ArbG Köln, Urteil vom 18.09.2019 - 2 Ca 2697/19
Fundstelle
openJur 2019, 33474
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 11 Sa 588/19
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Streitwert: 17.400,- Euro

Tatbestand

Die Beklagte produziert für den ... seit dem Jahr 1985 die Fernsehserie "...". Ihr ... Betrieb, in dem mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, befindet sich auf dem Produktionsgelände des ...

Der Kläger ist bei der Beklagten aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge seit dem Jahr 1993 für die Produktion der Fernsehserie "..." zuletzt als Aufnahmeleiter angestellt. Der letzte befristete Arbeitsvertrag vom 21.11.2018 umfasst die Folgen 1714-1758 sowie einen Vertragszeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2019. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 5.800 €.

Die Herstellung der Serie "..." durch die Beklagte erfolgt jeweils aufgrund entsprechender Produktionsaufträge durch den ... Im November 2018 entschied der ..., die Produktion der Serie einzustellen und über den letzten Produktionsauftrag an die Beklagte hinaus keinen weiteren Produktionsauftrag zu erteilen.

Nach Abschluss der Dreharbeiten für die letzte Folge verbleiben bis zur Ausstrahlung der letzten Folge im März 2020 lediglich noch Arbeiten in der so genannten Postproduktion, d.h. in der technischen Bearbeitung und sendefähigen Aufarbeitung des aufgenommenen Materials, und in der Verwaltung.

Mit Schreiben vom 09.04.2019 kündigte die Beklagte dem Kläger ordentlich zum 31.12.2019. Den übrigen in der Produktion tätigen Mitarbeitern kündigte die Beklagte ebenfalls zum gleichen Datum.

Mit seiner am 27.04.2019 eingegangenen Klage wendet sich der Kläger sowohl gegen die Kündigung als auch gegen die Wirksamkeit der letzten Befristung. Der Bedarf für seine Arbeitsleistung sei nicht entfallen, da die Beklagte neue Projekte plane, nämlich die Serie "...". Zudem sei die Befristung unwirksam.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit Ende der Herstellungsarbeiten zu Folge ... am 31.12.2019 beendet ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die vorsorgliche Kündigung der Beklagten vom 09.04.2019, dem Kläger am 10.04.2019 zugegangen, mit Ablauf des 31.12.2019 beendet wird;

3. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht;

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch sonstige Beendigungsgründe beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Dreharbeiten für die Herstellung der letzten Folge werden im Dezember 2019 abgeschlossen sein. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden nicht. Es sei zwar richtig, dass die Beklagte und ...beabsichtigen, die Produktion der Serie "..." zu realisieren. Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg. Bislang sei weder ein Vertrag geschlossen worden, noch sei die Finanzierung gesichert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist überwiegend zulässig, aber insgesamt unbegründet.

I.

1. Der Klageantrag zu 4) ist unzulässig. Für diesen sogenannten "allgemeinen Fortbestandsantrag" oder "Schleppnetzantrag" fehlt nämlich gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung das erforderliche Feststellungsinteresse.

Das Feststellungsinteresse besteht nicht schon deshalb, weil eine bestimmt bezeichnete Kündigung ausgesprochen wurde und wegen dieser ein Kündigungsrechtsstreit anhängig ist. Es ist vielmehr erforderlich, dass der klagende Arbeitnehmer durch Tatsachenvortrag angeblich weitere Kündigungen oder Beendigungsgründe in den Prozess einführt oder wenigstens deren Möglichkeit glaubhaft macht und damit belegt, warum dieser, die Klage nach § 4 KSchG erweiternde Antrag -noch dazu alsbald- gerechtfertigt sein soll (vgl. BAG v. 27.01.1994 -2 AZR 484/93-; LAG Hamm v. 19.09.2009 -19 Sa 555/09-; ErfK/Kiel, § 4 KSchG Rn. 37).

Vorliegend hat keine Partei Tatsachen vorgetragen, die den Schluss auf weitere Beendigungstatbestände zulassen.

2. Der Klageantrag zu 2) ist unbegründet.

Die Kündigung vom 09.04.2019 ist wirksam und wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2019 beenden.

Sie ist am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu überprüfen, da das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestand (§ 1 Abs. 1 KSchG) und die Beklagte in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt. Der Kläger hat auch rechtzeitig gemäß § 4 S. 1 KSchG innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung Klage erhoben.

Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt, da sie durch dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder außerbetrieblichen Gründen (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Eine Kündigung aus innerbetrieblichen Gründen, ist gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei der innerbetrieblichen Umsetzung des Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (BAG 16.12.2010 - 2 AZR 770/09, juris Rn. 13). Dabei muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen und technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Der Vortrag muss erkennen lassen, dass durch eine innerbetriebliche Maßnahme des Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des kündigten Arbeitnehmers entfällt (BAG 17.6.1999 - 2 AZR 456/98, juris Rn. 26). Der Beschäftigungsbedarf muss bei Zugang der Kündigung nicht bereits tatsächlich entfallen sein. Entscheidend ist, dass jedenfalls die Entwicklung, die für den künftigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit maßgeblich sind, zu diesem Zeitpunkt feststehen, also abschließend geplant sind, und dass die Erwartung berechtigt ist, sie würde sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist realisiert haben. Erforderlich ist eine entsprechende Prognose (BAG 31.7.2014 - 2 AZR 422/13, juris Rn. 32 f.). Die unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich unvernünftig oder willkürlich ist. Dabei unterliegt der vollen Nachprüfung durch die Gerichte aber, ob eine entsprechende unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und ihre Umsetzung des Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer tatsächlich entfallen lässt (BAG 21.9.2006 - 2 AZR 607/05 - juris Rn. 13).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die ausgesprochene Beendigungskündigung wirksam. Die Beklagte hat infolge der fehlenden Weiterbeauftragung durch den WDR die Entscheidung getroffen, die Herstellung der Serie "..." mit der Fertigstellung der Produktion der letzten Folge einzustellen. Da der Kläger als Aufnahmeleiter und damit in der Produktion tätig war, endet der Beschäftigungsbedarf spätestens mit Ablauf des 31.12.2019. Denn zu diesem Zeitpunkt wird die letzte Folge gedreht worden sein. Soweit der Kläger dies bestreitet, ist dieses einfache Bestreiten unzulässig. Denn der Kläger arbeitet seit Jahren in der Produktion, kennt somit die Zeitpläne für die Dreharbeiten und weiß, wieviel Zeit zwischen Dreharbeiten und Ausstrahlung vergeht. Angesichts der Tatsache, dass die letzte Folge im ... ausgestrahlt wird, hätte er näher ausführen müssen, dass auch Dreharbeiten über den 31.12.2019 hinaus erfolgen werden. Da auch die übrigen Produktionsmitarbeiter zum 31.12.2019 entlassen wurden, würde sich zudem die Frage aufdrängen, wer diese Dreharbeiten durchführen sollte.

Dass andere Mitarbeiter über den 31.12.2019 hinaus beschäftigt werden, steht dem nicht entgegen. Denn die anderen Mitarbeiter sind nicht wie der Kläger bei den Dreharbeiten, sondern in der Verwaltung, der Öffentlichkeitsarbeit und der Postproduktion beschäftigt.

Eine Sozialauswahl war entbehrlich, da die Beklagte allen Mitarbeitern der Produktion "..." gekündigt hat. Mit den Mitarbeitern der ... und der Verwaltung ist er nicht vergleichbar. Außerhalb der Produktion "..." kann der Kläger nicht eingesetzt werden, da der Arbeitsvertrag auf diese Produktion beschränkt ist.

Der Kläger konnte nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG weiterbeschäftigt werden. Das hätte vorausgesetzt, dass ein Arbeitsplatz zu gleichwertigen oder schlechteren Bedingungen tatsächlich frei gewesen wäre und er über die für die entsprechende Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügte (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 -, BAGE 149, 18-31, Rn. 51).

Dies war nicht der Fall. Die Beklagte hatte im Zeitpunkt der Kündigung keinen freien Arbeitsplatz für den Kläger. Einen freien Arbeitsplatz zeigt auch der Kläger nicht auf.

Dass die Beklagte in Zukunft vielleicht die Serie "..." produzieren wird, steht weder fest, noch begründet es einen freien Arbeitsplatz für den Kläger.

Denn es ist nicht absehbar, wann und in welchem Umfang hier Produktionen durchgeführt werden und ob überhaupt Bedarf für den Kläger besteht. Die Beklagte wäre gar nicht in der Lage gewesen, ein entsprechendes Änderungsangebot zu unterbreiten oder ihm einen entsprechenden Arbeitsplatz zu zuweisen.

3. Die Klageanträge zu 1) und 3) sind unbegründet.

Dabei kann für die vorliegende Entscheidung dahinstehen, ob die Befristung sachlich gerechtfertigt war, da das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch die Kündigung vom 09.04.2019 zum 31.12.2019 beendet wird und damit bei Ablauf der Befristung am 31.12.2019 nicht mehr besteht. Da Streitgegenstand der Befristungskontrollklage die Frage ist, ob ein im Zeitpunkt des Ablaufs der Befristung bestehendes Arbeitsverhältnis durch die Befristung endet, ist die Klage unbegründet, da - wie oben ausgeführt - das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls durch die Kündigung beendet wird.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO.

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