VG Münster, Beschluss vom 11.10.2019 - 5 L 724/19
Fundstelle
openJur 2019, 33571
  • Rkr:

Zur Frage der Rechtmäßigkeit des Betriebs eines Apothekenversandhandels in Kooperation mit einem Arzneimittelgroßhändler

1. Verbleibt einer Apotheke im Rahmen des Betriebs eines Apothekenversandhandels in Kooperation mit einem (Arzneimittelgroßhandels-)Unternehmen lediglich die Vornahme der pharmazeutischen Endkontrolle der zu versendenden Arzneimittel, entspricht dies nicht den Anforderungen an die in § 7 ApoG vorgegebene selbständige und eigenverantwortliche Leitung einer (Versand-)Apotheke.

2. Die Vorbereitung von Arzneimitteln zur Abgabe im Sinne des § 3 Abs. 5a Satz 2 Nr. 5 ApBetrO stellt eine vom Apothekenpersonal vorzunehmende pharmazeutische Tätigkeit dar. Eine Auslagerung dieser Tätigkeiten auf externe Unternehmen ist nicht von einer Apothekenversandhandelserlaubnis gemäß § 11a ApoG gedeckt.

3. Die Entscheidung über den Verbleib retournierter Arzneimittel und damit die Verhinderung der Rückführung bedenklicher Arzneimittel in den für den Verkauf vorgesehenen Warenbestand (vgl. § 5 Abs. 1 AMG) liegt im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Inhabers der Apothekenbetriebserlaubnis (vgl. § 7 ApoG). § 11a ApoG sieht insoweit keine Ausnahme vor und erlaubt damit keine vollständige Abwicklung der Retouren durch ein (Arzneimittelgroßhandels-)Unternehmen.

4. Ein besonderes Interesse an der Vollziehung eines Verwaltungsakts im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn die Verwaltung in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg keine Maßnahmen ergriffen hat.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 1907/19 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 00.00.0000 wird hinsichtlich der Anordnung zu Nr. 1 Satz 2 wiederhergestellt und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung zu Nr. 3 angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 17.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung der Klage - 5 K 1907/19 - gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners bezüglich der Nr. 1 und 2 wiederherzustellen und bezüglich der Nr. 3 anzuordnen,

ist unzulässig, soweit er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen Nr. 2 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung begehrt. Denn Nr. 2 der Ordnungsverfügung ist mangels Regelungsgehalts bereits kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG NRW, dessen Suspendierung erreicht werden könnte. Vielmehr wird hier lediglich die sich bereits aus § 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG ergebende Verpflichtung wiedergegeben, dass der Versandhandel ausschließlich gemäß der dem Antragsteller erteilten Versandhandelserlaubnis "aus einer öffentlichen Apotheke" erfolgen darf. Zudem fehlt es diesbezüglich an einer rechtlichen Beschwer und damit einer Antragsbefugnis des Antragstellers entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO.

II. Der im Übrigen zulässige Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist er unbegründet.

1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Hinblick auf Nr. 1 der Ordnungsverfügung vom 00.00.0000 ist ordnungsgemäß erfolgt (a). Die gebotene Interessenabwägung ergibt zudem, dass das öffentliche Interesse am Vollzug der Nr. 1 Satz 1 des streitgegenständlichen Bescheids das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt (b). In Bezug auf Nr. 1 Satz 2 der Ordnungsverfügung überwiegt hingegen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an deren Vollzug (c).

a) Die dem Bescheid vom 00.00.0000 zu entnehmende Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung entspricht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Zweck des in dieser Vorschrift normierten Erfordernisses einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts ist - neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts - vor allem, die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zu zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzugs besonders sorgfältig zu prüfen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfordert deshalb nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also auch inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2016 - 13 B 904/16 -, juris, Rn. 15 m. w. N.

Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Begründung in Nr. 4 des Bescheids ordnungsgemäß erfolgt. So legt der Landrat des Antragsgegners die besondere Bedeutung des in § 43 Abs. 1 AMG normierten Apothekenvorbehalts dar, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Menschen für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen, und dass der Antragsteller dieser Kontrollfunktion nicht nachkomme, wenn er seine Apotheke dafür einsetze, einer Großhändlerin das Inverkehrbringen apothekenpflichtiger Arzneimittel für den Endverbraucher zu ermöglichen sowie dass ein Einschreiten - im Interesse der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung - geboten sei. Auf die Frage, ob diese Versorgung durch die Geschäftskonstruktion des Antragstellers mit der I. Q. GmbH & Co. KG (im Folgenden: I. Q. ) tatsächlich gefährdet ist, kommt es an dieser Stelle nicht an.

b) Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche Interessenabwägung fällt im Hinblick auf Nr. 1 Satz 1 der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 Satz 1 überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung. Nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die Anordnung zu Nr. 1 Satz 1 rechtmäßig ist (aa) und insoweit ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht (bb).

aa) Die Anordnung zu Nr. 1 Satz 1 ist rechtmäßig.

aaa) Die auf § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG beruhende Ordnungsverfügung ist aller Voraussicht nach formell rechtmäßig ergangen. Sie erging durch die zuständige Behörde (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Zuständigkeit im Arzneimittelwesen und nach dem Medizinproduktegesetz). Es fehlt auch nicht an der gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung des Antragstellers. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine ordnungsgemäße Anhörung erfordert grundsätzlich, dass der beabsichtigte Verwaltungsakt nach Art und Inhalt so konkret umschrieben wird, dass der Adressat erkennen kann, weshalb und wozu er sich äußern soll und mit welcher Entscheidung er zu rechnen hat.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2018 - 13 A 2289/16 -, juris, Rn. 41 m. w. N.

Diesem Erfordernis wurde vorliegend hinreichend genügt. Auch wenn eine ausdrückliche Anhörung hier lediglich im Hinblick auf einen zwischenzeitlich beabsichtigten Erlass einer Untersagung der Abgabe von Arzneimitteln an einen Großhandel erfolgt ist (Bl. 553 VV Ordner 2), war für den Antragsteller bereits seit der in der B. Apotheke durchgeführten Inspektion am 00.00.0000deutlich erkennbar, dass der Antragsgegner von der Unzulässigkeit der hier streitgegenständlichen Kooperation mit I. Q. ausgegangen ist und damit einhergehend ein ordnungsrechtliches Einschreiten zu erwarten war. Der Antragsteller wurde sogar im Nachgang der Inspektion am 00.00.0000im Rahmen der Niederschrift aufgefordert, die "Auftragstätigkeit" seiner Apotheke für I. Q. zu beenden (Bl. 54 ff. VV Ordner 1). Daran schloss sich ein Schreiben des Antragstellers an den Antragsgegner vom 00.00.0000 an, in dem er zu den Beanstandungen bezogen auf die Kooperation Stellung nahm (Bl. 60 VV Ordner 1). Aus einem Vermerk über die amtliche Besichtigung der B. -Apotheke am 00.00.0000 geht ferner hervor, dass der mit der Besichtigung beauftragte Amtsapotheker I1. äußerte, der bestehende Vertrag mit I. Q. dürfe "nicht genutzt" werden (Bl. 35 d. A.). Mit Schreiben vom 00.00.0000 richtete sich auch die damalige Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers an den Antragsgegner und ging auf die Beanstandungen betreffend die Kooperationsvereinbarung ein. Am 00.00.0000 erfolgte eine weitere Inspektion in der Apotheke des Antragstellers, die u. a. die Umstände zur Kooperation zwischen dem Antragsteller und I. Q. betraf. Der Antragsgegner hat seitdem zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass sich an seiner Einschätzung zur (Un-)Zulässigkeit der in Streit stehenden Kooperation etwas geändert hat.

Ungeachtet dessen ist davon auszugehen, dass eine fehlende Anhörung durch den Wechsel der Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren bereits nachgeholt ist bzw. im Laufe des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW).

bbb) Für den Erlass von Nr. 1 Satz 1 der Ordnungsverfügung liegen die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage nach Aktenlage vor. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Zu den Verstößen, die hiernach die zuständigen Behörden zum Eingreifen ermächtigen, gehört neben der Missachtung arzneimittelrechtlicher Vorschriften auch die Verletzung apothekenrechtlicher Bestimmungen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27.07 -, juris, Rn. 15; OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006 - 13 A 1314/06 -, juris, Rn. 33 ff.

Die auf Grundlage des Kooperationsvertrags vom 00.00.0000 (KV) erfolgende Kooperation zwischen dem Antragsteller und I. Q. betreffend den Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln verstößt nach summarischer Prüfung gegen § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG i. V. m. §§ 7, 11a ApoG.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel, die nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den hier nicht relevanten Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden.

§ 11a ApoG sieht die Möglichkeit eines Versandhandels mit Arzneimitteln vor, der unter Erlaubnisvorbehalt steht. Die Zulassung eines Versandhandels mit Arzneimitteln hebt aber nicht die Apothekenpflichtigkeit dieser Produkte auf. Vielmehr ist eine Versandhandelserlaubnis gemäß § 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG nur zu erteilen, wenn der Versand "aus einer öffentlichen Apotheke" erfolgt. Der Gesetzgeber verzichtet damit lediglich auf die räumliche Bindung des Abgabevorgangs an die Apotheke. Er verzichtet aber nicht darauf, dass die Abgabe institutionell durch die Apotheke und nur durch sie erfolgt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27.07 -, juris, Rn. 25.

Der Inhaber der Erlaubnis zum Apothekenbetrieb ist gemäß § 7 ApoG (weiterhin) zur persönlichen Leitung derselben in eigener Verantwortung verpflichtet. Die Zwischenschaltung der Apotheken bei der Abgabe der Arzneimittel dient einer sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und damit einem Gemeinschaftsgut von hohem Rang, das selbst empfindliche Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen kann. Durch die Bindung der pharmazeutischen Tätigkeit an die Verantwortlichkeit des besonders ausgebildeten Apothekenleiters soll ein hohes fachliches Niveau gewährleistet und einer Kommerzialisierung des Arzneimittelvertriebs entgegengewirkt werden. Der Gesetzgeber hat den Beruf des selbständigen Apothekers nach einer bestimmten Vorstellung von dem Berufsbild gestaltet. Danach vereinigt der selbständige Apotheker in seiner Person die Verantwortung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe aufgrund besonderer beruflicher Befähigung mit der privatwirtschaftlichen Funktion des Inhabers des Apothekenbetriebes. Arzneimittel sind keine gewöhnliche Ware, sondern eines der wichtigsten Hilfsmittel der ärztlichen Kunst, um Krankheiten zu erkennen, zu heilen und ihnen vorzubeugen; zudem können von ihnen nicht unerhebliche Gefahren ausgehen. Die geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ist die erste Aufgabe des besonders ausgebildeten Apothekers; ihm ist der Vertrieb von Arzneimitteln im Einzelhandel im Wesentlichen vorbehalten. Die Erfüllung dieser Aufgabe hält der Gesetzgeber am besten dann für gewährleistet, wenn die allseitige Verantwortung für den Betrieb der Apotheke in einer Hand liegt. Aus dieser Grundanschauung hat er dem selbständigen Apotheker die Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung auferlegt und unter verschiedenen Aspekten abgesichert. Das Gebot, eine Apotheke in eigener Verantwortung zu leiten, verpflichtet den Apotheker zu einer Gestaltung seines Betriebs, die ihm nicht nur in pharmazeutischen, sondern auch in rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit belässt. Das Gesetz bezweckt damit zu verhindern, dass Personen, die für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung keine Verantwortung tragen, Einfluss auf die Führung von Apotheken eingeräumt wird, und will auf diese Weise sicherstellen, dass die im öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Volksgesundheit liegende Arzneimittelversorgung, die es den "Apothekern" (§ 1 Abs. 1 ApoG), also allen Apothekenbetreibern gemeinsam anvertraut hat, sachgerecht wahrgenommen wird.

Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Oktober 2010 - 2 L 245/08 -, juris, Rn. 80 m. w. N.

Mit einer Versandhandelserlaubnis nach § 11a ApoG wird dem Apotheker anstelle der unmittelbaren Übergabe an den Patienten die Versendung gestattet. Hierzu darf er sich der Dienste von Logistikunternehmen bedienen. Geht die Beteiligung Dritter am Vertrieb jedoch über eine solche Transportfunktion hinaus und geben sie sich so, als würden sie selbst Arzneimittel vertreiben, so liegt kein - zulässiger - Arzneimittelversand einer Apotheke mehr vor; vielmehr handelt es sich dann um ein nicht erlaubtes Inverkehrbringen von Arzneimitteln durch einen Gewerbetreibenden. Ein solcher Fall liegt auch dann vor, wenn das in den Vertrieb eingeschaltete Unternehmen durch seine Werbung den Eindruck erweckt, bei ihm könne man Arzneimittel - wenn auch im Wege der Bestellung - kaufen. Ein solches Verhalten hebt zumindest nach außen die alleinige Verantwortung der Apotheke für die Arzneimittellieferung auf, die das Gesetz verlangt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27.07 -, juris, Rn. 25.

Dies zugrunde gelegt handelt es sich bei der Kooperation zwischen dem Antragsteller und I. Q. nicht mehr um eine von § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG i. V. m. § 11a ApoG gedeckte Form des Arzneimittelversandhandels. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Umständen:

Dem KV zufolge (§ 2 Abs. 1 KV sowie die Ergänzung 1 zum KV vom 00.00.0000) obliegt es der B. -Apotheke des Antragstellers (Apotheke) im Rahmen der Abwicklung der vom KV erfassten Rechtsgeschäfte (lediglich), die ihr von I. Q. übermittelten Bestellungen "auszuführen" sowie die "Kontrolle der Richtigkeit der Aufträge und Sendungen" und das "Verschließen der geprüften Sendungen" vorzunehmen. I. Q. ist hingegen nach § 3 Abs. 1 KV verpflichtet, die Bestellungen zu erfassen, alle erforderlichen Liefer- und Rechnungspapiere zu erstellen und die vollständig kommissionierten, versandfertigen Bestellungen an die Apotheke zu liefern und gemäß § 3 Abs. 3 KV im Auftrag der Apotheke den Versand der Verkaufsgegenstände zu veranlassen, für den I. Q. die Kosten trägt.

Anhand der mit der Überschrift "Apothekenpersonal" bezeichneten Bestimmung des § 3 Abs. 5a Satz 2 Nr. 5 ApBetrO wird jedoch bereits deutlich, dass es sich bei der Vorbereitung der Arzneimittel zur Abgabe, zu der insbesondere auch der Kommissionierungsvorgang gehört, um eine Tätigkeit handelt, die vom pharmazeutischen Personal einer Apotheke - ggf. mit Unterstützung des in § 3 Abs. 5a Satz 1 ApBetrO genannten Fachpersonals - durchzuführen und damit der Apotheke vorbehalten ist. Aus Gründen der Arzneimittelsicherheit stellt die Apothekenbetriebsordnung bereits an die Qualifikation des Personals für die die Vorbereitung von Arzneimitteln zur Abgabe (an den Endverbraucher) betreffenden Tätigkeiten erhöhte Anforderungen. Denn auch mit diesen Tätigkeiten sind Gefahren - etwa solche der Verwechslung - verbunden, die den Gesetz- und Verordnungsgeber dazu veranlasst haben, sie dem pharmazeutischen Personal einer Apotheke anzuvertrauen und eine Unterstützung nur durch fachlich qualifiziertes Personal zuzulassen.

Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 13 LA 245/17 -, juris, Rn. 8 ff.

§ 11a ApoG ist bezogen auf dieses Erfordernis keine Ausnahme zu entnehmen. Vielmehr verlangt der Gesetzgeber im Rahmen des Versandhandels - wie beim Kauf vor Ort -, dass die Medikamente institutionell durch die Apotheke und verantwortlich durch den Apothekenleiter und dessen Personal abgegeben werden. Dem Apotheker ist anstelle der unmittelbaren Übergabe an den Patienten lediglich die Versendung gestattet.

Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Juni 2018 - 13 LA 245/17 -, juris, Rn. 11 m. w. N.

Dass die Vorbereitung der vom KV erfassten apothekenpflichtigen Arzneimittel zur Abgabe, insbesondere der Kommissionierungsvorgang, durch Mitarbeiter von I. Q. durchgeführt wird, ist bereits deswegen nicht mit § 3 Abs. 5a Satz 1 ApoBetrO in Einklang zu bringen, weil es sich bei den Mitarbeitern von I. Q. ungeachtet ihrer pharmazeutischen Qualifikation nicht um Apothekenpersonal handelt. Insoweit kommt es auf die den Verwaltungsvorgängen zu entnehmende Angabe der Amtsapothekerin L. , dass I. Q. bis auf eine pharmazeutischkaufmännische Angestellte ("PKA"), die in der Kundenbetreuung tätig sei, nur unqualifiziertes Personal beschäftige (Bl. 143 VV Ordner 1), nicht an.

Entgegen den Angaben des Antragstellers ist auch weder erkennbar, dass das pharmazeutische Personal der Apotheke zunächst eine Überprüfung der Bestellungen vornimmt und I. Q. erst im Anschluss an diese die erforderlichen Liefer- und Rechnungspapiere erstellt, noch lässt sich eine derartige Verpflichtung der Apotheke den Bestimmungen des KV entnehmen. Zwar sieht § 2 Abs. 1 KV die Verpflichtung der Apotheke vor, Bestellungen, die ihr von I. Q. übermittelt werden, "unverzüglich auszuführen". Dem Wortlaut der Bestimmung kann jedoch nicht entnommen werden, dass mit der "Ausführung" der Bestellungen auch eine Überprüfung derselben einherzugehen hat. Vielmehr wird anhand der in chronologischer Abfolge aufgelisteten Bearbeitungsschritte in der Ergänzung 1 zum KV vom 26. März 2013 deutlich, dass die im Verantwortungsbereich der Apotheke liegende "Kontrolle der Richtigkeit der Aufträge und Sendungen" erst im Anschluss an die durch I. Q. erfolgenden Arbeitsschritte "Erstellung der Liefer-, Versand- und Rechnungsdokumente" sowie "Kommissionierung und Fertigmachen zum Versand" in Form einer Endkontrolle erfolgt.

Bei Zugrundelegung der Verwaltungsvorgänge ist auch nicht ersichtlich, dass eine Überprüfung der Bestellungen vor deren Bearbeitung durch I. Q. - in Abweichung von den Bestimmungen des KV - tatsächlich vorgenommen wird. So konnten im Rahmen der Inspektion der Apotheke am 00.00.0000weder Originalrezepte über bereits erfolgte Versandaufträge noch Dokumentationen zur genauen Auftragsbearbeitung vorgelegt werden (Bl. 364 ff. VV Ordner 1). Ausweislich des Vermerks des Antragsgegners vom 00.00.0000 (Bl. 387 ff. VV Ordner 1) sind eingehende Kundenbestellungen sowie die weitere Bearbeitung der Apotheke nicht bekannt, da diese direkt per Fax an I. Q. gerichtet werden und die Apotheke die Rezepte erst nachfordert (das von der Apotheke auf das Rezept aufgedruckte Abrechnungsdatum ist neun bis 18 Tage später als das Datum, das von I. Q. in der Abrechnung angegeben wird). In der Apotheke befänden sich lediglich Lieferscheine, die mit den kommissionierten Paketen von I. Q. in die Apotheke verbracht würden; ein Zugriff auf elektronische Daten habe die Apotheke nicht.

Dass der Apotheke - wie aus der Abgrenzung der Verantwortlichkeiten anhand der chronologischen Darstellung des Prozessablaufs in der Ergänzung 1 zum KV vom 00.00.0000 ersichtlich - lediglich die pharmazeutische Endkontrolle der zu versendenden Arzneimittel verbleibt, entspricht keineswegs den Anforderungen an die in § 7 ApoG vorgegebene selbständige und eigenverantwortliche Leitung einer (Versand-)Apotheke.

Vgl. insoweit auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Oktober 2010 - 2 L 245/08 -, juris, Rn. 96.

Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere vor dem Hintergrund, dass die der Apotheke obliegende Endkontrolle in ihrer konkreten Form nicht geeignet ist, den Kontrollverlust, der mit der Auslagerung der Entgegennahme der Bestellungen sowie der Vorbereitung der Arzneimittel zur Abgabe einhergeht, zu kompensieren. Denn ausweislich des "Dok.Nr. 3.11.6." der Apotheke des Antragstellers zur "Kontrolle und Vorbereitung für den Versand durch Fa. I. " (Bl. 317, 345 VV Ordner 1) sowie der "Checkliste Versand der I. -Pakete" (Bl. 318 VV Ordner 1) ist (alleiniger) Inhalt der Endkontrolle, die Übereinstimmung von Empfängeranschrift auf dem der Sendung durch I. Q. beigefügten Lieferschein und der Versandanschrift auf dem Paket sowie die Übereinstimmung von Lieferschein-Auflistung und dem Arzneimittelinhalt der Pakete zu überprüfen. Dass eine Kontrolle anhand der ursprünglich aufgegebenen Bestellung bzw. der eingereichten Originalrezepte erfolgt, ist nicht erkennbar und mangels vorhandener Dokumente über den Bestellvorgang in der Apotheke auch nicht möglich. Aus der Inspektion bei I. Q. am 00.00.0000 ergibt sich zudem, dass der Lieferschein, anhand dessen die Apotheke die Endkontrolle vornimmt, von I. Q. und erst im Anschluss an die Kommissionierung der aufgegebenen Bestellung erstellt wird (Bl. 213 VV Ordner 1). Eine Überprüfung des Kommissionierungsvorgangs ist im Rahmen einer so konzipierten Endkontrolle folglich nicht möglich.

Zudem stellen die Bestimmungen des KV nicht sicher, dass die Entscheidung über den Verbleib retournierter Arzneimittel und damit die Verhinderung der Rückführung bedenklicher Arzneimittel in den für den Verkauf vorgesehenen Warenbestand (vgl. § 5 Abs. 1 AMG) im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Inhabers der Apothekenbetriebserlaubnis liegt (vgl. § 7 ApoG). Gemäß § 3 Abs. 5 KV ist I. Q. verpflichtet, Retouren entgegen zu nehmen und "entsprechend den aktuellen internen Qualitätsvorschriften" zu erfassen und aufzuzeichnen. Dass die Retouren für eine Überprüfung in die Apotheke gelangen, ist hingegen ebenso wenig vorgesehen wie eine sonstige Einbindung der Apotheke in die Retourenabwicklung. Vielmehr ergibt sich aus der Niederschrift über die Inspektion in der Apotheke des Antragstellers vom 4. Dezember 2018 (Bl. 364 ff. VV Ordner 1), dass nach eigener Aussage des Antragstellers Arzneimittelrückgaben seitens der Kunden mit Anlieferung an I. Q. erfolgen würden. Vorgänge über etwaige Retouren waren ausweislich der vorstehenden Niederschrift nicht in der Apotheke vorzufinden. Die Inspektion bei I. Q. am 00.00.0000 ergab ferner, dass retournierte Arzneimittel physisch durch I. Q. entgegen genommen werden und dass auch die Bearbeitung derselben durch sie erfolgt. Auch die Entscheidung über den Verbleib der Ware (Rücksendung an den Hersteller, Wiederverwendung oder Vernichtung) trifft I. Q. (Bl. 213 f., 222 VV Ordner 1).

Zu einer abweichenden Einschätzung führt auch nicht die Regelung in der Ergänzung 1 zum KV vom 00.00.0000, wonach die Apotheke die pharmazeutische Verantwortung für die vom KV erfassten Tätigkeiten übernimmt. Denn sie sagt nicht mehr aus, als dass der Antragsteller als Inhaber der Apothekenbetriebserlaubnis die rechtliche Verantwortung trägt, also für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften einzustehen hat. Die Vertragsbestimmungen sind nach den vorstehenden Ausführungen hingegen nicht geeignet sicherzustellen, dass er diese Verantwortung auch tatsächlich wahrnimmt.

Gegen eine persönliche Leitung in eigener Verantwortung des Antragstellers (§ 7 ApoG) in wirtschaftlicher Hinsicht sowie gegen eine (untergeordnete) Transport- bzw. Logistikfunktion von I. Q. spricht zudem der Umstand, dass nicht I. Q. , sondern die Apotheke für ihre gemäß dem KV gegenüber I. Q. zu erbringende Tätigkeit vergütet wird (§ 2 Abs. 3 KV i.V. m. Anlage 1 zum KV) und dass etwaige im Zusammenhang mit der Geschäftsabwicklung entstehenden Forderungsverluste gemäß § 3 Abs. 4 KV vollständig von I. Q. getragen werden. Denn sollte I. Q. tatsächlich ausschließlich Logistik- bzw. Transportleistungen gegenüber dem Antragsteller erbringen, wäre zu erwarten, dass I. Q. ihre Leistungen gegenüber dem Antragsteller in Rechnung stellt.

Überdies erweckt I. Q. durch ihre Werbung gegenüber Dritten den Eindruck, als könne man bei ihr - im Wege der Bestellung - Arzneimittel erwerben. Zwar ist sowohl auf der jeweils für den Versand angefertigten Rechnung als auch auf den Versandpaketen die Apotheke des Antragstellers mit entsprechendem Logo ausgewiesen. Jedoch wird im Internet die Gewährung von Rabatten für Mitglieder des G. W. E. I2. (G1. ) auf ihre Einkäufe "als Kunde der I. Q. /B. -Apotheke" beworben, wobei lediglich die postalische Anschrift sowie die E-Mail-Adresse von I. Q. angegeben sind (Bl. 477 VV Ordner 2, http://www.G2. .de/newsletter/anhang/Flyer_G1. _I. .pdf). Auf dem Anmeldeformular zur "Aktion Treue-Bonus" heißt es zudem unter "1.", dass teilnahmeberechtigt "alle Kunden der I. Q. " seien, welche als Therapeut tätig seien und sich für die Treue-Aktion registriert hätten (Bl. 483 VV Ordner 2; http://www.I. -pharma.de/fileadmin/websites/www.I. -pharma.de/Treue-Bonus/Treue-Bonus-Anmeldeformular.pdf). Anhand dieser Werbung wird für den potentiellen Kunden der Eindruck erweckt, dass nicht die Apotheke, sondern I. Q. Vertragspartner ist. Unterstützt wird dieser Eindruck schließlich dadurch, dass sich dem Internetauftritt der Apotheke nicht entnehmen lässt, dass sie den Versand von Arzneimitteln überhaupt anbietet (https://www.B1. -apotheke-E1. .de/startseite/).

Bei einer Gesamtbetrachtung dieser Umstände ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die auf Grundlage des KV erfolgende Einschaltung von I. Q. in den Betrieb des Versandhandels des Antragstellers über eine bloße Transportfunktion weit hinaus geht und damit zumindest ein faktisches Mitbetreiben der Versandapotheke des Antragstellers durch I. Q. vorliegt.

Soweit der Antragsteller dem die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2012 - I ZR 211/10 - entgegenhält, ist anzumerken, dass sich diese mit einem - vorliegend nicht in Streit stehenden - Verbringungsverbot gemäß § 73 Abs. 1 AMG zu befassen hatte und dass in dem dort zu entscheidenden Fall kein Gewerbetreibender, sondern eine Apotheke in den Bestell- und Abholvorgang von apothekenpflichtigen Arzneimitteln eingebunden war, die ihrerseits ebenfalls zur Prüfung der Qualität, der Eignung und der Unbedenklichkeit der Arzneimittel befähigt und verpflichtet war.

Vgl. insoweit BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - I ZR 211/10 -, juris, Rn. 16 ff.

Auch die vom Antragsteller aufgeführte Rechtsprechung, wonach es rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn ein Apotheker Tätigkeiten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln an die Kunden stehen, durch von ihm beauftragte Unternehmen ausführen lässt,

vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 40/11 -, juris, Rn. 53,

führt vorliegend nicht weiter. Denn vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen handelt es sich bei den im Rahmen des KV auf I. Q. übertragenen Tätigkeiten nicht allein um pharmazeutisch nicht relevante Vorgänge, sondern gerade um solche, die - wie bspw. die Vorbereitung der Abgabe von Arzneimitteln - im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln stehen.

Auf Rechtsfolgenseite bestehen ebenfalls keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der in Nr. 1 Satz 1 angeordneten Untersagung der auf dem KV basierenden Kooperation zwischen dem Antragsteller und I. Q. .

§ 69 Abs. 1 Satz 1 AMG eröffnet der zuständigen Behörde in gleicher Weise wie die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NRW) Ermessen, ob und wie eingeschritten werden soll, und begrenzt dieses durch Inhalt und Zweck der verletzten oder von Verletzung bedrohten arzneimittel- oder apothekenrechtlichen Vorschriften sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006 - 13 A 1314/06 -, juris, Rn. 129 ff.

Vorliegend ist davon auszugehen, dass sowohl das Entschließungsermessen als auch das Ausübungsermessen des Antragsgegners auf Null reduziert sind, weil sich nur die Untersagung der zwischen dem Antragsteller und I. Q. vereinbarten Kooperation betreffend die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel im Wege des Versandes als rechtmäßige Maßnahme darstellt. Die Untersagung der zwischen dem Antragsteller und I. Q. vertraglich vereinbarten Kooperation ist notwendig, um die Beendigung des die rechtlichen Grenzen des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG i. V. m. §§ 7, 11a ApoG überschreitenden Geschäftsmodells sicherzustellen und gegebenenfalls durchzusetzen. Der Antragsgegner war auch nicht dazu angehalten, die Erteilung von Auflagen bezüglich bestimmter, auf Grundlage des KV erfolgender Abwicklungsvorgänge als "milderes Mittel" zu erteilen, weil es sich bei den aufgezeigten Rechtsverstößen nicht um eine fehlerhafte Umsetzung eines rechtlich nicht zu beanstandenden Vertriebsmodells handelt, sondern bereits die Kooperationsvereinbarung selbst den arzneimittel- und apothekenrechtlichen Bestimmungen entgegensteht und dies somit zu beenden ist. Eine Untersagung lediglich konkreter Bestimmungen des KV kommt ebenfalls nicht als "milderes Mittel" in Betracht, weil das Gericht davon ausgeht, dass die zwischen dem Antragsteller und I. Q. vereinbarte Kooperation nur im Zusammenhang betrachtet werden kann und ihr gemeinsames Vertriebsmodell nicht teilbar ist. So könnte die Untersagung der vorstehend beanstandeten vertraglichen Bestimmungen nicht erfolgen, ohne dass der KV seines ihn charakterisierenden Inhalts, namentlich die konkrete Aufteilung der Bearbeitungsschritte, die Vergütung der Apotheke sowie die Übernahme des Zahlungsausfallrisikos durch I. Q. , beraubt werden würde. Darüber hinaus obliegt es dem Antragsgegner nicht, auf eine im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen stehende Vertragsbeziehung zwischen dem Antragsteller und I. Q. hinzuwirken.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers war es vorliegend auch nicht geboten, Vertrauensschutzgesichtspunkte in die Ermessenserwägungen einzustellen, weil die bloße behördliche Duldung eines gesetzeswidrigen Handelns nicht geeignet ist, die Grundlage für einen Vertrauensschutz des Betroffenen zu bilden; aus einem über längere Zeit andauernden Nichteinschreiten der Verwaltung gegen ein gesetzeswidriges Handeln kann daher kein Recht auf künftige Duldung erwachsen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1989 - 3 C 35.87 -, juris, Rn. 50 m. w. N.

bb) Es besteht auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der in Rede stehenden Maßnahme. Der Antragsteller macht in einer Form von der ihm eingeräumten Versandhandelserlaubnis Gebrauch, die nicht mit den Vorgaben des ApoG und des AMG im Einklang steht und eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit hervorruft. Denn das auf dem KV basierende Vertriebsmodell sieht vor, dass sich der Antragsteller als Inhaber der Erlaubnis zum Betrieb der (Versand-)Apotheke seiner alleinigen pharmazeutischen und wirtschaftlichen Verantwortung und damit seiner Kontrollfunktion in erheblichem Maße entledigt und sie einem Großhandelsbetrieb überlässt, dem das Gesetz nicht die Verantwortlichkeit eines Apothekers für die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zuschreibt. Die von dieser Sachlage ausgehende abstrakte Gefährdungslage reicht angesichts der erheblichen Gefahren, die von Arzneimitteln ausgehen, aus, um ein sofortiges Einschreiten zu rechtfertigen.

Überdies verschafft sich der Antragsteller durch die - rechtswidrige - Auslagerung pharmazeutisch relevanter Tätigkeiten auf eine Großhändlerin einen Wettbewerbsvorteil, der unter dem Aspekt der Vermeidung einer negativen Vorbildwirkung nicht hingenommen werden kann.

Vgl. insoweit OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2016 - 13 B 284/16 -, juris, Rn. 32.

Dass der Antragsgegner in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum nicht eingeschritten ist, vermag das besondere Vollzugsinteresse nicht entfallen zu lassen. Ebenso wie ein (längeres) Nichteinschreiten gegen rechtswidriges Handeln nicht geeignet ist, ein Recht auf künftige Duldung zu begründen, kann aus einem fehlenden Tätigwerden der Verwaltung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht der Rückschluss gezogen werden, dass etwaige künftige Maßnahmen nicht von derartiger Wichtigkeit sind, dass sie keinen (weiteren) Aufschub erlauben.

c) Soweit sich die Klage 5 K 1907/19 gegen Nr. 1 Satz 2 der Ordnungsverfügung richtet, ist ihre aufschiebende Wirkung hingegen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherzustellen, weil die gebotene Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers ausfällt. Dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung ist hier der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Anordnung einzuräumen, da sich Nr. 1 Satz 2 der streitgegenständlichen Verfügung nach summarischer Prüfung als nicht hinreichend bestimmt und damit als materiell rechtswidrig darstellt.

Hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW ist gegeben, wenn für den Adressaten ohne weiteres erkennbar ist, was genau von ihm gefordert wird und was in der betreffenden Angelegenheit geregelt worden ist. Der Verwaltungsakt muss geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 -, juris, Rn. 53; OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2008 - 13 B 1461/08 -, juris, Rn. 14.

Die Erkennbarkeit des Inhalts muss sich nicht notwendig aus dem isolierten Wortlaut der Entscheidungssätze, also des Verfügungstenors, ergeben. Es muss jedoch möglich sein, den Inhalt hinreichend sicher durch eine Auslegung der Entscheidungssätze im Lichte der Gründe des Verwaltungsakts zu ermitteln. Neben den Gründen des Bescheids können auch solche Umstände zur Auslegung der Regelung des Verwaltungsakts herangezogen werden, die aus seinem Text zwar nicht hervorgehen, aber den Beteiligten bekannt oder ohne weiteres erkennbar sind. Welche Umstände insoweit in Betracht kommen, kann nur im jeweiligen Einzelfall geklärt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 - 13 B 1395/08 -, juris, Rn. 18 ff.; und Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 37 Rn. 12.

Diesen Anforderungen genügt Nr. 1 Satz 2 der Ordnungsverfügung nicht. Der Anordnung, dass "Alle Betriebstätigkeiten - mit Ausnahme der im Wege des Versandes stattfindenden Abgabe von Arzneimitteln - [...] in den in der Erlaubnisurkunde genannten Betriebsräumen der E2. . H. ´s B. Apotheke in 00000 E3. , M.--wall 00 stattzufinden" haben, kann der Adressat bei verständiger Würdigung nicht eindeutig entnehmen, welche konkreten Tätigkeiten in den Räumlichkeiten der B. -Apotheke erfolgen müssen. Die Formulierung "Alle Betriebstätigkeiten" legt zunächst nahe, dass jegliche Ausgliederung von Tätigkeiten an externe Dritte einen Verstoß gegen die Anordnung in Nr. 1 Satz 2 darstellen würde. Während die Begründung des Bescheids "Zu Ziffer 1" insoweit keinerlei Aufschluss gibt, wird in der Begründung "Zu Ziffer 2" ausgeführt, dass alle "betrieblichen Tätigkeiten" mit Ausnahme der im Wege des Versandes erfolgenden Abgabe der Arzneimittel in den Apothekenbetriebsräumen stattzufinden haben. Zudem erfolgt eine Aufzählung von "betrieblichen" Tätigkeiten. Da diese Aufzählung vor dem Hintergrund des Einschubs "u. a." nicht abschließend ist, kann der Adressat auch hier nicht eindeutig erkennen, ob von der Anordnung zu Nr. 1 Satz 2 ausnahmslos jegliche Betriebstätigkeiten oder nur bestimmte Tätigkeiten mit pharmazeutischer Relevanz erfasst werden sollen. Dass eine dahingehende Konkretisierung erforderlich ist, drängt sich bereits deswegen auf, weil zwischen den Beteiligten gerade Uneinigkeit darüber besteht, welche Tätigkeiten (künftig) nicht an externe Dritte ausgelagert werden dürfen und damit eine räumliche Bindung an die Apotheke erfordern. Die Entgegnung des Antragsgegners im Rahmen seiner Antragserwiderung, dass eine Untersagung einer Ausgliederung nicht unabhängig davon erfolgen sollte, ob die Tätigkeiten pharmazeutischer oder lediglich kaufmännischer oder organisatorischer Natur sind, führt ebenfalls nicht weiter. Auch die in § 1a Abs. 3 ApoBetrO enthaltene Legaldefinition der Begriffs "Pharmazeutische Tätigkeit" gibt im Hinblick auf den vorliegenden Fall einer zum Versandhandel berechtigten Apotheke keinen hinreichenden Aufschluss darüber, welche konkreten Tätigkeiten einer räumlichen Bindung an die Apotheke unterliegen. Soweit der Antragsgegner zudem geltend macht, Satz 2 der Nr. 1 diene lediglich der Klarstellung der Anordnung zu Nr. 1 Satz 1 und weise selbst keinen Regelungsgehalt auf, folgt das Gericht dem nicht. Denn zum einen ist aufgrund der in Nr. 1 Satz 1 eindeutig formulierten Untersagung kein Klarstellungsbedürfnis erkennbar. Zum anderen geht Nr. 1 Satz 2 über den Regelungsgehalt der Untersagung zu Nr. 1 Satz 1 hinaus, indem - losgelöst von dem konkreten Vertriebssystem des Antragstellers - eine räumliche Begrenzung "alle[r] Betriebstätigkeiten" auf die Betriebsräume der B. -Apotheke erfolgt.

2. Soweit sich die Klage 5 K 1907/19 gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 der Ordnungsverfügung richtet, ist ihre aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 Satz 1 JustG NRW anzuordnen.

Hier fällt die Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zum Nachteil des Antragsgegners aus. Die Zwangsgeldandrohung ist im Hinblick auf die Nr. 1 bereits deswegen rechtswidrig, weil sie nicht zwischen der Untersagungsverfügung zu Nr. 1 Satz 1 und der Anordnung zu Nr. 1 Satz 2 differenziert und daher schon nicht hinreichend bestimmt ist (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung betreffend Nr. 2 der Ordnungsverfügung fehlt es zudem mangels Regelungsgehalts an einer vollziehbaren Grundverfügung.