung. Die M benötige auch keine Büroräume. Die gesamte Verwaltung finde bei deren Geschäftsführer I M unter dessen Privatanschrift statt. Buchhaltungsarbeiten würden von dem Steuerberatungsbüro P ausgeführt. Es existiere noch nicht einmal eine gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten. Ihr Internetauftritt sei den rechtlichen Rahmenbedingungen geschuldet. Sie plane und konstruiere Hallensysteme, die sie unter anderem bei der M fertigen lasse. Im Sinne des Produkthaftungsrechts sei sie im Verhältnis zum Kunden Hersteller, was im Internetauftritt dokumentiert werde. Nachdem unstreitig sei, dass Arbeitgeberaufgaben wie Arbeitsplanung, überbetrieblicher Arbeitseinsatz, Urlaubsplanung, Krankheitsvertretung etc. nicht von ihr gemeinsam mit der M erledigt würden und ein wechselseitiger Personalaustausch nicht stattfinde, stehe fest, dass vorliegend ein Gemeinschaftsbetrieb nicht existiere. Das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der Kündigung vom 10.07. mit Ablauf des 08.08.2012 geendet, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe. Ein Anspruch auf Vergütung für die Zeit vom 08. bis 15.08.2012 stehe der Klägerin deshalb nicht zu.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen der Parteien ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung der Klägerin ist aber nur teilweise begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Minden angenommen, dass die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Daher mussten die Kündigungsschutzklage der Klägerin sowie der von ihr geltend gemachte Beschäftigungsanspruch abgewiesen werden. Allerdings endete das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf des 15.08.2012. Soweit die Klägerin unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzugs daher für die Zeit vom 09. bis 15.08.2012 Arbeitsentgeltansprüche geltend macht, hat das Arbeitsgericht Minden die Klage zu Unrecht abgewiesen. In diesem Umfang hat die von der Klägerin eingelegte Berufung Erfolg. Im Einzelnen hat die Kammer die nachfolgende Erwägung angestellt:

Die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 beendete das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.08.2012. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Kündigung wirksam.

1. Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt zunächst nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte zuvor am 27.09.2011 schon einmal erfolglos versucht hat, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zu kündigen. Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 28.11.2012 steht fest, dass jene Kündigung unwirksam war. Die Beklagte hat aber nicht lediglich eine sogenannte Wiederholungskündigung ausgesprochen, die ohne weiteres unwirksam wäre.

Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem früheren Kündigungsschutzprozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie die Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung dieser Gründe zur Stützung einer späteren Kündigung ist der Arbeitgeber ausgeschlossen (BAG, Urteil vom 20.12.2012 - 2 AZR 867/11 = NZA 2013, 1003 ff.; BAG, Urteil vom 06.09.2012 - 2 AZR 372/11 = EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 30). Eine Präklusionswirkung in diesem Sinne entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen (BAG, Urteil vom 20.12.2012 a. a. O.; BAG, Urteil vom 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 = NZA 2010, 628 ff).

Im vorliegenden Fall wird die streitgegenständliche Kündigung nicht, wie die Kündigung vom 27.09.2011, auf betriebliche Gründe gestützt bzw. auf eine vermeintliche Minderleistung der Klägerin, vielmehr macht die Beklagte im vorliegenden Verfahren geltend, dass sie ihren Betrieb dauerhaft umstrukturiert habe und nunmehr als Kleinbetrieb im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG nicht mehr unter den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes falle. Dabei handelt es sich um einen gegenüber der Kündigung vom 27.09.2011 anderen Lebenssachverhalt, sodass die Beklagte nicht durch die Entscheidung des LAG Hamm vom 28.11.2012 in dem Verfahren 2 Sa 920/12 gehindert war, der Klägerin erneut zu kündigen.

2. Entgegen der Annahme der Klägerin folgt die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung vom 10.07.2012 auch nicht daraus, dass im Kündigungsschreiben ein falscher Kündigungstermin, nämlich der 31.07.2012, genannt wurde. Allerdings muss der Erklärungsempfänger aus dem Wortlaut und den Begleitumständen der Kündigung unter anderem erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Bei Zugang der Kündigung muss bestimmbar sein, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll. Dafür genügt im Falle einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Auch eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin ist möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder diese für ihn bestimmbar ist (BAG, Urteil vom 20.06.2013 - 6 AZR 805/11 = NJW 2013, 3194 ff.). Bei Nichteinhaltung der zu beachtenden Kündigungsfrist lässt sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung oftmals in eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen. Ist dies nicht möglich, dann kommt jedenfalls nach § 140 BGB eine Umdeutung in eine Kündigung zum richtigen Kündigungstermin in Betracht, wenn - wie hier - fristgerecht Kündigungsschutzklage eingelegt wurde (BAG, Urteil vom 01.09.2010 - 5 AZR 700/09 = NJW 2010, 3740 ff.; BAG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 AZR 148/05 = NJW 2006, 2284 ff.).

Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze konnte die Klägerin dem Kündigungsschreiben der Beklagten vom 10.07.2012 schon nach seinem Wortlaut entnehmen, dass diese jedenfalls "zum nächst zulässigen Zeitpunkt" wirken sollte, sodass eine Auslegung der Kündigungserklärung hinsichtlich des hier zu beachtenden Kündigungstermins zum 15.08.2012 eröffnet war. Anhand der gesetzlichen Kündigungsfristen konnte die Klägerin unschwer ermitteln, dass ihr Arbeitsverhältnis zur Beklagten jedenfalls zum 15.08.2012 beendet sein sollte.

3. Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam i.S.v. § 1 Abs. 1 KSchG. Die maßgeblichen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes finden nämlich nach § 23 Abs. 1 KSchG hier keine Anwendung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die in § 23 Abs. 1 KSchG geregelten betrieblichen Geltungsvoraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes vorliegen (BAG, Urteil vom 26.06.2008 - 2 AZR 264/07 = DB 2008, 2311 f; BAG, Urteil vom 24.02.2005 - 2 AZR 373/03 = NZA 2005, 764 ff.). An die Erfüllung der Darlegungslast des Arbeitnehmers dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Er genügt regelmäßig seiner Darlegungslast, wenn er die für eine entsprechende Arbeitnehmerzahl sprechenden Tatsachen und die ihm bekannten äußeren Umstände schlüssig darlegt. Der Arbeitgeber muss dann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen den Sachvortrag des Arbeitnehmers sprechen (BAG, Urteil vom 26.06.2008 a. a. O.; BAG, Urteil vom 15.03.2001 - 2 AZR 151/00 = NZA 2001, 831 ff.). Dem Arbeitnehmer kann bei der Beweisführung außerdem zugutekommen, dass er auch solche Umstände unter Beweis stellen kann, die er aufgrund greifbarer Anhaltspunkte nur vermuten kann. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird ein Beweisantrag unter solchen Umständen erst dann, wenn er, ohne wenigstens greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts aufzuzeigen, aufs Geradewohl oder ins BM hinein Behauptungen aufstellt (BAG, Urteil vom 27.09.2012 - 2 AZR 516/11 = NZA 2013, 559 ff.; BAG, Urteil vom 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06 = DB 2009, 964 ff.; BGH, Urteil vom 15.05.2003 - III ZR 7/02 = BGHReport 2003, 891 f). Maßgeblich für die Schwellenwerte des § 23 Abs. 1 KSchG ist die Zahl der regelmäßig Beschäftigten. Für die Betriebsgröße kommt es nicht auf die zufällige tatsächliche Anzahl der Beschäftigten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs an. Entscheidend ist die Beschäftigungslage, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es deshalb eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung seiner künftigen Entwicklung; Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind dabei nicht zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 = NZA 2013, 726 ff.; BAG, Urteil vom 24.02.2005 -a. a. O.). Entschließt sich der Arbeitgeber, seinen Betrieb künftig mit weniger Arbeitnehmern fortzuführen, genießen zwar die in diesem Zusammenhang gekündigten Arbeitnehmer noch Kündigungsschutz, wenn zuvor der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG erreicht war. Die Betriebseinschränkung führt aber dazu, dass künftig eine andere regelmäßige Arbeitnehmerzahl gegeben ist (BAG, Urteil vom 22.01.2004 - 2 AZR 237/03 = NJW 2004, 1818 ff.). Maßgeblich für die Ermittlung der Arbeitnehmerzahl ist somit der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (APS/Moll, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 23 KSchG Rn. 26).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht ausreichend dargetan, dass bezogen auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bei der Beklagten regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Soweit sie zunächst geltend macht, dass in der Vergangenheit mehr Arbeitnehmer in deren Betrieb beschäftigt wurden, ist dies nicht mehr maßgeblich, weil nach dem Vorbringen der Beklagten davon auszugehen ist, dass diese zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen dauerhaft weniger Arbeitnehmer als in der Vergangenheit einsetzt. Die Beklagte hat insgesamt zehn in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer namentlich bezeichnet, die unstreitig ihrem Betrieb zuzuordnen sind. Zutreffend hat sie dabei die Klägerin mitgerechnet.

Der Klägerin ist die Darlegung dafür, dass weitere Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten beschäftigt sind, bezogen auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 11.07.2012 nicht gelungen.

a) Jedenfalls in zweiter Instanz dürfte unstreitig sein, dass die früheren Arbeitnehmer der Beklagten L und U jeweils aufgrund eines Aufhebungsvertrags zum 31.05.2012 ausgeschieden sind. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin sind auch die früheren Arbeitnehmer und jetzigen Mitgeschäftsführer der Beklagten T und N bei der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht mitzurechnen. Geschäftsführer einer GmbH sind Organvertreter der Gesellschaft und üben damit die Arbeitgeberfunktion aus. Die Beklagte hat nachgewiesen, dass die genannten Personen durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 28.06.2012 zu Mitgeschäftsführern bestellt wurden. Ferner hat sie Dienstverträge jeweils vom 28.06.2012 vorgelegt, mit denen zugleich die bis dahin bestehenden Anstellungsverträge mit der Beklagten mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurden. Soweit die Klägerin darauf abstellen möchte, dass die Eintragung ins Handelsregister erst am 17.08.2012 erfolgt ist, ist darauf hinzuweisen, dass die Eintragung des Geschäftsführers ins Handelsregister keine konstitutive Wirkung hat (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbH-Gesetz, 20. Auflage 2013, § 39 Rn. 24). Schließlich hat die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast auch dargelegt, dass die frühere Reinigungskraft, Frau X, durch Aufhebungsvertrag vom 20.06.2012 zum 30.06.2012 ausgeschieden ist und seitdem bei der Firma T1 Gebäudereinigung beschäftigt ist. Die Klägerin hat zwar unter anderem unter Hinweis darauf, dass der fragliche Reinigungsvertrag zwischen der Beklagten und der Firma T1 erst am 24.07.2012 geschlossen wurde, versucht, dies in Zweifel zu ziehen. Da aber die Darlegungs- und Beweislast für die Beschäftigung von mehr als zehn Arbeitnehmern bei ihr liegt, hätte sie es nicht dabei bewenden lassen dürfen, den Sachvortrag der Beklagten zu bestreiten. Vielmehr hätte sie Beweis dafür antreten müssen, dass Frau X weiterhin als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt ist. Aufgrund der vorgenannten prozessualen Grundsätze hätte sich etwa angeboten, dies konkret zu behaupten und zum Beweis Frau X als Zeugin zu benennen. Auch hinsichtlich des früheren Arbeitnehmers der Beklagten I4 hat die Klägerin sich damit begnügt, Indizien vorzutragen, die womöglich für ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis zur Beklagten von Bedeutung sein könnten. Nachdem die Beklagte aber dessen Eigenkündigung vom 26.04. zum 31.05.2012 in Kopie vorgelegt hatte, hätte die Klägerin konkret behaupten müssen, dass Herr I4 weiterhin als Arbeitnehmer von der Beklagten beschäftigt wird. Zu diesem Sachvortrag hätte sie Herrn I4 als Zeugen benennen können. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung ist dies in beiden Instanzen nicht geschehen, nicht einmal als die Kammer darauf hinwies und mit den Parteien im Termin die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erörterte. Soweit die Klägerin schließlich in Zweifel ziehen möchte, dass der Mitarbeiter W als Ersatz für den zum 30.09.2012 ausgeschiedenen Mitarbeiter C1 und die Mitarbeiterin I3 als Schwangerschaftsvertretung für die Mitarbeiterin D I1 eingestellt wurden, hat sie es auch diesbezüglich versäumt, zu behaupten, dass diese Mitarbeiter zusätzlich eingestellt wurden und dafür Beweis anzutreten. Zusammenfassend hat die Klägerin in beiden Instanzen die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG offenkundig verkannt, obwohl das Arbeitsgericht Minden dazu in seinem Urteil vom 16.01.2013 ausdrücklich Rechtsausführungen machte.

b) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ergibt sich die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auch nicht aus der Annahme, die Beklagte habe mit der M GmbH einen gemeinschaftlichen Betrieb gebildet. Im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne liegt ein gemeinsamer Betrieb gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dann vor, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden (dazu: BAG, Beschluss vom 13.02.2013 - 7 ABR 36/11 = BB 2013, 2170 ff.). Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen i.S.v. § 23 Abs. 1 KSchG ist gegeben, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, sodass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird (BAG, Urteil vom 15.12.2011 - 8 AZR 692/10 = DB 2012, 1690 ff.; BAG, Urteil vom 23.09.2010 - 8 AZR 567/09 = NZA 2011, 197 ff.; BAG, Urteil vom 10.11.2011 - 8 AZR 538/10 = AP Nr. 421 zu § 613a BGB). Demgegenüber liegt ein gemeinschaftlicher Betrieb nicht bereits dann vor, wenn etwa in einem Konzern die Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft in bestimmten Bereichen Anordnungen treffen kann (BAG, Urteil vom 16.01.2003 - 2 AZR 609/01 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Gemeinschaftsbetrieb). Die Einheitlichkeit der Leitung im Hinblick auf personelle und soziale Angelegenheiten kann insbesondere aufgrund der folgenden Indizien ermittelt werden: Gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln und gemeinsame Unterbringung, gemeinsame zentrale Betriebseinrichtungen, organisatorische, personelle und technische Verknüpfung der Arbeitsabläufe, gemeinsame Wahrnehmung von Ausbildungsaufgaben, Personenidentität der Geschäftsführung oder auf der Ebene leitender Angestellter, funktionelle und räumliche Nähe und Verklammerung von Funktionsbereichen, Austausch und Fluktuation von Arbeitnehmern, übergreifender Personaleinsatz, zentrale Personalverantwortung, koordinierte Urlaubsplanung, durchgehendes Weisungsrecht und gemeinsame Einstellungen und Entlassungen (APS/Moll, Kündigungsrecht, 4. Auflage 2012, § 23 KSchG Rn. 17).

Bei Anwendung dieses Maßstabs auf den vorliegenden Fall vermag die Kammer einen gemeinschaftlichen Betrieb zwischen der Beklagten und der Firma M nicht festzustellen. Zwar hat die Klägerin zahlreiche Umstände dargelegt, die darauf schließen lassen, dass beide Unternehmen eng miteinander verknüpft sind. Dies allein reicht jedoch gerade nicht. Auch wenn man zugunsten der Klägerin von einem Abhängigkeitsverhältnis der M zur Beklagten ausgeht, begründet dies für sich genommen noch keinen gemeinschaftlichen Betrieb. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass schon die Betriebszwecke klar voneinander zu unterscheiden sind. Während die Beklagte den Vertrieb und die Konstruktion der von ihr angebotenen Raumelemente betreibt, handele es sich bei der M um ein Fertigungsunternehmen. Dadurch existiert auch keine gemeinsame Betriebsstätte; vielmehr sind die beiden Unternehmen immerhin 6,5 km voneinander entfernt. Unstreitig ist, dass ein wechselseitiger Austausch der Arbeitnehmer nicht stattfindet. Auch die früher bei der Beklagten geführten Mitarbeiter L und U waren nie unternehmensübergreifend eingesetzt, sondern unstreitig ausschließlich bei der M. Dass der Mitarbeiter der Beklagten C die Funktion des Schweißsachverständigen bei der M ausübt, steht der Annahme einer organisatorischen und personellen Trennung nicht entgegen. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Arbeitnehmer C nur stichprobenhaft Prüfaufgaben bei der M wahrnimmt und ansonsten ausschließlich bei ihr eingesetzt ist. Die Kammer muss nicht entscheiden, ob dies womöglich gegen DIN-Vorschriften verstößt, weil auch dies jedenfalls nicht einen gemeinsamen Betrieb begründen würde. Gemeinsame zentrale Betriebseinrichtungen, eine zentrale Personalverantwortung und eine koordinierte Urlaubsplanung gibt es nicht. Soweit jedenfalls in Person des Herrn I M eine gemeinschaftliche Führung für beide Unternehmen existiert, ist dies zwar eine notwenige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Annahme eines gemeinschaftlichen Betriebes. Auch im Konzern existieren Abhängigkeitsverhältnisse und gemeinschaftliche Leitungsstrukturen, ohne dass dadurch schon in Gemeinschaftsbetrieb begründet wird. Dass eine zentrale Telefonnummer existiert, die Beklagte bei der M ein Lager unterhält, dort auch deren Firmenschild angebracht ist, und schließlich die Materialbestellung für die M durch die Beklagte vorgenommen wird, mag die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Unternehmen unterstreichen. Dadurch wird aber noch kein einheitlicher arbeitstechnischer Zweck begründet, was für die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebes erforderlich wäre. Insgesamt vermag die Kammer auch unter Zugrundelegung des nur in Detailfragen von der Beklagten bestrittenen Sachvortrags der Klägerin hinsichtlich der Zusammenarbeit der Beklagten mit der M keine ausreichenden Umstände zu entnehmen, die darauf schließen lassen, dass sich die Beklagte mit der M zu einem gemeinschaftlichen Betrieb im Rechtssinne verbunden hat.

4. Nach alledem hat es dabei zu verbleiben, dass nur die Arbeitnehmer der Beklagten bei der Ermittlung der Zahl der Beschäftigten im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen sind und dass bezogen auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 nicht mehr als zehn Arbeitnehmer dort regelmäßig beschäftigt waren. Damit steht fest, dass die Bestimmungen des ersten und zweiten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes zugunsten der Klägerin nicht anwendbar sind. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber in seiner Entscheidung, ein Arbeitsverhältnis unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfristen zu beenden, grundsätzlich nicht an das Vorliegen besonderer Kündigungsgründe gebunden.

Die Kammer hat erwogen, ob aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles die streitgegenständliche Kündigung nach § 242 BGB unwirksam ist. Auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb hat nämlich im Falle einer Kündigung ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren. Eine Kündigung, die diesen Anforderungen nicht entspricht, verstößt gegen Treu und Glauben und ist deshalb unwirksam. In seiner Entscheidung vom 27.01.1998 zur Verfassungsmäßigkeit der Kleinbetriebsklausel (§ 23 Abs. 1 KSchG a.F.) hat das Bundesverfassungsgericht (1 BvL 15/87 = NJW 1998, 1475 ff.) ausgeführt, Arbeitnehmern in Kleinbetrieben sei ein größeres rechtliches Risiko des Arbeitsplatzverlustes angesichts der schwerwiegenden grundrechtlich geschützten Belange der Arbeitgeber zuzumuten. Dabei falle ins Gewicht, dass die Arbeitnehmer durch ihre Herausnahme aus dem gesetzlichen Kündigungsschutz nicht völlig schutzlos gestellt seien. Sie seien durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- und treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Soweit unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen sei, gebiete der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme. Schließlich dürfe auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen am Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben (im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG auch BAG, Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR 15/00 = NZA 2001, 833 ff.).

Im vorliegenden Fall ist nicht zu übersehen, dass die Beklagte die von ihr im Einzelnen vorgetragene Umstrukturierung zeitnah nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils des ArbG Minden vom 17.04.2012 in dem vorausgegangenen Kündigungsschutzverfahren vornahm und ebenfalls zeitnah danach der Klägerin erneut kündigte. Die getroffenen Maßnahmen bewirkten - wie oben näher dargelegt -, dass die Klägerin ihren allgemeinen Kündigungsschutz nach den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes verlor. Kündigungsgründe musste die Beklagte demnach nicht mehr vortragen. Solche sind auch nicht ersichtlich. Dennoch kann die Kammer nicht unterstellen, dass die getroffenen Umstrukturierungsmaßnahmen nur dem Zweck dienen sollten, die Klägerin aus dem Unternehmen herauszudrängen, was sicherlich ein Verstoß gegen § 242 BGB darstellen würde. Die Beklagte hat weitgehend unbestritten vorgetragen, dass die Bestellung der Mitarbeiter T und N zu Mitgeschäftsführern darauf abzielte, eine Unternehmensnachfolge nach Ausscheiden des bisherigen Alleingeschäftsführers I M vorzubereiten. Im Interesse der Unternehmenskontinuität erscheint dies nachvollziehbar und sachgerecht. Auch die Zuordnung der früheren Mitarbeiter L und U zur M durch Abschluss von Aufhebungsverträgen mit der Beklagten und Begründung von neuen Arbeitsverträgen mit der Firma M ist ersichtlich sachgerecht. Unstreitig waren beide Arbeitnehmer seit jeher ausschließlich bei der M beschäftigt. Schon um nicht in Konflikt zu kommen mit den Bestimmungen des AÜG erscheint es zweckmäßig und nachvollziehbar, die rechtliche Zuordnung den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Hinsichtlich des früheren Arbeitnehmers I4 hat die Beklagte, ohne dass die Klägerin dem durch Beweisantritt entgegengetreten wäre, vorgetragen, dass dieser nur projektbezogen bei ihr beschäftigt war und die diesbezüglich anfallenden Tätigkeiten abgeschlossen waren. Dass er jedenfalls nach ihren Angaben freiberuflich für sie weiterhin tätig ist, ändert nichts daran, dass eine Beschäftigung auf einem festen Arbeitsplatz eine dauerhafte Aufgabenstellung voraussetzen würde, die nicht ersichtlich ist. Im Übrigen kann nicht verkannt werden, dass nicht die Beklagte die Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses bewirkte, sondern Herr I4 durch Eigenkündigung vom 26.04.2012 zum 31.05.2012 ausgeschieden ist. Auch die Fremdvergabe der Reinigungsarbeiten an ein externes Dienstleistungsunternehmen ist nichts Ungewöhnliches. Dies wurde in der Vergangenheit in zahlreichen Unternehmen unter dem Stichwort Outsourcing vorgenommen, wobei tragende Begründung fast immer die Einsparung von Personalkosten ist. Insgesamt sind die von der Beklagten vorgetragenen Gründe für die vorgenommene Umstrukturierung schlüssig und nachvollziehbar. Die dennoch bei der Kammer verbleibenden Bedenken sind nicht so gewichtig, dass diese zu einer Unwirksamkeit der vorliegenden Kündigung i.S.v. § 242 BGB führen würden. Es kommt hinzu, dass die Beklagte ab Zugang der streitgegenständlichen Kündigung vom 10.07.2012 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren - mithin über einen Zeitraum von immerhin fast 16 Monaten - dauerhaft mit einer Personalstärke von neun in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmern (ohne die tatsächlich nicht mehr beschäftigte Klägerin) auskommt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass für die Klägerin eine Ersatzeinstellung vorgenommen wurde. Diese hat auch nicht geltend gemacht, dass im Zusammenhang mit ihrer Entlassung seitens der Beklagten eine Auswahlentscheidung zu treffen war. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass angesichts einer Beschäftigungszeit von weniger als zwei Jahren eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit der Klägerin noch nicht angenommen werden kann. All diese Umstände zusammengefasst führen dazu, dass im vorliegenden Fall die streitgegenständliche Kündigung das gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme gewahrt hat.

Weitere Unwirksamkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich, sodass damit feststeht, dass die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012 das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet hat.

5. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts endete das Arbeitsverhältnis der Parteien allerdings nicht zum 08.08.2012, sondern unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB erst zum 15.08.2012. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 20.09.2010 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von vier Wochen gekündigt werden kann, sofern die Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 BGB vorliegen. Tatsächlich liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 Ziffer 2 BGB, nämlich die Beschäftigung von nicht mehr als 20 Arbeitnehmern im Betrieb und die Wahrung einer Mindestkündigungsfrist von vier Wochen, auch vor. Die fragliche Klausel verstößt aber gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist damit unwirksam. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass der schriftliche Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber vorgegeben wurde. Damit ist der Vertrag als allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 310 Abs. 3 Ziffer 2 BGB zu qualifizieren. In allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen die darin enthaltenen Bestimmungen klar und verständlich sein. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Klägerin kann dem Arbeitsvertrag nicht entnehmen, welche Kündigungsfrist für und gegen sie maßgeblich ist. Dazu müsste sie erst ermitteln, ob die Voraussetzungen des § 622 Abs. 5 BGB vorliegen oder nicht. Es ist dem Arbeitnehmer aber nicht zuzumuten, erst Nachforschungen und Nachfragen zu unternehmen, um die maßgebliche Kündigungsfrist herauszufinden. Es kommt hinzu, dass die fragliche Klausel jedenfalls bei Unternehmen, die an der Grenze von 20 Arbeitnehmern liegen, auch zu unterschiedlichen Ergebnissen während des Arbeitsverhältnisses führen kann. Diese Erwägung mag für die Beklagte nicht zutreffen. Umso mehr stellt sich allerdings die Frage, aus welchem Grund sie dann nicht von vornherein - mit oder auch ohne ausdrücklichen Verweis auf § 622 Abs. 5 BGB - eine Kündigungsfrist von vier Wochen vereinbart wurde. Eine allgemeine Geschäftsbedingung verletzt auch dann das Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält. Lässt sich eine Klausel unschwer so formulieren, dass das Gewollte klar zu erkennen ist, führt eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar ist, zu vermeidbaren Unklarheiten (BAG, Urteil vom 17.08.2011 - 5 AZR 406/10 = DB 2011, 2550 f). So liegt es hier. Die Klausel des § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 20.09.2010 verletzt daher das Transparenzgebot und ist somit unwirksam. Damit gilt die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete deshalb erst mit Ablauf des 15.08.2011.

6. Steht nach alledem fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 15.08.2012 aufgelöst wurde, erweist sich der weitere Kündigungsschutzantrag der Klägerin bezüglich der Kündigung vom 29.11.2012 als unbegründet. Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage i. S. des § 4 Satz 1 KSchG ist, dass ein zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestehendes Arbeitsverhältnis aus Anlass einer ganz bestimmten Kündigung zu einem ganz bestimmten Termin aufgelöst worden ist oder nicht (BAG, Urt. v. 27.10.2005 - 8 AZR 568/04 = NZA 2006, 668 ff.; BAG, Urt. v. 12.06.1986 - 2 AZR 426/85 = NZA 1987, 273 ff.). Ein Kündigungsschutzantrag kann mithin nur dann begründet sein, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der fraglichen Kündigung ein Arbeitsverhältnis noch besteht (APS/Hesse, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 4 KSchG Rn. 134 m.w.N.).

Da das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht mehr bestanden hat, ist auch der Beschäftigungsantrag der Klägerin unbegründet.

7. Die Beklagte war unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gemäß §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1, 296 BGB dazu zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 09. bis 15.08.2012 846,77 € brutto zu zahlen. Hinsichtlich der Begründung des Annahmeverzugs verweist die Kammer auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 69 Abs. 2 ArbGG), die die Beklagte auch nicht angegriffen hat. Der Höhe nach ergibt sich der Anspruch daraus, dass der Klägerin insgesamt für den Monat August 2012 noch ein halbes Monatsgehalt, mithin 1.750,00 €, zusteht. 903,23 € hat das Arbeitsgericht Minden ihr für die Zeit vom 01. bis 08.08.2012 bereits rechtskräftig zuerkannt. Mithin war die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin noch die verbleibenden 846,77 € zu zahlen.

Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

8. Nach alledem ist die Berufung der Klägerin nur hinsichtlich des Kündigungstermins zum 15.08.2012 und der daraus resultierenden Zahlungsansprüche erfolgreich. Demgegenüber musste die Berufung im Übrigen aus den vorgenannten Gründen erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.