OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2019 - 15 B 1272/19
Fundstelle
openJur 2019, 31285
  • Rkr:
Verfahrensgang

Die Versammlungsbehörde hat bei zu erwartenden Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs grundsätzlich die ansonsten zuständigen Straßenverkehrsbehörden zu beteiligen und Bedenken dieser Behörden gegen die Durchführung der Versammlung zu berücksichtigen und etwaige von diesen Behörden genannte Auflagen in ihre eigene Entscheidung einfließen zu lassen.

Hält die Versammlungsbehörde den Erlass hoheitlicher - namentlich straßenverkehrsrechtlicher - Anordnungen gegenüber Dritten für erforderlich, um die Durchführung der Versammlung wie angemeldet sicherzustellen, ist dies unmittelbarer Ausfluss der Konzentrationswirkung. Die Versammlungsbehörde ist folgerichtig auch für die Bekanntgabe und etwaige Durchsetzung solcher versammlungsbezogener Anordnungen zuständig.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben,

die mit Bescheid vom 13. September 2019 angeordneten mobilen Haltverbotszonen entsprechend des dem Bescheid beigefügten Beschilderungsplans durch das Aufstellen der entsprechenden Verkehrsschilder bis spätestens zum 20. September 2019 um 7:00 Uhr einzurichten.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Dabei geht der Senat davon aus, dass allein der in der Beschwerdeschrift vom 17. September 2019 formulierte Antrag zu 1) beschwerdegegenständlich ist, weil er sich gegen den stattgebenden Ausspruch des Verwaltungsgerichts richtet. Die Anträge zu 3) und 5) sprechen die Rechtsfolgen an, die sich ergäben, wenn der Eilantrag des Antragstellers abgelehnt würde. Eigens zu bescheidende bzw. im Beschwerdeverfahren bescheidungsfähige Streitgegenstände ergeben sich daraus nicht.

Der Einwand des Antragsgegners, der Antragsteller müsse selbst für die Aufstellung der mobilen Halteverbotsschilder gemäß Ziffer III. der Verfügung vom 13. September 2019 sorgen, bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsgegner für die Einrichtung der mobilen Haltverbotszonen zuständig ist. Dies ist eine Konsequenz des spezifisch versammlungsrechtlichen Konzentrationsgrundsatzes.

§§ 14, 15 VersG bilden ein in sich geschlossenes und abschließendes Regelungswerk, mit dem sichergestellt wird, dass die zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs notwendigen Maßnahmen getroffen werden können. Die Regelungen sehen nur eine Anmeldepflicht und keine Genehmigungspflicht vor. Der Schutz der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG umfasst die gesamte Rechtsordnung und damit auch straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs regeln. Die Anforderungen des Straßenverkehrsrechts bilden einen geradezu typischen Konfliktbereich im Spannungsfeld Versammlungsfreiheit - öffentliche Sicherheit. Der Ausgleich zwischen der verfassungsrechtlich gewährleisteten Versammlungsfreiheit und der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht im Rahmen eines vorgeschalteten Erlaubnisverfahrens, sondern allein nach Maßgabe des § 15 VersG erfolgen. Die Entscheidung darüber, ob und ggf. unter welchen näheren Bedingungen eine Straße für eine Versammlung benutzt werden darf, trifft damit allein die Versammlungsbehörde. Bei ihr ist die Zuständigkeit für alle die Durchführung der Versammlung betreffenden Entscheidungen unter Berücksichtigung von Inhalt und Reichweite des Art. 8 Abs. 1 GG konzentriert. Die Versammlungsbehörde hat bei zu erwartenden Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs grundsätzlich die ansonsten zuständigen Straßenverkehrsbehörden zu beteiligen und Bedenken dieser Behörden gegen die Durchführung der Versammlung zu berücksichtigen und etwaige von diesen Behörden genannte Auflagen in ihre eigene Entscheidung einfließen zu lassen.

Vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 21. April 1989 - 7 C 50.88 -, juris Rn. 15; ThürOVG, Beschluss vom 4. Juli 2013 - 2 EO 414/13 -, juris Rn. 7; Hess. VGH, Beschluss vom 31. Juli 2008 - 6 B 1629/08 -, juris Rn. 13; OVG Saarl., Beschluss vom 12. November 2004 - 1 W 41/04 -, juris Rn. 11.

Hält die Versammlungsbehörde danach den Erlass hoheitlicher - namentlich straßenverkehrsrechtlicher - Anordnungen gegenüber Dritten für erforderlich, um die Durchführung der Versammlung wie angemeldet sicherzustellen, ist dies unmittelbarer Ausfluss der Konzentrationswirkung. Die Versammlungsbehörde ist folgerichtig auch für die Bekanntgabe und etwaige Durchsetzung solcher versammlungsbezogener Anordnungen zuständig.

Gemessen an diesen Maßstäben fällt die Einrichtung der mobilen Haltverbotszone durch Aufstellen der zugehörigen Beschilderung in die Zuständigkeit des Antragsgegners. Er hat die Versammlungsfläche einschließlich der Parkflächen entlang des Hansarings bestätigt; infolgedessen trifft ihn auch die Pflicht zur (verkehrlichen) Sicherung dieses gesamten Versammlungsraums. Die diesem Sicherungszweck dienende Ziffer III. der Verfügung vom 13. September 2019 ist eine unmittelbar versammlungsbezogene hoheitliche Maßnahme, für deren vollständige Umsetzung der Antragsgegner aufgrund des versammlungsrechtlichen Konzentrationsgrundsatzes zuständig ist. Aus dem gänzlich anders strukturierten Planfeststellungsrecht, zu dem der Antragsgegner eine Parallele zieht, kann er nichts für sich herleiten.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beschaffung und Aufstellung der mobilen Halteverbotsschilder dem Antragsgegner unmöglich oder unzumutbar wäre. Dies erscheint im Wege der Kooperation - oder auch Amtshilfe - mit der Beigeladenen als ohne Weiteres durchführbar.

Die gegenteilige Sichtweise hätte im Übrigen zur Folge, dass der Antragsteller die Kosten der Beschilderung zu tragen hätte, die er mit 2.635,- € angibt. Eine derartige Kostentragungspflicht könnte geeignet sein, von der Ausübung des Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG abzuhalten und würde zudem in Konflikt mit dem grundrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters geraten.

Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2007 - 1 BvR 943/02 - juris Rn. 40.

Dies ist im Hinblick auf die zur Versammlungsfläche gehörenden Parkflächen am I.---ring von besonderem Gewicht, weil diese einen direkten Bezug zum kommunikativen Anliegen des Versammlungsthemas "Viertel for future / Park(ing) Day @I.----ring " aufweisen. Diese potentielle Beeinträchtigung des Versammlungsgrundrechts, das gegenüber sonstigen privaten Sondernutzungen privilegiert ist, ist mit Hilfe der Anwendung des versammlungsrechtlichen Konzentrationsgrundsatzes auf die vorliegende Fallgestaltung zu vermeiden.

Wie der versammlungsrechtlich zu findende Interessenausgleich im Sinne einer praktischen Konkordanz bei anderen Versammlungslagen auszufallen hätte, ist eine nicht allgemein zu beantwortende Frage des jeweiligen Einzelfalls.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).