LG Frankfurt am Main, vom 20.10.2017 - 2-25 O 547/16
Fundstelle
openJur 2019, 32408
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 12.666,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2016 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW ....

II.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.

III.

Die Beklagte zu 2) wird verpflichtet, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 562,16 € freizustellen.

IV.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V.

Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 62% und die Beklagte zu 1) 38%.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) zu 38%.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger zu 32 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

VI.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

VII.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 33.480,00 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Rückgewähr-, Feststellungs- und Freistellungsansprüche im Zusammenhang mit einem Neuwagenkauf.

Die Beklagte zu 1) ist Vertragshändlerin der ... die als Tochtergesellschaft der ... in den ... eingebunden ist, deren Muttergesellschaft die Beklagte zu 2) ist. Die Beklagte zu 2) ist zu 100% indirekt am Kapitel der Beklagten zu 1) beteiligt.

Der Kläger erwarb von der Beklagten zu 1) im August 2012 einen neuen Pkw ... zu einem Gesamtkaufpreis von 18.600,00 €. Die Auslieferung an den Kläger erfolgte nach Kaufpreiszahlung am 16.08.2012. In diesem Auto ist ein Dieselmotor des Typs ... verbaut, der vom sog. Abgasskandal betroffen ist. Herstellerin dieses Motors ist die Beklagte zu 2).

Hersteller von Fahrzeugen müssen nach der VO (EG) Nr. 715/2007 nachweisen, dass die von ihnen hergestellten Neufahrzeuge über eine sog. Typengenehmigung verfügen. Voraussetzung für eine solche Typengenehmigung ist die Einhaltung bestimmter Emissionsgrenzwerte, u.a. in Bezug auf Stickoxid (NOx). Die für die Ermittlung der Abgaswerte erforderlichen Messungen werden unter Laborbedingungen durchgeführt. Hierbei durchlaufen die Testfahrzeuge einen aus fünf synthetischen Fahrkurven bestehenden Testlauf (sog. Neuer Europäischer Fahrzyklus, NEFZ). Im streitgegenständlichen Motor ist eine Motorsteuergerätesoftwäre verbaut, die erkennt, wann der sog. NEFZ durchlaufen wird. Die Software kennt zwei unterschiedliche Betriebsmodi, die die Abgasrückführung steuern. Im Abgasrückführungsmodus 1, der im NEFZ aktiv ist, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate. Unter normalen Fahrbedingungen außerhalb des sog. NEFZ ist der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, der eine geringere Abgasrückführungsrate und somit einen höheren Stickoxidausstoß mit sich bringt. Weil es im normalen Straßenbetrieb praktisch ausgeschlossen ist, den NEFZ nachzufahren, befindet sich das Fahrzeug mit der verbauten Motorsteuergerätesoftwäre im normalen Straßenverkehr durchgehend im Modus 0.

Die Abgasrückführung reduziert den NOx-Ausstoß dergestalt, dass Stickoxide aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet werden und dort einen Teil der Frischladung ersetzen, die für den nächsten Verbrennungsprozess benötigt wird.

Das Kraftfahrbundesamt (nachfolgend: KBA) ordnete am 15.10.2015 den Rückruf aller von dem sog. ... betroffenen Fahrzeuge an und gab der Beklagten zu 2) auf, diese wieder in einen vorschriftsmäßigen Zustand zu versetzen. Mit einer als Anlage K11 vorgelegten Pressemitteilung vom 16.10.2015 teilte das KBA die Rückrufanordnung mit und tat kund, dass es die Auffassung, dass es sich bei der in diesen Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Hinsichtlich der 2-Liter Motoren spreche ... von einer Softwarelösung, die ab Beginn des darauffolgenden Jahres umgerüstet werden könne. Die betroffenen Halterinnen und Halter würden dazu durch den Hersteller zeitlich gestaffelt angeschrieben und aufgefordert, ihr Fahrzeug in der Werkstatt vorzuführen. Dort seien die Fahrzeuge in den vorschriftsmäßigen Zustand zu versetzen. Die Fahrzeuge seien verkehrssicher und könnten bis zum Austausch der Komponenten weiter gefahren werden.

Aufgrund der vorgenannten Maßnahme des KBA entwickelte die Beklagte zu 2) bis zum 25.11.2015 die vom KBA angeforderten technischen Maßnahmen. Für die streitgegenständliche Motorsteuergerätesoftware steht ein Update zur Verfügung, nach dessen Installation das Fahrzeug nur noch in einem adaptierten Betriebsmodus 1 betrieben wird, der bislang im Ursprungsmodus 1 praktisch ausschließlich in Testsituationen aktiv ist. Die Installation dauert ca. eine halbe Stunde und verursacht Kosten von weniger als 100,00 €. Das KBA hat mit Freigabebestätigung vom 20.06.2016 die vorgenannte technische Maßnahme für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp freigegeben (s. anonymisierte Kopie Anlage B3).

Der Kläger wurde durch ein Schreiben der ... vom 12.08.2016 darüber informiert, dass das vorgenannte Software-Update zur Verfügung steht.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.07.2016 (Anlage K2) ließ der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) die Anfechtung des Kaufvertrages und hilfsweise für den Fall, dass die Anfechtung unwirksam sei, den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und verlangte von der Beklagten zu 1) unter Fristsetzung bis 21.07.2016 die Rückabwicklung des Vertrages. Eine Frist zur Nacherfüllung wurde der Beklagten zu 1) dabei nicht gesetzt.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Anfechtungsrecht gem. § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung zu. Die Beklagte zu 2) habe den Einbau der streitgegenständlichen Software arglistig verschwiegen. Auch sei in der Preisliste und dem Prospekt zum streitgegenständlichen Fahrzeug fehlerhaft angegeben worden, dass das Fahrzeug den Vorschriften der Euro-5-Norm genüge und die gesetzlichen Forderungen eingehalten würden. Das Verhalten der Beklagten zu 2) sei der Beklagten zu 1) zuzurechnen, die Beklagte zu 2) sei nicht Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, das von ihm erworbene Fahrzeug sei aufgrund der verwendeten Software mangelhaft. Es liege auch ein Rechtsmangel i.S.d. § 435 BGB vor, da dem Kläger zum Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe die Stilllegung des Fahrzeugs gedroht habe. Aufgrund der Mangelhaftigkeit stehe ihm ein Rücktrittsrecht zu; eine Fristsetzung in Bezug auf eine Nacherfüllung sei bereits deshalb entbehrlich, weil nicht damit zu rechnen war, dass die Beklagte zu 1) innerhalb einer angemessenen Frist nachbessern würde.

Der Kläger behauptet, die streitgegenständliche Software reduziere den merkantilen Minderwert des von ihm erworbenen Fahrzeugs um 10 bis 25 %. Der Markt werde mit manipulierten Fahrzeugen überschwemmt, was zu erheblichen Abschlägen beim Verkauf eines solchen Fahrzeugs führe. Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe bereits gem. § 326 Abs. 5 BGB ein Rücktrittsrecht zu, weil der merkantile Minderwert auch durch ein Softwareupdate nicht behoben werden könne.

Ferner behauptet der Kläger, dass ein Softwareupdate folgende Nachteile mit sich bringe:

- Mehrverbrauch von Kraftstoff

- Minderleistung

- höherer Partikelausstoß

- Verkürzung der Lebenszeit des Dieselpartikelfilters

- durch höhere Temperaturen oder höheren Druck Lebenszeitverkürzung des Motors und sonstiger Teile wie z.B. des Turbo

- Minderwert des Fahrzeugs

- höhere Geräuschentwicklung

- durch sonstige Umstände eine Lebenszeitverkürzung

- sonstige Nachteile

Sofern - wie von den Beklagten behauptet - die Einspritzcharakteristik zusätzlich optimiert werde, so würde durch die damit verbundene Erhöhung des Einspritzdruckes die Dauerhaltbarkeit reduziert.

Der Kläger ist der Ansicht, eine Nachbesserung durch Einspielung eines Softwareupdates sei ihm aufgrund der zu erwartenden Nachteile nicht zumutbar, sodass ihm ein Rücktrittsrecht gem. § 440 Satz 1 BGB zustehe. Auch sei ihm eine Nachbesserung deswegen nicht zumutbar, weil er über die Verwendung der streitgegenständlichen Software arglistig nicht aufgeklärt worden sei und daher keine Nachbesserung zu dulden habe. Ein diesbezügliches Verschulden der Beklagten zu 2) sei der Beklagten zu 1) zuzurechnen, weil die Beklagte zu 2) Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 1) sei.

Aufgrund der Arglist der Beklagten zu 2) liege auch keine unerhebliche Pflichtverletzung i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB vor.

Dem Kläger stehe darüber hinaus gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf großen Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 433, 434, 437, 440 BGB und ein Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo gem. §§ 311, 241 Abs. 2 BGB wegen der Nutzung fehlerhafter Prospekte und einer fehlerhaften Preisliste zu.

Der Kläger behauptet, er sei auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen. Wichtig sei ihm gewesen, dass das Fahrzeug die Voraussetzungen für eine "grüne Plakette" erfülle; gerade der Umweltaspekt habe für ihn ein wichtiges Kaufargument dargestellt. Beim Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs seien Prospekte und Broschüren verwendet worden, in denen die Beklagte zu 2) fehlerhaft die Sparsamkeit und Umweltfreundlichkeit u.a. des streitgegenständlichen Fahrzeugs hervorhob.

Er sei aufgrund der Verwendung der streitgegenständlichen Software und darauf basierend falscher Angaben zum Schadstoffausstoß in Prospekten und Herstellerangaben durch die Beklagte zu 2) getäuscht worden. Auch sei die Beklagte zu 2) als Garantin verpflichtet gewesen, die Käufer darüber zu informieren, dass die Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet seien.

Der Kläger ist daher der Ansicht, dass ihm gegen die Beklagte zu 2) ein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB und gem. § 826 BGB zustehe. Das Verhalten der Beklagten zu 2) stelle sich als sittenwidrig dar.

Auch hafte die Beklagte zu 2) nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG und §§ 280, 241, 443, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 12, 18 der Richtlinie Nr. 2007/46/EG, §§ 4, 6, 25 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung.

Der Kläger beantragt zuletzt,

wie folgt zu erkennen:1.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei 18.600,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.07.2016 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW ... und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs ... durch die Beklagtenpartei resultieren.

3.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.

4.

Die Beklagtenparteien werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 1.680,28 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, dem Kläger stehe kein Anfechtungsrecht zu. Der Kläger habe nicht ausreichend dargelegt, worin eine arglistige Täuschung bestehe. Die Beklagte zu 2) sei im Verhältnis zur Beklagten zu 1) "Dritter" i.S.d. § 123 BGB, sodass etwaige Verfehlungen der Beklagten zu 2) der Beklagten zu 1) auch nicht zurechenbar seien. Schließlich beruhe die Kaufentscheidung des Klägers auch nicht auf einer etwaigen arglistigen Täuschung.

Die Beklagte zu 1) ist weiter der Ansicht, die verbaute Motorsteuerungssoftware führe nicht zu einem Mangel des streitgegenständlichen Pkw. Dieses sei technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich. Eine Änderung bei der steuerlichen Einstufung gehe mit der Software ebenso wenig einher wie Einschränkungen bei dem Gebrauch im Hinblick auf die Befahrbarkeit von Umweltzonen.

Die Ausführungen des Klägers zu den negativen Folgen eines Software-Updates seien unsubstantiiert. Die Behauptung des Klägers, sein Fahrzeug habe infolge der Verwendung der streitgegenständlichen Software einen merkantilen Minderwert von mindestens 10%, stelle eine Behauptung ins "Blaue hinein" dar. Aktuelle Preisschwankungen auf dem Markt für gebrauchte Dieselfahrzeuge lägen innerhalb der normalen Schwankungsbreite. Dies hätten unabhängige Institute wie die Schwacke GmbH oder die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) bestätigt.

Ein wirksamer Rücktritt scheitere auch bereits daran, dass der Kläger der Beklagten zu 1) keine angemessene Nachfrist zur Nacherfüllung gesetzt habe.

Jedenfalls sei ein Rücktritt nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung als unerheblich anzusehen sei; die Kosten für die technische Überarbeitung, d.h. für die Beseitigung eines - unterstellten - Mangels beliefen sich auf deutlich weniger als 100 € und entsprächen damit weniger als 1% des Kaufpreises.

Schließlich scheitere der Rücktritt daran, dass der Kläger die Entgegennahme der Nacherfüllung verweigert habe und somit i.S.d. § 323 Abs. 6 Alt. 1 BGB überwiegend verantwortlich sei.

Der Kläger habe auch keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1), insbesondere sei ein Anspruch aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. BGB (c.i.c.) nach Gefahrübergang durch das vorrangige Kaufrecht gesperrt.

Die Beklagte zu 2) hat die örtliche Zuständigkeit des Gerichts gerügt.

Sie ist der Ansicht, die gegen sie gerichtete Klage sei unzulässig. Für den Klageantrag Ziffer 2 fehle dem Kläger ein Feststellungsinteresse.

Der Vortrag des Klägers zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 StGB seien nicht substantiiert und daher nicht einlassungsfähig. Insbesondere habe der Kläger nicht dargelegt, welche Anpreisungen, Broschüren und Prospekte ihn angeblich zum Kauf motiviert hätten. Die Beklagte zu 2) habe den Kläger auch in keiner Weise getäuscht, insbesondere nicht über das Vorliegen der Typengenehmigung, einen etwaigen drohenden Entzug der Typengenehmigung, die Nutzbarkeit des Fahrzeugs, den NOx-Ausstoß oder die "Umweltfreundlichkeit" des Fahrzeugs.

Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass Umweltaspekte für den Kläger ein entscheidendes Kaufargument gewesen seien. Die Robustheit oder Langlebigkeit könnten ebenfalls entscheidende Kaufargumente gewesen sein. Jedenfalls habe sich der Kläger nicht über den Stickoxidausstoß Gedanken gemacht.

Dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden. Die Ausführungen des Klägers zu einem merkantilen Minderwert seien bereits unsubstantiiert. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei auch uneingeschränkt sicher und gebrauchstauglich. Finanzielle Nachteile im Hinblick auf die Kraftfahrzeugsteuer bestünden oder drohten nicht. Auch unterliege das Fahrzeug keinen Einschränkungen im Hinblick auf die Befahrbarkeit von Umweltzonen. Derzeit würden auf Kosten der Herstellerin des Fahrzeugs, der ... Software-Updates durchgeführt. Der Kläger könne jederzeit dieses Update durchführen lassen. Die Ausführungen des Klägers zu etwaigen negativen Folgen eines Updates seien unsubstantiiert. Das Update führe nicht zu einer Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs sowie einer Verkürzung der Lebensdauer des Motors und seiner Komponenten oder des Dieselpartikelfilters. Auch Kosten für die Auswechslung des Rußpartikelfilters entstünden nicht. Dass keine negativen Folgen zu erwarten sind, zeige auch die Freigabe der technischen Maßnahme durch das KBA am 20.06.2016.

Auch ein Vorsatz der Beklagten zu 2) sei nicht dargelegt.

Für einen Anspruch nach den Grundsätzen der kapitalmarktrechtlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne fehle es bereits an einem Prospekt. Auch habe die Beklagte zu 2) kein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen.

Die Beklagte zu 2) hafte auch nicht nach § 826 BGB. Dessen Voraussetzungen seien weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist teilweise zulässig und begründet.

A.

Der Klageantrag Ziffer 2. ist unzulässig.

Im Übrigen ist die Klage zulässig.

I.

Das angerufene Gericht ist für die Klage auch insoweit zuständig, als sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG. Der Kläger behauptet schlüssig (s. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 12 Rn. 14), die Beklagte zu 2) hafte nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG und beruft sich dabei auf fehlerhafte - weil den Stickoxidausstoß im Normalbetrieb falsch benennende - Angaben in Prospekten und Broschüren zum streitgegenständlichen Fahrzeug (Seite 163 der Replik, Bl. 475 f. d.A.).

Begehungsort i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG ist (auch) jeder Ort, an dem die wettbewerbsrechtlich relevante Information dritten Personen bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht wird und keine bloß zufällige Kenntnisnahme vorliegt (Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 14 Rn. 16). Dies ist bei Broschüren und Werbeprospekten zu Fahrzeugen insbesondere der Geschäftsbetrieb des Vertragshändlers, vorliegend mithin der Geschäftsbetrieb der Beklagten zu 1), der im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts belegen ist.

II.

Dem Klageantrag Ziffer 2 fehlt das Feststellungsinteresse, da es dem Kläger möglich und zumutbar ist, eine Leistungsklage zu erheben (sog. Vorrang der Leistungsklage). Im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffs in einem Prozess fehlt das abstrakte Feststellungsinteresse bei Möglichkeit einer Leistungsklage in der Regel (Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 256 Rn. 7a). Die Zulässigkeit der Feststellungsklage hängt zudem außerhalb der Verletzung absolut geschützter Rechte und Rechtsgüter von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab (BGH, Urteil v. 24.01.2006, Az. XI ZR 384/03, Rn. 27 - Juris).

Hier hat die Klägerseite nicht dargetan, weshalb ihr ausnahmsweise die Erhebung einer Leistungsklage nicht zumutbar sein soll. Der Kläger hat auf Seite 69 der Klageschrift selbst ausgeführt, "dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, das Fahrzeug der Klagepartei gegen Zahlung des Kaufpreises zurückzunehmen" und damit ihr Leistungsbegehren benannt. Auf Seite 70 der Klageschrift führt der Kläger weiter aus, dass es derzeit "noch völlig offen (sei), welche weiteren Schäden entstanden sind oder noch entstehen. Auch diese möglichen künftigen Schäden macht die Klagepartei geltend." Hieraus lässt sich nicht entnehmen, worin künftige Schäden bestehen könnten. Soweit der Kläger auf Seite 71 seiner Klageschrift mögliche Steuernachforderungen benennt sowie mögliche Schäden, die durch die Stilllegung des Fahrzeugs entstehen und mögliche Körperschäden, so ist nicht ausreichend dargetan, dass solche Schäden wahrscheinlich eintreten werden. Im Gegenteil erscheint es nach der von der Klägerseite als Anlage K11 vorgelegten Pressemitteilung des KBA - worin mitgeteilt wird, dass die betroffenen Fahrzeuge verkehrssicher seien und eine Nachrüstung zur Behebung des vorschriftswidrigen Zustandes in Aussicht stehe - als unwahrscheinlich, dass die von der Klägerseite pauschal behaupteten künftigen Schäden eintreten werden. Künftige Schäden sind für das Gericht auch sonst nicht erkennbar, zumal nach Auffassung der Klägerseite ein schadensersatzrechtlicher Anspruch auf Rückabwicklung besteht womit der vermögensrechtliche Zustand bei Kaufvertragsschluss herbeigeführt würde. Nachdem der Kläger selbst sein mögliches Leistungsbegehren benennt und im Übrigen nicht ausreichend dartut, dass künftige Schäden wahrscheinlich zu besorgen sind, fehlt ihm im Hinblick auf Ziffer 2 seines Klageantrages das Feststellungsinteresse.

III.

Der Klageantrag Ziffer 3 ist zulässig. Zwar ist der Annahmeverzug an sich kein Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 ZPO sondern eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich eine Vorfrage für die Beurteilung dieser Vorfragen (BGH, NJW 2000, 2663, 2664 [BGH 31.05.2000 - XII ZR 41/98]); etwas anderes gilt jedoch dann, wenn - wie hier - der Kläger eine Verurteilung des Beklagten zu einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung begehrt und mit einem weiteren Antrag Feststellung des Annahmeverzugs des Schuldners hinsichtlich der ihm gebührenden Leistung begehrt (BGH a.a.O.).

B.

Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 3 vollumfänglich und hinsichtlich der Klageanträge Ziffern 1 und 4 im tenorierten Umfang begründet.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

I.

Der Kläger kann von der Beklagten zu 1) gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Zahlung in Höhe des unter Ziffer I tenorierten Betrages Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Pkw verlangen.

1.

Der Kläger hat unstreitig an die Beklagte zu 1) zur Erfüllung seiner aus dem Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1) resultierenden Kaufpreisschuld eine Zahlung in Höhe von 18.600,00 € geleistet.

2.

Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte ohne Rechtsgrund, weil der Kläger seine auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung wirksam angefochten hat, so dass diese als von Anfang an nichtig anzusehen ist, § 142 Abs. 1 BGB.

a)

Der Kläger hat mit anwaltlichem Schreiben vom 07.07.2016 die Anfechtung erklären lassen.

b)

Es liegt auch ein Anfechtungsgrund i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB vor, weil der Kläger durch arglistige Täuschung zur Abgabe seiner auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung bestimmt worden ist.

Der Kläger ist nicht darüber aufgeklärt worden, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Motorsteuerungssoftware eingebaut ist, die durch den Einsatz zweier Modi auf dem Prüfstand einen Stickoxidausstoß simuliert, der im realen Fahrbetrieb nicht eingehalten werden kann. Die Beklagte zu 2) hatte diesbezüglich eine Aufklärungspflicht, da der im realen Fahrbetrieb erzielte Stickoxidausstoß die für die Typengenehmigung erforderlichen Grenzwerte nicht einhält, sodass letztlich die Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gefährdet ist.

Hierbei spielt es keine Rolle, dass die Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug tatsächlich (bislang) nicht widerrufen worden ist und das Kraftfahrtbundesamt sich für die Anordnung eines Rückrufes und die Freigabe technischer Nachrüstungen entschieden hat (s. Anlage K11). Die Ungewissheit über das spätere Vorgehen der Behörden kann nicht dazu führen, dass die Beklagte zu 2) als Entwicklerin und Herstellerin des streitgegenständlichen Motors von ihrer Pflicht befreit wird, über den Einbau einer die Zulassung gefährdenden Software aufzuklären. Ein Fahrzeug mit gefährdeter Zulassung ist mit einem wertmindernden Makel behaftet, unabhängig davon, ob die Zulassung tatsächlich widerrufen wird oder nicht; dies gilt umso mehr, als das Verhalten der Beklagten zu 2) in der Presse lange und immer wieder Thema war und ist und deshalb von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird (s. LG Frankfurt am Main, Urteil v. 07.08.2017, Az. 2-30 O 190/16, UA 7 mit überzeugendem Hinweis auf die Rechtsprechung zum merkantilen Minderwert bei Verkehrsunfällen).

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass den Verkäufer aufgrund seines Interessenkonfliktes mit dem Käufer grundsätzlich keine umfassende Aufklärungspflicht über alle wertbildenden Eigenschaften der Kaufsache trifft. Eine Aufklärungspflicht besteht jedoch hinsichtlich solcher Umstände, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für den Entschluss eines verständigen Käufers von wesentlicher Bedeutung sind, sofern eine Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann (BGH, NJW 2011, 3640, 3641 - Rn. 7). So liegt der Fall jedoch hier. Der drohende Widerruf der für das streitgegenständliche Fahrzeug geltenden Typengenehmigung hätte den Vertragszweck des Klägers - nämlich ein für die Teilnahme am Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug zu erwerben - vereitelt. Es handelt sich bei der Zulassung zum Straßenverkehr um einen Umstand von zentraler Bedeutung für den Käufer. Auch nach der Verkehrsauffassung war eine Aufklärung über die diesbezügliche Gefährdung daher zu erwarten.

Darauf, ob die Beklagte zu 1) von der Verwendung der Motorsteuerungssoftware Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, kam es vorliegend nicht an, weil die Beklagte zu 2) nicht "Dritter" i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB ist.

Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB ist der am Geschäft Unbeteiligte. Dritte können danach nur diejenigen sein, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Kreis des Erklärungsempfängers zuzurechnen sind; wer im Lager des Erklärungsempfängers steht (sog. Lagertheorie), ist im Zweifel nicht Dritter (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 123 Rn. 13). Mithin kommt es darauf an, ob eine besonders enge Beziehung in Form eines Näheverhältnisses vorliegt, bei dem aufgrund besonderer Umstände billigerweise mit einer Zurechnung zu rechnen ist.

Alleine der Umstand, dass die Beklagte zu 1) Vertragshändlerin der ... ist, begründet an sich noch kein besonderes Vertrauens- und Näheverhältnis (s. auch OLG Celle, Beschluss v. 30.06.2016, Az. 7 W 26/16, Rn. 8 - Juris). Hersteller und Vertragshändler haben nicht per se gleichlaufende Gewinninteressen (so auch LG Ellwangen, Urteil v. 19.10.2016, Az. 3 O 55/16, Rn. 49 - Juris). Sie stehen sie sich etwa in Bezug auf die Verhandlung von Kaufpreisen mit gegensätzlichen Interessen gegenüber.

Hier liegt jedoch die Besonderheit vor, dass die Beklagte zu 2) indirekt zu 100% an der Beklagten zu 1) beteiligt ist, die Beklagte zu 1) somit letztlich in den VW-Konzern eingegliedert ist. Die Beklagte zu 1) wirbt zudem im Internet wie folgt mit der Zugehörigkeit zum ..."Dieses Erfolgsrezept lässt nicht nur ... Teil des ..., sondern auch uns, die ...als 100% Tochter seit Jahren kontinuierlich wachsen. Seit 1983 werden Millionen Automobile erfolgreich nach Deutschland importiert. Unseren Kunden bieten wir somit stets ein Höchstmaß an Qualität, sowohl vor, während, als auch nach dem Automobilkauf. Gleichwohl profitieren nicht nur unsere Kunden, sondern auch unsere Angestellten davon"

(...)

Die Beklagte zu 1) erzeugt mit dieser Internetpräsentation jedenfalls den Anschein, im Lager der Beklagten zu 2) zu stehen. Wenn sie bewusst nach außen werbend besonderes Vertrauen als 100%-ige Tochter der Beklagten zu 2) in Anspruch nimmt und von den Vorteilen einer engen Zusammenarbeit mit der Beklagten zu 2) profitiert, dann muss sie sich umgekehrt auch daran festhalten lassen, soweit es - wie hier - um die Kenntnis solcher Umstände geht, die eine Aufklärungspflicht begründen (ähnlich LG München I, Urteil v. 14.04.2016, Az. 23 O 23033/15, BeckRS 2016, 10952).

Es liegt von Seiten der Beklagten zu 2) auch ein vorsätzliches Verschweigen des o.g. Umstandes vor. Der Einsatz der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware diente alleine dem Zweck, den realen Schadstoffausstoß im Prüfstand nicht abbilden zu müssen und auf diese Weise eine an sich unrechtmäßige Typengenehmigung zu erhalten. Dies wird letztlich von den Beklagten auch nicht bestritten.

Ob einzelne Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 2) - was im Einzelnen zwischen den Parteien umstritten ist - Kenntnis von der Verwendung der streitgegenständlichen Software hatten, ist dabei unerheblich.

Das Wissen der für die Entwicklung und Herstellung der Motorsteuerungssoftware verantwortlichen Personen ist der Beklagten zu 2) analog § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen, da diese Personen als Wissensvertreter der Beklagten zu 2) anzusehen sind und im Hinblick auf die Entwicklung und die Verwendung der streitgegenständlichen Software eine Pflicht zur Organisation eines Informationsaustausches bestand.

Analog § 166 Abs. 1 BGB sind dem Geschäftsherren auch Kenntnis und Kennenmüssen von sog. Wissensvertretern zuzurechnen, wobei Wissensvertreter jeder ist, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls weiterzugeben (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 166 Rn. 6). Bei juristischen Informationen ist Voraussetzung für eine Wissenszurechnung, dass sich aus § 242 BGB eine Pflicht zur Organisation des Informationsaustausches ergibt, was voraussetzt, dass Anlass zur Speicherung des Wissens bestand und was vor allem bei Wissen in Betracht kommt, das typischerweise aktenmäßig festgehalten wird; größere Betriebe dürfen durch die mit stärkerer Arbeitsteilung verbundene Wissensaufspaltung nicht begünstigt werden (Ellenberger, a.a.O., Rn. 8).

Vorliegend bestand im Hinblick auf die Entwicklung und Herstellung der streitgegenständlichen Software Anlass, die diesbezüglichen Informationen zu speichern und dem Vorstand der Beklagten zu 2) zur Verfügung zu stellen. Der Vorstand der Beklagten zu 2) als deren Vertreter musste sich damit auseinandersetzen, ob und wie die für die Typenzulassung erforderlichen Abgaswerte eingehalten werden. Das Einhalten der Abgaswerte ist nicht nur für den Umsatz und den Gewinn der Beklagten zu 2) selbst, sondern wegen drohender Genehmigungsentziehungen auch für die Verbraucher von imminent wichtiger Bedeutung. Wird extra eine Software entwickelt, um Abgaswerte der hergestellten oder herzustellenden Pkw im Testfall zu manipulieren, so darf dies - als Vorgang, der eine längere Ideenentwicklung und Zeit in Anspruch genommen haben muss - nicht am Vorstand vorbeigehen und diesem nicht verborgen bleiben. Ist dies der Fall, so kann eine ordnungsgemäße Leitung nicht stattgefunden haben (s. LG Frankfurt am Main, Urteil v. 07.08.2017, Az. 2-30 O 190/16, UA Seite 8). Nachdem die Entwicklung und der Einsatz der streitgegenständlichen Software für die Beklagte zu 2) von imminent wichtiger Bedeutung war, sind diejenigen Personen, in deren Verantwortungsbereich diese Tätigkeit lag, auch als Wissensvertreter der Beklagten zu 2) anzusehen.

Es wird vermutet, dass der Kläger bei aufklärungsrichtigem Verhalten von dem Kauf Abstand genommen hätte. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gründet auf dem Gedanken, dass sich der Aufklärungsberechtigte im Zweifel zu seinem eigenen Vorteil an einer Information orientiert, wenn er dadurch einen Schaden vermeiden kann. Zumindest bei einer - wie vorliegend wichtigen Information, nämlich der Gefährdung der Zulassung des Fahrzeugs - ist anzunehmen, dass der Kläger zur Vermeidung eines ihm drohenden Schadens davon abgesehen hätte, das streitgegenständliche Fahrzeug zu kaufen.

Die Beklagte zu 1) hat diese Vermutung nicht widerlegt. Der in Bezug auf die Kausalität erfolgte Vortrag (Seiten 50 f. der Klageerwiderung, Bl. 175 f. d.A.) ist insoweit unkonkret geblieben. Die Beklagte zu 1) hat vielmehr selbst ausgeführt, dass "für den Kläger allenfalls das Vorliegen der EG-Typengenehmigung für die Emissionsklasse EU 5 relevant" war und damit zu erkennen gegeben, dass sie selbst das Vorliegen der Typengenehmigung für eine die Kaufentscheidung beeinflussenden Faktor gehalten hat.

c)

Der Kläger kann gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Herausgabe des Erlangten, mithin Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises verlangen. Bei der Rückabwicklung ist nach der verfahrensrechtlichen Saldotheorie die Gegenleistung zu berücksichtigen, sodass der Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu erfolgen hat.

Auch hat sich der Kläger in Höhe von 5.933,73 € gem. § 818 Abs. 1, 2 BGB Nutzungsvorteile anrechnen zu lassen (zur Verrechnung gleichartiger Ansprüche s. Sprau, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 818 Rn. 50). Das Gericht hat dabei die Formel Gebrauchsvorteil = Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : erwartbare Restlaufleistung verwendet (s. zu dieser Formel OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.07.2017, Az. 3 U 39/12, Rn. 31 - Juris). Der Bruttokaufpreis des streitgegenständlichen Fahrzeuges, mit dem bis zur mündlichen Verhandlung 72.558 km gefahren worden sind, belief sich auf 18.600,00 €. Das Gericht hat eine erwartete Gesamtlaufleistung von 300.000 km und somit eine Restlaufzeit von 227.442 km in die Berechnung eingestellt, sodass sich nach der o.g. Formel Nutzungsvorteile in Höhe von 5.933,73 € ergeben. Dieser Betrag war vom Bruttokaufpreis abzuziehen, was zu der ausgeurteilten Differenz von 12.666,27 € führt.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat die Beklagte zu 1) mit anwaltlichem Schriftsatz vom 07.07.2016 (Anlage K2) u.a. zur Rückabwicklung bis zum 21.07.2016 aufgefordert. Zwar ist der bereicherungsrechtliche Rückgewähranspruch erst mit Zugang dieses Schreibens fällig geworden. Eine Mahnung kann jedoch ausnahmsweise mit der die Fälligkeit begründenden Handlung verbunden werden (BGH, NJW 2010, 2940 [BGH 13.07.2010 - XI ZR 27/10]; 2008, 50, 51 [BGH 25.10.2007 - III ZR 91/07]; 2006, 3271, 3272). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend deswegen gegeben, weil der Kläger die Beklagte aufgefordert hat, die Rückabwicklung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen und damit die für eine Mahnung erforderliche eindeutige Leistungsaufforderung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BGH, NJW 2006, 3271, 3272 [BGH 12.07.2006 - X ZR 157/05]).

III.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zu 1), sodass dem Klageantrag Ziffer 3 stattzugeben war. Der Kläger hat seine Leistung ordnungsgemäß angeboten und die ihm gebührende Gegenleistung verlangt. Vorliegend war ein wörtliches Angebot gem. § 295 Satz 1 Alt. 2 BGB ausreichend, weil bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen einheitlicher Erfüllungsort der Ort ist, wo sich die Kaufsache zur Zeit der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung nach dem Vertrag befindet, da an diesem Ort die Kaufsache zurückzugewähren ist (s. BGH NJW 1983, 1480 [BGH 09.03.1983 - VIII ZR 11/82]). Der Kläger hat mit anwaltlichem Schreiben vom 07.07.2016 (Anlage K2) gegenüber der Beklagten zu 1) die Anfechtung des Kaufvertrages und hilfsweise für den Fall, dass die Anfechtung unwirksam sei, den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären lassen und von der Beklagten zu 1) unter Fristsetzung bis 21.07.2016 die Rückabwicklung des Vertrages verlangt. Dies stellt ein ausreichendes wörtliches Angebot auch hinsichtlich der von ihm geschuldeten Leistung dar.

IV.

Soweit der Kläger mit Klageantrag Ziffer 4 von der Beklagten zu 1) Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt, ist seine Klage unbegründet.

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 286 BGB i.V.m. dem bereicherungsrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis, da die Beklagte zu 1) erst mit Ablauf der im Schreiben vom 07.07.2016 (Anlage K2) gesetzten Frist und somit nach Entstehung des anwaltlichen Vergütungsanspruchs in Verzug geraten ist.

Ein diesbezüglicher Anspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 437 Ziffer 3, 280 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Lieferung einer mangelhaften Sache. Nachdem der Kläger den mit der Beklagten zu 1) abgeschlossenen Kaufvertrag wirksam angefochten hat (s.o.) ist dieser Vertrag als von Anfang an nichtig anzusehen, § 142 Abs. 1 BGB. Mithin bestehen keine Ansprüche wegen vertraglicher Pflichtverletzungen mehr, sondern allenfalls Ansprüche aus culpa in contrahendo oder aus Deliktsrecht (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 142 Rn. 2; Wendtland, in: BeckOK, BGB, 43. Edition, Stand: 15.06.2017, § 142 Rn. 7; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 542).

Ein Anspruch aus culpa in contrahendo gem. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der unterlassenen Aufklärung über die Installation der streitgegenständlichen Software scheitert bereits an einer Pflichtverletzung von Seiten der Beklagten zu 1). Nachdem die streitgegenständliche Software von der Beklagten zu 2) entwickelt und im streitgegenständlichen Motor installiert worden ist, war allein die Beklagte zu 2) zur Aufklärung über die Installation verpflichtet. Dass die Beklagte zu 1) Kenntnis von der Installation der streitgegenständlichen Software hatte, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Die Beklagte zu 1) hat vielmehr vorgetragen, sie habe selbst erst über die mediale Berichterstattung im September 2015 von der NOx-Thematik Kenntnis erlangt und insofern keine positive Kenntnis von dem Einbau der streitgegenständlichen Software gehabt (Schriftsatz v. 29.03.2017, Seite 12, Bl. 137 d.A.). Ein diesbezügliches einfaches Bestreiten von Seiten des Klägers reichte nicht aus, da er für das Bestehen einer (vor)vertraglichen Pflichtverletzung darlegungs- und beweispflichtig ist.

Entgegen den Ausführungen des Klägers (Seite 58 der Klageschrift, Bl. 58 d.A.) kommt auch keine Zurechnung der Handlungen der Beklagten zu 2) nach § 278 BGB in Betracht, da die Beklagte zu 2) als Herstellerin nicht mit dem Willen der Beklagten zu 1) bei der Erfüllung einer dieser obliegenden Verbindlichkeit - vorliegend Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs - als ihre Hilfsperson tätig geworden ist und somit kein Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1) war (vgl. BGH, NJW 2008, 2837, 2840 [BGH 15.07.2008 - VIII ZR 211/07]). Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu den vorgenannten im Rahmen des § 123 Abs. 2 BGB gemachten Erwägungen. Ob eine Person "Dritter" i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB ist, ist wertungsmäßig unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Lösung vom Vertrag zu untersuchen wohingegen die Zurechnung nach § 278 BGB zu weitergehenden Schadensersatzverpflichtungen führen kann. § 123 Abs. 2 BGB und § 278 BGB sind also wertungsmäßig nicht zwangsläufig in Einklang zu bringen.

Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 826 BGB, weil deliktische Handlungen der Beklagten zu 1) nicht ersichtlich sind.

Gleichermaßen scheitert auch ein Anspruch aus § 831 BGB, da die Beklagte zu 2) nicht als Verrichtungsgehilfin der Beklagten zu 1) tätig geworden ist.

V.

Der Kläger hat jedoch gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in der aus dem Tenor Ziffer 3 ersichtlichen Höhe.

Zwar hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass eine anwaltliche vorgerichtliche Tätigkeit gegenüber der Beklagten zu 2) stattgefunden hat. Der klägerische Schriftsatz vom 09.05.2017, Bl. 313 ff. d.A. enthält auf Seiten 187 ff. (Bl. 499 ff. d.A.) ganz überwiegend allgemeine Rechtsausführungen ohne konkreten Bezug zum vorliegenden Fall. Worin die anwaltliche Tätigkeit gegenüber der Beklagten zu 2) bestanden haben soll, wird nicht mitgeteilt.

Der Kläger kann von der Beklagten zu 2) jedoch Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen, die ihm aus dem außergerichtlichen Vorgehen gegen die Beklagte zu 1) erwachsen sind.

Ein solcher Anspruch folgt aus § 826 BGB.

Der Schaden liegt hier in der Verpflichtung des Klägers zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (zur Höhe siehe sogleich).

Dieser Schaden ist dem Kläger durch ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2) entstanden. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (Sprau, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 826 Rn. 4 m.w.N.).

Die Entwicklung und Verwendung der streitgegenständlichen Software stellt ein sittenwidriges Verhalten im eben beschriebenen Sinne dar. Die Software wurde von der Beklagten zu 2) allein zu dem Zweck entwickelt und verwendet, um trotz Nichteinhaltens gesetzlicher Emissionsvorgaben dennoch Typengenehmigungen zu erhalten. Ein anderer Zweck ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dieser Beweggrund für die Entwicklung und Verwendung der streitgegenständlichen Software stellt sich in einer Zeit, in der die Begrenzung von Schadstoffeinträgen in die Umwelt, u.a. aufgrund drohender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, ein umfangreiches gesellschaftlichen Interesses erfährt, als sittenwidrig dar (so auch LG Frankfurt am Main, Urteil v. 07.08.2017, Az. 2-30 O 190/16, UA 7 f.). Dabei ist zudem die Funktionsweise der Software zu berücksichtigen, die auf die Besonderheiten der Prüfsituation abstellt und beim Durchlaufen des Testzyklus in einen eigens geschaffenen Betriebsmodus schaltet. Für die Umgehung der gesetzlichen Emissionsgrenzwerte wurde mithin ein nicht unerheblicher technischer Aufwand betrieben, der in besonderer Weise gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.

Die sittenwidrige Schädigung erfolgte auch mit jedenfalls bedingtem Schädigungsvorsatz in Bezug auf die Gefährdung der Zulassung der betroffenen Fahrzeuge, den diesbezüglich drohenden merkantilen Minderwert sowie hieraus resultierende Rechtsverfolgungskosten. Dabei ist das Gericht davon ausgegangen, dass einzelne - wenn auch nicht namentlich bekannte - Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 2) Kenntnis von der Verwendung der streitgegenständlichen Software hatten. Es ist prima facie davon auszugehen, dass der Vorstand über die Verwendung der streitgegenständlichen Software informiert worden ist und somit einzelne Vorstandsmitglieder einen jedenfalls bedingten Schädigungsvorsatz gebildet haben. Typischerweise wird der Vorstand bei Zugrundelegung einer verantwortungsvollen und ökonomisch sinnvollen Unternehmensführung über solche Entwicklungen und Risiken informiert, die für das Unternehmen von herausgehobener Bedeutung sind. Dies ist bei der Verwendung der streitgegenständlichen Software der Fall. Wie bereits ausgeführt wurde, war der Erhalt der Zulassung nur durch die Verwendung der streitgegenständlichen Software möglich. Nachdem von dem sog. Abgasskandal Millionen Fahrzeuge betroffen sind, handelt es sich bei der Verwendung der Software um einen Sachverhalt, der der Beklagten zu 2) einen herausgehobenen Marktanteil ermöglicht aber auf der anderen Seite mit - wie die aktuelle Berichterstattung zeigt - hochgradigen Risiken verbunden ist.

Die Beklagte hat den Anschein, dass einzelne Vorstandsmitglieder über die Verwendung der streitgegenständlichen Software in Kenntnis gesetzt worden sind, nicht erschüttert. Sie hat sich vielmehr im Wesentlichen auf ein einfaches Bestreiten und den Verweis auf die Darlegungs- und Beweislast des Klägers beschränkt. Für die Erschütterung des o.g. Anscheines oblag es ihr jedoch, im Einzelnen darzulegen, dass ein bestimmter Personenkreis unter Ausschluss des Vorstandes Kenntnis von der Verwendung der streitgegenständlichen Software hatte. Dem ist die Beklagte zu 2) nicht nachgekommen.

Wie bereits dargelegt wurde (s.o.) wird vermutet, dass der Kläger bei Kenntnis von der Installation der streitgegenständlichen Software von dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs Abstand genommen hätte, sodass die Entwicklung und Verwendung der streitgegenständlichen Software auch zum Fahrzeugkauf und zur anwaltlichen vorgerichtlichen Tätigkeit geführt hat. Der Vortrag der Beklagten zu 2) (S. 22 der Klageerwiderung, Bl. 273 d.A.), dass weitere Gründe wie die Robustheit sowie die Langlebigkeit des Fahrzeugs ebenfalls entscheidende Kaufargumente für den Kläger gewesen sein können, ist nicht geeignet, die Vermutung zu erschüttern. Auch die Beklagte zu 2) geht vielmehr davon aus, dass das Fahrzeug für die Zwecke des Klägers uneingeschränkt nutzbar ist, weil es "über die Typgenehmigung EU5 verfügt und auch nach der Entscheidung des KBA weiterhin über diese verfügen wird" (S. 23 der Klageerwiderung, Bl. 274 d.A.). Auch die Beklagte zu 2) gesteht damit letztlich zu, dass das Fehlen der Typengenehmigung den Erwerbszweck berührt und mithin deren ungefährdetes Vorliegen ein zentrales Kriterium für die Kaufentscheidung darstellt.

Der Anspruch besteht jedoch nur in der tenorierten Höhe. Der Kläger kann von der Beklagten zu 1) Freistellung lediglich von den ihm entstehenden hälftigen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen (Vorbemerkung zu Teil 3 der Anlage 1 zum RVG), mithin eine hälftige 1,3-Gebühr aus einem Streitwert von 18.600,00 € zuzüglich Unkostenpauschale und Umsatzsteuer. Eine höhere als die Durchschnittsgebühr von 1,3 war vorliegend nicht anzusetzen, da es sich um ein zivilprozessuales Verfahren mit durchschnittlichen Anforderungen handelt. Dies gilt umso mehr, als die Schriftsätze der Klägerseite ersichtlich im Wesentlichen aus für eine Vielzahl von Verfahren vorformulierten Textbausteinen zusammengesetzt sind. Zusammenfassend ergibt sich hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren folgende Berechnung:

696,00 € x 1,3 = 904,8 /2 = 452,40 € + 20,00 € = 472,40 € + 472,40 € x 0,19 = 562,16 €

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO. Sie berücksichtigt das unterschiedliche Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien unter Anwendung der sog. Baumbach'schen Formel. Das Gericht ist dabei von einem Gesamtstreitwert von 33.480,00 € ausgegangen, wobei es für die Berechnung des Streitwertes hinsichtlich des Klageantrags Ziffer 1 einen Betrag von 18.600,00 € und für den Klageantrag Ziffer 2 einen Betrag von 14.880,00 € (Bruttokaufpreis abzüglich 20%) zugrunde gelegt hat.

D.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.