LAG Hamm, Urteil vom 18.10.2018 - 17 Sa 1437/17
Fundstelle
openJur 2019, 33174
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 - 6 Ca 256/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 1) wegen einer offenkundigen Unrichtigkeit wie folgt berichtigt wird:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.658,60 € und 3.063,51 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche der Klägerin.

Die 1953 geborene Klägerin ist seit dem 13.12.1982 an der griechischen Privatschule C als Lehrerin mit einem Bruttomonatsgehalt von 3879,51€ beschäftigt. Sie unterrichtet das Fach Deutsch.

Dem Arbeitsverhältnis liegen Arbeitsverträge vom 17.10.1984 (Bl. 3 d. A.des Parallelverfahrens der Parteien 17 Sa 263/18), vom 01.09.1992 (Bl. 5 - 7 d. A. 17 Sa 263/18) und vom 02.01.2007 (Bl. 4 d. A. 17 Sa 263/18) zugrunde.

Unter Nr. 3 des Arbeitsvertrages vom 01.09.1992 heißt es wie folgt:

Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt gemäß dem deutschen Bundesangestelltentarifvertrag.

Nr. 5 des Arbeitsvertrags enthält folgende Regelung:

Es wird Weihnachtsgeld gezahlt, dessen Betrag einem Monatsgehalt entspricht, in Höhe des Betrags von (des Monats Dezember) nach Abzug der entsprechenden Abzüge.

Die Lehrkraft, die diesen Vertrag unterzeichnet, akzeptiert und erkennt mit ihrer Unterschrift an, dass ihr dieses Weihnachtsgeld freiwillig gezahlt wird und dass die Zahlung des Weihnachtsgeldes, auch wenn sie über mehrere Jahre hinweg erfolgte, ihr nicht das Recht erteilt, Ansprüche auf dessen weitere obligatorische Zahlung zu erheben.

Es besteht kein Anrecht auf Weihnachtsgeld, wenn zum Zeitpunkt der Zahlung dieses Bonus der Arbeitsvertrag gekündigt wurde oder eine beteiligte Partei den Vertrag bis zum 31.12. gekündigt hat oder wenn die Gültigkeit dieses Vertrages aufgrund eines gemeinsamen Beschlusses der beteiligten Parteien endet. Dies gilt jedoch, wenn die Kündigung des Arbeitsvertrages aus Gründen erfolgt, die sich auf den gesamten Betrieb der Schule beziehen oder das dort beschäftigte Personal betreffen...

In Nr. 2 der Änderung des Arbeitsvertrages vom 02.01.2007 heißt es wie folgt:

Die Regelung des Arbeitsverhältnisses erfolgt nach dem deutschen Bundestarifvertrag der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte und des deutschen öffentlichen Dienstes vom 07.05.1992 mit rückwirkender Gültigkeit zum 01.01.1992.

Gemäß den obigen Ausführungen, den Änderungen der Beträge des deutschen Versicherungsträgers und der Anpassung des BAT am TV-L, gestaltet sich ihr Gehalt wie folgt: ...

Die Klägerin wurde aufgrund der Arbeitsvertragsänderung in die Entgeltgruppe 11 Stufe 5 TV-L eingruppiert.

Erhöhte sich das Gehalt nach den Vergütungsverträgen zum BAT bzw. den Tabellen zum TV-L, erhielt auch die Klägerin eine Gehaltserhöhung.

Mit Wirkung zum 01.01.2010 trat Artikel 1 des griechischen Gesetzes 3833/2010 - Schutz der nationalen Wirtschaft - dringende Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise - in Kraft. Der Auftrag zur Veröffentlichung des Gesetzes und zu dessen Ausführung als Gesetz datiert vom 11.03.2010. Dem Gericht ist eine von dem Beklagtenvertreter gefertigte Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt worden (Bl. 173 - 184 d. A.). Der Beklagtenvertreter ist durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Köln ermächtigter und beeidigter Dolmetscher für die griechische Sprache. Die Richtigkeit seiner Übersetzung ist zwischen den Parteien unstreitig. Artikel 1 Nr. 4 des Gesetzes 3833/2010 lautet wie folgt:

4. Bedienstete mit privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gem. Paragraph 2, für die die Bestimmungen von Gesetz 3205/2003 nicht gelten, werden von der Absenkung des Paragraphen 2 jene Zulagen ausgenommen, die mit dem Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne des ersten Absatzes von Paragraph 2 dieses Artikels gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um sieben Prozent (7 %) herabgesetzt.

Artikel 3 des Gesetzes betrifft die Einkommenspolitik des Jahres 2010. Nach Artikel 3 Nr. 1 sind ab Inkrafttreten des Artikels bis zum 31.12.2010 Abschluss und Gewährung von Erhöhungen auf die Gehälter und Bezüge unter anderem der Angestellten im öffentlichen Dienst im Allgemeinen nicht gestattet.

Mit Wirkung zum 01.06.2010 trat Artikel 3 des Gesetzes 3845/2010 in Kraft, das am 06.05.2010 mit Auftrag zur Veröffentlichung und Ausführung unterzeichnet wurde.

Artikel 3 Nr. 3 des Gesetzes lautet wie folgt:

3. Bei Bediensteten mit Arbeitsverträgen des Privatrechts gem. Par. 2 Art. 1 Ges. 3833/2010, die den Bestimmungen von Gesetz 3205/2010 nicht unterliegen, sind von der Kürzung des Paragraphen 1a die Zulagen ausgenommen, die vom Familienstand oder der dienstlichen Entwicklung zusammenhängen, ebenso die mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Berufen oder einem Zusatzstudium verbundenen Zulagen. Wenn den o.g. Bediensteten keine Zulagen, Vergütungen oder Honorare im Sinne von Paragraph 1 gezahlt werden, dann werden die Bezüge aller Art um drei Prozent (3 %) herabgesetzt.

Artikel 3 Nr. 6 enthält folgende Regelung:

6. Die Weihnachts-, Oster- und Urlaubszulagen, welche von jeglichen Allgemein- oder Sonderbestimmung und Tarifklauseln, Arbeitsverträgen, Schiedssprüchen, und Einzelverträgen oder Schiedssprüchen für die Bediensteten im Anwendungsbereich der Paragraphen 1 bis 4 einschließlich, ebenso für die Bediensteten im Anwendungsbereich des Paragraphen 5 werden wie folgt festgelegt:

a) Die Weihnachtszulage auf fünfhundert (500) Euro.

b) Die Osterzulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.

c) Die Urlaubszulage auf zweihundertfünfzig (250) Euro.

Die oben erwähnten Zulagen werden entrichtet, wenn alle ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen, einschließlich der Zulagen des vorangegangenen Absatzes, innerhalb eines Kalenderjahres den Betrag von insgesamt dreitausend (3.000) Euro pro Monat nicht übersteigt.

Wenn mit der Entrichtung der Zulagen des ersten Absatzes dieses Paragraphen die ordentlichen Bezüge, Zulagen und Vergütungen aller Art diesen Betrag übersteigen, denn werden sie bei entsprechender Kürzung bis zur Grenze der dreitausend (3.000) Euro pro Monat entrichtet.

Aus Artikel 3 Nr. 8 ergibt sich, dass die Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen alle Allgemein- oder Sonderbestimmungen und Tarifklauseln, Arbeitsverträge, Schiedssprüche und Einzelverträge überwiegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesetzes und seiner Anhänge wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 25.11.2013 überreichte Übersetzung ihres Prozessbevollmächtigten (Bl. 194 - 201 der Akte) verwiesen. Die Klägerin bestreitet die Richtigkeit der Übersetzung nicht.

Mit Schreiben vom 15.06.2010 erklärte die Beklagte der Klägerin, sie werde die Tarifentgelte mit Wirkung zum 01.01.2010 unter Zugrundelegung des Gesetzes 3833/2010 um 7 % und mit Wirkung zum 01.06.2010 auf der Grundlage des Gesetzes 3845/2010 um weitere 3 % kürzen. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 12.07.2010 (Bl. 5 - 7 d.A.).

Tatsächlich ergaben sich Entgeltdifferenzen in Höhe von 2.658,53 Euro, die die Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit geltend macht. Die Beklagte leistete für 2010 die Jahressonderzahlung von 3.063,51 Euro nicht. Wegen der Berechnung der Differenzen im Einzelnen wird auf den Tatbestand des Urteils des LAG Hamm vom 24.11.2011 - 17 Sa 1066/11 - verwiesen.

Mit Schreiben vom 21.10.2010, der Klägerin am 12.11.2010 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und bot ihr die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen an.

Die Kündigung erfolgte in griechischer Sprache. In der vorgelegten Übersetzung (Bl.6 d. A.17 Sa 263/18) heißt es wie folgt:

...im Hinblick auf die Bewältigung der Wirtschaftskrise und die Anwendung des Unterstützungsmechanismus der griechischen Wirtschaft durch die Mitgliedsstaaten der Eurozone sowie durch den Internationalen Währungsfonds hat der griechische Staat Gehaltskürzungen veranlasst bei allen Beschäftigten / Gehaltsempfängern des griechischen Staates (Gesetze 3833/201 und 3845/2010). Bei Verträgen der Art wie Ihrem wurde eine Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 7 % und 3 % beschlossen, d. h. 257,60 € monatlich, sowie die Einstellung der Jahressonderzahlung, die an Stelle des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gezahlt wurde. Der Einbehalt der Kürzung Ihrer Bezüge um 7 % erfolgte ab dem 01.01.2010 und um 3 % ab dem 01.06.2010.

Aufgrund des oben Gesagten kündigen wir hiermit den mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrag aus wichtigem Grund, unmittelbar und ohne Wahrung der Kündigungsfrist. Gleichzeitig bieten wir Ihnen den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit den folgenden Bedingungen an:

1. Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 257,60 € monatlich.

2. Einstellung der Jahressonderzahlung.

Ergänzend teilen wir Ihnen mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet werden, sondern nach Beschluss Ihres Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.

Die übrigen Bedingungen des bestehenden Vertrages bleiben unverändert.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Übersetzung in Absatz 3 des Kündigungsschreibens wie folgt zu lauten hat:

"Zusätzlich machen wir Ihnen bekannt, dass zukünftig die Erhöhungen Ihrer Vergütung nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag TV-L gezahlt werden, sondern nach Beschluss des Arbeitgebers, d. h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.

Die restlichen Bedingungen des vorhandenen Vertrages bleiben wie gehabt."

Die Klägerin nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 16.11.2010 (Bl. 7 d. A. 17 Sa 263/18) unter Vorbehalt an.

Mit ihrer am 28.01.2011 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage begehrt sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Entgeltdifferenzen.

Sie hat ausgeführt:

Auf das Arbeitsverhältnis findet das deutsche Arbeitsrecht Anwendung. Danach sei die Beklagte zu einer einseitigen Gehaltskürzung nicht berechtigt.

Sie hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.658,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.063,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Aufgrund ihrer miserablen wirtschaftlichen Lage habe sie gemäß den Vereinbarungen mit den Darlehn gewährenden Ländern durch Gesetze unter anderem die Herabsetzung aller Löhne um 7 % ab dem 01.01.2010 und um weitere 3 % ab dem 01.06.2010 sowie die Herabsetzung bzw. Abschaffung aller Gratifikationen beschlossen. Die Gesetze beträfen alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten gleichermaßen, unabhängig von ihrem Status als Beamte oder Angestellte. Sie habe ihre Beschäftigten im Ausland von den Regelungen nicht ausnehmen können.

Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei aufgrund der wirtschaftlichen Probleme unabweisbar.

Mit Urteil vom 04.05 2011 hat das Arbeitsgericht Bielefeld die Beklagte verurteilen, an die Klägerin 2.658,53 Euro brutto und 3.063,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 24.11.2011 (17 Sa 1066/11) das Urteil abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klage stehe ein Verfahrenshindernis entgegen, da die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei.

Auf die zugelassene Revision der Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.04.2013 (Bl. 126 - 130 d. A.) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.11.2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision zurückverwiesen. Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht und ausgeführt, deutsches Recht sei anwendbar; das Landesarbeitsgericht habe entsprechend zu prüfen, ob die griechischen Gesetze die Beklagte berechtigten, unmittelbar in die Entgeltstruktur einzugreifen.

In dem Rechtsstreit des Kollegen der Klägerin gegen die Beklagte (17 Sa 999/13) hat das Landesarbeitsgericht Hamm am 03.04.2014 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 - 6 Ca 257/11 - zurückgewiesen. Mit Urteil ebenfalls vom 03.04.2014 (17 Sa 1387/13) hat es in dem Kündigungsschutzverfahren des Kollegen das der Kündigungsschutzklage stattgebende arbeitsgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen teilweise abgeändert und unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche, fristlose Änderungskündigung der Beklagten unwirksam ist.

Auf die Revision der Parteien hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20.10.2017 (2 AZR 783/16 (F) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 03.04.2014 (17 Sa 1387/13) aufgehoben soweit es auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld abgeändert hat. Die Berufung und Revision der Beklagten wurde insgesamt zurückgewiesen.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts wird auf das Urteil vom 20.10.2017 (BAGE 160, 364) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 26.04.2017 (5 AZR 747/16 (F)) hat es in dem Zahlungsprozess des Kollegen der Revision der Beklagten insoweit stattgegeben, als es die Klage bezüglich der von der Wirksamkeit der Änderungskündigung abhängigen Ansprüche als derzeit unbegründet angesehen hat.

Die Beklagte führt nunmehr aus:

Die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 beanspruchten internationale Geltung. Sie seien nicht auf griechische Tarifverträge oder Verträge beschränkt. Sie unterhalte überall in der Welt Schulen, Kulturinstitute und Konsulate, an denen sie nicht nur Beamte, sondern auch Ortskräfte beschäftige. Die mit den Ortskräften geschlossenen Verträge richteten sich nach verschiedenen Tarifverträgen bzw. unterschiedlichen Rechtsordnungen.

Sie sei nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.

Die Parteien hätten die Anwendbarkeit deutschen Rechts nicht vereinbart. Nach Artikel 30 Abs. 2 EGBGB unterliege ein Arbeitsvertrag dann nicht den Regeln des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweise. Das sei hier gegeben.

Die Anwendung der griechischen Gesetze sei auch nicht mit deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar. Sie stellten Eingriffsnormen im Sinne der deutschen Rechtsordnung dar.

Zu berücksichtigen sei ferner, dass ihre Haushaltsgesetze Geschäftsgrundlage für den mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrag seien. Ende Februar/Anfang März 2010 sei sie finanziell nicht mehr in der Lage gewesen, die Löhne für ihre Bediensteten aufzubringen. Sie sei dringend auf fremde Hilfe angewiesen gewesen, um eine Insolvenz und den Austritt aus der Währungsunion zu verhindern. Die Gläubigerländer, zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland gehöre, hätten Hilfeleistungen von Bedingungen abhängig gemacht, unter anderem von der Bedingung, die Gehälter der öffentlichen Bediensteten zu kürzen. Diese Vorgaben habe sie mit den vorgelegten Gesetzen umgesetzt. Sie habe kein anderes Mittel gehabt, die Ausgaben erheblich zu senken. Entsprechend sei auch der Arbeitsvertrag der neuen Geschäftsgrundlage anzupassen.

Die Parteien hätten hinsichtlich der Weihnachtsvergütung eine eigenständige Regelung getroffen. Die Zahlung der Gratifikation stehe unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt. Das AGB-Recht finde auf diese Klausel keine Anwendung, da sie zwischen den Parteien individuell vereinbart worden sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.04..2011 - 6 Ca 256/11 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:

Die deutsche Gerichtsbarkeit sei zu bejahen. Auf ihr Arbeitsverhältnis sei deutsches Recht anwendbar.

Den griechischen Gesetzen sei weder nach europäischem noch deutschem Internationalen Privatrecht unmittelbare Wirkung für ihr Arbeitsverhältnis zu verleihen. Es gehe nicht um Eingriffsnormen des Erfüllungsortes, der in Deutschland liege.

Zu berücksichtigen sei auch, dass vom Vertragsstatus abweichende Normen nach den Vorschriften des IPR nur dann Geltung beanspruchen könnten, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger seien.

Die griechischen Gesetze beanspruchten keine internationale Geltung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug benommen.

Gründe

A.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

I.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.04.2013 (5 AZR 81/12) bestehen keine Bedenken mehr gegen die Zulässigkeit der Klage.

II.

Sie ist auch begründet.

1.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt aufgrund ihrer Rechtswahl dem deutschen Recht, wie das Bundesarbeitsgericht bereits in seinem Urteil vom 10.04.2013 (Rdnr. 22, 23) angemerkt und mit Urteilen vom 26.04.2017 (5 AZR 747/16 (F), (5 AZR 962/13 - Rdnr. 26) entschieden hat. Auch im vorliegenden Fall haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 03.11.1992 auf das deutsche Tarifrecht, den BAT, und auf deutsche Schulvorschriften (BASS 21-21, Nr. 53) Bezug genommen.

Aus der Änderung des Arbeitsvertrags vom 02.01.2007 wird ebenfalls deutlich, dass deutsches Tarifrecht, nämlich nach Ablösung des BAT der TV-L für die Vergütung Anwendung findet.

Das gilt nach der Änderungskündigung auch für die Jahressonderzahlung.

2.

Der Anspruch auf Zahlung von Entgeltdifferenzen in Höhe von 2.658,60 Euro brutto für die Zeit von Januar 2010 bis Dezember 2010 rechtfertigt sich aus § 611 a Abs. 2, 611 Abs. 1 BGB i. V. mit Nr. 3 des Arbeitsvertrages vom 03.11.1992 i. V. mit der Entgelttabelle zum TV-L.

a.

Über die Höhe der Entgeltdifferenz besteht kein Streit.

Das erstinstanzliche Urteil war gemäß § 319 ZPO wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit zu berichtigen. Die Klägerin hat ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 04.05.2011 rechnerisch zutreffend die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 2.658,60 Euro begehrt. Versehentlich hat das Arbeitsgericht den Antrag im Tatbestand unzutreffend wiedergegeben und die Beklagte zur Zahlung von 2.658,53 Euro verurteilt.

b.

Die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 haben die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung der Klägerin nicht gekürzt.

aa. Das deutsche Recht lässt - für sich betrachte - eine einseitige Änderung arbeitsvertraglich vereinbarter Arbeitsbedingungen ohne Änderungsvertrag oder ohne Änderungskündigung nicht zu. Auch in einer finanziellen Notlage kann der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung nicht einseitig kürzen (BAG 26.04.2017 - 5 AZR 962/13 - Rdnr. 28).

bb. Die griechischen Gesetze können auch nicht als sogenannte drittstaatliche Eingriffsnormen Beachtung beanspruchen (BAG 26.04.2017 - 5 AZR 962/13 - Rdnr. 31 - 33).

c. Die Klägerin war nicht nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, unter Berücksichtigung der griechischen Gesetze und der finanziellen Situation der Beklagten einen "Sanierungsbeitrag" zu leisten. Das deutsche Arbeitsrecht kennt keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, aus Rücksicht auf die finanzielle Lage des Arbeitgebers dauerhafte Gehaltskürzungen ohne eine Vertragsänderung hinzunehmen (BAG 26.04.2017 - 5 AZR 962/13 - Rdnr. 36).

d. Die außerordentliche, fristlose Änderungskündigung der Beklagten, der Klägerin am 10.11.2010 zugegangen, ist rechtsunwirksam, wie das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 18.10.2018 (17 Sa 263/18) festgestellt hat.

e. Die Klägerin hat die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L bzw. des § 70 BAT gewahrt. Die diesbezüglichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts wurden mit der Berufung nicht angegriffen.

f. Der Zinsausspruch ist ebenfalls nicht mit der Berufung angegriffen worden. Er folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 247 BGB i. V. m. § 24 Abs. 1 TV-L.

3. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 3.063,51 Euro brutto folgt aus §§ 611 a Abs. 2, 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 20 TV-L.

a. Die Voraussetzungen der Tarifvorschrift sind erfüllt. Die Klägerin war am 01.12.2010 bei der Beklagten beschäftigt, § 20 Abs. 1 TV-L.

aa. § 20 TV-L ist anwendbar. Unstreitig ist, dass der Klägerin die tarifliche Sonderzahlung bis 2009 stets gewährt wurde. Aus der Änderungskündigung von November 2010 ergibt sich, dass die Beklagte selbst von der Anwendung des § 20 TV-L ausgegangen ist. Sie hat ausgeführt:

Bei Verträgen der Art wie Ihrem wurde eine Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 7 % und 3 % beschlossen, d. h. 329,68 Euro monatlich, sowie die Einstellung der Jahressonderzahlung, die anstelle des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gezahlt wurde.

bb. Selbst wenn die Kammer zu Gunsten der Beklagten davon ausgeht, dass die Parteien in Nr. 3 des Arbeitsvertrages vom 01.09.1992 lediglich die Anwendung des BAT, jedoch im Hinblick auf Nr. 5 des Arbeitsvertrages nicht die Anwendung der Tarifverträge über eine Sonderzuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 vereinbart haben, die Beklagte nach Ablösung des BAT nicht § 20 TV-L zur Rechtsgrundlage für die Zahlung einer Sonderzuwendung gemacht hat, besteht ein Anspruch in der geltend gemachten Höhe.

In Nr. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages vom 01.09.1992 hat sich die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin ein Weihnachtsgeld zu zahlen, das dem damaligen Monatsgehalt nach Nr. 4 des Arbeitsvertrages entsprach. Wie ausgeführt, ist bis zum Jahre 2009 eine Sonderzuwendung / ein Weihnachtsgeld durchgängig gezahlt worden.

Der mit der Zusage verbundene Freiwilligkeitsvorbehalt steht einer Entstehung des Anspruchs auch für das Jahr 2010 nicht entgegen. Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Intransparenz unwirksam.

(1) Nr. 5 des Arbeitsvertrages ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung, selbst wenn die Beklagte die Klausel nicht im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen gestellt hat. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB findet § 307 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen zwischen Verbraucher und Unternehmer auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.

Hier hat die Beklagte den Arbeitsvertrag vom 01.09.1992 vorformuliert. Es handelt sich um einen Verbrauchervertrag (BAG 25.05.2005 - 5 AZR 572/04 - Rdnr. 39, BAGE 115, 19).

Die Parteien haben Nr. 5 des Arbeitsvertrages nicht ausgehandelt, wie die Beklagte meint. Allgemeine Vertragsbedingungen sind dann nicht gestellt, wenn der Verwender vom anderen Vertragsteil mit einem Formulierungsvorschlag konfrontiert wird, dieser in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und Gelegenheit hat, alternative eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen (ErfK/Preis, 18. Aufl., § 310 BGB Rdnr. 22).

Dazu fehlt es an Sachvortrag der Beklagten.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Anhaltspunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BAG 20.02.2013 - 10 AZR 177/12 - Rdnr. 16).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen sich die Kammer anschließt, hat die Klägerin Anspruch auf die Zahlung eines Weihnachtsgeldes. Eine Formulierung, nach der eine Leistung "gezahlt wird", ist typisch für die Begründung eines Anspruchs (BAG 20.02.2013 a. a. O. Rdnr. 17). Darüber hinaus ist die Höhe präzise festgelegt.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Freiwilligkeitsvorbehalt in Nr. 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages, wonach die Zahlung des Weihnachtsgeldes freiwillig sein und auch bei Zahlung über mehrere Jahre kein Recht der Klägerin auf die Leistung entstehen sollte.

Die Regelung verstößt gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt nicht schon vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB (BAG 20.02.2013 a. a. O. Rdnr. 19).

Der Vorbehalt in Nr. 5 des Arbeitsvertrages soll in jedem Fall ausschließen, dass die Zahlung des Weihnachtsgeldes einen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig. Die Klausel steht jedoch in einem Widerspruch zu dem in Nr. 5 Abs. 1 gewährten Anspruch auf ein Weihnachtsgeld. Sie ist deshalb nicht klar und verständlich (dazu auch BAG 20.02.2013 a. a. O. Rdnr. 20; 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 - Rdnr. 45, BAGE 127, 185).

Gemäß § 306 Abs. 1 BGB entfällt der unwirksame Freiwilligkeitsvorbehalt ersatzlos. Der Vertrag bleibt im Übrigen bestehen.

b. Die geltend gemachte Höhe folgt aus zum einen § 20 Abs. 2 TV-L, zum anderen aus Nr. 5 des Arbeitsvertrags. In der Entgeltgruppe 11 beträgt die Jahressonderzahlung 80 % des Entgeltes nach § 20 Abs. 3 TV-L. Nach der vertraglichen Abrede entspricht das Weihnachtsgeld einem Bruttomonatsgehalt. Die Beklagte hat gegen die Höhe keine Einwendungen erhoben.

c. Die Klägerin hat durch Eingang ihrer Klage am 28.01.2011 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld, der Beklagten am 03.03.2011 zugestellt, die Ausschlussfrist nach § 37 TV-L gewahrt.

d. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 247 BGB i. V. m. § 24 Abs. 1 TV-L.

B:

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Zitate10
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte