Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20.06.2017 - 13 LA 134/17
Fundstelle
openJur 2019, 38723
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 A 104/15

1. Die Anforderungen an das tatbestandliche Vorliegen eines schwerwiegenden Ausweisungsinteresses im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ("nicht nur vereinzelter oder geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften") entsprechen den in der Rechtsprechung zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. entwickelten Anforderungen.

2. Einem Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ist im Rahmen der Abwägung nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG das den Umständen des Einzelfalles angemessene Gewicht zu verleihen.

Tenor

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer - vom 8. Dezember 2016 zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

Der auch auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat Erfolg.

I.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 10. Dezember 2014 über die Ausweisung des Klägers und die Befristung der Wirkungen dieser Ausweisung abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass aus den bisherigen strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers auf eine hinreichende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG geschlossen werden könne. Die nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Beide Interessen wögen nach den gesetzlichen Vorgaben schwer, das öffentliche Ausreiseinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG und das private Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG. Das private Bleibeinteresse sei gleichwohl geringer zu gewichten. Es könne nicht festgestellt werden, dass zwischen dem Kläger und seinen minderjährigen im Bundesgebiet lebenden Kindern eine tatsächliche Verbundenheit bestehe, auf deren Aufrechterhaltung die Kinder zu ihrem Wohl angewiesen seien. Der Kläger selbst habe der Ausübung des Sorgerechts nur geringe Bedeutung zugemessen. Bei der Scheidung von der Kindesmutter im Jahr 2010 habe er ein Sorgerecht nicht erlangen wollen. Er habe sich um dieses erst im Jahre 2014 bemüht, nachdem die Kinder ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet erlangt hätten.

Mit seinem Berufungszulassungsantrag macht der Kläger auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend. Das Verwaltungsgericht habe unzutreffend eine Gefahr erneuter strafrechtlicher Verfehlungen angenommen. Aus den gegen ihn verhängten Strafen allein könne nicht auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen werden. Mit Blick auf die von den Straftaten betroffenen und durch § 21 Abs. 1 StVG geschützten Rechtsgüter gelte auch kein abgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab; dieser komme vor allem bei Gewalttaten und Sexualdelikten gegenüber Kindern zur Anwendung. Das Verwaltungsgericht habe auch das öffentliche Ausreiseinteresse zu Unrecht höher bewertet als sein privates Bleibeinteresse. Seine strafrechtliche Delinquenz begründe kein schwerwiegendes Ausreiseinteresse. Demgegenüber sei sein privates Bleibeinteresse von hohem Gewicht. Er sei sorgeberechtigter Vater von vier im Bundesgebiet lebenden Kindern im Alter zwischen zehn und siebzehn Jahren. Seine Kinder hätten ein von der Kindesmutter, seiner früheren Ehefrau, abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 5 AufenthG; die Kindesmutter verfüge über ein an ein weiteres Kind deutscher Staatsangehörigkeit anknüpfendes Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Er lebe mit der Kindesmutter und den gemeinsamen vier Kindern zwar nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt, habe aber eine persönliche Beziehung zu diesen und pflege einen regelmäßigen Umgang. Er verbringe nahezu jeden Tag Zeit mit seinen Kindern, esse gemeinsam mit ihnen und kümmere sich in vielfältiger Weise um deren Belange. Dies gelte ganz besonders für seine vierzehn Jahre alte Tochter C., deren Gesundheit dauerhaft schwer beeinträchtigt sei und die einer dauerhaften Betreuung durch beide Elternteile bedürfe. Es bestehe mithin eine tatsächlich gelebte Eltern-Kind-Beziehung; die von ihm erbrachten Erziehungsbeiträge könnten auch nicht durch solche der Kindesmutter ersetzt werden. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, er habe das Sorgerecht nur zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts erwirkt und übe dieses auch nur deshalb tatsächlich aus, sei durch nichts belegt. Diese Annahme gehe auch an den im familiengerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen und an den dort eingeholten Stellungnahmen der Kindesmutter und der Jugendhilfestation vorbei. Es sei zudem nicht nachzuvollziehen, dass das Verwaltungsgericht die Stellungnahme der Kindesmutter als von seinem früheren Prozessbevollmächtigten vorformuliert und allein deshalb als nicht aussagekräftig angesehen habe.

II.

Aus den von dem Kläger dargelegten Gründen bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. zu den Anforderungen an das Vorliegen und die Darlegung dieses Zulassungsgrundes im Einzelnen: Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.6.2015 - 8 LA 16/15 -, NdsRPfl. 2015, 244, 245 mit weiteren Nachweisen).

Das Verwaltungsgericht hat zwar die nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG für eine Ausweisung erforderliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (1.) und auch das Vorliegen eines schwerwiegenden Ausweisungsinteresses im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG zutreffend bejaht (2.). Die Richtigkeit des Ergebnisses der vom Verwaltungsgericht nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG vorgenommenen Abwägung ist aber durchgreifenden Zweifeln ausgesetzt; es spricht derzeit Vieles für ein Überwiegen des privaten Bleibeinteresses des Klägers (3.).

1. Die nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG erforderliche Feststellung, dass der Aufenthalt eines Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, bedarf einer Prognose zur Wiederholungsgefahr. Die Prognose ist von den Ausländerbehörden und den Verwaltungsgerichten eigenständig zu treffen, ohne dass diese an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind. Bei der Prognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe einer verhängten Strafe, die Schwere einer konkret begangenen Straftat und die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. zu Vorstehendem: BVerwG, Urt. v. 15.1.2013 - BVerwG 1 C 10.12 -, NVwZ-RR 2013, 435, 436 f.; Urt. v. 4.10.2012 - BVerwG 1 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230, 237; Urt. v. 10.7.2012 - BVerwG 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, 282 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.4.2016 - 11 S 393/16 -, juris Rn. 28; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 10.3.2011 - 8 LB 153/09 -, juris Rn. 55 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen).

Nach diesen Maßgaben hat das Verwaltungsgericht zutreffend eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch weitere strafrechtliche Verfehlungen des Klägers im Bundesgebiet prognostiziert.

Gegen den Kläger sind seit seiner Einreise in das Bundesgebiet im Mai 2011 bereits vier Strafen verhängt worden, wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 StVG in einem Fall und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG in drei weiteren Fällen. Die zugrunde liegenden Taten hat der Kläger am D., am E., am F. und am G. begangen. Selbst die wiederholte strafgerichtliche Ahndung und die zunehmende Höhe der verhängten Strafen hielten den Kläger von der Begehung weiterer gleicher Straftaten nicht ab. Die zuletzt geahndete Tat beging der Kläger nach Erlass der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung vom 10. Dezember 2014 und während des noch laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Dem Kläger fehlt insoweit jede Einsicht in das verwirklichte Unrecht. Anhaltspunkte für eine zukünftige Verhaltensänderung fehlen. Aus diesen Umständen des konkreten Einzelfalls kann, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob mit Blick auf die gefährdeten Rechtsgüter und das Ausmaß eines möglichen Schadens auch ein abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. hierzu im Einzelnen: BVerwG, Urt. v. 4.10.2012, a.a.O.), auf eine für die Feststellung einer Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG hinreichende Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass der Kläger erneut ein nach § 21 Abs. 1 StVG sanktioniertes Fehlverhalten begehen wird.

2. Das Verwaltungsgericht hat auch das Vorliegen eines schwerwiegenden Ausweisungsinteresses im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG zutreffend bejaht.

Das Ausweisungsinteresse wiegt nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Diese Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, er hingegen immer beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig, oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1996 - BVerwG 1 C 9.94 -, BVerwGE 102, 63, 66 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.4.2010 - 8 PA 27/10 -, juris Rn. 7 (jeweils zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.)). Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich kein geringfügiger Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1996, a.a.O. (zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.)). Nach diesen Maßgaben wiegen die wiederholten, vom Kläger in drei Fällen vorsätzlich begangenen Straftaten schwer im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG.

Für den Senat besteht derzeit keine Veranlassung, den so - in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. - bestimmten Anwendungsbereich des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG mit Blick auf etwaige Wertungswidersprüche zu den insbesondere in § 54 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 AufenthG benannten Ausweisungsinteressen teleologisch zu reduzieren (vgl. hierzu Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BR-Drs. 642/14 (B), S. 25 f.; Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/4199, S. 6; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10.10.2016 - 2 O 26/16 -, juris Rn. 9 ff.). Die in den Katalogen der Absätze 1 und 2 des § 54 AufenthG konkretisierten Ausweisungsinteressen sind vom Bundesgesetzgeber alle als schwerwiegend bewertet worden. Die zugrunde liegenden Handlungen sind aber ersichtlich nicht gleicher Art und auch nicht in gleicher Weise sanktioniert oder pönalisiert. Angesichts der teilweise erheblichen Unterschiede erscheint es kaum möglich, bereits bei der Bestimmung des tatbestandlichen Anwendungsbereiches der in den Katalogen der Absätze 1 und 2 des § 54 AufenthG konkretisierten Ausweisungsinteressen ein Gleichgewicht herzustellen (vgl. zu dieser Forderung: Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/4199, S. 6). Der Senat sieht hierfür auch keine Notwendigkeit. Das Anliegen, in § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG die Wörter "einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen" zu streichen, fand im Gesetzgebungsverfahren keine Mehrheit (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 18/5420, S. 13 und 15). § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ist vielmehr ausdrücklich eine Auffangfunktion zugedacht worden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4097, S. 52). Zudem ergibt erst die nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG vorzunehmende Abwägung unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob das Interesse an der Ausreise letztendlich überwiegt. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch einem Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG das den Umständen des Einzelfalles angemessene Gewicht zu verleihen.

3. Die Richtigkeit des Ergebnisses der vom Verwaltungsgericht nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthG vorgenommenen Abwägung ist hier durchgreifenden Zweifeln ausgesetzt; es spricht derzeit Vieles für ein Überwiegen des privaten Bleibeinteresses des Klägers.

Das Gewicht des öffentlichen Ausreiseinteresses ist mit Blick auf die bisherigen strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers deutlich zu relativieren. Fraglos hat der Kläger mit dem wiederholten Fahren ohne die erforderliche Fahrerlaubnis strafwürdiges Unrecht verwirklicht; auf erneute Rechtsverstöße ist mit den Mitteln des Strafrechts zu reagieren. Die für das bisherige Fehlverhalten konkret verhängten Geldstrafen in Höhe von 15 bis 90 Tagessätzen bewegen sich aber im untersten Bereich des in § 21 StVG, § 40 Abs. 1 StGB vorgesehenen Strafrahmens und deuten auf eine eher geringe Schwere des verwirklichten Unrechts hin. Hinzu kommt der Charakter des § 21 StVG als abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1990 - VI ZR 65/90 -, NJW 1991, 418, 419), das maßgeblich die Erwartung aller Verkehrsteilnehmer schützt, im motorisierten Straßenverkehr nur auf solche teilnehmenden Fahrzeugführer zu treffen, die in einem dafür vorgesehenen, auf die Bedürfnisse der Verkehrssicherheit ausgerichteten Verfahren nachgewiesen haben, über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges zu verfügen. Allein aus der Verwirklichung des Tatbestands des § 21 StVG kann mithin auf eine konkrete Gefährdung der Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer, die das Gewicht des öffentlichen Ausreiseinteresses deutlich erhöhen könnte, nicht geschlossen werden.

Demgegenüber wiegt das widerstreitende private Bleibeinteresse des Klägers schwer. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts übt der Kläger jedenfalls im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG sein Personensorgerecht für seine im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen minderjährigen vier Kinder aus. Dass dieses Bleibeinteresse als eher gering zu gewichten ist, weil der Kläger die Beziehung zu seinen minderjährigen Kindern maßgeblich mit Blick auf seine eigene aufenthaltsrechtliche Situation pflegt, vermag der Senat - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - derzeit nicht festzustellen. Es trifft zwar zu, dass anlässlich der Scheidung im Jahre 2010 das Sorgerecht für die minderjährigen vier Kinder durch die Entscheidung des Amtsgerichts Belgrad vom H. (Blatt 145 ff. der Beiakte 1/II) vollständig der Kindesmutter übertragen worden ist. Mit dieser Entscheidung wurde dem Kläger auf der Grundlage einer Vereinbarung der Kindeseltern gleichzeitig aber ein umfassendes Umgangsrecht mit den Kindern eingeräumt, und zwar täglich von 17 bis 19 Uhr, an jedem Wochenende und während der Sommerferien für 15 Tage. Dieses Umgangsrecht wird nach dem Vorbringen des Klägers und auch der Kindesmutter in der schriftlichen Erklärung vom 12. Mai 2015 (Blatt 31 der Gerichtsakte) seitdem regelmäßig ausgeübt. Der Kläger pflegt einen täglichen Kontakt mit seinen minderjährigen Kindern, nimmt mit diesen regelmäßig gemeinsame Mahlzeiten ein und kümmert sich auch um deren schulische und gesundheitliche Belange. Insbesondere die Tochter C. ist krankheitsbedingt auf die Unterstützung auch des Klägers angewiesen. Im sorgerechtlichen Verfahren hat das Amtsgericht Otterndorf nach persönlicher Anhörung der Kindeseltern im Beschluss vom I. - J. - (Blatt 26 ff. der Beiakte 4) dann auch festgestellt, dass zwischen dem Kläger und seinen minderjährigen Kindern "ein inniges Vater-Kind-Verhältnis" besteht, dass die Verantwortung für die Kinder von beiden Elternteilen tatsächlich bereits gemeinsam getragen wird und dass "es dem Wohl der Kinder nachhaltig dienlich (ist), ihren Vater auch als Sorgeberechtigten zu erleben". Hiernach besteht zwischen dem Kläger und seinen minderjährigen Kindern seit der Einreise in das Bundesgebiet vor mehr als sechs Jahren tatsächlich eine schutzwürdige familiäre Lebensgemeinschaft. Der Kläger nimmt seine Elternverantwortung wahr. Die minderjährigen Kinder sind zu ihrem Wohl auf die Aufrechterhaltung dieser Beziehung angewiesen. Dass diese Eltern-Kind-Beziehung allein oder auch nur maßgeblich deshalb gepflegt wird, weil der Kläger sich von ihr aufenthaltsrechtliche Vorteile verspricht, vermag der Senat - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - derzeit nicht festzustellen. Allein die zeitliche Kongruenz des Erlangens von Aufenthaltsrechten der minderjährigen Kinder und des Betreibens eines Sorgerechtsverfahrens ist hierfür angesichts der dargestellten sonstigen tatsächlichen Umstände nicht ausreichend.

Das so gewichtete private Bleibeinteresse überwiegt das öffentliche Ausreiseinteresse. Die bisherige strafrechtliche Delinquenz des Klägers und die daran anknüpfende Gefahr erneuter strafrechtlicher Verfehlungen rechtfertigen eine Aufhebung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinen minderjährigen vier Kindern nicht.

Das Berufungszulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren unter dem gerichtlichen Aktenzeichen

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fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, einzureichen. Die Begründung ist schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).