SG Aachen, Urteil vom 16.09.2019 - S 14 AS 385/19 ER
Fundstelle
openJur 2019, 33434
  • Rkr:
Tenor

Die Antragsgegnerin wird auf den Hilfsantrag des Antragstellers im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig ? bis zum 15.11.2019 ? zu ihren Lasten mit dem Medikament Vyndaqel in der Tagesdosis von 20 mg nach vertragsärztlicher Verordnung zu versorgen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Grunde nach.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Versorgung mit dem Medikament Vyndaqel zu Lasten der Antragsgegnerin.

Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Nach der 2017 gestellten Diagnose der ihn behandelnden Ärzte in der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Innere Medizin III des Universitätsklinikums I leidet der Antragsteller an einer Transthyretin-Amyloidose, wildttyp-ATTR des Herzens.

Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin unter Vorlage eines antragsunterstützenden Schreibens vom 04.07.2019 aus dem Universitätsklinikum I, Spezialambulanz Kardiale Amyloidose, die Versorgung/Kostenübernahmeerklärung zur Behandlung seiner Erkrankung durch das Medikament Vyndaqel (Wirkstoff Tafamidis), das in Europa bislang nur zur Behandlung der Transthyretin(TTR)-Amyloidpolyneuropathie, auch familiäre TTR-Amyloidpolyneuropathie (TTR-FAP) genannt, zugelassen ist. Ein kausaler Therapieansatz für die wildtyp-ATTR-Amyloidose sei noch nicht verfügbar. Die jüngst publizierten Daten der klinischen Phase-3-Studie ATTR-ACT (Maurer et. al., "Tafamidis Treatment for Patients with Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy", N Eng J Med 2018) hätten jedoch ein Nutzen für den Transthyretin-Stabilisator Tafamidis aufzeigen können. Da insbesondere die primären Eckpunkte der Studie "Reduktion der Mortalität" und "Reduktion der Hospitalisierungsrate aufgrund von kardialen Dekompensationen" erreicht worden seien, sei Ende des Jahres mit einer Zulassung für das Medikament zu rechnen. Aufgrund des Wirkmechanismuses könne der Krankheitsverlauf effektiv verlangsamt werden, zudem sei vor allem bei einer frühen Initiierung einer Therapie mit einem Therapieerfolg zu rechnen. Daher werde für den Kläger die Kostenübernahme für eine Therapie mit Tafamidis 20 mg täglich im Rahmen eines individuellen Heilversuches bis zur offiziellen Zulassung beantragt. Alternative Therapien seien für diese Erkrankung nicht verfügbar.

Die US ? amerikanischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel, hat am 03.05.2019 das vom Antragsteller begehrte Präparat für Kardiomyopathie infolge von Transthyretin vermittelter Amyloidose (ATTR-CM) zugelassen.

Ohne eine Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) einzuholen und ohne weitere Ermittlungen lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit Bescheid vom 15.07.2019 gegenüber dem Antragssteller ab. Die Voraussetzungen für einen offlabeluse seien nicht gegeben. Bezüglich der erwähnten ATTR-ACT- Studie werde nicht dargelegt, dass die Einschlusskriterien erfüllt seien und die Ausschlusskriterien vorlägen. Es werde bedauert, keine günstigere Mitteilung machen zu können.

Hiergegen legte der Antragsteller fristgerecht Widerspruch ein. Hierzu legte er eine Stellungnahme aus der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Innere Medizin III, Spezialambulanz Kardiale Amyloidose des Universitätsklinikums I vom 23.07.2019. Darin wurde ausgeführt, dass sämtliche von der Antragsgegnerin dargestellte Anforderungen für einen offlabeluse erfüllt seien. Zudem lägen die Ein ? und Ausschlusskriterien für die ATTRC-ACT bei dem Kläger vor. Der Widerspruch ist bis dato nicht beschieden, die Antragsgegnerin holt derzeit eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein.

Zunächst verschaffte sich der Antragsteller das begehrte Medikament aufgrund eines Privatrezept des auf eigene Kosten.

Am 12.09.2019 hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten um sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.

Die Voraussetzungen für einen offlabeluse nach den Kriterien der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) seien erfüllt. Insbesondere bestehe aufgrund der ATTR-ACT die begründete Aussicht, dass bei dem beim Antragsteller vorliegenden wildtyp-ATTR das zugelassene Arzneimittel Vandaqel zu einem Behandlungserfolg führe.

Durch eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers gestützt trägt der Bevollmächtigte vor, die finanziellen Mittel des Antragstellers zur weiteren (vorübergehenden) Beschaffung des Medikamentes seien zwischenzeitlich erschöpft. Die vorhandenen Medikamente reichten noch bis zum 17.09.2019. Bei der im Rahmen des Anordnungsgrundes vorzunehmenden Abwägung sei zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller gesundheitlicher Nachteile drohten. Bei dem Antragsteller liege eine fortschreitende und bei fehlender medizinischer Behandlung gegebenenfalls zum Tode führende Erkrankung vor.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten des Medikaments Vyndaqel im Rahmen des offlabel- use zu Gunsten des Klägers ab Antragstellung zu übernehmen.

Hilfsweise, die Kosten des Medikaments Vyndaqel bis vorläufig zum 15.11.2019 zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin stellt keinen ausdrücklichen Antrag.

Sie hat sich außer Stande gesehen, binnen der gerichtlich gesetzten Frist zur Antragserwiderung von einem Tag inhaltlich Stellung zu nehmen und ihre Verwaltungsakte vorzulegen. Telefonisch weist sie durch ihren Vertreter darauf hin, dass der MDK noch medizinische Unterlagen beim Universitätsklinikum I angefordert habe, die ihm seit dem 09.09.2019 vorlägen. Eine gutachterliche Stellungnahme könne für den 17.09.2019 in Aussicht gestellt werden. Ohne Vorliegen einer medizinischen Stellungnahme sehe man sich außer Stande, dem telefonischen gerichtlichen Hinweis auf eine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes folgend die Versorgung auch nur vorläufig zu Lasten der Antragsgegnerin zuzusagen.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat zur Glaubhaftmachung Berichte der Spezialambulanz Kardiale Amyloidose der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Innere Medizin III des Universitätsklinikums I vorgelegt, ferner das Abstract der Phase-3-Studie "Tafamidis Treatment für Patients with Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy" (ATTR-ACT) (veröffentlicht in: The NEW ENGLAND JOURNAL of MEDICINE, Vol 379 No.11, S 10007 von Maurer et. al.) und weitere wissenschaftliche Stellungnahmen. Wegen deren Inhaltes und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Gründe:

II.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zulässig. Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. A. Ihnen fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Grundsätzlich wird im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung zwar die Versorgung mit einem Arzneimittel durch die vom Arzt gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch ? Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ausgestellte Verordnung konkretisiert (vgl. Urteil vom 28. November 2017 ? S 14 KR 311/17 ?, Rn. 33, juris m.w.N.). Für Konstellationen, in denen es ? wie hier - um die Frage geht, ob ein grundsätzlich Arzneimittel ausnahmsweise zulasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden darf (z. B. beim Offlabeluse), ist durch die ständige Rechtsprechung des BSG gleichwohl ausdrücklich Raum für eine so genannte "Vorab-Prüfung" und Genehmigung durch die Krankenkasse anerkannt (BSG, Urteil vom 20. März 2013 ? B 6 KA 27/12 R ?, BSGE 113, 123-134, SozR 4-2500 § 106 Nr 40, Rn. 28 m.w.N.). Denn wenn auch die behandelnden Vertragsärzte bei Bejahung der Voraussetzungen für den Offlabeluse zwar das begehrte Arzneimittel zu Lasten der Antragsgegnerin verordnen könnten, bleibt dem Antragsteller ? aufgrund der Befürchtung möglicher Regressforderungen der behandelnden Vertragsärzte durch die Antragsgegnerin ? letztlich eine Versorgung ohne vorherige Genehmigung über ein "Kassenrezept" verwehrt (vgl. BSG, Beschluss vom 31. Mai 2006 ? B 6 KA 53/05 B ?, Rn. 13, juris). B. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind im Hilfsantrag begründet. Der weitergehende Hauptantrag war abzulehnen. (hierzu B. II.) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt - im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung - das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, Rn. 5, juris m. w. N.), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. März 2013 - L 5 AS 107/13 B ER -, Rn. 32, juris m. w. N.).Soweit eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre, ist ein schützenswertes Recht des Antragstellers nicht gegeben; der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen. Wäre eine Klage hingegen offensichtlich zulässig und begründet, ist dies im Rahmen des Anordnungsgrundes in der Weise zu beachten, dass die Anforderungen an einen Anordnungsgrund entsprechend zu lockeren sind. Zwar ist auch im einstweiligen Rechtsschutz die Sach- und Rechtslage durch die Gerichte grundsätzlich abschließend zu prüfen. Ist dies aber nicht möglich, ist - entsprechend der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts - auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breith. 2005, 803 ff. m.w.N.). Hierbei ist stets die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes zu beachten, die vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin besteht, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies sind solche Fällen, in denen die Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, a.a.O.; Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1582/02; vgl. auch Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2007, L 28 B 429/07 AS ER). Im Ergebnis ist im Rahmen der Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers ein bestimmendes Kriterium. Sind existenzsichernde Leistungen als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) betroffen oder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), so ist ein möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- und - damit einhergehend - die Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05) (zuletzt Beschluss der Kammer vom 28. Januar 2019 ? S 14 AS 1103/18 ER ?, Rn. 19 - 20, juris). C. Nach den dargestellten Grundsätzen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründet. Ein Anordnungsanspruch ist hinreichend glaubhaft gemacht, ein Anordnungsgrund besteht (nur) soweit der Hilfsantrag reicht.

I. Die Antragsgegnerin hat bei summarischer Prüfung die Versorgung mit dem begehrten Arzneimittel durch Bescheid vom 15.07.2019 zu Unrecht abgelehnt. Zwar besteht für die Bundesrepublik Deutschland noch keine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Medikament Vydaqel zur Behandlung der bei dem Kläger vorliegenden wildtyp-ATTR, jedoch sind die auch in der Instanzrechtsprechung unumstrittenen Voraussetzungen für einen sog. offlabeluse erfüllt.

1. Hielt die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts das Fehlen einer anwendungsbezogenen Zulassung eines Arzneimittels für den Leistungsanspruch des Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung für irrelevant (BSG, Urteil vom 05. Juli 1995 ? 1 RK 6/95 ?, BSGE 76, 194-203, SozR 3-2500 § 27 Nr 5), verknüpft ihn die aktuelle Rechtsprechung unter dem Aspekt des Nachweises der Wirtschaftlichkeit mit der anwendungsbezogenen arzneimittelrechtlichen Zulassung (grundlegend: BSG, Urteil vom 19. März 2002 ? B 1 KR 37/00 R ?, BSGE 89, 184-192, SozR 3-2500 § 31 Nr 8, Rn. 11). Demzufolge ist ein sogenannter offlabeluse zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich ausgeschlossen (BSG, a.a.O.).

Arzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG)) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl. z. B. BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 N.r 7 Rn. 22 m.w.N.; vgl auch Hauck, "Off-Label-Use" in der Rspr. des BSG, A&R 2006, 147 ff).

Das BSG hat in seinem Sandoglobulin-Urteil vom 19. März 2002 (BSGE 89, 184 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr. 8) die allgemeinen Voraussetzungen für einen Off-Label-Use aufgezeigt (vgl. auch BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 ? B 1 KR 15/07 R ?, SozR 4-2500 § 13 Nr 16, Rn. 21).

Ein Off-Label-Use zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung kommt danach in Betracht, wenn:

? das offlabel einzusetzende Arzneimittel arzneimittelrechtlich verkehrsfähig ist. Kein offlabeluse liegt demnach vor, wenn das betreffende Präparat arzneimittelrechtlich überhaupt (noch) nicht zugelassen ist. In diesem Fall richtet sich der Leistungsanspruch nach den Grundsätzen der Arzneimittelversorgung in notstandsähnlichen Situationen (hierzu: BVerfG, Beschluss vom 06. Dezember 2005 ? 1 BvR 347/98 ?, BVerfGE 115, 25-51; § 2 Abs. 1a SGB V).

? es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht

? keine andere Therapie verfügbar ist und

? aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Damit Letzteres angenommen werden kann, müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.

2. Diese Voraussetzungen sind bei summarischer Prüfung vorliegend erfüllt.

a) Das Medikament Vyndaqel mit dem Wirkstoff Tafamidis ist verkehrsfähig. Es ist zur Behandlung der zur Behandlung der Erkrankung Transthyretin(TTR)-Amyloidpolyneuropathie, auch familiäre TTR-Amyloidpolyneuropathie (TTR-FAP) (vgl. https://www.deutscheapothekerzeitung.de/news/artikel/2011/11/24/tafamidisverhindertamyloidablagerungen) genannt (auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 ? vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AMG) zugelassen (vgl. ABl. C 349 vom 28.09.2018, S. 1-13; BAnzAT 27.06.2012 B3).

b) Die TTR-Amyloidpolyneuropathie wird durch einen Eiweißstoff (Protein) verursacht, der Transthyretin-Protein (TTR) genannt wird und dessen Funktion im Körper gestört ist. TTR ist ein Protein, das andere Substanzen wie Hormone durch den Körper transportiert (vgl. Anwendungsbeschreibung der Herstellerfirma Pfizer der Firma Pfizer: https://www.pfizer.de/medikamenteprodukte/rezeptpflichtigemedikamente/pfizerprodukte/detailansicht/vyndaqelR/).

Die ATTR ist eine Form der Amyloidose, bei der es zur Ablagerung von abnormen Transthyretin-Varianten in mehreren Organen kommt. Bei der kardialen Amyloidose kommt es im Herzen zur vermehrten Ablagerung des in der Leber gebildeten TTR, entweder aufgrund einer Mutation im TTR-Gen (hereditäre ATTR ?hATTR) oder altersbedingt, letztere Form der ATTR wird daher auch Alters-Amyloidose bzw. wildtyp-ATTR (ATTRwt) genannt. Die Akkumulation der Amyloid-Fibrillen verursacht eine restriktive Kardiomyopathie und progressive Herzinsuffizienz. Bei der wildtyp-ATTR ist in der Regel nur das Herz betroffen, bei der genetisch bedingten Form leiden die Betroffen häufig auch an neurologischen Symptomen (so der Bundesverband niedergelassener Kardiologen und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie ? Herz- und Kreislaufforschung e.V. auf ihrer Internetseite durch die Autorin Schlimpert: https://www.kardiologie.org/esckongress-2018/therapeutischerdurchbruchbeispeziellerkardiomyopathie/16075510; siehe auch den antragstellerseitig vorgelegten Artikel der Autorin Bl. 39 Gerichtsakte).

Hierbei handelt es sich nach summarischer Beurteilung der Kammer um eine schwerwiegende, lebensbedrohliche, jedenfalls die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. So beschreibt der behandelnde Arzt Dr. aus dem T aus der Spezialambulanz Kardiale Amyloidose der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Innere Medizin III, in den mit der Antragsschrift vorgelegten Schreiben vom 28.06.2019 und 04.07.2019, aufgrund der kardialen Amyloid- Ablagerungen komme es zu einer primär diastolischen Herzinsuffizienz, aktuell bestehe bei dem Kläger eine Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III. Unter Hinweis auf Benson et al. (Am J Cardiol. 2011; 108:285-9) sei im Verlauf mit einem kontinuierlichen Fortschreiten zu rechnen.

In einem durch die 15. Kammer des Sozialgerichts München eingeholten Sachverständigengutachten ist zur TTR-Amyloidose (ATTR) ausgeführt worden, die Erkrankung sei lebensbedrohlich. Sie sei stetig progredient und über die Zeit drohe Herzstillstand. Die abstrakte Fünf-Jahres- Überlebensrate liege bei etwa 50 % (SG München, Urteil vom 03. November 2016 ? S 15 KR 1899/15 ?, Rn. 22, juris).

Die Autorin Schlimpert führt auf der Internetseite des Bundesverbandes niedergelassener Kardiologen und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislauferkrankungen e. V. (a.a.O.) aus, wenn die Diagnose ATTR gestellt werde, überlebten die Patienten im Schnitt gerade einmal 3,5 Jahre. Dies habe der Leiter der Phase-3-Studie "Tafamidis Treatment für Patients with Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy" (ATTR-ACT) (siehe das zur Antragsschrift gefügte, in The NEW ENGLAND JOURNAL of MEDICINE, Vol 379 No.11, S 10007 veröffentlichte, Abstract von Maurer et. al.) zur Anwendung des Wirkstoffes des Medikamentes Vyndaqel auf die ATTRwt und hATTR, Prof. Claudio Rapezzi, Universität Bologna, auf einer Hotline-Session beim ESC-Kongress berichtet.

d) Es ist ferner glaubhaft gemacht, dass für die wildtyp-ATTR keine andere Therapie zur Verfügung steht. Den entsprechenden Vortrag seines Bevollmächtigten hat der Antragsteller nicht nur eidesstattlich versichert. Die Darstellung wird durch den behandelnden Arzt Dr. aus dem T aus der Spezialambulanz Kardiale Amyloidose des Universitätsklinikums I in dessen antragsunterstützenden Schreiben vom 28.06.2019 und 04.07.2019 bestätigt. Ein kausaler Therapieansatz für die wildtyp-ATTR sei noch nicht verfügbar. Alternative Therapien stünden nicht zur Verfügung. Für eine Herzinsuffizienztherapie (ACE-Hemmer und Betablocker) gebe es in Bezug auf die kardiale Amyloidose keine Evidenz. Dies bestätigt er in seinem Schreiben vom 23.07.2019. Eine alternative Therapie für die ATTR-Amyloidose mit isolierter kardialer Beteiligungen sei aktuell nicht verfügbar. Für eine konservative Herzinsuffizienztherapie gebe es keine Evidenz. Einige etablierte Substanzen (Entresto, Digitalis) seien zudem aufgrund des proamyloidogenen Potenzials kontraindiziert

Entsprechend berichtet etwa der Bundesverband niedergelassener Kardiologen und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie ? Herz und Kreislaufforschung e.V. auf ihrer Internetseite durch die Autorin Schlimpert, für die ATTR-Kardiomyopathie (die den wildtyp der ATTR umfasst) gebe bisher keine von Leitlinien empfohlene Therapie (https://www.kardiologie.org/esckongress-2018/therapeutischerdurchbruchbeispeziellerkardiomyopathie/16075510; siehe auch den antragstellerseitig vorgelegten Artikel der Autorin Bl. 39 Gerichtsakte).

d) Zuletzt ist auch die im ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin sinngemäß angezweifelte Datenlage glaubhaft gemacht, nach der die begründete Aussicht besteht, dass mit dem Medikament Vyndaqel bzw. dessen Wirkstoff Tafamidis bei dem Antragsteller ein Behandlungserfolg erzielt werden kann. Es liegen Forschungsergebnisse vor, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die Indikation der kardialen Amyloidose (hATTR und HTTRwt) zugelassen werden kann. Eidesstattlich versichert ist unter Bezugnahme auf die Auskünfte der Spezialambulanz Kardiale Amyloidose des Universitätsklinikums I insofern, dass eine entsprechende Zulassung für den europäischen Raum bereits beantragt und mit ihr Ende 2019 zu rechnen sei.

aa) Mit der Phase-3- Studie ATTR-ACT (siehe das zur Antragsschrift gefügte, in The NEW ENGLAND JOURNAL of MEDICINE, Vol 379 No.11, S 10007 veröffentlichte, Abstract von Maurer et. al.). wurde die Effizienz von Tafamidis (Vyndamax, Pfizer) und Tafamidis-Meglumin (Vyndaqel, Pfizer) in der Behandlung der bei dem Antragsteller vorliegenden Form der ATTR nachgewiesen. Die internationale, multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte, 3-armige klinische Studie wurde mit 441 Patienten durchgeführt und zeigte die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit einer oralen Tagesdosis von 20 mg oder 80 mg Tafamidis-Meglumin-Kapseln im Vergleich zum Placebo. Die Studie umfasste sowohl Patienten mit der abweichenden oder erblich bedingten Form der ATTR als auch solche mit der wildtyp-Form. im Vergleich zum Placebo reduzierte das Medikament ? gleich ob in Tagesdosis von 20 oder 80 mg ? die Todesfälle um 30 % und reduzierte die kardiovaskulär bedingten Krankenhausaufenthalte um 32 %. Der Rückgang der Lebensqualität der an der über 2,5 Jahren durchgeführten Studie beteiligten, mit dem Arzneimittel versorgten Probanden wurde verlangsamt. Die vorläufigen Sicherheitsdaten zeigten, dass Tafamidis in der dargereichten Form gut verträglich ist. Neue Sicherheitssignale wurden nicht identifiziert.

Die US ? amerikanischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel, FDA, hat am 03.05.2019 entsprechend das Präparat Vyndaqel auch für die wildtyp-ATTR zugelassen (s. den der Antragsschrift beigefügten Bericht FDA News Release vom 06.05.2019, Bl. 34 Gerichtsakte; https://www.aerztezeitung.de/praxis wirtschaft/unternehmen/article/987733/selteneerkrankungenpfizererhaeltuszulassungattrcmmittel.html; https://www.univadis.de/viewarticle/fdazulassungvontafamidisundtafamidismeglumin-670767).

bb) Soweit die Antragsgegnerin dem Vorliegen einer Datenlage, nach der die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht mit Bescheid vom 15.07.2019 entgegentritt, weil bezüglich der im Antrag erwähnten ATTR-ACT- Studie nicht dargelegt werde, dass die Einschlusskriterien erfüllt seien und keine Ausschlusskriterien vorlägen, stellt dies nicht nur eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 20 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X)) dar, weil die Antragsgegnerin zur abschließenden Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung für erforderlich gehaltene Tatsachenerkenntnisse nötigenfalls selbst zu ermitteln hat und sich nicht auf eine subjektive Darlegungs? und Beweislast des Antragstellers zurückziehen darf.

Vielmehr hat der Antragsteller der Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren gegen den ablehnenden Bescheid eine Stellungnahme des Dr. aus dem T (Uniklinik I) vom 23.07.2019 vorgelegt, in der dargelegt wird, dass der Antragsteller die Ein ? und Ausschlusskriterien für die ATTR-ACT Studie erfülle. Dabei führt der Spezialist für Kardiale Amyloidosen die (wesentlichen) einzelnen Kriterien, korrespondierend zur Darstellung des patientenbezogenen Studiendesigns im "The NEW ENGLAND JOURNAL of MEDICINE" Vo. 379 N. 11, S. 1007 (1009) (Maurer et. al.; s. Bl. 46 (48) Gerichtsakte) auf. Selbst soweit einzelne der bei den Studienteilnehmern im Vorfeld durchgeführte Untersuchungen, wie sie von Maurer et. al. dargestellt werden, bei dem Antragsteller nicht vorgenommen worden sein sollten ? was sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit nicht abschließend feststellen lässt - wäre daraus nicht zu schließen, dass sich die positiven Aussagen der ATTR-ACT- Studie für eine Behandlung der bei dem Antragsteller - in nicht angezweifelter Weise - diagnostizierten Erkrankung auf dessen Behandlung übertragen ließen. Entsprechend erfolgt eine arzneimittelrechtliche Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG ebenfalls nicht auf das persönliche Profil der Teilnehmer einer Studie-, sondern indikationsbezogen. Am 13.09.2019 ist antragstellerseitig zudem ein Arztbrief des Universitätsklinikums I vom 28.06.2019 vorgelegt worden, aus dem über die Darstellung der durchgeführten Echocardiographie hervorgeht, dass die entsprechenden Parameter für eine kardiale Beteiligung bei Amyloidose erfüllt seien (vgl. zu derart geführten Nachweis bei den Teilnehmern der ATTR-ACT: Maurer et. al., a.a.O.). In dem Schreiben vom 23.07.2019 führt der behandelnde Arzt weiter aus, aus seiner Sicht seien alle Kriterien für einen "offlabeluse" erfüllt.

II. Der Antragsteller hat auch die erforderliche Eilbedürftigkeit, den Anordnungsgrund, glaubhaft gemacht. Bei Abwägung der betroffenen Interessen ist es dem Antragsteller nicht zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

1. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass - trotz der in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit bis zum Aufbrauch des Medikamtvorrates ? deutlich mehr für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches spricht als dagegen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass auf Seiten des Antragstellers die überragenden Rechtsgüter des Lebens bzw. der körperlichen Unversehrtheit gefährdet sind, auf Seiten der Antragsgegnerin bzw. der Versichertengemeinschaft allein ein finanzieller Nachteil in Rede steht, der sich ? sollte der Antragsteller in der Hauptsache doch unterliegen ? über einen Rückzahlungsanspruch gegen den Antragsteller korrigieren ließe. Ein drohender gesundheitlicher Schaden des Antragstellers hingegen ließe sich nachträglich nicht mehr revidieren. Nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahme bzw. Informationen ist der Fortschritt der Erkrankung nicht kausal umkehrbar.

In einer solchen Situation ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes geboten, auch in Vornahmesachen vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. November 2002 ? 1 BvR 1586/02; Beschluss vom 15. März 2004, 1 BvR 4/04; Beschluss vom 19. März 2004, 1 BvR 131/04; Beschluss vom 22. Juni 2004, 1 BvR 1332/04 -, juris). Aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgt die allgemeine Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor die darin genannten Rechtsgüter zu stellen und die behördlichen und gerichtlichen Verfahren müssen der darin enthaltenen grundlegenden objektiven Wertentscheidung gerecht werden. Befindet sich ein Antragsteller nach Einschätzung der ihn behandelnden Ärzte in einer gesundheitsgefährdenden oder lebensbedrohlichen Situation, sofern er das fragliche Medikament nicht (mehr) erhält, muss die Abwägung zu Gunsten des Antragstellers ausfallen (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06. Dezember 2005 ? L 4 B 560/05 KR ER ?, Rn. 15, juris).

Bei bereits deutlichen Einschränkungen und organpathologischen Befunden des Antragstellers hält die Kammer es trotz der nach der der Antragsschrift beigefügten Informationsbroschüre des Uniklinikums I "die kardiale Amyloidose ? Wenn das Herz verklebt" "in der Regel" nur langsamen Progredienz der wildttyp-ATTR und ohne nähere Erkenntnisse darüber, wie (schnell) sich eine Unterbrechung der begonnenen medikamentösen Therapie beim Antragsteller auswirken würde, für geboten, bei hinreichender Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches die einstweilige Anordnung zu erlassen, bevor der Antragsteller über keinen Medikamentenvorrat mehr verfügt. Zumal in der Broschüre nicht abschließend deutlich wird, ob die langsame Progredienz nur den Fall der behandelten Erkrankung betrifft. Ferner wird in der Broschüre auch darauf hingewiesen, dass die kardiale Amyloidose allgemein unbehandelt kontinuierlich voranschreite, die Herzwände an Dicke zunehme und es zu einer progredienten Funktionseinschränkung des Herzmuskels komme. Wie schnell dies geschehe, sei von der Art der Amyloidose abhängig und davon, wie gut die verschiedenen Therapien anschlügen.

Zudem führt die Autorin Schlimpert ? wie bereits dargelegt - auf der Internetseite des Bundesverbandes niedergelassener Kardiologen und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislauferkrankungen e. V. (a.a.O.) aus, wenn die Diagnose ATTR gestellt werde, überlebten die Patienten im Schnitt gerade einmal 3,5 Jahre. Dies habe der Leiter der ATTR-ACT Studie beim ESC-Kongress berichtet. In dem Bericht wird darauf hingewiesen, dass eine ATTR-CM ? ohne Differenzierung zwischen familiär bedingter (hereditärer) Form oder erworbener (wildtyp) Form - eine rasch zum Tode führende Erkrankung sei. Nach 30 Monaten der ATTR-ACT seien "nur" 29,5 % der mit dem Arzneimittel versorgten Patienten verstorben, gegenüber 42,9 % der Placebogruppe.

Der behandelnde Arzt des Antragstellers, Dr. aus dem T hat mit Schreiben vom 28.06.2019 und 04.07.2019 (der Antragsschrift beigefügt) darauf hingewiesen, dass nach seiner begründeten Einschätzung die in der Folge aufgenommene Therapie mit Vyndaqel zu einer effektiven Verlangsamung des bei dem Antragsteller vorliegenden progredienten Krankheitsverlaufes führe. Dabei sei vor allem bei einer frühen Initiierung der Therapie mit einem Erfolg zu rechnen. Die Lebensqualität werde durch die ATTR-Amyloidose mit kardialer Beteiligung deutlich eingeschränkt. Dabei bezieht er sich auf wissenschaftliche Literatur (Lane et. al. Natural History of Life, and Outcome in Cardiac Transthyretin Amyloidosis. Circulation 2019 Jul 2; 140(1): 16-26).

In einem Bericht vom 28.06.2019 aus der Uniklinik I wird bei dem Antragsteller konkret über eine progrediente Dyspnoe seit Diagnosestellung 2017 berichtet. Aktuell seien eine Etage langsames Treppensteigen und ca. 100 m Gehen in der Ebene möglich. Zudem bestünden rezidivierend ausgeprägte Unterschenkel ? Ödeme. In der durchgeführten Echocardiographie war bereits ein deutlich hypertrophierter linker Ventrikel, mit - für die ATTR offenbar typischer (vgl. Schlimpert, a.a.O. unter Zitat des Prof. Rapezzi) - erhaltener systolischer Pumpfunktion festzustellen.

2. Dem hat die Antragsgegnerin nichts entgegenzusetzen. Der Erlass des ablehnenden Bescheides vom 15.07.2019 erfolgte in unverständlicher Leichtfertigkeit ohne Hinzuziehung medizinischen Fachwissens, ohne Einschaltung des SMD oder des MDK. Zur Gewährung effektiven Eilrechtsschutzes hält es die Kammer auch angesichts dessen nicht für geboten, die erst für den 17.09.2019 in Aussicht gestellte Stellungnahme der Antragsgegnerin abzuwarten. Denn mit diesem Tag läuft der Vorrat des begehrten Medikaments beim Antragsteller aus, ohne dass dieser ? wie er durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht hat - über finanzielle Mittel verfügte, sich das Arzneimittel ein weiteres Mal auf Grundlage eines Privatrezeptes zu beschaffen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich der Antragsteller, um eine möglichst nahtlose Versorgung zu gewährleisten, nach der gerichtlichen Entscheidung zunächst eine kassenärztliche Verordnung und das Medikament in der Apotheke beschaffen muss. Die Antragsgegnerin hatte mehr als zwei Monate Zeit, den dringenden Antrag des Antragstellers sachgerecht zu bearbeiten. Dem ist sie jedenfalls im Antragsverfahren (über den Ablauf des Widerspruchsverfahrens sind keine Einzelheiten bekannt) nicht nachgekommen.

3. Dem Hauptantrag des Antragstellers war bei der zu seinen Gunsten unverzüglichen gerichtlichen Entscheidung indes insofern nicht zu entsprechen, als eine Befristung der Regelungsanordnung geboten erscheint. Der Anordnungsgrund hat auch eine zeitliche Dimension. Eilbedürftigkeit besteht immer nur für einen kurzfristigen Zeitraum. Je weiter der Zeitraum, für den Leistungen begehrt werden, in der Zukunft liegt, desto zumutbarer ist es für den Antragsteller, den zwischenzeitlich möglichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Im Rahmen des Anordnungsgrundes kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass regelmäßig nur Leistungen für die Gegenwart und nahe Zukunft einen Anordnungsgrund begründen können (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 86b SGG, Rn. 439; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Februar 2018 ? L 2 AS 859/17 B ER ?, Rn. 34, juris).

Mit der konkreten Befristung der einstweiligen Anordnung im Sinne des Hilfsantrages trägt die Kammer zudem dem Umstand Rechnung, dass der Antragsteller mit seinem erst spät vor Aufbrauch seines Vyndaqel-Vorrates angebrachten Eilantrages (knapp drei Werktage), der Kammer praktisch jedwede Möglichkeit weiterer Ermittlungen und einer weiteren Validierung des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes genommen und eine sehr knappe Entscheidungsfrist belassen hat, die Prüfung insofern in gesteigertem Maße summarisch bleiben musste (vgl. zu diesem Aspekt: Burkiczak, a.a.O., Rn. 442). Die Befristung entspricht bei einer Packungsgröße von 30 Kapseln Vyndaqel (vgl.https://www.pfizer.de/medikamenteprodukte/rezeptpflichtigemedikamente/pfizerprodukte/detailansicht/vyndaqelR/) zwei Verordnungen.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, richtet sich nach § 193 Abs.1 SGG. Maßgebend sind dabei grundsätzlich die Erfolgsaussichten und die Gründe für Stellung des Eilantrages (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 193 Rn.12a). Das SGG stellt aber nicht nur auf Ausgang des Rechtsstreits allein ab, vielmehr ist im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens wesentlich auch auf das Veranlassungsprinzip abzustellen. Insbesondere kommt hierbei zum Tragen, ob ein Verfahrensbeteiligter unnötige Kosten verursacht hat (Schmidt a.a.O., Rn. 12b; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. September 2006 ? L 5 B 376/06 KR ER ?, Rn. 14, juris).

Gleichwohl Antragsteller mit seinem Hauptantrag nicht durchdringt, hält es die Kammer nach dem Veranlassungsprinzip für zutreffend, der Antragsgegnerin die gesamten außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen. Denn der überragende Verschuldensanteil an der Notwendigkeit des vorliegenden Eilverfahrens trifft die Antragsgegnerin infolge der - bereits angesprochen ? Leichtfertigkeit ihrer ablehnenden Ausgangsentscheidung ohne jedwede - im Falle einer für unzureichend gehaltenen Tatsachengrundlage notwendige - Amtsermittlung.

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