LAG Hamm, Urteil vom 06.09.2019 - 1 Sa 922/19
Fundstelle
openJur 2019, 33700
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 27.02.2019 - 4 Ca 1374/18 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten - soweit für die Berufung noch von Bedeutung - um Vergütungsansprüche aus dem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin war bei der Beklagten auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17.08.2017 als Fahrerin in Teilzeit mit einem Stundenlohn von 9,00 € brutto während des Zeitraums vom 30.08.2017 bis zum 13.07.2018 ohne nähere Festlegung der Arbeitszeitdauer beschäftigt. Die Aufgabe der Klägerin bestand im Wesentlichen darin, überwiegend behinderte Kinder und Jugendliche in einem Kleinbus vormittags an vorgegebenen Stellen abzuholen, zu Schulen und Werkstätten zu bringen und nachmittags wieder abzuholen. Die Beklagte rechnete während des bestehenden Arbeitsverhältnisses 515,75 Arbeitsstunden ab und zahlte die sich ergebenden Beträge an die Klägerin aus.

Arbeitsvertraglich hielten die Parteien u.a. fest:

...

§ 4

Arbeitszeit (für Busfahrer, Fahrer und Begleitpersonen)

(1) Die konkreten Arbeitstage und die Arbeitsdauer richten sich nach den Bestimmungen der Anlage 1 bzw. nach gesonderter Stundenaufstellung. Diese richten sich nach der jeweiligen Tour.

Zur Arbeitszeit gehören:

die auf Fahrten geleisteten Lenkzeiten, nicht jedoch Wegezeiten von/zu der Wohnung des Arbeitnehmers;

die Pflege des Fahrzeugs (Innen- und Außenreinigung) in regemäßigen Abständen;

die Vorbereitungsarbeiten (einschließlich der Verkehrssicherheitsprüfung gemäß § 8 Abs. 2 dieses Vertrages);

die Abschlussarbeiten (einschließlich der Erstellung der Fahrnachweisunterlagen bzw. der Führung eines Fahrtenbuchs);

und die Veranlassung der Inspektion des Fahrzeugs sowie die Veranlassung von Wartungs- und Reparaturmaßnahmen gemäß § 8 Abs. 4 dieses Vertrages.

(2) Die Lage der täglichen Arbeitszeit richtet sich i. Ü. nach den jeweiligen Touren unter besonderer Berücksichtigung der Erfordernisse des Betriebes. Die Lage wird vom Arbeitgeber jederzeit abänderbar festgelegt...

(4) Der Mitarbeiter erhält zusammen mit der Lohnabrechnung einen Arbeitszeitnachweis in zweifacher Ausfertigung zur Kontrolle der abgerechneten Arbeitszeit. Eine Ausfertigung dieses Arbeitszeitnachweises ist unterschrieben bis spätestens 30. des Folgemonats der Abrechnung (z. B. Lohnabrechnung August bis spätestens 30. September) ans Lohnbüro zurückzugeben. Eine verspätete Abgabe kann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen...

§ 5

Vergütung

...

(5) Der Arbeitnehmer (Busfahrer, Fahrer) hat arbeitstäglich Fahrtnachweisunterlagen zu führen und abgezeichnet dem Arbeitgeber spätestens bis zum 03. Arbeitstag des Folgemonats zur Genehmigung vorzulegen...

§ 8

Fahrzeug (nur für Busfahrer und Fahrer)

(1) Für die Dauer seiner Tätigkeit wird dem Arbeitnehmer ein Fahrzeug zur dienstlichen Nutzung zur Verfügung gestellt. Die Privatnutzung des Fahrzeugs ist grundsätzlich und ausdrücklich verboten. Der Arbeitnehmer darf das Fahrzeug nur für Transport- und sonstige Dienstfahrten nutzen, die ihm vom Arbeitgeber zugewiesen worden sind.

(2) Das Fahrzeug ist mangels eines ausreichend großen Betriebshofes vorschriftsgemäß auf öffentlichen oder privaten Abstellflächen zu parken. Sofern dies nicht unmittelbar dort geschehen kann, wo die Transportfahrt beginnt bzw. endet, kann dies im Nahbereich des Rundkurses der jeweiligen Linie geschehen, wenn gewährleistet ist, dass das Fahrzeug vorschriftsmäßig abgestellt ist...

§ 13

Datenschutzerklärung, Dienstanweisungen

(1) Die diesem Vertrag anliegende Datenschutzerklärung ist Bestandteil des Arbeitsvertrages.

(4) Die Fahraufträge werden durch den Einsatz von Fahrzeugortungstechnik (Datenschutz ist durch den Anbieter gewährleistet) unterstützt, um die vertragsgemäße Beförderung bzw. die Tourenplanung und entsprechende Zeiteinhaltung sicherzustellen)...

§ 16

Schlussbestimmungen

(1) Änderungen und/oder Ergänzungen zu diesem Vertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; dies gilt auch für die Änderung oder Aufhebung dieser Schriftformklausel selbst. Unberührt bleibt der Vorrang individueller Vertragsabreden i. S. d. § 305 b BGB.

(2) Bei Vertragsabschluss haben die Parteien weder mündliche Nebenabreden getroffen, noch hat der Arbeitgeber über den Inhalt dieses Vertrages hinausgehende Zusagen erteilt...

In eine Anlage 1 zum Arbeitsvertrage finden sich folgende Regelungen:

(1) In der Regel parkt das Fahrzeug an der Schule/Werkstatt, weil da die Arbeitszeit beginnt und endet. Sofern dies nicht möglich ist, kann dies in der Nähe der Wohnung des Arbeitnehmers, jedoch im Bereich des jeweiligen Rundkurses der Linie geschehen, wenn gewährleistet ist, dass das Fahrzeug vorschriftsmäßig abgestellt wird.

(2) Der Arbeitnehmer arbeitet an 5 Tag/en pro Woche. Derzeit ist das Montag bis Freitag. Arbeitszeitregelungen aus der Vergangenheit begründen keine Konkretisierung, sondern sind jederzeit für die Zukunft durch arbeitgeberseitige Weisung abänderbar.

(3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, geteilte Dienste zu leisten. Er wird pro Arbeitstag nicht zu mehr als drei Arbeitseinsätzen herangezogen. Die Arbeitseinsätze müssen nicht zusammen hängen...

Die Klägerin begann ihre Fahrten mit dem dienstlichen Fahrzeug an ihrer Wohnung, nahm sodann die Fahrgäste an unterschiedlichen Haltepunkten auf, verbrachte sie zu den jeweils festgelegten Förderschulen und Werkstätten und holte die Fahrgäste am Nachmittag wieder ab. Das Fahrzeug parkte sie mit Einverständnis der Beklagten an ihrer Wohnung. Die jeweils von der Beklagten festgelegte Fahrroute umfasste die Mitnahme von einer bis zu sieben Personen.

Die Beklagte übergab der Klägerin jeweils zum Ende eines jeden Arbeitsmonats Arbeitszeitnachweise. In diese Arbeitszeitnachweise trug die Beklagte für die jeweils dort vorgesehenen Touren der Klägerin den Beginn und das Ende einer jeden Tour ein. Zur Berechnung der anfallenden Arbeitszeiten vom Beginn bis zum Ende der jeweiligen Touren nutze die Beklagte ein Softwareprogramm. Zusätzlich addierte die Beklagte jeweils 3 Minuten für den jeweiligen Ein- und Ausstieg der Fahrgäste hinzu. Die dergestalt kalkulierten Arbeitszeitnachweise enthielten am Ende den Vermerk "geprüft und bestätigt". Die Klägerin zeichnete diese Arbeitszeitnachweise weder ab, noch erhob sie während des bestehenden Arbeitsverhältnisses inhaltliche Einwände.

Die Klägerin hat unter Vorlage von tourenbezogenen Tagesauflistungen behauptet, sie habe über die von der Beklagten abgerechneten Stunden hinaus weitere 257,72 Arbeitsstunden erbracht. Dazu hat sie die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihr entsprechend der Klageforderung eine weitere Vergütung für bis einschließlich Mai 2018 angefallene 218,77 Arbeitsstunden, die sie angesichts greifender Ausschlussfristen lediglich auf der Basis des Mindestlohns in Höhe von 8,84 €/Stunde geltend mache, sowie eine Vergütung für weitere 38,95 Stunden in nicht verfallener Zeit zu je 9,00 €. Falsch sei es, behaupte die Beklagte, sie sei hinsichtlich anfallender Wegezeiten auf sog. Rundkurse hingewiesen worden. Zwar werde dieser Begriff in der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag verwandt. Doch sei die dort genannte Tour von ihr nie gefahren worden. Deshalb habe sie der Anlage 1 keine Bedeutung beigemessen. Die Darstellungen der Linien durch die Beklagte berücksichtigten die jeweiligen Besonderheiten nicht. So habe sie auf der Route Werkstatt Q darauf achten müssen, dass das im Wege der Einzelbeförderung gefahrene autistische Kind nach Rücksprache mit dessen Mutter keine Autobahnfahrten vertrage. Sie habe die Strecke deshalb in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Mutter anders wählen müssen. Die sodann gewählte Fahrtstrecke habe viele Ampelanlagen aufgewiesen. Dies habe die Fahrt erheblich verzögert. Bei jeder Fahrt habe sie das Fahrzeug überprüfen müssen, u.a. darauf, ob es ggf. verschmutzt gewesen sei. In ein verschmutztes Fahrzeug wäre das bereits benannte autistische Kind nicht eingestiegen. Standzeiten hätten sich dadurch verlängert. Sie habe in der Hauptverkehrszeit immer wieder verkehrsbedingte Verzögerungen hinnehmen müssen. Die von ihr angegebenen Fahrtzeiten zwischen 90 und 95 Minuten seien daher plausibel.

Die Klägerin hat bestritten, dass ein GPS-Router im Mai in das Fahrzeug eingebaut worden sei. Dazu hat sie die Auffassung vertreten, daraus etwa gewonnene Daten seien ohne ihre Zustimmung eingeholt worden und damit nicht verwertbar. Vorsorglich weise sie darauf hin, dass mögliche Differenzen aus den rechtswidrig erzielten GPS-Auswertungen zu den von ihr angegebene Arbeitszeiten ihre Ursache darin haben könnten, dass sie aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu häufigen Toilettenbesuchen gezwungen sei, die sie auch während der Fahrten habe erledigen müssen. Zu diesem Zweck habe sie an geeigneten Stellen Toilettenanlagen aufgesucht. Die dafür anfallenden Fahrtzeiten habe sie allerdings nicht in die Berechnung ihrer Arbeitszeiten eingestellt. Dass sie erheblich kürzere Arbeitszeiten angegeben habe, als es die vorgelegten GPS-Auswertungen der Beklagten erkennen ließen, sei darauf zurückzuführen, dass sie den Zeitanfall der für die Toilettengänge nötigen Umwege nicht notiert habe. Habe sie die Route während der Fahrt verlassen müssen, habe sie die dafür aufgebrachte Zeit am Ende der Fahrtstrecke bei ihren Aufzeichnungen in Abzug gebracht.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, 2.284,53 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.10.2018 an sie zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Verzugsschaden in Höhe von 440,00 € zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, weitere 488,25 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2018 an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die von der Klägerin benannten Arbeitszeiten seien unzutreffend. Die Klägerin habe private Angelegenheiten während der von ihr angegebenen Arbeitszeiten erledigt. Sie, die Beklagte, habe im Monat Mai 2018 einen GPS-Router im Fahrzeug der Klägerin installiert. Die Auswertung dieser Zeiten zeige, dass täglich zum Teil erhebliche Standzeiten von mehr als 30 Minuten angefallen seien, die nicht im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Klägerin gestanden hätten. Bei den angegebenen Standzeiten habe es weder darum gehen können, einen Fahrgast abzuholen, noch habe es sich um Stillstandszeiten am Zielort handeln können. Die Beweiskraft der Aufstellungen der Klägerin sei damit erschüttert.

Sie vergüte sämtliche Fahrtzeiten auf den jeweiligen Rundkursen, die sich aus den Linien ergäben, die der Klägerin zugewiesen worden seien. Vergütet werde allerdings nicht der Arbeitsweg vom Wohnort bis zum Rundkurs. Der Rundkurs habe für die Klägerin an der B 64 begonnen. Aus der Regelung in Abs. 1 der Anlage zum Arbeitsvertrag ergebe sich zwar die Berechtigung der Klägerin, das Fahrzeug in der Nähe des Rundkurses oder der eigenen Wohnung abzustellen. Dadurch ließen sich unnötige Wegezeiten bis zum Rundkurs oder ihrem Betriebssitz vermeiden. Doch sei damit nichts über die Vergütung dieser Zeiten gesagt. Die An- und Abfahrt bis zum Rundkurs habe 9 Minuten umfasst. Täglich seien diese Fahrtzeiten für den Arbeitsweg der Klägerin regelmäßig vier Mal angefallen. Damit seien täglich 36 Minuten nicht zu vergüten.

Sie hat ferner behauptet, die Klägerin sei angewiesen worden, abweichende Arbeitszeiten auf dem Arbeitszeitnachweis anzugeben, falls Fahrtzeiten länger gedauert hätten, beispielsweise infolge von Witterungseinflüssen oder Verkehrsbehinderungen. Da während des bestehenden Arbeitsverhältnisses - insoweit unstreitig - keine Korrekturmeldungen eingegangen seien, sei sie davon ausgegangen, dass die Fahrzeiten der Klägerin richtig berechnet worden seien. Entsprechend habe sie die Arbeitszeiten der Klägerin vergütet. Berufe sich die Klägerin nun auf vermeintlich geleistete Überstunden, verhalte sie sich treuwidrig. Die Klägerin habe ihr die Möglichkeit genommen, etwas gegen die vermeintliche Mehrarbeit zu unternehmen. Die Ansprüche seien - so ihre Auffassung - deshalb verwirkt.

Mit Urteil vom 27.02.2019 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.284,53 € sowie eine - für die Berufung nicht mehr bedeutsame - Urlaubsabgeltung in Höhe von 482,25 € zu zahlen, im Wesentlichen mit folgender Begründung:

Die Beklagte habe den Vortrag der Klägerin zur geleisteten Arbeitszeit nicht substantiiert bestritten. Es sei ausreichend, trage der Arbeitnehmer vor, an welchen Tagen er konkret Arbeit geleistet habe oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten habe. Auf diesen Vortrag müsse der Arbeitgeber substantiiert erwidern. Geschehe das - wie hier - nicht, gelte der Sachvortrag des Arbeitnehmers als zugestanden. Es sei nicht ausreichend, bestreite die Beklagte lediglich die Richtigkeit der klägerischen Angaben unter Verweis auf die von ihr erstellten Abrechnungen, ohne im Einzelnen zu erläutern, aus welchen Gründen und für welche Zeiträume der Vortrag der Klägerin in Zweifel zu ziehen sei. Sie könne sich angesichts der konkreten Zeitangaben der Klägerin nicht auf einen pauschalen Gegenvortrag zurückziehen.

Ein Abzug für den Weg bis zum Beginn des Rundkurses oder von diesem zurück bis zur Wohnung der Klägerin von jeweils 9 Arbeitsminuten sei nicht in Abzug zu bringen. Die Klägerin bediene mehrere Linien. Es bleibe unklar, warum die benötige Zeit immer gleich sein soll.

Eine Erschütterung des Sachvortrags der Klägerin sei auch nicht durch die für den Monat Mai 2018 erfolgten Angaben gegeben, die die Beklagte mittels Auswertung eines GPS-Geräts erzielt haben will. Dabei könne offen bleiben, ob der Berücksichtigung des Sachvortrags ein Verwertungsverbot entgegenstehe. Sofern die Beklagte sich durch Vorlage von Unterlagen auf die Fehlerhaftigkeit der Angaben der Klägerin für die Tage des 05.05.2018 und 22.05.2018 beziehen wolle, sei einzuwenden, dass die Klägerin Arbeitszeiten an diesen Tagen nicht geltend mache. Die für den 11.05.2018 benannte Fahrt weise die Beklagte selbst als sog. Leerfahrt aus. Weitere Ausführungen der Beklagten zu Standzeiten seien nicht nachvollziehbar, weil nicht angegeben werde, zu welchen konkreten Zeiten diese angefallen sein sollen. Außerdem trage die Beklagte nicht vor, welche konkreten Weisungen es zur Vermeidung von Standzeiten gegeben habe. Sache der Beklagten sei es im Übrigen, durch geeignete organisatorische Maßnahmen oder Erkundigungen in Erfahrung zu bringen, bei welcher Linie Wartezeiten u.ä. auftreten würden. Auch die Fahrtzeiten von der Wohnung der Klägerin bis zum Beginn des sog. Rundkurses seien vergütungspflichtig. Erbringe ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb des Betriebs, gehöre auch das Fahren zu einer auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Die Parteien hätten für die anfallenden Fahrtzeiten von der Wohnung zur Klägerin keine gesonderten Vergütungsvereinbarungen getroffen. Diese seien daher mit dem Stundensatz von 9,00 € zu vergüten. Eine Verwirkung sei nicht ersichtlich.

Gegen das der Beklagten am 18.03.2019 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 21.03.2019, die sie innerhalb der verlängerten Frist am 21.06.2019 im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Arbeitsgericht habe in unzulässiger Weise die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Darlegungs- und Beweislast, die für Berufskraftfahrer entwickelt worden sei, auf den hiesigen Fall übertragen. Neben den kalkulierten Arbeitszeiten pro Tour berücksichtige sie bei der Arbeitszeitberechnung pro Mitarbeiter und Woche 20 Minuten für die Reinigung des Fahrzeugs. Selbstverständlich komme es aufgrund von Witterungseinflüssen oder hohem Verkehrsaufkommen zu Abweichungen zwischen tatsächlicher und kalkulierter Arbeitszeit. Aus diesem Grunde übergebe sie an ihre Mitarbeiter und auch an die Klägerin den Arbeitszeitnachweis, der der Erfassung von Abweichungen diene. Das sei der Klägerin auch bereits auf der Grundlage der Regelung in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages bekannt gewesen. Zumindest für den Monat Mai 2018 könne sie die Fahrtzeiten der Klägerin widerlegen. Die für diesen Monat angegebenen Fahrtzeiten und die durch die GPS-Auswertung erhobenen Daten seien nicht in Übereinstimmung zu bringen. Damit sei der Vortrag der Klägerin auch für alle anderen Monate widerlegt. Sofern sich durch die GPS-Auswertung längere Nutzungszeiten ergeben würden, als die Klägerin sie angegeben habe, liege das daran, dass die Klägerin das ihr für dienstliche Zwecke überlassene Fahrzeug privat genutzt habe. Die GPS-Daten habe sie auswerten dürfen. § 13 Abs. 4 des Arbeitsvertrages lasse ausdrücklich zu, dass die erteilten Fahraufträge durch den Einsatz von Fahrzeugortungstechnik (GPS) unterstützt werden dürften.

Der Klägerin sei auch der Begriff "Rundkurs" in seiner Bedeutung klar gewesen. Er sei in § 8 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ausdrücklich genannt. Im Zusammenhang mit dem Einstellungsgespräch sei der Klägerin ferner vom Zeugen S erklärt worden, dass die Berechnung der Fahrtzeit an der Einrichtung starte und auch wieder ende. Sofern sie das Fahrzeug mit zu ihrem Wohnort nehme, stelle der Weg von dort bis zur Arbeit ("Rundkurs") keine vergütungspflichtige Arbeitszeit dar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 27.02.2019 - 4 Ca 1374/18 - teilweise abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 2.284,53 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2019 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, eine Einweisung zur Handhabung der Fahrtzeiten bis zum Beginn des sog. Rundkurses habe sie nicht erhalten. Ihr sei - unstreitig - gestattet worden, das Fahrzeug mitzunehmen. Andernfalls hätte sie die Arbeit am Betriebssitz der Beklagten aufnehmen müssen. Sie hätte sodann mit Beginn der Fahrten am Betriebssitz der Beklagten entlohnt werden müssen.

Zu den Arbeitszeitnachweisen sei anzumerken, dass auf den Formularen alleine eine Unterschriftenzeile neben einem Prüfvermerk enthalten sei. Korrekturen hätten dort nicht angegeben werden können. Die vorgelegten GPS-Auswertungen seien nicht verwertbar und unterlägen einem Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot. Außerdem sei den von der Beklagten für den Monat Mai 2018 vorgelegten GPS-Auswertungen zu entnehmen, dass die dort angegebenen Zeiten z.T. umfangreicher seien, als sie - die Klägerin - sie ihrem Sachvortrag zu geleisteten Arbeitszeiten zugrunde gelegt hätte. Zumindest erstinstanzlich habe sie unwidersprochen vorgetragen, dass sie an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide, die einen häufigen Toilettengang erforderlich machten. Die dazu aufgesuchten Örtlichkeiten lägen neben den Straßen, die sie auf ihren Routen zu befahren gehabt hätte.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen, insbesondere auf die tourenbezogenen Auslistungen der Klägerin (Bl. 73 bis 90 d.A.) und die Darstellung der Beklagten zu den jeweiligen Arbeitszeitnachweisen (Bl. 159 bis 171R).

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig, § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG. Sie wurde nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 21.03.2019 gegen das am 18.03.2018 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der verlängerten Frist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 21.06.2019 begründet.

II. Die damit insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung weiterer 2.284,53 € brutto zu. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit zutreffenden Gründen stattgegeben. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Berufung gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen.

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein - im rechnerischen Ergebnis zwischen den Parteien unstreitiger - Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.284,52 € brutto für weitere 257,72 Arbeitsstunden aus dem zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611a Abs. 2 BGB zu, wobei die bis Mai 2018 erbrachten Arbeitsstunden auf der Basis des Mindeststundenlohns mit 8,84 € abzurechnen sind, während weitere 38,95 Stunden zu je 9,00 € abzurechnen sind.

a) Die Klägerin ist ihrer Darlegungslast zu geleisteten Arbeitsstunden, die noch nicht vergütet wurden, ausreichend nachgekommen. Beansprucht ein Arbeitnehmer gestützt auf § 612 Abs. 1 BGB eine weitere Vergütung, die über diejenige für die Normalarbeitszeit hinausgeht, so trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast sowohl dafür, über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet zu haben, als auch für den Umstand, dass die Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst wurden oder sie ihm zumindest zuzurechnen sind (BAG, 21.12.2016 - 5 AZR 363/16 - RN 21; 10.04.2013 - 5 AZR 122/12 - Rn 9, 13 ff). Die Dauer der geschuldeten Arbeitszeit wurde von den Parteien arbeitsvertraglich nicht festgelegt. Nach den Vorstellungen der Beklagten sollte es sich um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis handeln, dessen monatlich anfallende Arbeitszeit von den jeweils zugewiesenen Touren abhing. Es mag für den Grad der Substantiierung dahinstehen, ob die Klägerin Überstunden oder eine Vergütung der von ihr im Rahmen des Arbeitsvertrages erbrachten regulären, aber unregelmäßig anfallenden Arbeitszeiten einfordert. Denn die Klägerin hat jedenfalls auch der für die Darlegung von Überstunden geltenden, verschärften Darlegungslast auf der ersten Stufe entsprochen.

Dazu ist es ausreichend, trägt der klagende Arbeitnehmer vor, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich dazu bereitgehalten hat, auf Weisung des Arbeitgebers Arbeit aufzunehmen (BAG, 21.12.2016 - 5 AZR 363/16 - Rn 23). Diesen Anforderungen hat die Klägerin genügt. So hat sie unter Vorlage ihrer Aufzeichnungen dargelegt an welchen Tagen sie während des bestehenden Arbeitsverhältnisses die ihr von der Beklagten jeweils zugewiesenen Touren unternommen und welche Arbeitszeiten sie dazu konkret aufgebracht hat.

b) Die von der Klägerin vorgebrachten Arbeitszeiten je Tour sind einschließlich der von der Klägerin aufgebrachten Fahrtzeiten von ihrem Wohnort zu den einzelnen Touren zu berechnen. Ein Abzug im Umfang von je 9 Minuten für die jeweilige Fahrt von der Wohnung bis zum Beginn des Rundkurses bzw. vom Ende des Kurses bis zum Wohnort kommt nicht in Betracht.

aa) Das Arbeitsgericht hat unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 25.04.2018 - 5 AZR 424/17 - Rn. 18) zutreffend dargelegt, dass bei Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer außerhalb des Betriebs zu erfüllen hat, die Fahrten zu auswärtigen Arbeitsstellen zu den vertragliche Hauptleistungspflichten gehören, weil das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf ausgerichtet ist, dort die Personenbeförderung als Dienstleistung zu erbringen. Damit gehört auch die Fahrt zu den jeweiligen Auftragnehmern des Arbeitgebers und wieder zurück für den damit betrauten Arbeitnehmer zu seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Dienstleistung, und zwar unabhängig davon, ob der Fahrtantritt oder dessen Ende am Betriebssitz des Arbeitgebers oder aber von der Wohnung des Arbeitnehmers aus erfolgt, was insbesondere dann gilt, wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug mit sich führen muss, um Arbeitsmittel vor Ort zu haben (vgl. BAG 25.04.2018 - 5 AZR 424/17 - Rn. 18; 22.04.2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 15). Das gilt, worauf das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, erst recht, wenn das Fahrzeug für sich gesehen das Arbeitsmittel ist, das benötigt wird, um die Arbeiten - hier die Personenbeförderung - auszuführen. Im vorliegenden Fall tritt hinzu, dass die Parteien in § 8 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ausdrücklich aufgenommen haben, das Fahrzeug der Klägerin könne mangels ausreichender Größe des Betriebshofs der Beklagten nicht dort geparkt werden, weshalb es in der Nähe des Rundkurses abgestellt werden könne. Die Parteien haben damit aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten festgehalten, dass für die Fahrt, die ansonsten am Betriebshof begonnen hätte, ein anderer Startpunkt festgelegt wird. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Klägerin ihr Fahrzeug an ihrer Wohnung parken durfte. Die Parteien haben damit auch vertraglich übereinstimmend den Beginn der Fahrt am Wohnort der Klägerin bestimmt.

bb) Dem steht nicht entgegen, dass in § 4 Abs. 1 S. 3, erster Spiegelstrich des Arbeitsvertrages festgehalten wurde, nur die auf Fahrten geleisteten Lenkzeiten, nicht jedoch Wegezeiten von und zu der Wohnung des Arbeitnehmers gehörten zur Arbeitszeit. Dadurch haben die Vertragsparteien alleine den Grundsatz bestätigt, dass die generell eigennützige Zurücklegung der Fahrtstrecke zwischen der Wohnung des Arbeitsnehmers zum Arbeitsort als Wegezeit keine fremdbestimmte Arbeit für den Arbeitgeber im Sinne des vergütungsrechtlichen Arbeitszeitbegriffs ist. Die Fahrtzeiten zu den Abholpunkten oder zum Rundkurs sind allerdings keine solchen Wegezeiten, sondern unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen "die auf Fahrten geleisteten Lenkzeiten" im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 3, erster Spiegelstrich des Arbeitsvertrages.

Die Berufungskammer vermochte auch der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag keine andere Regelung zu entnehmen, führen die Parteien dort aus, das Fahrzeug parke in der Regel an der Schule bzw. Werkstatt, weil da die Arbeitszeit beginne und ende. Die Parteien haben - übereinstimmend - eine andere Handhabung praktiziert. Es war der Klägerin gestattet, das Fahrzeug daheim zu parken. Die Regelung in der Anlage 1 stützt im Übrigen nicht das Verständnis der Beklagten, die vorträgt, der Weg von der Wohnung bis zum Beginn des Rundkurses und wieder zurück sei in einem Umfang von 9 Minuten als Wegezeit zu werten. Eine Definition, was unter einem "Rundkurs" zu verstehen ist und wie sich dies zu etwaigen Wegezeiten verhält, ist der Anlage 1 ebenso wenig zu entnehmen wie der Bestimmung in § 8 Abs. 2 des Arbeitsvertrages. Beide Regelungen beschränken sich darauf, den Begriff "Rundkurs" zu erwähnen, ohne seinen Bedeutungsgehalt zu klären.

Behauptet die Beklagte zweitinstanzlich erstmals, der Klägerin sei im Zusammenhang mit dem Einstellungsgespräch vom Zeugen S erklärt worden, sofern sie das Fahrzeug mit zu ihrem Wohnort nehme, stelle "der Weg von dort bis zur Arbeit ("Rundkurs") keine vergütungspflichtige Arbeitszeit" dar, steht dem entgegen, dass die Parteien ausweislich der Regelung in § 16 Abs. 2 des Arbeitsvertrages keine mündlichen Abreden getroffen haben und im Übrigen nach § 16 Abs. 1 des Vertrages festgehalten wurde, Änderungen und Ergänzungen dieser Bestimmungen bedürften zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Letztlich wäre eine solche Erklärung mit Blick auf § 3 Abs. 1 MiLoG auch unwirksam, soweit erbrachte Arbeitszeit der Klägerin, die sie fremdbestimmt für Fahrten zu Abholpunkten aufbringen muss, der Mindestlohnvergütung entzogen werden soll, worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat.

c) Auf die Darlegungen der Klägerin zu geleisteten weiteren Arbeitszeiten von 257,72 zusätzlichen Arbeitsstunden muss die Beklagte im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Dazu hat sie im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten sie der Klägerin zugewiesen hat und an welchen Tagen die Klägerin von wann bis wann diesen Weisungen nicht nachgekommen ist (vgl. BAG 21.12.2016 - 5 AZR 363/16 - Rn 27; 10.04.2019 - 5 AZR 122/12 -Rn 9). Fehlt es an ausreichend substantiiertem Sachvortrag, gelten die Behauptungen des klagenden Arbeitnehmers als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO. Dabei sind diese Grundsätze nicht schematisch heranzuziehen, sondern bedürfen der Berücksichtigung der zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe (BAG 21.12.2016 - 5 AZR 363/16 - Rn 27; 10.04.2019 - 5 AZR 122/12 - Rn 9).

Hier sind es gerade die gegebenen konkreten betrieblichen Abläufe und die Art der geschuldeten Tätigkeit, die der Beklagten die Last substantiierter Erwiderungen auf den Sachvortrag der Klägerin aufgeben. So ist die Klägerin als Kraftfahrerin tätig. Sie befördert zu vorgegebenen Zeiten in einem Kleinbus überwiegend behinderte Kinder und Jugendliche zu Schulen und Werkstätten. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar vorgetragen, dass bei ihr Wartezeiten im Zusammenhang mit der Aufnahme schwerstbehinderter Kinder in das Fahrzeug anfallen. Hinzu kommen Gespräche mit Eltern der Kinder - und beispielhaft im Hinblick auf ein autistisches Kind - auch Reinigungsarbeiten am Fahrzeug, die unvorhergesehen eintreten, weil das Kind ansonsten das verschmutzte Fahrzeug nicht betreten würde. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, sie habe die pünktliche Abfahrt sicherzustellen und müsse daher auch einen Zeitpuffer für die Anreise berücksichtigen. Ferner sei sie in der Hauptverkehrszeit tätig gewesen und habe dementsprechend verkehrsbedingte Verzögerungen hinnehmen müssen. Die Beklagte ist diesem Sachvortrag nicht konkret entgegengetreten, weshalb auch diese Behauptungen der Klägerin zu ihren Arbeitsumständen als zugestanden im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO gelten. Im Übrigen räumt auch die Beklagte ein, dass es aus verkehrsbedingten Gründen zu verlängerten Arbeitszeiten kommen könnte.

Die Kammer legt dementsprechend diese, als zugestanden geltenden Umstände der Arbeitsverrichtung durch die Klägerin bei der Anwendung der Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zugrunde. Dies gilt auch für die zwischen den Parteien unstreitigen betrieblichen Abläufe. Dazu gehört, dass der Klägerin die jeweiligen Touren im Rahmen der flexibel zu erbringenden Arbeitszeiten konkret vorgegeben wurden und den im Rahmen der monatlichen Abrechnungen berücksichtigten Fahrtzeiten nicht etwa punktgenau erfasste Arbeitszeiten zugrunde lagen, sondern lediglich auf der Basis eines Softwareprogramms kalkulierte Fahrtzeiten unter Berücksichtigung der pauschal berechneten Unterbrechungen für die Aufnahme der Fahrgäste oder für Reinigungsarbeiten.

Die von der Klägerin geschilderten und als zugestanden geltenden Umstände sind übliche, mit dem Personennahverkehr und seiner taktgebundenen Planung verbundene Störungen, die typischerweise zu einer Verlängerung der pauschal kalkulierten Arbeitszeiten führen. Solche, von außen auf den Betriebsablauf einwirkende Veränderungen sind nicht dem Arbeitnehmer zuzurechnen, sondern dem Arbeitgeber, der das Risiko unternehmerischen Handelns trägt. Da es sich um typische, auf die Dauer der jeweils erbrachten Arbeitszeiten einwirkende und zu erwartende Umstände handelte, musste die Beklagte damit rechnen, dass die monatlichen Arbeitszeitabrechnungen, die alleine auf kalkulierten, nicht aber auf einer Erfassung der tatsächlich erbrachten Arbeitszeiten basierten, unzutreffend waren.

Im Rahmen der gestuften Darlegungslast war es deshalb Sache der Beklagten, zu den behaupteten Arbeitszeiten substantiiert zu erwidern. Dem ist die Beklagte unter Berücksichtigung der soeben geschilderten tatsächlichen Umstände der Arbeitserbringung und der konkreten Tätigkeit nicht ausreichend nachgekommen. Dafür reicht es nicht aus, die Richtigkeit der Zeiten in Frage zu stellen. Unzureichend ist es auch, weist die Beklagte auf eine aus ihrer Sicht fehlende Kontrollmöglichkeit hin oder nimmt sie an, durch Vorlage der Datenauswertung eines GPS-Gerätes könne sie die konkret für Mai 2018 erbrachten Arbeitszeiten der Klägerin in Abrede stellen und im Übrigen die Plausibilität des klägerischen Vortrags insgesamt in Zweifel ziehen.

aa) Es ist Sache der beklagten Arbeitgeberin, den für die Erledigung der konkret angefallenen Arbeiten anfallenden Zeitaufwand allgemein oder im konkreten Einzelfall zu ermitteln (BAG 21.12.2016 - 5 AZR 363/16 - Rn 27). Misstraut der Arbeitgeber der Redlichkeit seines Beschäftigten, obliegt es ihm, durch geeignete organisatorische Maßnahmen oder Erkundigungen seine Kenntnis vom Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeiten sicherzustellen (vgl. BAG 21.12.2016 - 5 AZR 363/16 - Rn 28; 25.02.2015). Dies ist letztlich Ausdruck des prozessualen Grundsatzes, dass nicht nur Handlungen und Wahrnehmungen der gesetzlichen Vertreter einer Partei, sondern auch Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich den eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen i.S.v. § 138 Abs. 4 ZPO gleichzustellen sind. Eine Partei kann sich demgemäß nicht durch eine arbeitsteilige Organisation ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen (vgl. BAG 17.08.2011 - 5 AZR 490/10 - Rn 24; 02.08.2006 - 10 AZR 688/05 - Rn. 26).

Daraus ergibt sich, dass die Beklagte angesichts ihres Misstrauens in die Arbeitszeitangaben der Klägerin durch eigene organisatorische Maßnahmen oder Erkundigungen sicherstellen musste, ob und welche Arbeitszeiten angefallen sind. Das hat die Beklagte auch im Ansatz unternommen. So hat sie in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages festgelegt, die Klägerin müsse arbeitstäglich Fahrtnachweisungen führen und abgezeichnet zur Genehmigung vorlegen. In § 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages haben die Parteien ferner aufgenommen, dass die Klägerin mit der Lohnabrechnung einen Arbeitszeitnachweis zur Kontrolle in zweifacher Ausfertigung erhalten werde, den sie abzuzeichnen und zurückzureichen habe. Zusätzlich haben die Parteien dort aufgenommen, eine verspätete Vorlage könne arbeitsrechtliche Konsequenzen haben.

Trotz dieser bereits vorgesehenen organisatorischen Maßnahmen, die der Beklagten eine zeitnahe und effektive Überprüfung der erbrachten Arbeitszeiten ermöglicht hätte, hat die Beklagte während des bestehenden Arbeitsverhältnisses dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass die Klägerin diesen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Unstreitig hat die Klägerin zwar Arbeitszeiterfassungen mit den monatlichen Abrechnungen erhalten, diese aber weder abgezeichnet noch vorgelegt. Die Beklagte hat die von ihr eingeleiteten organisatorischen Maßnahmen zu Erfassung der Arbeitszeiten nicht effektiv umgesetzt, obwohl Abweichungen von den nur pauschal kalkulierten Arbeitszeiten unter Berücksichtigung typischer verkehrsbedingter und sonstig begründeter Verzögerungen eintreten mussten. Die Beklagte wäre bei konsequenter Umsetzung der eingeleiteten organisatorischen Maßnahmen in der Lage gewesen, auf den Vortrag der Klägerin substantiiert zu erwidern. Ihr Versäumnis ändert an dieser Substantiierungslast nichts.

bb) Nicht überzeugend ist es aus denselben Gründen, meint die Beklagte, für sie bestünden keinen Kontrollmöglichkeiten, weshalb sie ihren Sachvortrag nicht weiter substantiieren müsse. Kontrollmöglichkeiten hat sie sich gerade eingeräumt, aber nicht ausreichend genutzt.

Die Beklagte kann auch nicht einwenden, die Klägerin habe durch ihr passives Verhalten Kontrollmöglichkeiten vereitelt, weshalb es treuwidrig sei, berufe sich die Klägerin nun darauf, sie, die Beklagte, habe nicht ausreichend substantiiert vorgetragen.

Treuwidrig ist ein Handeln dann, wenn es bei Würdigung von Anlass, Zweck und Beweggrund gegen Treu und Glauben verstößt (BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07), wobei auch subjektive Momente berücksichtigt werden können (Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. Einf v § 162 Rn. 3). Ein treuwidriges Verhalten der Klägerin ist nicht ersichtlich. Zwar hat die Klägerin die ihr am Ende des Monats übergebenen Arbeitszeitnachweise hingenommen, ohne sie gegenzuzeichnen oder Einwände zu erheben. Das hindert die Klägerin auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht daran, sich nun mit der Beklagten über die Berechtigung ihrer Ansprüche im Rahmen allgemeiner Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast auseinanderzusetzen. Die Beklagte muss sich hier - wie bereits oben ausgeführt - entgegenhalten lassen, dass sie die von ihr selbst gesetzte Organisation zur Überprüfung angefallener Mehrarbeit nicht konsequent umgesetzt hat. So hat sie zwar der Klägerin in § 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages unter Androhung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen aufgegeben, den ihr mit Übergabe der Lohnabrechnungen überreichten Arbeitszeitnachweise zu kontrollieren und bis spätestens zum 30. Kalendertag des jeweiligen Folgemonats zurückzugeben. Doch hat sie es trotz dieser arbeitsvertraglichen Bestimmung geduldet und hingenommen, dass die Klägerin während des bestehenden Arbeitsverhältnisses dieser Verpflichtung zuwider gehandelt hat.

cc) Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, der Vortrag der Klägerin zu geleisteten Arbeitszeiten für den Monat Mai im Konkreten und insgesamt für alle weiteren Monate im Allgemeinen sei dadurch widerlegt, dass die angegebenen Arbeitszeiten der Klägerin im Monat Mai sich mit den Auswertungen der Bewegungsdaten des Fahrzeugs der Klägerin aus dem GPS-Gerät nicht in Übereinstimmung bringen ließen.

Es mag dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgelegten Auswertungen auf die Erfassung durch ein GPS-Gerät zurückzuführen sind, das in das Fahrzeug der Klägerin eingebaut worden war, was von der Klägerin bestritten wird. Offen bleiben kann auch, ob diese Daten zu Recht erhoben und ausgewertet wurden, oder ob dies unter Verstoß gegen § 32 BDSG a.F. bzw. § 26 BDSG n.F. geschehen ist. Damit kann in rechtlicher Hinsicht insbesondere offen bleiben, ob ein Sachvortrags- und -verwertungsverbot greift, das dazu führen würde, den Vortrag der Beklagten unberücksichtigt lassen zu müssen.

Die Kammer möchte gleichwohl darauf hinweisen, dass die Formulierungen in § 13 Abs. 4 des Arbeitsvertrages dem Wortlaut nach keineswegs den Schluss darauf zulassen, die Klägerin habe zu einer Erhebung und Auswertung der personenbezogenen Daten, die durch ein GPS-Geräts erlangt werden können, ihre Einwilligung im Sinne des § 26 Abs. 2 BDSG in der seit dem 25.05.2018 geltenden Fassung bzw. - bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages - im Sinne des § 4a BDSG a.F. erteilt. So ist in § 13 Abs. 4 des Arbeitsvertrages alleine aufgenommen, dass die "Fahraufträge" durch "den Einsatz von Fahrzeugortungstechnik unterstützt" würden, "um die vertragsgemäße Beförderung bzw. die Tourenplanung und entsprechende Zeiteinhaltung sicherzustellen." Dem folgt der Zusatz, dass der "Datenschutz ... durch den Anbieter gewährleistet" wird. Dem voraus geht in § 13 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Hinweis, dass die dem Vertrag anliegende Datenschutzerklärung Bestandteil des Arbeitsvertrages sei. Eine Einwilligungserklärung scheint danach gesondert abgegeben worden zu sein. Angesichts der in § 13 Abs. 4 des Arbeitsvertrages bezeichneten Zweckrichtung, Fahrzeugortungstechnik einzusetzen, um die vertragsgemäße Beförderung und die Tourenplanung sicherzustellen, sowie dem Zusatz, dass der Datenschutz von einem anderen - dem Anbieter - sichergestellt werde, vermochte die Kammer nicht zu erkennen, dass die unter den Arbeitsvertrag gesetzte Unterschrift der Klägerin als eine Einwilligungserklärung in die personenbezogene Verarbeitung der durch das GPS-Gerät gewonnenen Daten zu verstehen ist.

Letztlich mag dies dahinstehen. Auch unter Berücksichtigung des auf eine Auswertung der Daten gestützten Sachvortrags der Beklagten kommt diese ihrer Substantiierungslast nicht im ausreichenden Umfang nach, um den Behauptungen der Klägerin zu erbrachten Arbeitszeiten entgegenzutreten. So bleibt der Vortrag der Beklagten, aus der GPS-Auswertung ergebe sich, dass sich täglich nicht unerhebliche Standzeiten von mehr als 30 Minuten ergeben würden, die nicht in einem Zusammenhang mit den Arbeiten der Klägerin gestanden hätten, unsubstantiiert. Er setzt sich nicht konkret mit einzelnen Arbeitstagen und dort geleisteten Touren der Klägerin auseinander. Alleine der Umstand, dass die Klägerin das Fahrzeug auch für Fahrten - möglicherweise arbeitsvertragswidrig - verwandt hat, die einen privaten Zweck haben, ändert daran nichts. Nach wie vor lassen sich Standzeiten der Klägerin infolge eingeplanter Zeitpuffer für die Anreise zu Abholpunkten oder bei verkehrsbedingten Störungen erklären. Der Vortrag der Beklagten lässt im Übrigen unberücksichtigt, dass die Klägerin auch kürzere Arbeitszeiten angegeben hat, als sie sich letztlich aus der GPS-Auswertung ergeben. So gab die Klägerin für den 02.05.2018 eine morgendliche Arbeitszeit von 06.50 Uhr bis 08.30 Uhr an, während die von der Beklagten behauptete GPS-Auswertung ein Arbeitsende um 08.58 Uhr ergab. Gleiches ergib sich für die Endzeit der Tour am Nachmittag dieses Tages, die nach den Angaben der Klägerin 14.25 Uhr betrug, während die von der Beklagten behauptete Bewegungszeit des Fahrzeugs um 14.42 Uhr endete. Damit mag das Fahrzeug zwar zu anderen Zeiten bewegt worden sein, als zu solchen, die von der Klägerin hinsichtlich ihrer Arbeitszeiten angegeben worden waren. Dies stünde, ließe sich der Sachvortrag der Beklagten verwerten, der Plausibilität der Darlegungen der Klägerin gleichwohl nicht entgegen.

d) Von den geleisteten und vorgetragenen Arbeitszeiten war kein Abzug von 15 Minuten arbeitstäglich vorzunehmen. Zwar haben die Parteien in § 4 Abs. 3 S. 2 des Arbeitsvertrages vereinbart, dass Überstunden bis zu einem Umfang von 15 Minuten arbeitstäglich mit der Vergütung abgegolten sind. Doch ist hier nicht ersichtlich, dass die Klägerin Überstunden geleistet hat. Die Klägerin macht keine Überstunden geltend. Die Parteien haben keine Regelung zur Dauer der Arbeitszeit getroffen, sondern die Dauer der Arbeitszeit und deren Lange unter Berücksichtigung der betrieblichen Bedarfe flexibel gehandhabt. Insbesondere erhalt auch die Anlage 1 des Arbeitsvertrages keine Festlegung der täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Regelung in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages gegen § 3 MiLoG verstößt, sofern dort geregelt ist, dass 15 Minuten der auf Überstunden entfallenden Arbeitszeit nicht vergütet werden, wie es die Klägerin in rechtlicher Hinsicht einwendet.

2. Zinsen stehen der Klägerin aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 spätestens seit dem 16.08.2018 zu.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus den aus den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung Revision i. S. d. § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte