VG Frankfurt am Main, vom 09.03.2016 - 5 K 1868/15.F
Fundstelle
openJur 2019, 32542
  • Rkr:

Da sichergestellte Sachen nicht rechtsgeschäftlich in Verwahrung gegeben werden, sondern nach § 41 Abs. 1 Satz 1 HSOG gesetzlich begründet in Verwahrung zu nehmen sind, trägt das Verwahrungsverhältnis keinen Rechtsgrund in sich selbst und kommt es für die Dauer der Verwahrung auf das Fortbestehen des Sicherstellungsgrundes an, um die fortdauernde Duldungsverpflichtung rechtfertigen zu können.

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Polizeipräsidiums Südosthessen vom 18. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums Südosthessen vom 10. April 2015 verurteilt, an den Kläger 15 580 Euro nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2015 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20 000 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Herausgabe sichergestellten Geldes.

Der Kläger ist Inhaber der Firma "Caf? B" in C-Stadt und führt an, am Abend des Donnerstags, dem 10. April 2014, Herrn J. den Kassenbestand in Höhe von 15 580 Euro zur Verwahrung übergeben zu haben, da er sich Tags darauf auf eine Geschäftsreise ins Ausland habe begeben müssen. Am 11. April 2014 habe sich Herr J. auf dem Weg ins "Caf? B", einer Annahmestelle für Sportwetten und eine Sports Bar, befunden, als bei einer polizeilichen Kontrolle nach einer allgemeinen Verkehrskontrolle bei ihm das Bargeld in Höhe von 15 580 Euro gefunden sowie dann nach den §§ 111b, 111c StPO sichergestellt wurde. Ein gegen Herrn J., über den bereits polizeiliche Erkenntnisse wegen illegalem Handel mit Betäubungsmitteln und Verstoßes gegen das Waffengesetz vorlagen, eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Geldwäsche/Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte wurde von der Staatsanwaltschaft Hanau durch Verfügung vom 6. Mai 2014 - 1140 Js .../14 - nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt; bereits am 24. April 2014 hatte die Staatsanwaltschaft Hanau durch mündliche Verfügung die Freigabe des Geldes erklärt. Da für die Polizei jedoch die legale Herkunft des Geldes und dessen Eigentümer fraglich waren und die Befürchtung bestand, dass bei Rückgabe des Geldes dieses in strafbarer Weise gebraucht würde, wurde durch Verfügung des Polizeipräsidiums Südosthessen an Herrn J. vom 24. April 2014 die Sicherstellung des Geldes nach § 40 Nr. 2 und 4 HSOG unter Anordnung des Sofortvollzugs bestimmt. Mit Schreiben vom 29. April 2014 meldete sich die Bevollmächtigte des Klägers für Herrn J. und legte gegen diese Verfügung Widerspruch ein, zu deren Begründung sie anführte, dass es sich bei dem Geld um den Kassenbestand der Firma "Caf? B" des Klägers handele, zu dessen Verwahrung und bestimmungsgemäßen Verwendung Herr J. berechtigt gewesen sei. Mit Schreiben an das Polizeipräsidium Südosthessen vom 8. Mai 2014 wiederholte und vertiefte die Bevollmächtigte des Klägers diese Begründung und wiederholte das Herausgabeverlangen, wobei sie mit Schreiben vom 13. Mai 2014 sich als Empfangsbevollmächtigte anführte. In der Anlage eines Schreibens vom 26. Mai 2014 legte die Bevollmächtigte des Klägers eine eidesstattliche Versicherung vor, in der der Kläger die Richtigkeit des bisherigen Sachvortrags bestätigte. Durch Widerspruchsbescheid vom 18. August 2014 wies das Polizeipräsidium Südosthessen den Widerspruch von Herrn J. gegen die Sicherstellungsverfügung vom 24. April 2014 zurück und vertiefte zur Begründung, warum von einem Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Nr. 2 und 4 HSOG auszugehen sei. Klage hiergegen wurde nicht erhoben.

Durch Bescheid ebenfalls vom 18. August 2014 lehnte das Polizeipräsidium Südosthessen die Herausgabe der sichergestellten Banknoten im Wert von insgesamt 15 580 Euro ? 28 Banknoten zu 500 Euro, einer Banknote zu 200 Euro, zehn Banknoten zu 100 Euro, sieben Banknoten zu 50 Euro und drei Banknoten zu 10 Euro an den Kläger ab. Zur Begründung führte das Polizeipräsidium Südosthessen im Wesentlichen an, zum einen seien die Voraussetzungen für eine Sicherstellung gegenüber dem letzten Gewahrsamsinhaber nicht weggefallen, zum anderen habe der Kläger seine Berechtigung nicht glaubhaft gemacht. Gegen den ihr nach eigenem Bekunden am 3. September 2014 zugestellten Bescheid legte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 23. September 2014 Widerspruch ein, den sie mit am 27. Februar 2015 beim Polizeipräsidium Südosthessen eingegangenem Schreiben begründete. Durch Widerspruchsbescheid vom 10. April 2015 wies das Polizeipräsidium Südosthessen den Widerspruch zurück und begründete, warum aus seiner Sicht die Voraussetzungen für eine Herausgabe des sichergestellten Geldes nicht vorlägen. Zugestellt wurde dieser Widerspruchsbescheid der Bevollmächtigten des Klägers am 24. April 2015 gegen Empfangsbekenntnis.

Am 21. Mai 2015 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage erhoben, mit der er den Bescheid des Polizeipräsidiums Südosthessen vom 18. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2015 angreift und die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des Bargelds in Höhe von 15 580 Euro begehrt. Zur Begründung weist der Kläger unter anderem darauf hin, dass in der inzwischen verstrichenen Zeitspanne von über einem Jahr niemand sich gemeldet habe, der Ansprüche an dem sichergestellten Geld geltend mache und führt aus, warum die Voraussetzungen des § 40 HSOG nicht vorlägen. Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermögliche nicht die Sicherstellung von Bargeld allein aufgrund eines bestehenden Gefahrenverdachts oder der Unterstellung seiner ungeklärten Herkunft; vielmehr sei die dauerhafte Entziehung deliktisch erlangter Vermögensgegenstände allein Gegenstand der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung in Gestalt des einfachen und erweiterten Verfalls nach den §§ 73 ff. StGB. Für ein Geldwäschedelikt fehle es bereits an hinreichenden Belegen für das Vorhandensein einer nach § 261 StGB erforderlichen Vortat; zwar sei das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eine solche Katalogtat, doch stehe gerade nicht fest, dass das sichergestellte Bargeld daraus herrühre. Bloße Vermutungen genügten hier nicht.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Polizeipräsidiums Südosthessen vom 18. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums Südosthessen vom 10. April 2015 zu verurteilen, das sichergestellte Bargeld in Höhe von 15 580 Euro nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt der Beklagte insbesondere in seiner Klageerwiderung vom 26. Juni 2015 aus, warum der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei. Eine Herausgabe des sichergestellten Geldes scheide aus, da die Sicherstellungsvoraussetzungen nach § 40 Nr. 2 und 4 HSOG weiterhin vorlägen. Das "Caf? B" öffne bereits um 11.00 Uhr, so dass das sichergestellte Bargeld bei der Kontrolle gegen 13.10 Uhr sich eigentlich bereits im Caf? hätte befinden müssen; auch sei die Begründung, die Aufbewahrung eines derartigen Geldbetrages im Wettbüro sei zu unsicher, mehr als fragwürdig; die vorgelegten Auszüge des Kassenbuchs für den Zeitraum vom 24. September 2013 bis zum 31. Dezember 2013 seien nicht geeignet, das rechtmäßige Eigentum des Klägers zu belegen, auch, weil es bereits formell nicht ordnungsgemäß geführt worden sei; schließlich habe der Kläger das Angebot der freiwilligen Abgabe von Fingerabdrücken zum daktyloskopischen Vergleich mit eventuellen Fingerabdrücken auf den Geldscheinen abgelehnt. Da Herr J. bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, stelle seine vom Kläger vorgetragene Beauftragung zur Verwahrung des Geldbetrages einen gewerberechtlichen Verstoß dar; auch der Kläger selbst sei bereits in ein Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Verdachts einer Straftat nach den §§ 261, 263 Abs. 2 und 3 StGB sowie § 54 KWG involviert gewesen, weswegen vom Amtsgericht Frankfurt am Main durch Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 7571 Js .../11 - der dingliche Arrest in das Vermögen des Klägers in Höhe von 275 616,26 Euro angeordnet worden sei. Die Behauptung des letzten Gewahrsamsinhabers und des Klägers, das Bargeld stamme aus dem Gewerbe des Klägers, sei deshalb als reine Schutzbehauptung zu werten.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 3. Juni 2015 (Blatt 26 d.A.), der Beklagte mit Schriftsatz vom 26. Juni 2015 (Blatt 35 d.A.) Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der vorgelegten Behördenakten (ein Ordner), der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Gründe

Das Gericht kann durch den Vorsitzenden entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit nach § 87a Abs. 2 VwGO erklärt haben.

Die zulässigerweise erhobene, kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist begründet, so dass der Beklagte unter Aufhebung der Sicherstellungsverfügung zur Leistung des sichergestellten Betrags an den Kläger zu verurteilen ist (I.), die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (II.) und eine Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung anzuordnen ist (III.), ohne dass hiergegen die Berufung zuzulassen wäre (IV.):

I.

Die Voraussetzungen für eine Sicherstellung des zunächst zu repressiven Zwecken vereinnahmten Geldes als Maßnahme der Gefahrenabwehr liegen nicht vor (1.). Der weitere Verbleib des zumindest wertmäßig noch im Verfügungsbereich des Beklagten vorhandenen Geldes verletzt den Kläger daher in seinen Eigentumsrechten, so dass der Beklagte zwecks Folgenbeseitigung zur Zahlung an den Kläger zu verurteilen ist (2.).

1. Die Voraussetzungen für eine präventive Sicherstellung der 15 580 Euro nach § 40 HSOG (hierzu allgemein VG Gießen, Urteil vom 9. Oktober 2012 - 4 K 905/12.GI -, juris Rn. 14 ff.) liegen nicht vor.

Das erkennende Gericht vermag dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof nicht in seiner Ansicht zu folgen, "dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsverfügung auf den Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen" sei (HessVGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 8 A 103/15 -, juris Rn. 19), sofern dies so verstanden werden soll, dass für die Beurteilung punktuell allein die Sach-, Rechts- und Beweislage im Zeitpunkt der Bekanntgabe oder unmittelbaren Ausführung einer präventiven Sicherstellung maßgeblich sei. Da sichergestellte Sachen nicht rechtsgeschäftlich nach den §§ 688 ff. BGB (ggf. in Verbindung mit § 62 Satz 2 HVwVfG) in Verwahrung gegeben werden, sondern nach § 41 Abs. 1 Satz 1 HSOG gesetzlich begründet in Verwahrung zu nehmen sind, das Verwahrungsverhältnis hier also keinen Rechtsgrund in sich selbst tragen kann, kommt es für die Dauer der Verwahrung auf das Fortbestehen des Sicherstellungsgrundes an, um die fortdauernde Duldungsverpflichtung rechtfertigen zu können. Die Ausführungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 30. Juni 2015 (a.a.O.) zur Erledigung der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts nach § 43 Abs. 2 HVwVfG sowie der damit verbundenen Herausgabepflicht sichergestellter Sachen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 HSOG bleiben dunkel. Sofern hier darauf abgestellt werden sollte, dass sich bei Annahme einer "Gefahr" erst im weiteren Verlauf herausstellen kann, dass objektiv keine Gefahrenlage bestanden hat - also eine sogenannte "Anscheinsgefahr" vorlag, die indes eine Gefahr in polizeirechtlichem Sinne darstellt -, trägt dies zur Problematik präventiver Sicherstellungen nichts bei, weil hierfür nichts anderes gilt.

Unabhängig davon war die präventive Sicherstellung des Geldes im Rechtsverhältnis zum Kläger bereits am 18. August 2014 nicht zu rechtfertigen. Da es sich bei Geld (ungeachtet des darin verkörperten Wertes) um eine Sache im Sinne von § 90 BGB handelt, kann Bargeld zwar prinzipiell nach § 40 HSOG sichergestellt werden (vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 690). Indes ist Geld - anders als manche anderen Sachen - an sich nicht gefährlich und kann sein bloßer Besitz perspektivisch nur dann eine Gefährdung oder gar Störung der öffentlichen Sicherheit beinhalten, wenn diesem eine Rechtsnorm - wie etwa die Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden (ABl. EU Nr. L 309 S. 9), nebst deren Anknüpfungen im nationalen Recht in Fällen nicht erfolgter Anmeldung - entgegensteht.

Unerheblich für die rechtliche Beurteilung einer präventiven Sicherstellung ist die anfangs seitens des Beklagten vertretene Ansicht, es handele sich um "inkriminiertes Geld". Soweit nämlich das sichergestellte Geld für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt worden sei, sind die Regelungen des Bundesrechts über Verfall und Einziehung der §§ 73 ff. StGB und die zu ihrer Sicherung vorgesehenen prozessualen Maßnahmen der §§ 111b ff. StPO vorrangig und abschließend (vgl. Rachor, a.a.O., E 693). Bestätigung findet diese Sicht insbesondere durch den Erweiterten Verfall nach § 73d StGB, der nicht repressivvergeltende, sondern präventivordnende Ziele verfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 -, BVerfGE 110, 1; die Novellierung durch Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 <BGBl. I S. 2350> hat hieran nichts geändert). Derartige Voraussetzungen sind, wie der Freigabe des Geldes durch die Staatsanwaltschaft Hanau am 24. April 2014 zu entnehmen ist, offenbar jedoch nicht gegeben; dass dem eine fehlerhafte Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft zugrunde liege, ist nicht ersichtlich und wäre hier auch unerheblich.

Die erforderlichen Voraussetzungen können aber auch nicht durch ein Ausweichen auf die präventive Regelung des § 40 Nr. 4 HSOG quasi substituiert werden. Nach § 40 Nr. 4 HSOG kann eine Sache sichergestellt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebraucht oder verwertet werden soll. "Tatsächliche Anhaltspunkte" rechtfertigen die Annahme, wenn es nach polizeilicher Erfahrung als möglich erscheint, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und hierfür bestimmte Indizien sprechen (vgl. Nr. 13.1.1 Satz 3 der Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung <VVHSOG>, hier noch in der Fassung vom 1. Februar 2010, StAnz. 8/2010 S. 322, nunmehr unverändert in der Fassung vom 10. November 2015, StAnz. 49/2015 S. 1226). Nur im Zusammenwirken der subjektiven Komponente polizeilicher Erfahrung mit der objektiven bestimmter Indizien ist in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise zu gewährleisten, dass nicht im Wesentlichen Vermutungen, sondern konkrete und im gewissen Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorliegen (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94, 2420, 2437/95 -, BVerfGE 100, 313 <395>; zu Bedenken wegen der Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsbefugnis siehe Hornmann, HSOG, 2. Aufl. 2008, § 40 Rn. 23 ff.). Wegen der Vorverlegung der Eingriffsschwelle durch § 40 Nr. 4 HSOG (vgl. Rachor, a.a.O., E 702) müssen an die zu verlangenden Indizien also eher hohe Anforderungen gestellt werden, um nicht die Grenzen der Eigentumsgewährleistung zu überschreiten. Solche sind hier nicht gegeben. Mit der Anknüpfung an das kriminelle Vorleben von Herrn J., bei dem man das Geld vorgefunden hat, sowie verschiedenen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger, verbleibt die Tatsachengrundlage im Bereich einer bloßen Möglichkeit, was nicht genügt (vgl. Hornmann, a.a.O., Rn. 26). In der Sachverhaltsschilderung der Strafanzeige gegen J. vom 11. April 2014 heißt es unter anderem:

"Der derzeit arbeitslose Beschuldigte gab an, dass das Geld einem 'Kumpel' gehören würde. Den Namen des 'Kumpels' wollte der Beschuldigte gegenüber der Polizei nicht angeben. Es besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte betreffendes Geld unrechtmäßig erlangt hat."

Zwar mag diese Einlassung im hohen Maße fraglich erscheinen, doch bestehen deshalb keine hinreichenden Indizien als indirekte Tatsachen dafür, dass dieses sichergestellte Geld bestimmt sei, für die Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebraucht oder verwertet zu werden. Vielmehr hat J. von Anfang an bekundet, dass das Geld nicht ihm gehöre, so dass eine - auch - präventive Sicherstellung vorübergehend auf § 40 Nr. 2 HSOG hätte gestützt werden können. Danach kann eine Sache sichergestellt werden, um die Eigentümerin oder den Eigentümer oder die rechtmäßige Inhaberin oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Indes entfiel dieser Rechtfertigungsgrund mit dem Bekunden des Klägers im Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 17. April 2014, dass das Geld ihm gehöre und er es J. am Abend des 10. April 2014 - nach Geschäftsschluss - zur Verwahrung übergeben habe. Auch wenn diese Darstellung ebenfalls mit erheblichen Zweifeln behaftet sein mag, ist es gleichwohl nicht Sache des Klägers, die beabsichtigte Verwendung des Geldes oder gar seine Herkunft plausibel darzustellen, um seine präventive Sicherstellung abzuwenden, sondern Sache des Beklagten, mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit aufzuzeigen, dass dieses Geld bei der Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten Verwendung finden werde (vgl. Rachor, a.a.O., E 690). Dies entspricht der Wertung des § 26 Abs. 2 HVwVfG (vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 26 Rn. 46 f.). Kommt ein Beteiligter seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, so kann eine Behörde ihre Überzeugungsbildung auf andere, bereits gewonnene Erkenntnisse stützen. Diese rechtfertigen hier aber keine präventive Sicherstellung. Bei der Sicherstellung von Geld, mithin dem Entzug von Zahlungsmitteln, muss die festgestellte Tatsachenbasis aufgrund objektiver Umstände die kriminelle Zweckbestimmung als nächstliegende Möglichkeit erkennbar werden lassen (VG Gießen, a.a.O, juris Rn. 16). Vorliegend lassen die Gesamtumstände in diese Richtung aber nur eine bloße Möglichkeit erkennen, was - wie bereits ausgeführt - nicht genügt. Irgendwelche konkreten Verwendungsabsichten sind nicht einmal ansatzweise objektiv erkennbar und bleiben so spekulativ. Anders als bei anderen Sachen ist die mögliche Zweckbestimmung von Geld als solchem allein aufgrund seiner Beschaffenheit typischerweise nicht festzustellen, was den Nachweis der Verwendungsabsicht erschwert, wenn kein konkreter Bezug zu einem tatsächlichen Geschehen gegeben ist; hieran vermag auch die konkrete Stückelung nichts zu ändern. Würden hier andere Maßstäbe angelegt, müsste konsequenterweise zur Erfüllung der polizeilichen Aufgabe der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten bestimmten Personen der physische Besitz von Geld untersagt werden können. Eine derartige Befugnis ist indes nicht ernstlich zu diskutieren, zumal auch nicht ersichtlich ist, dass - sollte die polizeiliche Annahme, der Kläger verwende seine Geldmittel für kriminelle Bestrebungen, zutreffen - gegen den Kläger ein gewerbe- oder gaststättenrechtliches Verfahren auf Untersagung wegen Unzuverlässigkeit anhängig sei. Bestrebungen, die "in den Gefahrenabwehrgesetzen unzulänglich geregelt[e]" (Hunsicker, Präventive Gewinnabschöpfung <PräGe> in Theorie und Praxis, 3. Aufl. 2008, S. 14) Sicherstellung und Verwertung von Geldbeträgen über Eingriffsbefugnisse wie § 40 Nr. 4 HSOG zu einem handhabbaren neuen Rechtsinstitut zu entwickeln, durch das über die der Gefahrenabwehr eigene Prognose auf strafrechtlicher Grundlage nicht zu erbringende Nachweise erübrigt werden, vermögen daher allenfalls in Einzelfällen eine präventive Sicherstellung von Geld zu rechtfertigen.

2. Zur Folgenbeseitigung ist der Beklagte nach § 113 Abs. 1 Satz 2, 3 VwGO zu verurteilen, an den Kläger das sichergestellte Geld zu zahlen, denn dem Kläger steht insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Die Nebenforderung auf Prozesszinsen beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Ortloff/Riese in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 90 Rn. 18).

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen, weil er unterlegen ist.

III.

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht, soweit es um die Aufhebung der Sicherstellung geht, auf § 167 Abs. 2 VwGO, soweit es über die darin genannten Kosten hinaus um die Verurteilung zur Zahlung an den Kläger geht, auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1, § 708 Nr. 11 ZPO. Dabei setzt das Gericht den Betrag der Hauptforderung, der vorgeleisteten Gerichtskosten, Anwaltskosten mit insgesamt 2,5 Gebühren, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer sowie die bisher aufgelaufenen Zinsen an und rundet die Summe im Hinblick auf Unwägbarkeiten angemessen auf.

IV.

Gründe, aus denen nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO die Berufung zuzulassen wäre, sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt keine Divergenz von der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vor, weil die Entscheidung nicht auf einer möglichen Abweichung hinsichtlich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts beruft.

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