BGH, Beschluss vom 05.09.2019 - III ZR 29/19
Fundstelle
openJur 2019, 33122
  • Rkr:
Tenor

Die von der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Liebert unter dem 9. Juli 2019 angezeigten Umstände rechtfertigen nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Der Streitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde und die Beschwer der Beklagten werden auf 10.000,84 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger, ein in die Liste nach § 4 UKlaG aufgenommener Verbraucherschutzverein, nimmt die Beklagte auf Unterlassung mehrerer Handlungen in Anspruch. Das Oberlandesgericht ist von einer Beschwer der Beklagten durch das Berufungsurteil in Höhe von 15.000,84 € ausgegangen. Die Beklagte macht geltend, die Beschwer betrage 20.000,84 €, unter anderem weil sie durch die in zwei Anträgen beschriebene Praxis allein im Mai 2019 Schäden in einer 100.000 € übersteigenden Höhe liquidiert habe. Zur Glaubhaftmachung hat sie die eidesstattliche Versicherung eines Mitarbeiters vorgelegt.

Die Richterin Dr. Liebert hat angezeigt, diesen Mitarbeiter persönlich zu kennen. Er sei der Trainer der Jugendfußballmannschaft ihres Sohnes. Sie habe mit ihm den in diesem Rahmen üblichen regelmäßigen Kontakt. Die Parteien haben hierzu eine Stellungnahme nicht abgegeben.

II.

1. Die Bekanntschaft zwischen der Richterin und dem Mitarbeiter der Beklagten, der die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, begründet die Besorgnis der Befangenheit der Richterin im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO nicht. Der Umstand, der durch die Erklärung glaubhaft gemacht werden soll, ist offensichtlich nicht entscheidungserheblich, so dass es einer Würdigung der eidesstattlichen Versicherung nicht bedarf.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert sich die Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen regelmäßig an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klauseln. Um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen, hat die wirtschaftliche Bedeutung der Verbote, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer hingegen keine ausschlaggebende Bedeutung. Dies gilt nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungsprozess unterliegenden Verwenders. Dieser Wert beträgt 2.500 € je angegriffener Teilklausel (vgl. zum Ganzen zuletzt Senat, Beschluss vom 19.

Januar 2017 - III ZR 296/16, juris Rn. 4 f mwN). Gleiches gilt, wenn nicht ein Verstoß gegen ein Klauselverbot, sondern dessen Umgehung nach § 306a BGB geltend gemacht wird. Voraussetzung des § 306a BGB ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat -, dass die angegriffene Gestaltung wirkungsgleich gegenüber einer Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist. Bei gleicher Wirkung ist aber auch das Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben der fraglichen Maßnahme gleich zu bewerten (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Februar 2014 - 6 U 84/13, juris Rn. 93). Dass die Beklagte einwendet, es liege kein Fall des § 306a BGB vor, ändert an der Beurteilung nichts. Ob dies der Fall ist, ist gerade Gegenstand des Streits der Parteien. Gleiches gilt bei der vorliegenden Verurteilung nach § 1 UKlaG, §§ 307 bis 309 BGB hinsichtlich der hier ebenfalls in Bezug auf eine Klausel streitigen Frage, ob eine Inhaltskontrolle überhaupt eröffnet ist.

Nach diesen Grundsätzen beträgt die Beschwer für die angegriffenen Verurteilungen zu 1. a) (1) bis (3) und 1. b) (2) jeweils 2.500 €, mithin 10.000 €, zu denen 0,84 € (Verurteilung zu 2.b) hinzuzurechnen sind. Die Verurteilung zu 2. a) bleibt gemäß § 4 Abs. 1, Halbsatz 2 ZPO unberücksichtigt.

Gründe dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen, bestehen nicht. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Bemessung mit einem höheren Wert Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (vgl. Senat, aaO mwN).

Solche Gründe sind jedoch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Soweit die Beklagte zur Begründung einer höheren Beschwer unter Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des mit der Richterin bekannten Mitarbeiters geltend macht, durch die Verurteilung an ihrer Praxis zur Liquidierung von Schäden in Höhe von mehr als 100.000 € monatlich gehindert zu sein, handelt es sich allein um wirtschaftliche Belastungen der Beklagten, die aus oben dargelegten Erwägungen bei der Bemessung der Beschwer in Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz keine entscheidende Rolle spielen; auf die Erklärung des fraglichen Mitarbeiters kann es also nicht ankommen. Soweit die Beklagte auf entsprechende Probleme aller größeren Unternehmen mit Privatkundenkontakt verweist, ist jedenfalls nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass diese sich derselben Praxis wie hier streitgegenständlich bedienen.

2. Über die Festsetzung der Beschwer und des Streitwertes des Rechtsmittelverfahrens entscheidet der Senat ungeachtet von Nummer 1 ohne Beteiligung der Richterin Dr. Liebert, weil sie urlaubsabwesend und daher an der Mitwirkung gehindert ist. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt aus den unter 1.) dargelegten Gründen 10.000,84 €.

Herrmann Reiter Arend Böttcher Kessen Vorinstanzen:

LG Kiel, Entscheidung vom 19.03.2018 - 6 O 351/15 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 07.02.2019 - 2 U 5/18 -